Vereinfachung des Amtslöschungsverfahrens gemäß § 394 FamFG – Beschluss der 90. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister

Stellungnahme vom 17.02.2020

Die Justizministerinnen und Justizminister haben bei ihrer Herbstkonferenz am 7. November 2019 beschlossen, eine länderoffene Arbeitsgruppe einzurichten, die den Handlungsbedarf und eine mögliche Vereinfachung des Löschungsverfahrens in Registersachen prüfen und ggf. einen entsprechenden Regelungsvorschlag erarbeiten soll. Hintergrund sind laut dem Beschluss Mitteilungen der registergerichtlichen Praxis und der Industrie- und Handelskammern, wonach die Löschung von Gesellschaften aus dem Handelsregister, die den Betrieb längst eingestellt haben und nicht mehr erreichbar sind, erhebliche Schwierigkeiten bereite. Eine Vielzahl solcher inaktiven und nur „auf dem Papier“ existierenden Gesellschaften könne nicht gelöscht werden und verursache bei den Registergerichten immer wieder Bearbeitungsaufwand.

Der Deutsche Notarverein begrüßt die Initiative der Justizministerinnen und Justizminister, das Thema in einer Arbeitsgruppe näher zu untersuchen. Aus unserer Sicht sollten bei einer möglichen Reform zwei Problemkreise unterschieden werden:

  1. Die Voraussetzungen für eine Amtslöschung von „Gesellschaften, die den Betrieb längst eingestellt haben und nicht mehr erreichbar sind“, sollten allenfalls mit größter Vorsicht gelockert werden (dazu A.).
  2. Es könnte aber erwogen werden, dass der Gesetzgeber eine weitere Möglichkeit zur Beendigung einer Kapitalgesellschaft für Fälle schafft, in denen es für das Liquidationsverfahren mit Einhaltung des Sperrjahres rechtlich kein Bedürfnis gibt (dazu B.). Bei entsprechender Ausgestaltung könnte hierbei ein Entlastungseffekt für die Registergerichte erzielt werden.

 

A. Löschung von Gesellschaften, die den Betrieb eingestellt haben und nicht mehr erreichbar sind

I. Vermögenslosigkeit als Kernvoraussetzung

Nach § 394 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann eine AG, KGaA, GmbH oder Genossenschaft, die kein Vermögen besitzt, von Amts wegen oder auf Antrag der Finanzbehörde oder der berufsständischen Organe gelöscht werden. Gleiches gilt für oHG und KG, bei denen keiner der persönlich haftenden Gesellschafter eine natürliche Person ist, wenn die für die Vermögenslosigkeit geforderten Voraussetzungen sowohl bei der Gesellschaft als auch bei den persönlich haftenden Gesellschaftern vorliegen (§ 394 Abs. 4 FamFG).

Kernvoraussetzung dieser sog. Amtslöschung ist die Vermögenslosigkeit. Diese ist gegeben, wenn die Gesellschaft über keine Vermögenswerte mehr verfügt, die für eine Gläubigerbefriedigung oder eine Verteilung unter die Gesellschafter in Betracht kommen.[1] Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Löschungsanordnung.[2] Dabei ist verschwindend geringes Vermögen ausreichend, um eine Löschung abzulehnen.[3] Auch das Vorhandensein von formalen Vermögenswerten, z. B. eingetragene Grundschulden oder sonstige Eintragungen im Grundbuch zugunsten der Gesellschaft, hindern die Löschung, auch wenn in materiell-rechtlicher oder wirtschaftlicher Hinsicht die Rechte keinen Wert aufweisen, materiell-rechtlich nicht mehr bestehen oder die Gesellschaft zur Abgabe einer Löschungsbewilligung verpflichtet ist.[4] Allein mit der Überschuldung der Gesellschaft steht ihre Vermögenslosigkeit nicht fest, da Vermögenswerte vorhanden sein können, die erst noch zu verwerten sind, bevor die Gesellschaft endgültig vermögenslos ist.[5]

