Stellungnahme zum Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen Gesellschaft

Stellungnahme vom 24.06.2003

 

Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (nachfolgend „SEEG“).

 

Wir begrüßen die Gelegenheit zu einer breit angelegten Fachdiskussion, die das Bundesministerium der Justiz im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens bietet. Die Form der Befassung der Fachöffentlichkeit ist vor allem im Hinblick darauf angemessen, als die Implementierung der ersten europarechtlichen Kapitalgesellschaft in das nationale deutsche Recht im Raum steht, damit ein Modellfall für künftige vergleichbare Vorhaben. Wir begrüßen vor allem die Entschlossenheit, mit der der deutsche Gesetzgeber die in Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 08. Oktober 2001, ABl. L 294 (nachfolgende „SE-VO“) gestellte Aufgabe angeht[1].

 

Aus der Sicht des Deutschen Notarvereins sollte das SEEG von folgenden Leitlinien geprägt sein.

 

(1)       Ziel sind möglichst konforme Regelungen im Verhältnis zu den Einführungsgesetzen der anderen Mitgliedsstaaten, damit das Nebeneinander einer Vielzahl verschiedener SE, das zu Recht befürchtet wird, sich in der Praxis nivelliert.

 

(2)       Hierzu erforderlich ist ein möglichst geringer Anteil zwingenden Rechts für die innere Ausgestaltung der SE. Notwendig ist vielmehr Raum für die Gestaltungspraxis, die aufgrund der Sachnotwendigkeiten der SE zu konvergierenden europäischen Lösungen gelangen dürfte. Dies dient dem Ziel der Rechtseinheit.

 

(3)       Zugleich sollte das Einführungsgesetz den Versuch machen, in möglichst vielen Fällen die leider nicht seltenen Ungenauigkeiten der deutschen Sprachfassung der SE-VO im Verhältnis zu anderen Sprachfassungen (einige hiervon werden nachstehend aufgezeigt) über das nationale Gesetz zu korrigieren.

 

Im Folgenden soll auf Einzelfragen eingegangen werden.

 

 

1.         Normenhierarchie

 

Der Deutsche Notarverein empfiehlt, in § 1 des SEEG eine Regelung zur Normenhierarchie wie folgt zu treffen:

 

„(1)      Auf eine Europäische Gesellschaft (SE) mit Sitz im Inland sind die für inländische Aktiengesellschaften geltenden Vorschriften anzuwenden, soweit nicht in der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 08. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (Verordnung) oder in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

 

(2)       In der Satzung der SE kann von den in Absatz 1 genannten Vorschriften nur abgewichen werden, sofern dies in der Verordnung ausdrücklich zugelassen ist.“

 

Mit dieser Formulierung ist zweierlei erreicht. Zum einen ist klargestellt, dass die SE mit Sitz im Inland im Grundsatz als deutsche Aktiengesellschaft behandelt wird. Diese Klarstellung ist nötig, weil zum zweiten die Rangfolge von Art. 9 lit. c) iii) SE-VO zu lit. b) in den einzelnen Sprachfassungen der SE-VO abweichend geregelt ist. Diese Abweichung wird über Absatz 2 des vorstehenden Textvorschlags wieder europarechtskonform korrigiert.

 

Während in der deutschen Sprachfassung der SE-VO die einzelnen lit. a), b) und c) samt den Untergliederungspunkten der lit. c) in Art. 9 Abs. 1 SE-VO nur durch Kommata getrennt sind, fügt der Verordnungsgeber in der französischen Sprachfassungen zwischen der lit. b) und der lit. c) ein logisches ODER ein. So endet im französischen Text die lit. a) mit einem Semikolon, lit. b) mit einem Komma, an das sich in der nächsten Zeile mit einem den einzelnen lit. entsprechenden Einzug das Wort « ou » anschließt. Sodann erfolgt ein Zeilenumbruch zur lit. c), deren einzelne Untergliederungspunkte wiederum mit Semikolon abschließen. Die englische Sprachfassung deckt sich mit der französischen mit dem Unterschied, dass nach lit. b) gar kein Satzzeichen vor dem Zeilenumbruch verwendet wird. Die spanische und die italienische Sprachfassung decken sich mit der französischen.

 

Stellt man Art. 9 Abs. 1 SE-VO als Boole’schen Ausdruck dar, so zeigen sich die Unterschiede. Legt man die deutsche Sprachfassung zugrunde, so würde der Boole’sche Ausdruck wie folgt lauten, wobei die lit. a), b) und c) nachfolgend mit A, B und C bezeichnet werden:

 

A UND B UND C[2].

 

In allen anderen verwendeten Sprachfassungen lautet der Boole’sche Ausdruck hingegen wie folgt:

 

A UND (B ODER C),

 

wobei die Klammersetzung typographisch durch die Einrückung des Wortes „oder“ bewerkstelligt wird.

 

Dies ist keine philologische Spielerei, sondern hat erhebliche Konsequenzen, da nach den nichtdeutschen Sprachfassungen ein durch die SE-VO geschaffener Gestaltungsspielraum für den Satzungsgeber der SE auch dann eröffnet bleibt, wenn er nach nationalem Recht verschlossen wäre[3]. So ergibt sich aus dem Zusammenspiel zwischen Art. 9 Abs. 1 lit. b) mit Art. 38 lit. b) SE-VO (« selon l’option retenue par les statuts »), dass über die Satzung einer SE ein monistisches bzw. dualistisches System auch dann eingeführt und im Rahmen der Art. 39-51 SE-VO näher ausgestaltet werden kann, wenn das nationale Recht ein solches System gar nicht zulässt bzw. zwingendes Recht enthält, das nicht schon in der SE-VO als zwingende Ausgestaltung vorgegeben ist (vgl. nachstehend 7. die weiteren Ausführungen zum monistischen System im Diskussionsentwurf)[4].

 

 

2.         Rolle des Notars

 

§ 4 SEEG weist die Zuständigkeiten nach Art. 8 Abs. 8, Art. 25 Abs. 2, Art. 26 und Art. 64 Abs. 4 SE-VO dem für die Führung des Handelsregisters zuständigen Gericht zu.

 

Hieraus könnte man den Eindruck einer abschließenden Regelung gewinnen. Solches wäre jedoch mit der SE-VO nicht vereinbar.

 

Denn Notar und Gericht haben eine aufgrund der Verordnung bereits vorgegebene Zuständigkeit nach Art. 8 Abs. 8, Art. 25 Abs. 2, Art. 26 Abs. 1 SE-VO. Insoweit kann der einzelne Mitgliedsstaat nur daneben noch weitere zuständige Behörden bestimmen (z.B. für das Königreich der Niederlande oder die Republik Italien die Zuständigkeit der Kamer van Koophandel bzw. der Camera di Commercio, Industria e Artigianato oder für das Vereinigte Königreich die Zuständigkeit des Companies’ House, das wohl eher eine Verwaltungsbehörde sein dürfte).

 

Diese Auslegung der SE-VO ergibt sich aus einem Vergleich verschiedener Sprachfassungen.

