Stellungnahme vom 27.02.2012
Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme. Unsere Stellungnahme möchten wir auf die vorgesehene Erweiterung des Vergaberechts auf die Rechtsberatungsberufe, namentlich auf die Notare, beschränken.
I. Richtlinie 2004/18/EG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge
Rechtsdienstleistungen sind nach der heute geltenden Vergaberichtlinie 2004/18/EG von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgenommen, Art. 21 i. V. m. Anhang II Teil B Kategorie 21. Anders als der Regelungsvorschlag erscheint die Unterscheidung von prioritären und nichtprioritären Dienstleistungen weiterhin zweckmäßig. Diese Differenzierung wurde ausweislich des Erwägungsgrunds 19 der Richtlinie 2004/18/EG insbesondere deshalb vorgenommen, die öffentliche Ausschreibung auf
Leistungen zu beschränken, die einen Binnenmarktbezug aufweisen und bei denen „eine Zunahme des grenzüberschreitenden Handels“ gefördert werden soll. Eine Binnenmarktrelevanz ist bei Rechtsdienstleistungen in toto nicht gegeben, wovon auch augenscheinlich bei der Richtlinie 2004/18/EG ausgegangen wurde.
II. Aufgabe der Unterscheidung von prioritären und nichtprioritären Leistungen
Rechtsdienstleistungen sollen nach dem Vorschlag der Kommission in den Anwendungsbereich der Vergaberichtlinie einbezogen werden. Als Begründung wird in Erwägungsgrund 10 angeführt, dass „[…] Hotel- und Rechtsdienstleistungen […] einen besonders hohen Prozentsatz an grenzüberschreitenden Geschäften aufweisen“. Dies kann nur entschieden verneint werden. Gerade Rechtsberatungsleistungen weisen naturgemäß einen engen Bezug zum jeweiligen nationalen Recht und vor allem zu den Strukturen des nationalen Rechtssystems auf. Einen Binnenmarkt für Rechtsdienstleistungen gibt es ebenso wenig wie die grenzüberschreitende Hotelübernachtung.
Nach nationaler Definition der öffentlichen Auftragsvergabe ist die notarielle Beurkundung bereits qua definitionem ausgeschlossen, handelt es sich doch bei ihr um eine hoheitliche Tätigkeit und eben nicht um einen entgeltlichen Vertrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB. Nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts steht der Notar nicht in einem privatrechtlichen Auftragsverhältnis zu den Rechtssuchenden; seine Beziehungen zu den Beteiligten sind vielmehr durch öffentliches Recht geregelt. Der Notar nimmt aufgrund seiner Amtsstellung eine staatliche Aufgabe wahr. An dieser völkerrechtlichen Rechtslage hat sich auch durch die Entscheidung des EuGH vom 24. Mai 2011 (Az.: C-54/08) nichts geändert.
Nach § 29 BNotO hat der Notar jedes gewerbliche Verhalten, insbesondere eine dem öffentlichen Amt widersprechende Werbung, zu unterlassen. Dem Notar ist es damit berufsrechtlich untersagt, an einer etwaigen öffentlichen Ausschreibung teilzunehmen und entsprechende Angebote einzureichen. Eine gegenständlich auf notarielle Leistungen abzielende öffentliche Ausschreibung wäre folglich schlicht rechtswidrig. Der Notar sähe sich durch eine Ausschreibung zu rechtswidrigem Handeln veranlasst.
Weiter ist der Notar als Teil der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Amtsausübung verpflichtet. Er kann seine Amtstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund verweigern, sondern hat einem Beurkundungsverlangen grundsätzlich zu entsprechen, § 15 Abs. 1 BNotO. Die Beurkundungstätigkeit des Notars muss dabei gem. § 10a BNotO innerhalb seines Amtsbezirks erfolgen. Außerhalb des festgelegten Amtsbezirks darf der Notar seine Amtstätigkeit nur bei Vorliegen von besonderen berechtigten Interessen der Rechtsuchenden ausüben. Die Amtspflichten sind ebenfalls bundeseinheitlich festgelegt; damit auch der Kernbereich der Leistung.
Die für die notariellen Leistungen zu erhebenden Gebühren und Auslagen sind nach der Kostenordnung zu berechnen. Die Kosten sind damit bundeseinheitlich festgelegt; die Kostenberechnung ist gerichtlich nachprüfbare Rechtsanwendung, nicht unternehmerische Kalkulation. Folglich wäre – ließe man eine Ausschreibung für notarielle Leistungen zu – jedes Angebot gleich. Preisunterschiede sind hier nicht gegeben. Zudem sind dem Notar Vereinbarungen über die Gebühren gesetzlich verboten, § 140 KostO. Deshalb kann der Notar kein verbindliches Angebot abgeben.
Damit ist ein Vergabeverfahren, durch eine Ausschreibung das preisgünstigste oder wirtschaftlichste Angebot zu finden (so Art. 66 Zuschlagskriterien des Vorschlags), für den Bereich regulierter Leistungen – erst recht für den Bereich hoheitlicher Tätigkeiten – sinnentleert. Es wäre eine reine Förmelei, die anzuordnen nicht mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit in Einklang zu bringen ist und überdies keinen wirtschaftlichen Nutzen bringt.
III. Fazit
Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass eine Anwendung des Vergaberechts auf Notare auch künftig ausgeschlossen bleiben muss. Eine Binnenmarktrelevanz ist für den notariellen Bereich schlicht nicht gegeben. In Erwägungsgrund 26 der Richtlinie 2004/18/EG wird zu den Schiedsgerichten und Schlichtungsstellen ausgeführt, dass diese „normalerweise von Organisationen und Personen übernommen [werden], deren Bestellung oder Auswahl in einer Art und Weise erfolgt, die sich nicht nach Vergabevorschriften für öffentliche Aufträge richten kann.“ Folglich richtig sind die Schiedsgerichte von dem vorgelegten Vorschlag ausgenommen, Art. 10 lit. (c). Die gleichen guten Gründe gelten erst recht für Notare, so dass ein entsprechender Ausnahmetatbestand auch für notarielle Leistungen vorzusehen ist.
Für weitere Fragen stehe ich gern zur Verfügung.