 

II. Hohe Anforderungen an die Registergerichte bei der Feststellung der Vermögenslosigkeit

Die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an die Registergerichte hinsichtlich der Feststellung der Vermögenslosigkeit im oben genannte Sinne. Ausgehend vom Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG) muss das Registergericht seine Überzeugung auf ausreichende Ermittlungen und positive Feststellungen im Einzelfall stützen.[6] Im Löschungsverfahren nach § 394 FamFG hat das Registergericht wegen der schwerwiegenden Folgen einer Löschung wegen Vermögenslosigkeit die tatsächlichen Umstände, aus denen auf diese Vermögenslosigkeit geschlossen werden kann, genau und gewissenhaft zu prüfen.[7] Seine Überzeugung von der Vermögenslosigkeit muss auf einer positiven Feststellung im Einzelfall beruhen, sie kann nicht allein auf die unterlassene Darlegung noch vorhandenen Vermögens gestützt werden.[8]

 

III. Folgen einer Herabsetzung der Anforderungen

Die skizzierten hohen Anforderungen führen bei den Registergerichten dem Vernehmen nach zu hohem Aufwand, insbesondere dann, wenn vorher kein Insolvenzverfahren bzw. Insolvenzeröffnungsverfahren stattgefunden hat, in dem es Vorermittlungen gab. Wenn die Gesellschaften – im Sinne des Beschlusses der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister – „den Betrieb längst eingestellt haben und nicht mehr erreichbar sind“, haben die Registergerichte verständlicherweise erhebliche Schwierigkeiten, den Sachverhalt, wie von der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung gefordert, festzustellen.

Theoretisch wäre es daher denkbar, die Anforderungen der Rechtsprechung gesetzlich abzuschwächen. Hierbei könnte beispielsweise daran angeknpft werden, dass die Amtslöschung auch dann erfolgen darf, wenn die Gesellschaft (vertreten durch ihre Organe) nach Aufforderung durch das Registergericht keine Angaben zu etwaigem Vermögen macht. Indes wären bei einer Herabsetzung der Anforderungen durch den Gesetzgeber die nachfolgend skizzierten Folgen zu bedenken.

 

  • Eine einmal vollzogene Löschung kann nachträglich nicht mehr beseitigt werden, eine Ausnahme gilt nur dann, wenn wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt wurden.[9] Eine nach § 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG als vermögenslos gelöschte GmbH ist ausnahmslos nicht fortsetzungsfähig,[10] auch dann nicht, wenn tatsächlich noch Vermögen (ggf. sogar in schuldendeckendem Umfang) vorhanden ist.[11] Eine entsprechend gelöschte Gesellschaft kann damit von den Gesellschaftern nicht fortgesetzt werden, auch wenn sie dies beabsichtigen. Möglich ist allein die Nachtragsliquidation, die aber nicht zu einer „Reaktivierung“ der werbenden Gesellschaft führt, sondern lediglich der Abwicklung hinsichtlich des noch vorhandenen Vermögens dient.
  • Müssten die Amtsgerichte in bestimmten Fällen nicht mehr ermitteln, ob eine Gesellschaft noch über Vermögen verfügt, werden Nachtragsliquidationen häufiger notwendig sein. Das gilt sowohl für sonstiges nachträglich aufgefundenes Vermögen als auch für formale Buchpositionen wie Eintragungen in Grundbüchern. Ein möglicher Entlastungseffekt würde damit zumindest teilweise konterkariert, man hätte mit Zitronen gehandelt.
  • Eine Amtslöschung trotz vorhandenen Vermögens ist zudem im Ergebnis für die Beteiligten relativ teuer. Die gerichtliche Bestellung eines Nachtragsliquidators löst Gerichtskosten in Höhe von 1.332,00 € aus (2,0-Gebühr nach Nr. 13500 nach Tabelle A aus einem Verfahrenswert von 60.000 € gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG).[12] Daneben sind die wirtschaftlichen Folgen zu bedenken, die daraus erwachsen, dass die Gesellschaft nicht mehr fortgesetzt werden kann.