 

Art 68 Nr. 2 SE-VO spricht nur von den « autorités compétentes », während die weiteren von dieser Vorschrift in Bezug genommenen Artikel teils von « un tribunal, un notaire ou une autre autorité compétente » sprechen (so Art. 8 Abs. 8, Art. 25 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2, Art. 26 Abs. 1 SE-VO), teils nur von « autorité compétente » (Art. 54 Abs. 2 SE-VO, vgl. auch Art. 8 Abs. 7 SE-VO), teils von « autorité judiciaire ou administrative compétente » (Art. 55 Abs. 3 SE-VO) bzw. nur von « les autorités » (Art. 64 Abs. 4 SE-VO).

 

Diese Terminologie deckt sich mit dem englischen Verordnungstext (vgl. Art. 8 Abs. 8 SE-VO: „the court, notary or other competent authority“[5]), dem spanischen Text (Art. 8 Abs. 8 SE-VO: „un tribunal, un notario u otra autoridad competente“) oder dem italienischen Text (Art. 8 Abs. 8 SE-VO: „un organo giurisdizionale, un notaio o un’altra autorità competente“). Entsprechendes gilt für Art. 25 Abs. 2 und Art. 26 Abs. 1 SE-VO.

 

Der deutsche Text weicht hiervon ab und formuliert in Art. 8 Abs. 8 bzw. Art. 25 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 SE-VO: „das zuständige Gericht, der Notar oder eine andere zuständige Behörde“. Daraus könnte man den Eindruck gewinnen, dass der nationale Gesetzgeber unter diesen drei Institutionen auswählen und jede, oder auch nur eine von ihnen für zuständig erklären könnte.

 

Diese deutsche Übersetzung, die zum einen den bestimmten und den unbestimmten Artikel durcheinander wirft und zum anderen dem Wort „Gericht“ das in anderen Sprachfassungen bezeichnenderweise nicht vorhandene Wort „zuständige“ beifügt, ist jedoch unzureichend. Denn die französische, spanische und die italienische Sprachfassung nutzen die grammatikalischen Möglichkeiten ihrer jeweiligen Sprache besser: das Wort „zuständig“ bezieht sich, da als Femininum und im Singular gebraucht, nur auf das Wort „Behörde“. Würde sich das Adjektiv auf alle drei Substantive beziehen, würde es als Maskulinum im Plural stehen (also z.B. im Französischen « compétents »). Die englische Sprachfassung würde, wenn die deutsche Übersetzung zuträfe, das Adjektiv „competent“ zur Vermeidung von Zweifeln allen drei Substantiva beisetzen. Im Deutschen würde man ebenso verfahren. Damit weicht die deutsche Sprachfassung von den überwiegenden anderen Sprachfassungen ab und wird daher vor dem Europäischen Gerichtshof voraussichtlich keinen Bestand haben.

 

Nur insoweit, also in Bezug auf eine „Behörde“, ist also Raum für die Zuweisung einer sachlichen Zuständigkeit durch den nationalen Gesetzgeber. Bezogen auf „Gericht“ und „Notar“ ist die Frage auf europäischer Ebene bereits vorentschieden. Sonst hätte der europäische Verordnungsgeber unterschiedslos nur von „zuständiger Behörde“ sprechen können; die besondere Aufzählung in den Art. 8 Abs. 8, Art. 25 Abs. 2, Art. 26 Abs. 1 SE-VO wäre nicht erforderlich.

 

Im Rahmen der vorgegebenen Zuständigkeit von Gericht und Notar beschränkt sich die legislative Kompetenz des einzelnen Mitgliedsstaates auf die Regelung der örtlichen bzw. funktionellen Zuständigkeit. Raum für andere behördliche Zuständigkeiten besteht neben den Indus­trie- und Handelskammern in Italien und den Niederlanden vor allem für Steuerbehörden im Vereinigten Königreich (z.B. im Rahmen des Art. 64 Abs. 4 SE-VO) oder den Präsidenten des Handelsgerichts bzw. den « commissaire aux comptes » in Frankreich im Rahmen des Art. 55 Abs. 3 SE-VO[6].

 

In § 4 SEEG sollte die europarechtlich vorgegebene Zuständigkeit des Notars daher klargestellt werden.

 

 

3.         Inhalt der Bescheinigung

 

Eine ungenaue Übersetzung liefert der deutsche Verordnungstext auch, was die Definition der nach Art. 8 Abs. 8, Art. 25 Abs. 2 SE-VO zu erstellenden Dokumente angeht. Diese zeigt folgende tabellarische Übersicht (Hervorhebungen nicht im Original):

 

Sprachfassung Formulierung in Art. 8 Abs. 8 SE-VO[7]
französisch « un certificat attestant d’une manière concluante l’accomplissement des actes et des formalités préalables au transfert »
deutsch „eine Bescheinigung, aus der zweifelsfrei hervorgeht, dass die der Verlegung vorangehenden Rechtshandlungen und Formalitäten durchgeführt wurden“
englisch “a certificate attesting to the completion of acts and formalities to be accomplished before the transfer”
spanisch “un certificado que acredite[8] de manera concluyente el cumplimiento de los actos y trámites que han de realizarse antes del traslado”
italienisch “un certificato attestante in modo concludente l’adempimento degli atti e delle formalità preliminari al trasferimento”

 

Sowohl das Wort “zweifelsfrei” als auch das unschöne Wort „Formalitäten“ führen den Leser der deutschen Sprachfassung in die Irre und lassen ihn an ein einfaches Zeugnis im Umfang weniger Zeilen denken. Der europäische Verordnungsgeber intendiert jedoch eine Bescheinigung, die in schlussfolgernder Weise bestätigt, dass die der Sitzverlegung vorangehenden Rechtsakte und Verfahren durchgeführt worden sind. „Formalitäten“ hätte ein Jurist zur Zeit des Usus Modernus mit „solemnitates“ übersetzt.

 

Eine derartige Bescheinigung beinhaltet erheblich mehr, als der deutsche Gesetzgeber zu meinen scheint. Sie scheint eine gewisse Verwandtschaft mit der Konformitätserklärung nach französischem Verschmelzungsrecht zu haben[9]. Sie dürfte anstelle eines auf bloße Tenorierung beschränkten Zertifikats (vergleichbar einem Exequatur), daher in Form eines Beschlusses mit Tatbestand und Entscheidungsgründen zu erteilen sein. Ihr Inhalt ist jedenfalls durch Art. 8 Abs. 7 bzw. Art. 26 SE-VO zum Teil vorgegeben. Ein bloßes Zeugnis wäre nicht verordnungskonform.

