Stellungnahme vom 14.11.2008
Der Deutsche Notarverein dankt für die Möglichkeit, sich zum vorgenannten Vorschlag äußern zu können und nimmt diese gerne wahr.
Wir erlauben uns dabei, nur auf diejenigen Änderungsvorschläge einzugehen, die einen engen Bezug zur notariellen Praxis haben.
I. Grundsätzliches
Der Deutsche Notarverein teilt zunächst die im Vorschlag geäußerte Auffassung, dass Berichtspflichten im betroffenen Bereich teilweise ausgeufert sind und die Gesellschaften übermäßig belasten. Dem liegt jedoch nicht in geringem Maße weniger ein juristisches oder bilanztechnisches Problem zu Grunde, sondern nach unserer Auffassung vielmehr ein kulturelles. Was für einen deutschen Wirtschaftsprüfer / Steuerberater / Notar ein ausreichend detaillierter Verschmelzungsbericht sein mag, der die Interessen aller Beteiligten angemessen widerspiegelt, so dürfte dieser für einen Franzosen als extrem lang und für Italiener als lächerlich kurz erscheinen. Für einen Berufsaktionär wird jeder Bericht zu kurz sein, für die den Bericht erstellenden Berater gibt zumindest auch die Zahl der „billable hours“ die Berichtslänge vor. Hieran wird sich auch durch den Vorschlag der Kommission nichts ändern. Sinnvoll erscheint es hingegen, in Artikel 1 Nr. 4 (Neufassung von Art. 9 Abs. 1 der Verschmelzungsrichtlinie) das Wort „ausführlich“ zu streichen und klarzustellen, dass auch ein gemeinsamer Bericht zulässig ist. Kürze war noch nie ein Qualitätsmangel. Entscheidend ist, dass die notwendigen Erläuterungen und Begründungen gegeben werden, nicht, dass dies auch noch „ausführlich“ erfolgt. Eine entsprechende Änderung empfiehlt sich für Art. 7 Abs. 1 der Spaltungsrichtlinie. In Art. 7 der Richtlinie 2005/56/EG fehlt das Wort ohnedies bereits.
II. Zu den Vorschlägen im einzelnen
1. Zu Art. 1 Nr. 2 (Änderung Art. 6 der Richtlinie 78/855/EG), Art. 2 Nr. 1 (Änderung von Art. 4 der Richtlinie 82/891/EWG) und Art. 3 Nr. 1 (Änderung von Art. 6 der Richtlinie 2005/56/EG)
Der Deutsche Notarverein begrüßt im Grundsatz die Möglichkeiten, moderne Kommunikationswege zwischen Gesellschaft und etwa Aktionären zu eröffnen, möchte aber auf einige Schwächen im Vorschlag hinweisen.
Die Möglichkeit, von einer Veröffentlichung der Verschmelzungspläne im Handelsregister/Unternehmensregister zu Gunsten einer Veröffentlichung auf der eigenen Website abzusehen und diese nur im Handelsregister zu verlinken, betrachten wir als nicht zweckdienlich. Sie führt zu Manipulationsmöglichkeiten auf Seiten der Gesellschaft, die weitgehend unbemerkt bleiben dürften und schwächt das Register als zentrale Informationsplattform für alle gesellschaftsrelevanten Angelegenheiten. Datensicherheit, -verfügbarkeit und vor allem dauerhafte Reproduzierbarkeit der Informationen sind unserer Auffassung nach wichtige Gesichtspunkte, die hier nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Ein echtes Einsparpotenzial gegenüber dem bisherigen Zustand können wir zudem nicht erkennen.
Wir erlauben uns weiterführend auf unsere Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) zu verweisen, in der wir etwa unter Ziffer II.2. ausführlich verschiedene Aspekte des hier nur angerissenen Problemkreises geschildert haben. Insbesondere sind wir hier auf Aspekte der technischen Systemverfügbarkeit eingegangen, die die Kommission nicht hinreichend berücksichtigt.
Die vorstehenden Bedenken betreffen auch Art. 3 Nr. 1 des Vorschlags der Kommission.
2. Zu Art. 1 Nr. 5 b) und c) (Änderung des Artikel 11 der Richtlinie 78/855/EWG)
Auch zu Art. 1 Nr. 5 b) und c) möchten wir weitgehend auf unsere Stellungnahme zum Referentenentwurf ARUG verweisen. Es erscheint als nicht verhältnismäßige Beschränkung der Aktionsrechte, den Aktionär bei Nicht-Verfügbarkeit eines Internetanschlusses oder PC vom Zugang zu ihm möglicherweise relevanten Berichten / Unternehmensverträgen vollständig auszuschließen. Liest man die Begründung (Ziffer 5.1.5) so soll es wohl auf Dauer möglich sein, einen Aktionär ausschließlich elektronisch zu informieren, nur weil dieser zu einem beliebigen Zeitpunkt der Gesellschaft eine E-Mailadresse mitgeteilt hat. Im Hinblick auf die Fungibilität von E-Mailadressen und die bekannten Probleme beim Wechsel des DSL-Providers erscheint eine solche Regelung als zu weitgehend. Zudem setzt der neue Art. 11 Abs. 4 Unterabsatz 2 der Verschmelzungsrichtlinie (bzw. Art. 9 Abs. 4 Unterabsatz 2 der Spaltungsrichtlinie) eine technische Verfügbarkeit der Webseite während des gesamten Zeitraums der Auslegungspflicht voraus. Das ist illusorisch; hier sollte die EU-Kommission erst einmal an die eigene Tür klopfen. Jedenfalls sollte dem Aktionär die Möglichkeit offen stehen, eine einmal erteilte Einwilligung zu widerrufen.