 

B. Löschung bei Vermögenslosigkeit vor Ablauf des Sperrjahres aufgrund eines Antrags der Gesellschaft

I. Gesetzlich vorgesehene Abwicklung/Liquidation nach Auflösung der Gesellschaft

Wollen die Gesellschafter die Gesellschaft (außerhalb insolvenzrechtlicher Verfahren) auflösen, sieht das Gesetz an sich vor, dass die Gesellschafter einen Auflösungsbeschluss fassen (§ 262 Abs. 1 Nr. 1 AktG, § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) und die Gesellschaft anschließend abgewickelt (§§ 264 ff. AktG) bzw. liquidiert (§ 66 ff. GmbHG) wird.

Das Abwicklungs-/Liquidationsverfahren ist relativ aufwendig. Der in der Regel gleichzeitig mit dem Auflösungsbeschluss bestellte Abwickler/Liquidator muss zunächst den Beschluss zur Eintragung ins Handelsregister anmelden (§§ 263, 266 AktG/§§ 65, 67 GmbHG). Zudem ist die Auflösung vom Liquidator im Bundesanzeiger[13] bekannt zu machen. Dabei sind zugleich die Gläubiger der Gesellschaft aufzufordern, sich bei derselben zu melden (§ 267 AktG, § 65 Abs. 2 Satz 2 GmbHG). Das Vermögen darf erst dann an die Gesellschafter verteilt werden, wenn die Gläubiger befriedigt sind und frühestens nach Ablauf eines Jahres nach der Aufforderung an die Gläubiger (§§ 271, 272 AktG; § 73 GmbHG). Die Einhaltung des Sperrjahres ist zwingend, selbst die Zustimmung aller bekannten Gläubiger entbindet hiervon nicht, weil die Norm auch die unbekannten Gläubiger schützt.[14] Nach Beendigung der Abwicklung/Liquidation haben die Abwickler/Liquidatoren dieses zum Handelsregister anzumelden, das die Gesellschaft dann löscht (§ 273 Abs. 1 AktG, § 74 Abs. 1 GmbHG).

Da die aufgelöste Gesellschaft als Steuerobjekt fortbesteht, sind im Sperrjahr eine Reihe steuerlicher Verpflichtungen zu erfüllen, insbesondere Jahresabschlüsse aufzustellen, selbst wenn die Gesellschaft keine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet, bzw. nur solche, die aufgrund der Beachtung der gesetzlichen Regelungen anfallen (insbesondere anfallende Steuerberaterkosten für den Jahresabschluss).

 

II. Wege in der Praxis zur Vermeidung der Liquidation mit Sperrjahr

In der Praxis wird das oben skizzierte Verfahren insbesondere wegen des Sperrjahres häufig als unnötig langwierig empfunden, wenn die Gesellschaft aus Sicht der Beteiligten offensichtlich weder über Vermögen verfügt noch mit Verbindlichkeiten belastet ist. Verkürzend wird von „vermögenlosen Gesellschaften“ gesprochen, wobei treffender die Bezeichnung „vermögens- und verbindlichkeitslose“ Gesellschaften wäre. Betroffen sind insbesondere Ein-Personen-Gesellschaften mit nur einem Gesellschafter-Geschäftsführer, die ihren häufig ohnehin überschaubaren Geschäftsbetrieb schleichend heruntergefahren haben, bis er faktisch eingestellt wurde. Ferner wären Gesellschaften erfasst, die nie einen relevanten Geschäftsbetrieb aufgenommen haben, bei denen die Gründungsabsicht kurze Zeit nach der Gründung gewissermaßen wieder aufgegeben wurde.

In der Praxis wird versucht, das Ziel einer raschen Löschung auf anderen Wegen zu erreichen.