 

An dieser Frage zeigt sich, dass die Zuständigkeitszuweisung an den Notar durch den europäischen Verordnungsgeber wohl durchdacht ist. Der Verordnungsgeber setzt hierbei sowohl auf den bereits bestehenden rechtlichen wie tatsächlichen Strukturen transnationaler Kooperation der Notare auf, als auch auf den im Berufsstand vorhandenen Fremdsprachenkenntnissen, jedenfalls bei den Notaren, die sich mit der SE beschäftigen werden. Die Vorentscheidung des Verordnungsgebers ermöglicht die Erstellung von Zertifikaten durch den Notar in der jeweiligen Zielsprache, während ein Gericht bzw. sonstige Behörde an die gesetzlich vorgegebene Gerichtssprache gebunden ist. Zudem entlastet sie im Hinblick auf den Inhalt der Bescheinigung die Gerichte und Behörden.

 

 

4.         Spruchverfahren auch bei übernehmender Gesellschaft

 

4.1       Verschmelzung

 

In Teilen der Literatur zum nationalen Verschmelzungsrecht wird seit langem bemängelt, dass den Anteilsinhabern des übernehmenden Rechtsträgers bei einer Verschmelzung oder Spaltung zur Aufnahme nur die Anfechtungsklage gegen den Verschmelzungsbeschluss offen steht[10]. Die Möglichkeit einer Barzuzahlung im Spruchverfahren steht hingegen nur den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers offen, vgl. § 14 Abs. 2 UmwG.

 

Diesen Bedenken trägt der Gesetzgeber jetzt in § 6 Abs. 1 und Abs. 2 SEEG Rechnung.

 

Demgegenüber hatte der Gesetzgeber in der Begründung zu § 14 UmwG 1995 noch folgende Auffassung vertreten[11]:

 

„Dieser Befürchtung (scl. den Klagen räuberischer Aktionäre) soll jedoch durch die in § 16 Abs. 3 vorgesehene Regelung begegnet werden. Völlig ausräumen ließe sich diese Befürchtung bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aber nur dann, wenn auch Klagen gegen die Wirksamkeit eines Beschlusses zur Kapitalerhöhung bei der übernehmenden Gesellschaft ausgeschlossen würden. Dies wäre jedoch ein zu tiefer Eingriff in das allgemeine Gesellschaftsrecht.

 

Ferner würden sich bei einem Barausgleich zugunsten der Aktionäre einer übernehmenden Aktiengesellschaft Probleme wegen des Verbots der Rückgewährung von Einlagen (§ 57 Abs. 1 AktG) ergeben können, in geringerem Maße möglicherweise auch bei einer übernehmenden GmbH (§ 30 Abs. 1 GmbHG). Schließlich könnte auch die Bereitstellung der für die Verschmelzung erforderlichen Mittel schwierig werden, wenn auch sämtlichen Anteilsinhabern des übernehmenden Rechtsträgers ein Nachbesserungsanspruch gewährt würde.“

 

Das Verbot der Einlagenrückgewähr und die Begrenzung barer Zuzahlungen unterliegen bei Aktiengesellschaften – und damit auch bei der SE – auch der Zweiten Richtlinie des Rates (77/91/EWG) vom 13.12.1976, ABl. EG vom 31.01.1977 Nr. L 26/1, insbesondere deren Art. 15, Art. 19 Abs. 1 lit. c), Art. 35 lit. b), Art. 36 lit. d). Die Verschmelzungsrichtlinie als lex specialis sieht die Gewährung einer baren Zuzahlung auch nur an die Anteilsinhaber der Übertragerin vor, vgl. Art. 3 Abs. 1, Art. 30 der Dritten Richtlinie des Rates (78/255/EWG) vom 09.10.1976, ABl. EG vom 20.10.1978 Nr. L 295/36. Die Spaltungsrichtlinie enthält entsprechende Regelungen.

 

Vor diesem Hintergrund erscheinen bare Zuzahlungen an die Anteilsinhaber der Übernehmerin als Umgehung des Kapitalschutzes europarechtlich zweifelhaft[12].

 

Zudem sind die Überlegungen des Gesetzgebers des UmwG 1995 nach wie vor gewichtig.

 

Die Gegenmeinung hat sich weder mit den Argumenten des Gesetzgebers noch mit den europarechtlichen Fragestellungen des Kapitalschutzes auseinandergesetzt, sondern stützt ihre Überlegungen allein auf die schon in der Begründung des UmwG 1995 angesprochene Befürchtung einer Verzögerung der Umwandlung durch missbräuchliche Klagen. Diese Befürchtungen sind durch nunmehr fast zehn Jahre umwandlungsrechtlicher Praxis widerlegt. Das Freigabeverfahren nach § 16 Abs. 3 UmwG hat sich bewährt. Auch spektakuläre Fälle wie z.B. die Verschmelzung der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel Bank AG auf die Bayerische Vereinsbank AG konnten dank schneller und klarer Gerichtsentscheidungen rasch gelöst werden.

 

Zudem liegt in der Möglichkeit zweier Spruchverfahren bei verschiedenen Gerichten die Gefahr divergierender Entscheidungen. Ohnedies wird es wegen des Nebeneinanders verschiedener Rechtsschutzinstrumente in verschiedenen Mitgliedsstaaten zu Verwerfungen kommen (z.B. bei der Fusion einer deutschen und einer österreichischen AG als Übertragerinnen – je mit Spruchverfahren – auf eine übernehmende französische SA, die hierdurch zur SE wird).

 

Angesichts dieser Sachlage gebietet nach Ansicht des Deutschen Notarvereins schon der hohe Respekt vor dem sicheren Gespür für Rechtsfragen des Schöpfers des UmwG 1995, MR Dr. Ganske, diese Frage nicht vorschnell im Rahmen des SEEG für einen Einzelfall zu entscheiden, sondern in Ruhe vertieft mindestens unter Einbeziehung aller vorgenannten Aspekte zu diskutieren und für das gesamte nationale Umwandlungsrecht einheitlich zu beantworten.

 

§ 6 SEEG erscheint daher verzichtbar; der Verweis auf das nationale Umwandlungsrecht in § 1 Abs. 1 in der oben vorgeschlagenen Formulierung reicht aus.

 

4.2       Gründung einer Holding-SE

 

Entsprechenden europarechtlichen Bedenken wegen des Konflikts mit Kapitalerhaltungsgrundsätzen begegnet auch § 9 SEEG. Für den Normalfall wird man bei der Gründung einer Holding-SE unterstellen können, dass die Anteilsinhaber der einzelnen die Gründung anstrebenden Gesellschaften eifersüchtig auf eine richtige Bewertung bedacht sind. Missbrauchsfälle sind allenfalls dann denkbar, wenn das Instrument der Holding-SE zum Zwecke eines „freeze-out“ auf Raten missbraucht wird. In solchen Fällen erscheint aber die Beschlussanfechtungsklage als das sachgerechte Mittel, flankiert mit einem Freigabeverfahren analog § 16 UmwG und einer unmittelbaren Außenhaftung der Organe analog §§ 25, 26 UmwG. Zweckmäßig erscheint die analoge Anwendbarkeit des § 23 UmwG, um Bezugsrechte aus bedingtem Kapital und ähnliche Sonderrechte zu transformieren, ohne dass die Gefahr einer Nichtigkeit des Beschlusses nach Art. 32 Abs. 6 SE-VO nach § 192 Abs. 4 AktG besteht.