3. Zu Art. 1 Nr. 9-12 (Änderung der Richtlinie 78/855/EWG) und Art. 2 Nr. 8-9 (Änderung der Richtlinie 82/891/EWG)
„Und bist Du nicht willig, so brauch’ ich Gewalt“, mit diesem Worten des Erlkönigs lässt sich hier das Vorgehen der Kommission umschreiben. Die in diesen Vorschriften liegende Abschaffung von Wahlrechten der Mitgliedstaaten wäre nur gerechtfertigt, wenn der bestehende Zustand der Verwirklichung des Binnenmarkts entgegen stehen würde. Dies ist weder seitens der Kommission dargetan noch sonst ersichtlich. Als Begründung für die Abschaffung von Wahlrechten dient der Satz, die Mitgliedsstaaten hätten hiervon nicht durchweg Gebrauch gemacht. Für Gesetzgebung mit Strafcharakter sehen die Europäischen Verträge jedoch keine Kompetenz vor.
Vielmehr schafft das bestehende Nebeneinander verschiedener Weg zum Ziel Gestaltungsspielräume für die betroffenen Unternehmen, die durch die Abschaffung dieser Wahlrechte bürokratisch regulierend eingeengt werden. Betroffen sind hiervon vor allem KMU, unter deren Anteilseignern über die Notwendigkeit einer Umstrukturierung einhelliger Konsens besteht und für die das Fassen von Beschlüssen der Anteilsinhaber die einfachere und billigere Alternative gegenüber dem nunmehr allein vorgeschriebenen Weg darstellt. Solche Gesellschaften brauchen keinen oktroyierten Minderheitenschutz, ebenso wie es auf der anderen Seite unangebracht ist, Minderheiten bei Publikumsgesellschaften diesen Schutz vor Manipulationen bei der Bemessung der Wertrelation zu nehmen.
Die nunmehr zwangsweise Regelung der Bagatellverschmelzung bzw. –spaltung sowie der Verschmelzung gegen Abfindung verstößt gegen den Grundsatz der Subsidiarität und ist daher überflüssig.
Aus den Regelungen zur Bagatellverschmelzung lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob mit der Abschaffung des Wahlrechts der Mitgliedstaaten diesen auch zugleich die Möglichkeit genommen ist, weiterhin alternativ einen Beschluss der Hauptversammlung des übernehmenden Rechtsträgers oder eine vorherige Offenlegung des Umwandlungsvorhabens vorzusehen. Dies wäre misslich. § 62 UmwG ist für übernehmende Publikumsgesellschaften sicher das Mittel der Wahl, nicht hingegen für KMU. Die vorherige Bekanntmachung macht ein Umwandlungsvorhaben vorzeitig bekannt und kostet vor allem Zeit, die mit Blick auf § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG nicht mehr zur Verfügung steht. Demgegenüber löst die Beurkundung der Umwandlungsbeschlüsse aller beteiligten Rechtsträger in einer Niederschrift die Notargebühren nur einmal aus. Sollte der Vorschlag der Kommission so zu verstehen sein, dass es künftig nur „einen Weg nach Rom“ gibt, wäre er ein Musterbeispiel bürokratisch-autoritärer Überregulierung vergleichbar den Vorschriften über die Krümmung von Salatgurken.
Besonders kritisch zu bewerten ist Art. 1 Nr. 11. Deutschland hat wegen der Implikationen dieser Verschmelzungsvariante (Folgen für das Kapitalschutzrecht, insbesondere § 57 AktG), bislang von einer Umsetzung in nationales Recht abgesehen, und dies mit Recht. Da die Gläubiger der beteiligten Rechtsträger an der Festlegung der Verschmelzungswertrelation nicht beteiligt sind, sind Manipulationen zu deren Lasten denkbar. Der Kommissionsvorschlag engt den Entscheidungsspielraum des nationalen Gesetzgebers hier ohne Rücksicht auf „Nebenwirkungen“ auf das nationale Kapitalschutzrecht ein.
4. Art. 1 Nr. 5 a) ii) und Art. 2 Nr. 6 (Änderung von Art. 11 der Richtlinie 78/855/EWG bzw. Art. 10 der Richtlinie 82/891/EWG)
Die Verzichtbarkeit der Zwischenbilanz durch die Aktionäre des betreffenden Rechtsträgers entspricht schon jetzt der bewährten umwandlungsrechtlichen Praxis. Aus der Sicht einer regulierungseffizienten Rechtsordnung wie der deutschen ist ohnedies jedes subjektive Recht durch seinen Gläubiger verzichtbar. Die Zwischenbilanz schützt nur die Aktionäre, nicht sonstige Gläubiger, die Aktionäre können daher auf ihre Erstellung und Vorlage verzichten. Die Änderung der Spaltungsrichtlinie enthält daher insoweit eine begrüßenswerte Klarstellung. Sinnvoll erscheint allenfalls eine Fassung der Richtlinie dahin gehend, dass diejenigen, zu deren Schutz eine Vorschrift erlassen wurde, immer und in jeder Lage des Verfahrens auf diesen Schutz verzichten können.
Schief ist hingegen die entsprechende Änderung der Verschmelzungsrichtlinie. Der Verzicht ist ein Rechtsgeschäft und kein Beschluss. Die Formulierung des Vorschlags legt einen Verzicht durch Beschluss nahe. Und wenn schon Beschluss: welche Mehrheit soll für diesen gelten?
Für beide Änderungen sollte klargestellt werden, dass Inhaber von Wandel- und Optionsanleihen nicht Adressaten der Verzichtsregelung sind, solange noch keine Bezugsaktien entstanden sind. Die Zwischenbilanz schützt nicht die Gläubiger, sondern nur die jetzigen (und nicht die künftigen) Aktionäre.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.