 

1. Verschmelzung

 Eine „klassische“ Alternative zur Abwicklung/Liquidation ist – auch und gerade dann, wenn noch Vermögen vorhanden ist – die Verschmelzung der Gesellschaft auf eine andere Gesellschaft oder auf den Alleingesellschafter (zu letzterem: § 120 UmwG). Dieser Weg wird häufig deshalb gescheut, weil er wegen der zwingenden Gesamtrechtsnachfolge zur Haftung des aufnehmenden Rechtsträgers bzw. Alleingesellschafters für etwaige Verbindlichkeiten der Gesellschaft führt (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Dies gilt erfahrungsgemäß verschärft, wenn aufnehmender Rechtsträger eine natürliche Person ist.

 

2. Anregung zur Amtslöschung

Sofern die Gesellschaft vermögenslos ist, versucht die Rechtspraxis daher, die Gesellschaft im Wege der Amtslöschung nach § 394 Abs. 1 FamFG löschen zu lassen. Hierbei sind jedoch weder die Gesellschaft noch die Gesellschafter antragsbefugt (das sind allein Finanzbehörde und berufsständische Organe). Die vertretungsberechtigten Organe der Gesellschaft regen daher nur beim Registergericht an, die Gesellschaft nach § 394 FamFG von Amts wegen zu löschen.

Konkret wird dazu – wie sonst auch – die Auflösung einschließlich der Bestellung der Abwickler/Liquidatoren beschlossen und zum Handelsregister angemeldet. Teil dieser Handelsregisteranmeldung ist zusätzlich die Darlegung (und regelmäßig die Versicherung), dass die Gesellschaft vermögenslos ist.[15]

Diese Art der „Blitzlöschung“[16] war in der Praxis durchweg anerkannt[17] und wurde auch von der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung bestätigt.[18] Dieser Rechtsprechung zufolge könne im Ergebnis von der Einhaltung eines Sperrjahres abgesehen werden, wenn kein verteilungsfähiges Vermögen der Gesellschaft mehr vorhanden ist. Denn in diesem Fall sei der Sinn und Zweck der Gläubigerschutzvorschriften der §§ 271, 272 AktG und § 73 GmbHG entfallen, allen Gläubigern die Chance der Meldung zu geben.[19]

In jüngster Zeit haben jedoch Entscheidungen des Kammergerichts[20] und des OLG Celle[21] Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit dieser Vorgehensweise geweckt. In beiden Entscheidungen hatten die Gerichte die Löschung allein auf Grundlage der in der Handelsregisteranmeldung behaupteten Vermögenslosigkeit abgelehnt. Obwohl in beiden Fällen an sich auch die objektiv fehlende Vermögenslosigkeit hätte abgelehnt werden können (im Fall des Kammergerichts waren Besteuerungsverfahren noch nicht abgeschlossen,[22] im Fall des OLG Celle war die GmbH noch Komplementärin einer KG), sind die Entscheidungsgründe wohl so zu verstehen, dass der jeweilige Senat der skizzierten „Blitzlöschung“ ohne Einhaltung eines Sperrjahres bereits dem Grunde nach ablehnend gegenübersteht.[23] Seither bestehen in der notariellen und registerrechtlichen Praxis Unsicherheiten.

 

III. Regelung der Beendigung ohne Liquidation mit Sperrjahr durch den Gesetzgeber de lege ferenda

Aus unserer Sicht ist zu erwägen, dass der Gesetzgeber für vermögenslose Gesellschaften die Möglichkeit eröffnet, eine Kapitalgesellschaft ohne Liquidation mit Sperrjahr („Blitzlöschung“) zu beenden.