 

Im Rahmen der §§ 9, 10 SEEG sollte der Gesetzgeber vor allem auch auf Kompatibilität mit den Vorschriften anderer Mitgliedsstaaten achten. So empfiehlt der Vorschlag des Justizministeriums des Königreichs Schweden, bei der Gründung von Holding-SE auf jegliche besondere Maßnahmen des Aktionärsschutzes zu verzichten[13].

 

Zudem zeigen die Fälle transnationaler Fusion im Wege des freiwilligen Aktientausches (vgl. Daimler/Chrysler und Hoechst/Rhône-Poulenc) dass der Erfolg derartiger Maßnahmen weniger eine Frage des Abbaus von Maßnahmen des Aktionärsschutzes als der Kommunikationsfähigkeit der beteiligten Unternehmensführungen ist.

 

Anstelle des § 9 SEEG erscheint daher folgende Regelung als ausreichend, aber auch erforderlich:

 

„§ 9 Schutz der Aktionäre

 

Bei der Gründung einer Holding-SE nach Art. 32-34 der Verordnung gelten die Vorschriften der §§ 16 Abs. 2 und Abs. 3, 23, 25-28 UmwG und des Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung entsprechend.“

 

 

5.         Austrittsrechte

 

In §§ 7, 9-10, 11 SEEG sieht der Gesetzgeber ein umfangreiches Schutzsystem bei der Gründung der SE durch Verschmelzung, Sitzverlegung oder Gründung einer Holding SE vor, indem es den Anteilsinhabern der betroffenen Gesellschaften ein Austrittsrecht gewährt.

 

Hintergrund dieser Regelungen sind die Art. 8 Abs. 5, Art. 24 Abs. 2, Art. 34 SE-VO, der die Mitgliedsstaaten zum Erlass von Vorschriften zum Schutz der Minderheitsaktionäre ermächtigt (« des dispositions destinées à assurer une protection appropriée aux actionnaires minoritaires qui se sont prononcés contre le transfert »). Das Wort « appropriée » fehlt in Art. 34 SE-VO. In den hier verwendeten anderen Sprachfassungen wird « appropriée » mit „appropriate“, „adecuada“ oder „adeguata“ übersetzt[14].

 

Der Sinn scheint im Deutschen eher mit „zweckentsprechend“ erfasst, das heißt auf den Zweck und das Ziel der betreffenden Gründungsmaßnahme zugeschnitten, als mit dem unscharfen Wort „angemessen“. Dieses Wort lässt einen deutschen Juristen sofort (und vorschnell) an die einzelnen Stufen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts denken und scheint eher den Minderheitsaktionär als das Ziel der Gründungsmaßnahme im Auge zu haben[15].

 

Für den Fall des Formwechsels einer AG in eine SE nach Art. 37 SE-VO fehlt bezeichnenderweise eine solche Ermächtigung, entsprechend § 250 UmwG und im Gegensatz zu § 207 UmwG. Hieraus lässt sich der Schluss ziehen, dass der Rechtsübergang in die SE als solcher keines Minderheitenschutzes bedarf, was für die Auslegung des Wortes « appropriée » bereits Vorgaben macht. Zudem sind die genannten Ermächtigungsvorschriften im Lichte der Art. 43 und Art. 56 des EU-Vertrages auszulegen (Niederlassungsfreiheit und Freiheit des Kapitalverkehrs)[16].

 

Vor diesem Hintergrund erscheint fraglich, ob wirklich in allen Fällen der Verschmelzung, Sitzverlegung oder Gründung einer Holding-SE die Gewährung eines Austrittsrechts eine « protection appropriée » darstellt oder ob nicht vielmehr ein Schutzsystem entsprechend dem oben vorgeschlagenen § 9 SEEG ausreicht.

 

In der Tat wirft insbesondere § 10 SEEG vor dem dargestellten Hintergrund Wertungswidersprüche zu Art. 37 SE-VO auf. Denn wirtschaftlich ist der Aktientausch aus der Sicht des Minderheitsaktionärs, wenn man von der Frage des Umtauschverhältnisses und einer möglichen Spekulationssteuer nach § 23 EStG einmal absieht, nichts anderes als der Formwechsel. Dass sich aus Zweifeln an der Richtigkeit des Umtauschverhältnisses allein aber noch kein Austrittsrecht herleitet, ist anerkannt (vgl. § 29 UmwG).

 

Auch für die Verschmelzung einer deutschen AG auf eine SE mit Sitz im Inland gilt nichts anderes. Wieso soll hier ein Austrittsrecht gewährt werden, wenn bei einer nationalen AG-Verschmelzung § 29 UmwG ein solches gar nicht vorsieht?

 

Zweifelhaft erscheint das generelle Austrittsrecht nicht zuletzt auch bei der Sitzverlegung selbst bzw. bei der Verschmelzung auf eine SE/Einbringung in eine Holding-SE mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat. Damit bringt der deutsche Gesetzgeber zum Ausdruck, dass er generell das Niveau des Minderheitenschutzes in den anderen Mitgliedsstaaten für unzureichend hält. Eine solche abstrakt generelle Wertung ohne Bestehen einer konkreten Gefahrenlage dürfte, wie die Rechtsprechung des EuGH zu den „Goldenen Aktien“ zeigt[17], mit den Wertungen des EU-Vertrages nicht vereinbar sein. Zudem widerspricht diese Wertung den spezifischen Tatbeständen des § 29 UmwG, der das Austrittsrecht außer an den Wechsel der Rechtsform nur an die Unterwerfung unter Verfügungsbeschränkungen im übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger anknüpft.

 

Im übrigen schließt § 78 Satz 4 UmwG das Austrittsrecht für den Fall des Rechtsträgerwechsels zwischen KG und KGaA aus (obwohl die Aktionärsstellung in diesen beiden Rechtformen durchaus unterschiedlich ist).

 

Die deutliche Abweichung von § 29 UmwG im SEEG wird der deutsche Gesetzgeber vor dem EuGH zu rechtfertigen haben. Die Gefahr, dass sie dort keinen Bestand hat, ist groß. Denn die jetzt gewählte Lösung könnte im Ausland als gesellschaftsrechtliche Variante der außersteuerlichen „Wegzugsbesteuerung“ missverstanden werden.

 

Zudem stellt dieser weitreichende Minderheitenschutz ein unnötiges Hindernis für die deutsche Wirtschaft beim Übergang in transnationale Rechtsformen dar[18].

 

Der Deutsche Notarverein schlägt daher vor, es bei der Verschmelzung auf eine SE mit Sitz im Inland bei § 29 UmwG zu belassen (wobei hier nur § 29 Abs. 1 Satz 2 UmwG eingreifen kann) und für den Fall der Gründung einer Holding-SE sowie der Sitzverlegung (mit oder ohne Zusammenhang mit einer Verschmelzung) zu einem Verfahren entsprechend dem oben 4.2 zu § 9 SEEG vorgeschlagenen überzugehen.

 

Ein Abfindungsangebot beim Formwechsel einer AG in eine SE kommt weder nach Art. 37 SE-VO noch nach § 250 UmwG in Betracht[19]. Wird eine AG mit Inhaberaktien in eine SE mit vinkulierten Namensaktien umgewandelt, so ist die Anwendung von § 180 Abs. 2 AktG auf diesen Fall schon nach nationalem Umwandlungsrecht in der wissenschaftlichen Diskussion offen und muss im Rahmen des SEEG keiner gesonderten Lösung zugeführt werden.

 

Im Vergleich zu dem stark ausgeprägten Minderheitenschutz nach §§ 7, 9-11 SEEG überrascht allerdings die Regelung des § 48 SEEG. Nach dieser § 179 Abs. 2 Satz 2 AktG nachgebildeten Regelung bedarf es zur Verlegung des Sitzes einer SE in einen anderen EU-Mitgliedsstaat einer einfachen Mehrheit. Dies scheint mit dem Formwechselmodell des Entwurfs der Kommission einer Richtlinie zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung nicht hinreichend abgestimmt. § 48 Satz 3 SEEG sollte daher (unter Berücksichtigung von § 1 SEEG in der hier oben 1. vorgeschlagenen Fassung) wie folgt gefasst werden:

 

„§ 179 Abs. 2 Satz 2 AktG gilt auch für die Verlegung des Sitzes nach Art. 8 der Verordnung.“

 

Ohne diese Erweiterung wäre § 48 verzichtbar, da sich die Geltung von § 179 Abs. 2 Satz 2 AktG bereits aus der Verweisung in § 1 SEEG in der hier vorgeschlagenen Fassung ergäbe.

 

6.         Sicherheitsleistung, §§ 8, 12 SEEG

 

6.1       Inhaber von Sonderrechten

 

Wird eine AG auf eine SE mit Sitz im Ausland verschmolzen, so gilt über § 1 SEEG in der hier vorgeschlagenen Fassung § 23 UmwG. Damit ist den Anforderungen des Art. 24 Abs. 1 lit. c) SE-VO entsprochen. Im Fall des Art. 37 SE-VO besteht für eine analoge Anwendung der §§ 204, 23 UmwG kein Bedürfnis, da sich die Rechtsstellung der Inhaber von Sonderrechten weiterhin nach deutschem Aktienrecht richtet. Im Fall der Sitzverlegung der SE erscheint es schon im Hinblick auf § 192 Abs. 4 AktG angemessen, hier eine Anpassung von Sonderrechten in analoger Anwendung des § 23 UmwG vorzusehen[20], etwa wie folgt:

 

„Verlegt eine SE mit Sitz im Inland ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat, so findet § 23 des Umwandlungsgesetzes entsprechende Anwendung.“

 

Für den Fall der Gründung einer Holding SE nach Art. 32-34 SE-VO wird auf den Formulierungsvorschlag oben 4.2 verwiesen.

 

6.2       Schutz anderer Gläubiger

 

Für den Schutz der Gläubiger im Sinne des Art. 24 Abs. 1 lit. a) und lit. b) SE-VO verlangt der Verordnungsgeber die Anwendung des nationalen Verschmelzungsrechts für Aktiengesellschaften unter Berücksichtigung des grenzüberschreitenden Charakters der Verschmelzung (« s’applique comme en cas de fusion de sociétés anonymes, compte tenu de caractère transfrontière de la fusion, … »). Das bedeutet, dass § 22 UmwG neben § 8 SEEG anwendbar bleiben muss (6-Monatsfrist).

 

Mit § 8 SEEG soll nun der Rechtsgedanke des Art. 8 Abs. 7 SE-VO auf eine Verschmelzung Anwendung finden, bei der der Sitz der Übernehmerin im Ausland liegt. Hierbei wird ein in Anlehnung an § 22 UmwG ausgestaltetes Verfahren der Sitzverlegung/Verschmelzung präventiv vorgeschaltet. Dieses Verfahren ist zum ersten im Hinblick auf die Richtigkeit des Zertifikats nach Art. 8 Abs. 7 und 8 sowie Art. 25 Abs. 2, Art. 26 Abs. 1 SE-VO problematisch, zum zweiten stellt sich die Frage, ob die Einführung eines solchen Verfahrens wirklich durch die SE-VO gedeckt ist.

 

6.2.1    Sicherheitsleistung und Zertifikat

 

Der Anspruch auf Sicherheitsleistung ist bei der Gesellschaft geltend zu machen. Die nach Art. 8 Abs. 8, Art. 25 Abs. 2 SE-VO zuständige Stelle erlangt hiervon keine zuverlässige Kenntnis. Zudem hängt der Anspruch auf Sicherheitsleistung davon ab, ob der Gläubiger die Gefährdung der Erfüllung seiner Forderung glaubhaft macht. Inwieweit dieser Anspruch durchgreift, haben die allgemeinen Prozessgerichte zu beurteilen. Der für die Erteilung des Zertifikats zuständigen Stelle steht insoweit kein Prüfungsrecht zu. Ein Freigabeverfahren wie nach § 16 Abs. 3 UmwG ist nicht vorgesehen.

 

Wenn also ein Gläubiger von der Gesellschaft Sicherheitsleistung verlangt, der für die Erteilung des Zertifikats nach Art. 8 Abs. 8, Art.  25 Abs. 2 SE-VO zuständigen Stelle hiervon durch Schutzschrift Nachricht gibt und die Gesellschaft zu Recht oder Unrecht das Bestehen der Forderung bzw. die Gefährdung deren Erfüllung bestreitet, so wird die zuständige Stelle nicht umhin können, die Erteilung des für die Eintragung erforderlichen Zertifikats bis zum rechtskräftigen Abschluss eines entsprechenden Streitverfahrens auszusetzen.

 

6.2.2    Verordnungskonformität

 

Hieraus folgt: Wenn man mittels § 12 Abs. 3 SEEG die Eintragung der Verschmelzung/Sitzverlegung von der Vorlage des Zertifikats und damit von der Stellung angemessener Sicherheit abhängig macht (Art. 8 Abs. 9, Art. 27 Abs. 2 SE-VO), so liefert man im Ergebnis die Gesellschaft ihren Gläubigern aus, die faktisch eine Stellung erlangen, von der jeder räuberische Aktionär nur träumen kann. Dies stellt einen außerordentlich weitreichenden Eingriff in die Grundfreiheiten nach Art. 43 und Art. 56 des EU-Vertrages dar. Der Deutsche Notarverein hält den Ansatz der §§ 8, 12 SEEG im Ergebnis somit für letztlich vertragswidrig[21]. Art. 8 Abs. 7 SE-VO ermächtigt den nationalen Gesetzgeber nicht zu einer Sitzverlegungssperre im Interesse des Gläubigerschutzes.