 

1. Regelungsbedürfnis

In der Praxis ist das Bedürfnis feststellbar, Kapitalgesellschaften auch ohne Liquidation mit Sperrjahr zu beenden. Das zeigen die Erfahrungen in der notariellen Praxis und die oben skizzierten Entwicklungen zur „Blitzlöschung“. Tatsächlich ist kein rechtliches Bedürfnis für ein Liquidationsverfahren mit Einhaltung eines Sperrjahres erkennbar, wenn die Gesellschaft bereits vermögenslos ist. Denn etwaige Gläubiger und Gesellschafter können dann im Ergebnis weder „jetzt“ noch innerhalb des Sperrjahres ihre Ansprüche mit Erfolg geltend machen, weil die Gesellschaft nicht mehr über Vermögen verfügt. Das Liquidationsverfahren mit dem obligatorischen Sperrjahr erscheint in solchen Fällen als bloßer Formalismus, der für die Gesellschaft und für die für sie handelnden Personen erheblichen administrativen und finanziellen Aufwand verursacht.

In der Praxis besteht das Regelungsbedürfnis in erster Linie bei GmbHs. Ob eine entsprechende gesetzliche Regelung der Blitzlöschung gleichwohl aus Gründen der Gleichbehandlung auch für AGs gelten sollte, ist eine rechtspolitische Frage.

 

 2. Rechtsvereinheitlichung und Rechtssicherheit durch gesetzliche Regelung

Eine gesetzliche Regelung würde der Rechtsvereinheitlichung und der Rechtssicherheit dienen. Denn nach den Entscheidungen des Kammergerichts und des OLG Celle ist unklar, inwieweit und in welchen Gerichtsbezirken die bisher geübte Registerpraxis weiter fortgesetzt wird. Zudem gab es auch in der bisherigen oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung Unterschiede, insbesondere wurde die Frage, ob eine Amtslöschung auch dann in Betracht kommt, wenn es noch offene Steuerverfahren gibt, von verschiedenen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet (dazu siehe unten 3.). Mit einer entsprechenden Norm könnte der Gesetzgeber für bundesweit einheitliche Spielregeln sorgen. Damit würde die Rechtssicherheit für alle Beteiligten – Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft, Notare und Registergerichte sowie Finanzverwaltung – gestärkt.

 

3. Vermögenslosigkeit als Anknüpfungspunkt einer gesetzlichen Regelung

Eine entsprechende Regelung könnte an eine Vermögenslosigkeit der Gesellschaft anknüpfen, die – wie im Rahmen der Amtslöschung nach § 394 FamFG – auch formale Rechtspositionen wie Grundbucheintragungen (näher dazu oben unter A. I.) einschließen sollte.

Nicht zuletzt zur Verdeutlichung gegenüber den betroffenen Liquidatoren könnte man einen gesetzlichen Katalog aufstellen, der konkrete Umstände zur Vermögenslosigkeit im o. g. Sinne aufführt. Dabei könnte der Gesetzgeber auch die strittige Frage klären, ob eine Löschung ohne Liquidation mit Sperrjahr zulässig ist, wenn noch Steuerverfahren offen sind, insbesondere, wenn noch Außenprüfungen durchzuführen oder Steuerbescheide zuzustellen sind. Einer Ansicht nach kann die Löschung einer vermögenslosen GmbH auch bei noch schwebenden Steuerverfahren erfolgen.[24] Nach anderer Ansicht darf in solchen Fällen eine Amtslöschung nicht erfolgen.[25]

Bei der Ausgestaltung eines entsprechenden Katalogs könnte an die in der Literatur verbreiteten Muster angeknüpft werden.[26] Krafka[27] etwa sieht Folgendes vor:

 

„Es wird versichert:

    • Vermögen oder Verbindlichkeiten der Gesellschaft sind nicht vorhanden. Insbesondere stehen keine Zahlungen auf Geschäftsanteile aus. Auch sind keine Ausschüttungen beziehungsweise Auszahlungen des Gesellschaftsvermögens an Gesellschafter über einen ordentlichen Gewinnverteilungsplan hinaus erfolgt.
    • Es sind keine gerichtlichen Rechtsstreite anhängig, an welchen die Gesellschaft beteiligt ist.
    • Die Gesellschaft ist nicht persönlich haftender Gesellschafter einer oHG oder KG.
    • Es existieren keine Grundbucheintragungen der Gesellschaft.
    • Es bestehen keine Rückforderungen der Gesellschaft gegenüber dem Finanzamt.
    • Ein Fall der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft liegt nicht vor.“