 

6.2.3    Allgemeine Regeln

 

Nach allgemeinem Prozessrecht hätte der Gläubiger ohnedies dann einen Arrestgrund, wenn die Vollstreckung im Ausland erfolgen müsste (§ 917 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Dieses Argument trägt allerdings wegen § 917 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht im Verhältnis zu EU-Ländern. Gerade die Wertungen der EuGVO sollten nicht über das SEEG unterlaufen werden[22].

 

6.2.4.   Lösung

 

Die Lösung des Problems liegt in der Auslegung des Art. 8 Abs. 7 der SE-VO selbst.

 

6.2.4.1 Anwendungsbereich von Art. 8 Abs. 7 SE-VO

 

Zu klären ist hierbei zunächst, ob die Vorschrift einer analogen Anwendung auf die Verschmelzung auf eine SE mit Sitz im Ausland überhaupt zugänglich ist. Schon dies ist zu verneinen. Art. 17 ff. SE-VO enthalten nicht nur keine Verweisung auf Art. 8 Abs. 7 SE-VO, sondern ordnen nur über Art. 24 Abs. 1 lit. a) und b) SE-VO die Geltung des allgemeinen Gläubigerschutzrechts des jeweiligen Mitgliedsstaates an, d.h. im Fall Deutschlands den nachgelagerten Schutz über § 22 UmwG. Es fehlt mithin an einer Gesetzeslücke. Art. 8 Abs. 7 SE-VO gilt folglich nur für die Sitzverlegung, eine Anwendung in der Verschmelzung auf eine SE mit Sitz im Ausland scheidet aus; § 8 SEEG ist nicht verordnungskonform.

 

6.2.4.2 Auslegung von Art. 8 Abs. 7 SE-VO

 

Die getroffene Wertentscheidung des Verordnungsgebers im Fall der Verschmelzung strahlt auf die Auslegung des Art. 8 Abs. 7 SE-VO aus. Ob die Gläubiger einen angemessenen Schutz genießen (« les intérêts des créanciers … bénéficient d’une protection adéquate conformément aux dispositions prévues par l’Etat membre où la SE a son siège statutaire avant le transfert ») hängt nicht von einer Sicherheitsleistung ab.

 

Die generelle Unterstellung, dass die Sitzverlegung die Erfüllung einer Forderung gefährden könnte (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SEEG), dürfte in dieser Allgemeinheit nicht vertragskonform sein. Ausschlaggebend für die Frage, was adäquater Schutz ist, könnte z.B. die Ausgestaltung des Rechts der persönlichen und dinglichen Sicherheiten sein, insbesondere die hierdurch vorgegebene Rangfolge unter einer Mehrheit von Gläubigern. Dies scheint der Satzteil « conformément aux dispositions prévues » zu meinen, also nicht etwa besondere für den Fall der Sitzverlegung zu schaffende Schutzmaßnahmen, sondern die grundsätzliche Wertentscheidung, die das allgemeine Zivil-, Zivilverfahrens- und Vollstreckungsrecht des Mitgliedsstaates im Interessenwiderstreit zwischen Gläubiger und Schuldner sowie zwischen mehreren Gläubigern eines Schuldners trifft.

 

Durch die Sitzverlegung ändert sich das Vermögen der SE nicht. Die Sitzverlegung als solche haben die Gläubiger im Interesse der Grundfreiheiten des EU-Vertrages hinzunehmen. Denkbar ist aber, dass sich die Berechtigung von Gläubigern beim Zugriff auf das Vermögen der SE zur Befriedigung ändert, z.B. durch Dazwischentreten öffentlichrechtlicher Forderungen mit entsprechender Rangfolge, durch anders geartete Sicherungsrechte (Anerkennung der Sicherungsübereignung, der Globalzession, des Eigentumsvorbehalts, durch das Dazwischentreten besitzloser Generalpfandrechte etc.)[23].

 

Hierauf, d.h. auf das Nichtvorhandensein solcher Umstände und die insoweit ergriffenen Schutzmaßnahmen (vgl. Art. 8 Abs. 2 lit. d) SE-VO) bezieht sich der von der SE nach Art. 8 Abs. 7 SE-VO zu erbringende Beweis[24].

 

 

7.         Monistisches System

 

Mit der Entscheidung für die Zulässigkeit eines monistischen Systems betritt das deutsche Gesellschaftsrecht Neuland. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers hierzu ist nicht nur sachlich richtig, sie ist auch durch Art. 9 SE-VO vorgegeben (vgl. oben 1.). Der etwas farblos klingende Begriff des „Leitungsorgans“ könnte in Anlehnung an das schweizer Recht durch die Bezeichnung „Verwaltungsrat“ ersetzt werden. In jedem Fall sollten sich hierzu der deutsche und der österreichische Gesetzgeber abstimmen.

 

7.1       Fallgruppen der Ausgestaltung monistischer Unternehmen

 

Wie die Rechtspraxis das monistische System einer SE mit Sitz im Inland verwirklichen wird, ist offen. Denkbar ist

 

·        die Personalunion von Vorsitzendem des Verwaltungsrats und allein vertretungsbefugtem geschäftsführenden Direktor, vergleichbar dem traditionellem P-DG französischen Rechts[25];

 

·        das Nebeneinander eines Vorsitzenden des Verwaltungsrats und eines oder mehrerer Direktoren, die dem Verwaltungsrat angehören, aber nicht müssen, vergleichbar der in Frankreich durch die Loi NRE vom 15. Mai 2001 geschaffenen Möglichkeit eines « directeur général » mit oder ohne « directeurs généraux délégués »[26];

 

·        eines Verwaltungsrats aus „executive directors“ und „nonexecutive directors“ mit Dritten als weiteren geschäftsführenden Direktoren, vergleichbar dem US-amerikanischen Dualismus von „board“ und „officers“, evtl. auch in Kombination mit einem zwischen den Sitzungen des Verwaltungsrats präsenten „executive committee“[27];

 

·        ebenfalls denkbar ( und wünschenswert auch für Gesellschaften mit höherem Grundkapital) ist eine SE mit einer einzelnen Person als Verwaltungsrat und geschäftsführenden Direktor, eine besonders schlanke Alternative für eine SE z.B. als nicht operativer Europa-Holding eines außereuropäischen (z.B. amerikanischen bzw. japanischen) Konzerns.

 

·        in die genannten Modelle können „audit committees“[28] implementiert werden, denen gerade in Fällen der Personalunion zwischen Mitgliedern des Verwaltungsrats und geschäftsführenden Direktoren im Interesse einer unabhängigen Überwachung eigene Zuständigkeiten bei der Prüfung des Jahresabschlusses und der Vergabe des Prüfungsauftrags an den Abschlussprüfer zustehen sollten[29].

 

Durch die Implementierung der Unternehmensmitbestimmung in das monistische System werden dessen Varianten noch zahlreicher werden. Denkbar sind Anteile von Arbeitnehmervertretern bis zu 50 % in Verwaltungsräten (Art. 45 SE-VO) mit außenstehenden geschäftsführenden Direktoren; in Verwaltungsräten, denen geschäftsführende Direktoren angehören, wird der Anteil der Arbeitnehmervertreter wahrscheinlich geringer sein. Vorstellbar erscheint z.B. eine Struktur mit 1/3 geschäftsführenden Direktoren, 1/3 nicht geschäftsführenden Verwaltungsräten der Anteilseignerseite und 1/3 Vertretern der Arbeitnehmer. Im Fall der Mitbestimmung nach dem BetrVG 1952 könnten sich die Quoten nochmals verschieben, eine Vereinbarungslösung könnte bei Überschreiten bestimmter Schwellenwerte der Arbeitnehmerzahlen auch eine Anpassung der Mitgliederzahl des Verwaltungsrats vorsehen.

 

Wie ein Verwaltungsrat einer SE mit Sitz im Inland aussehen wird, ob er nun nicht mitbestimmt, nach dem BetrVG 1952, dem MitBestG 1976 (evtl. i V. m. dem MitBestErgG) oder dem MontanMitbestG mitbestimmt ist, darf derzeit als offen bezeichnet werden. Abgesehen davon dürfte die Mitbestimmung in einem monistisch verfassten Unternehmen eine gänzlich andere Qualität annehmen. Lösungen können und müssen daher so weit wie möglich der Rechtspraxis überlassen bleiben.

 

7.2       Gestaltungsfreiheit als Regelungsziel

 

Daher bittet der Deutsche Notarverein den Gesetzgeber, den Gesellschaften in dieser Frage eine möglichst weitgehende Gestaltungsfreiheit zu gewähren. Die §§ 18 ff. SEEG sollten im Grundsatz nur eine dispositive Auffangregelung darstellen.

 

Gestaltungsfreiheit benötigt die Rechtspraxis insbesondere in folgenden Punkten:

 

·               Zahl der Mitglieder des Verwaltungsrats (§ 19 SEEG über Abs. 1 Satz 2 hinaus);

·               Kompetenzen des Verwaltungsrats (§ 21 SEEG);

·               Aufgabenverteilung zwischen dem Verwaltungsrat und seinen Ausschüssen (§ 38 SEEG);

·               Bestellung oder Absehen von der Bestellung geschäftsführender Direktoren (§ 24 SEEG).

 

So sollte es möglich sein, in einem Verwaltungsrat, dem auch die geschäftsführenden Direktoren angehören, ein aus unabhängigen Mitgliedern bestehendes „audit comittee“ einzurichten, das in eigener Zuständigkeit den Auftrag an den Abschlussprüfer vergibt (vgl. aber §§ 21 Abs. 3 Satz 3, 38 Abs. 4 Satz 2 SEEG) und den Jahresabschluss feststellt (vgl. aber § 44 Abs. 4 SEEG). Ebenso sinnvoll wäre die Schaffung eines „executive committee“ mit entsprechenden Verwaltungskompetenzen, z.B. der Wahrnehmung von Zustimmungsrechten[30].

 

7.3       Gesetzessystematik

 

Das Recht der SE wird, noch stärker als z.B. das Umwandlungsrecht, eine Domäne für Spezialisten sein. Ebenso wie im Umwandlungsrecht kann sich der Gesetzgeber einer Verweisungstechnik bedienen. Die weitgehende Verweisung auf Aktienrecht vermeidet bei künftigen Gesetzesänderungen Doppelarbeit und mögliche Defizite einer autonomen Regelung[31].

 

Ist wie in dem hier vorgeschlagenen § 1 SEEG die subsidiäre Anwendung des Aktienrechts klargestellt, so bedarf es nur der Umdefinition der im Aktiengesetz verwendeten Begriffe „Vorstand“, „Aufsichtsrat“ und „Vorsitzender des Aufsichtsrats“ in die Terminologie des monistischen Systems.

 

Diese Umdefinition verfolgt nicht zuletzt den Zweck, die lückenlose Anwendbarkeit des für Aktiengesellschaften geltenden Normenbestandes im monistischen System sicher zu stellen. Dies betrifft insbesondere auch das Nebenstrafrecht des Aktien- und des Umwandlungsgesetzes. Einer Anwendung dieser Vorschriften stünde sonst u.U. der Grundsatz „nulla poena sine lege“ entgegen.

 

Jedoch zwingt die im Grundsatz andere Aufgabenverteilung zwischen dem Verwaltungsrat und den geschäftsführenden Organen in Einzelfällen zum einen dazu, bestimmte Vorschriften des Aktienrechts für unanwendbar zu erklären und im SEEG autonome Regelungen zu treffen. An prominenter Stelle zu nennen sind hier die §§ 76 Abs. 1, 111 AktG. Hieraus ergibt sich auch, dass der Verwaltungsrat als solcher Schuldner des Auskunftsanspruchs nach § 131 AktG ist, nicht nur die geschäftsführenden Direktoren. Im Verhältnis zwischen Organ und Gesellschaft anwendbar bleiben auch die aktienrechtlichen Haftungstatbestände (§§ 93, 116, 310, 318, 323 AktG). Da das monistische System, wie nachstehend 7.4. gezeigt wird, den Übergang zu einer generellen Außenhaftung der Organe gegenüber den Aktionären erfordert, tritt die zu schaffende neue Regelung in teilweiser Anspruchskonkurrenz neben die fortgeltende aktienrechtliche Innenhaftung. § 117 AktG kann als quasideliktischer Tatbestand ohnedies bestehen bleiben.

 

In anderen Fällen erfordert die unterschiedliche Aufgabenverteilung eine abweichende Zuständigkeitsregelung. So sollten die aktienrechtlichen und umwandlungsrechtlichen Berichtszuständigkeiten (§§ 293a, 312 AktG, §§ 8, 127, 192 UmwG) eher beim Verwaltungsrat selbst angesiedelt sein. Gleiches gilt für die Antragsbefugnis für Prüferbestellungen im Rahmen von Nachgründungen, Sachkapitalerhöhungen, Unternehmensverträgen oder Umwandlungen. Auch bei den konzernrechtlichen Verantwortlichkeiten wird die Position des § 46 SEEG nicht geteilt. Adressat der Weisung in der abhängigen SE muss wegen der Unanwendbarkeit von §§ 76, 111 AktG der Verwaltungsrat selbst sein.

 

Es spricht auch einiges dafür, die Zuständigkeit für den Abschluss eines Verschmelzungs- oder Spaltungsvertrages bzw. Spaltungsplans nach französischem Vorbild dem Verwaltungsrat in seiner Gesamtheit zuzuweisen[32], wobei zur besseren Praktikabilität eine Ermächtigung (durch schriftlichen Beschluss des Gesamtorgans) an den Vorsitzenden des Verwaltungsrats möglich ist.