 

 4. Entlastung der Registergerichte durch strafbewehrte Versicherung der Abwickler/Liquidatoren als Grundlage für die Feststellung der Vermögenslosigkeit

Um die Registergerichte in den fraglichen Fällen von den häufig langwierigen Ermittlungen zu entlasten, die im Rahmen der Amtslöschung nach § 394 FamFG erforderlich sind (siehe oben unter A. II.), könnte man eine Versicherung der Abwickler/Liquidatoren als Grundlage für eine Vermögenslosigkeit im o. g. Sinne ausreichen lassen. Diese wären dann verpflichtet, in der Handelsregisteranmeldung die Vermögenslosigkeit und die evtl. normierten Katalogtatbestände (siehe oben unter 3.) zu versichern.

In der Praxis „versichern“ die Liquidatoren/Abwickler bereits jetzt im Rahmen der Handelsregisteranmeldung, mit der die „Blitzlöschung“ angeregt wird, die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft (siehe oben unter 3.). Dabei sind falsche Versicherungen im Zusammenhang mit einer „Blitzlöschung“ mangels Straftatbestand derzeit nicht strafbar, sie können jedoch Schadensersatzansprüche begründen (z.B. nach § 71 Abs. 4, § 43 GmbHG oder nach § 73 GmbHG i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB).[28]

Um eine höhere Richtigkeitsgewähr zu erreichen, wäre eine gesetzliche Regelung vorzusehen, dass eine unwahre Versicherung der Vermögenslosigkeit strafbar ist und § 82 GmbHG (sowie ggf. § 399 AktG) entsprechend erweitern.

Eine solche Lösung wäre auch rechtssystematisch folgerichtig im Vergleich mit den Regelungen zur Versicherung bei der Kapitalaufbringung. Bei der Kapitalaufbringung hat das MoMiG[29] die Norm des § 8 Abs. 2 Satz 3 GmbHG ergänzt mit dem (aus heutiger Sicht auch erreichten) Ziel, dass die Versicherung der Geschäftsführer gegenüber dem Handelsregister ausreicht und weitere Nachweise (Einzahlungsbelege etc.) grundsätzlich nicht erforderlich sind.[30] Die Regierungsbegründung ging davon aus, dass die Versicherung angesichts der Strafbewehrung für den Regelfall ausreichend sei.[31]

Dieselben Überlegungen können für den umgekehrten Fall zur Gründung, nämlich die Beendigung, fruchtbar gemacht werden. Liegt hier eine Versicherung der vertretungsberechtigten Liquidatoren vor, könnte man dies auch hier ausreichen lassen. Es dürfte auch insofern davon auszugehen sein, dass die Strafbarkeit der falschen Versicherung als Sanktion ausreichend ist. Die Liquidatoren würden hierüber im Rahmen der Handelsregisteranmeldung von den Notaren – wie bisher auch im Rahmen der Handelsregisteranmeldung der Gründung – entsprechend belehrt.

 

5. Mögliche Missbrauchsgefahren

In den Blick zu nehmen ist die Gefahr, dass jede Erleichterung von Löschungsmöglichkeiten das Risiko birgt, dass Gesellschaften beseitigt werden, um sie dem Zugriff von Gläubigern, insbesondere auch des Fiskus, zu entziehen, sowie ein Insolvenz(eröffnungs)verfahren zu umgehen. Es stellt sich die Frage, ob durch den Vorschlag sogenannte Firmenbestattungen erleichtert werden. Die Organe einer Gesellschaft können durch eine Firmenbestattung „Spuren verwischen“ und damit die Rechtsdurchsetzung erschweren. Eine einmal gelöschte Gesellschaft kann in aller Regel nicht wieder eingetragen werden.

Allerdings könnte derjenige, der das Verfahren der „Blitzlöschung“ vorsätzlich missbraucht, aufgrund einer falschen Versicherung strafrechtlich verfolgt werden. Insofern besteht sogar eine Verschärfung im Hinblick zur derzeit geltenden Rechtslage, soweit sie die Blitzlöschung auch de lege lata aufgrund der entsprechenden „Versicherung“ ermöglicht.

Derjenige hingegen, der sich nur fahrlässig über die Voraussetzungen der „Blitzlöschung“ irrt, wäre einer zivilrechtlichen Haftung zumindest über § 823 Abs. 2 BGB ausgesetzt. Anders als bei der Verschmelzung auf den Alleingesellschafter dürfte die Haftung jedoch regelmäßig auf das zuletzt vorhandene Gesellschaftsvermögen begrenzt sein. Mehr als das Gesellschaftsvermögen hätte den Gläubigern schließlich auch bei einem ordentlichen Liquidationsverfahren nicht als Haftungsmasse zur Verfügung gestanden.

In praktischer Hinsicht ist zu bedenken, dass die Versicherung über die Vermögenslosigkeit vor einem Notar abzugeben ist, der die versichernde Person identifiziert, sodass nachträgliche Zweifel im Hinblick auf die Identität der Person, die die Blitzlöschung veranlasst hat, weitestgehend vermieden werden.

Es bleibt jedoch die Gefahr, dass kurzfristige gutgläubige „Strohmanngeschäftsführer“ bestellt werden mit der Aufgabe, die entsprechende Versicherung abzugeben. Vorbeugen ließe sich insoweit beispielsweise dadurch, die Blitzlöschung nur bei Gesellschaften zuzulassen, bei denen der Geschäftsführer seit der Gründung ununterbrochen als solcher bestellt war.

 

 6. Ergebnis

  1. Es wird der Vorschlag unterbreitet, dass der Gesetzgeber eine weitere Möglichkeit zur Beendigung einer Kapitalgesellschaft für Fälle schafft, in denen es für das Liquidationsverfahren mit Einhaltung des Sperrjahres rechtlich kein Bedürfnis gibt.
  2. Voraussetzung für eine solche Löschung könnte die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft sein, für deren Ausgestaltung gesetzliche Kriterien anhand der bisher in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Kriterien für die „Blitzlöschung“ im Rahmen des Amtslöschungsverfahrens herangezogen werden können.
  3. Ausreichende Grundlage für eine solche Löschung als actus contrarius zur Gründung könnte eine strafbewehrte Versicherung der Liquidatoren in der Handelsregisteranmeldung sein, über deren Bedeutung sie zuvor notariell belehrt wurden.
  4. Der Vorteil einer solchen Lösung wäre, dass die vertretungsberechtigten Organe der Gesellschaft die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse selbst prüfen und dann gegenüber dem Notar und dem Registergericht offenlegen. Angesichts der strafbewehrten Versicherung der abgegebenen Erklärungen erscheint die Vermögenslosigkeit valide. Das Registergericht müsste nur dann in eine weitere Aufklärung einsteigen, wenn es Widersprüche oder konkrete Anhaltspunkte gibt. Damit dürfte eine Entlastung der Registergerichte erreicht werden, ohne das eigentliche Amtslöschungsverfahren nach § 394 FamFG, bei dem es gute Gründe für die hohen Anforderungen gibt (dazu A.), aufzuweichen.

 

Druckfassung

 

Fußnoten:

[1] BayObLG, Beschluss vom 10.2.1999 – 3Z BR 43/99, DNotZ 1999, 761; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 29.1.2015 – 20 W 116/12, NJW-RR 2015, 928; Otto in BeckOK FamFG, 32. Ed., § 394 Rn. 9 m.w.N.

[2] Harders in Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 12. Aufl. 2019, § 394 Rn. 3.

[3] OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 29.1.2015 – 20 W 116/12, NJW-RR 2015, 928.

[4] Krafka, Registerrecht, 11. Aufl. 2019, Rn. 432 m.w.N.

[5] Heinemann in Keidel, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 394 Rn. 7.

[6] OLG Hamm, Beschluss vom 22.4.2015 – 27 W 46/15, BeckRS 2015, 14408.

[7] OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.9.2012 – I-3 Wx 62/12, FGPrax 2013, 33; Heinemann in Keidel, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 394 Rn. 7; Krafka, Registerrecht, 11. Aufl. 2019, Rn. 433.

[8] OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 29.1.2015 – 20 W 116/12, NJW-RR 2015, 928; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.9.2012 – I-3 Wx 62/12, FGPrax 2013, 33

[9] OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.9.2012 – I-3 Wx 62/12, FGPrax 2013, 33; Heinemann in Keidel, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 394 Rn. 33.

[10] KG, Beschluss vom 31.8.2018 – 22 W 33/15, DNotZ 2019, 554.

[11] Kritisch Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Auflage 2019, § 66 Rn. 42.

[12] Diehn, Notarkostenberechnungen, 6. Auflage 2020, Rn. 1386.

[13] Als dem zwingenden Gesellschaftsblatt. Daneben ggf. noch in anderen von der Satzung bestimmten Gesellschaftsblättern (§ 25 AktG bzw. § 12 Satz 2 GmbHG).

[14] Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 73 Rn. 2.

[15] Siehe z.B. die Musterformulierungen bei Gustavus, Handelsregisteranmeldungen, 9. Aufl. 2017, A 119; Krafka, Registerrecht, 11. Auflage 2019 Rn. 1150; Freier, notar 2019, 57, 58; Wachter, GmbHR 2017, 930, 932.

[16] Wachter, GmbHR 2017, 930.

[17] Vgl. Wachter, GmbHR 2017, 930: „Die Zulässigkeit der ‚Blitz-Löschung‘ einer GmbH ist heute gesellschaftsrechtlich allgemein anerkannt.“

[18] Vgl. etwa OLG Köln v. 5.11.2004 – 2 Wx 33/04, DNotZ 2005, 314; OLG Hamm, Beschluss vom 2.9.2016 – 27 W 63/16, GmbHR 2017, 930.

[19] Siehe statt vieler OLG Hamm, Beschluss vom 2.9.2016 – 27 W 63/16, GmbHR 2017, 930 m.w.N.

[20] KG, Beschluss vom 22.7.2019 – 22 W 29/18, FGPrax 2019, 211.

[21] OLG Celle, Beschluss vom 17.10.2018 – 9 W 80/18, FGPrax 2019, 20.

[22] Zu dieser Frage siehe auch unten III.2.

[23] Vgl. auch die (ablehnenden) Anmerkungen zu den Entscheidungen von Schmidt, FGPrax 2019, 212 (zu KG, Fn. 20 ); sowie Schmidt, FGPrax 2019, 21, Wachter, GmbHR 2018, 1319 und Freier, notar 2019, 58 (jeweils zu OLG Celle, Fn. 21).

[24] OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1.2.2017 – I-3 Wx 300/16, GmbHR 2017, 930 (zustimmend Wachter, GmbHR 2018, 1319); OLG Jena, Beschluss vom 20.05.2015 – 6 W 506/14, GmbHR 2015, 1093.

[25] OLG Hamm, Beschluss vom 1.7.2015 – 27 W 71/15, FGPrax 2015, 260; so auch Krafka, Registerrecht, 11. Aufl. 2019, Rn. 433.

[26] Z.B. Gustavus, Handelsregisteranmeldungen, 9. Aufl. 2017, A 119; Krafka, Registerrecht, 11. Auflage 2019 Rn. 1150; Freier, notar 2019, 57, 58; Wachter, GmbHR 2017, 930, 932.

[27] Krafka, Registerrecht, 11. Auflage 2019 Rn. 1150.

[28] Wachter, GmbHR 2018, 1320.

[29] Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008, BGBl. I 2026.

[30] Regierungsbegründung, BT-Drucksache 16/6140, 34.

[31] Regierungsbegründung, BT-Drucksache 16/6140, 34.

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