 

Der Unterabschnitt über das monistische System könnte somit etwa wie folgt beginnen[33]:

 

„§ 18 Anzuwendende Vorschriften

 

(1)       Wählt eine SE gemäß Artikel 38 Buchstabe b der Verordnung in der Satzung das monistische System, so gilt, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, folgendes:

 

a)         betrifft eine Vorschrift den Vorstand, so gilt sie für die geschäftsführenden Direktoren, auch wenn diese zugleich Mitglieder des Verwaltungsrats sind; sind keine geschäftsführenden Direktoren bestellt, so gilt sie für den Verwaltungsrat;

 

b)         betrifft eine Vorschrift den Aufsichtsrat, so gilt sie für den Verwaltungsrat, auch soweit dessen Mitglieder zu geschäftsführenden Direktoren bestellt sind;

 

c)         betrifft eine Vorschrift den Vorsitzenden des Aufsichtsrats, so gilt sie für den Vorsitzenden des Verwaltungsrats, auch wenn dieser zugleich zum geschäftsführenden Direktor bestellt ist.

 

(2)       § 76 Abs. 1, § 96, § 111 und § 115 des Aktiengesetzes sind nicht anwendbar.

 

(3)       § 52 Abs. 3 und 4, § 59, § 63, § 64, § 83, § 88, § 89, § 92, § 97, § 121, § 131, § 145, § 179, § 183, § 194, § 227, § 239, §§ 202-206, § 221, § 293a, § 293c, § 308, § 312, § 394 des Aktiengesetzes sowie § 4, § 8, § 10, § 127, § 136, § 192 des Umwandlungsgesetzes betreffen anstelle der in diesen Vorschriften genannten Organe den Verwaltungsrat.

 

(4)       Vereinbarungen oder gesetzliche Vorschriften über die Beteiligung der Arbeitnehmer bleiben unberührt.

 

Der Unterabschnitt über das monistische System sollte mit einer Sonderregelung zu § 23 Abs. 5 AktG enden. Der Anteil zwingenden Rechts sollte gering sein und dürfte nur die Bestimmungen zur Außenhaftung, zum Statusverfahren, zur grundsätzlichen Weisungsabhängigkeit der geschäftsführenden Direktoren, zu ihrem maximalen Anteil am Verwaltungsrat sowie den nach vorstehendem Absatz 3 getroffenen Zuständigkeitsregelungen betreffen. In dieser den Unterabschnitt über das monistische System abschließenden Vorschrift sollte auch klargestellt werden, dass die die persönlichen Voraussetzungen der Arbeitnehmervertreter betreffenden Vorschriften vereinbarungsdispositiv (d.h. einer Vereinbarung über die Mitbestimmung zugänglich) sind.

 

Für die weiteren Regelungen im Unterabschnitt des SEEG über das monistische System folgt hieraus:

 

§§ SEEG Änderungsbedarf (soweit von „§ 18“ die Rede ist, ist der oben stehende Vorschlag gemeint)
19 Nur die Klarstellung zu § 95 AktG, dass ein Einmann-Verwaltungsrat möglich ist (in jeder Hinsicht satzungsdispositiv).
20 Unverändert wie Diskussionsentwurf.
21 Hier empfiehlt sich die Übernahme von Art. 716a und Art. 716b des schweizer OR.
22 Bereits in § 18 durch Verweisung auf §§ 100, 105 AktG geregelt (hinsichtlich Arbeitnehmer satzungs- oder vereinbarungsdispositiv).
23 Bereits in § 18 durch Verweisung geregelt (Kreditvergabe nach den für Vorstände geltenden Vorschriften).
24 Nur Regelungen zur Personalunion zwischen Direktoren und Verwaltungsräten erforderlich. Zu ihren Aufgaben: Übernahme des schweizer Obligationenrechts (siehe oben). Absätze 2-9 sind verzichtbar.
25 An § 78 AktG anpassen, d.h. auch Übernahme von § 78 Abs. 3 Satz 2 AktG (aus der Sicht der Praxis unverzichtbares Zweckmäßigkeitserfordernis). Hier sollte die Geltung von § 181 BGB klargestellt sein. Die Befreiung vom Verbot des § 181 BGB sollte im Hinblick auf den Einmann-Verwaltungsrat ohne die Schranken des § 112 AktG möglich sein, nicht nur die Befreiung vom Verbot der Mehrvertretung.
26-42 Bereits in § 18 durch Verweisung geregelt. Die innere Struktur des Verwaltungsrats sollte weitgehend satzungs- bzw. vereinbarungsdispositiv sein, vor allem was die Befugnis zur Einrichtung beschließender Ausschüsse betrifft. Zwingend sollten nur die Vorschriften über Statutsverfahren und Wahl sein.
44 § 18 verweist auf §§ 170-173 AktG, so dass die Vorschrift weitgehend verzichtbar ist. Die Zuständigkeit der Bilanzprüfung- und –feststellung sollte dispositiv in dem Sinne sein, dass auch ein audit committee diese Aufgabe anstelle des Aufsichtsrats wahrnehmen kann oder einem Quorum innerhalb des Verwaltungsrats das Recht zusteht, die Feststellung des Abschlusses durch die Hauptversammlung zu verlangen.
45 § 18 verweist bereits auf § 175 AktG mit der Modifikation durch § 18 Abs. 3, dass deren Einberufung durch den Verwaltungsrat erfolgt. An sich ist § 45 somit verzichtbar. Als Anleihe zum französischen Recht (siehe folgenden Abschnitt) könnte man ein Einberufungsrecht einer Minderheit des Verwaltungsrats oder des „audit committee“ vorsehen, um dem Fehlen eines « commissaire aux comptes » Rechnung zu tragen.

 

7.4       Außenhaftung als Notwendigkeit

 

Des weiteren ist bei der Einführung des monistischen Systems in Deutschland zu berücksichtigen, dass es sich hierbei um einen Teilimport einer rechtlichen Regelung handelt, die in ein dort bestehendes Rechtssystem eingebettet ist und nicht ohne weiteres hiervon isoliert in ein anderes Rechtssystem „transplantiert“ werden kann.

 

So steht in Frankreich neben dem « conseil d’administration » in größeren Gesellschaften der « commissaire aux comptes » (in der Schweiz die Revisionsstelle[34]), eine Institution mit sehr viel weiteren Befugnissen als der Abschlussprüfer nach deutschem Recht[35]. Dem « commissaire aux comptes » steht insbesondere ein selbständiges Informationsrecht gegenüber den Aktionären zu[36], ja sogar das Recht der Einberufung einer Hauptversammlung[37]. Damit wird in Frankreich und der Schweiz das System von „checks and balances“, das in der Struktur des dualistischen Systems angelegt ist, durch anders geartete „checks and balances“ dargestellt und im Ergebnis ein ähnlicher Kontrolleffekt erzielt.

 

Zudem kennen sowohl das französische als auch das schweizer Recht eine Außenhaftung der Mitglieder des Verwaltungsrats gegenüber den Aktionären, in der Schweiz in Gestalt der Verantwortlichkeitsklage nach Art. 754 OR[38], in Frankreich als « action individuelle », gerichtet auf Ersatz des Gesellschafterschadens oder als (subsidiäre) « action sociale », gerichtet auf Ersatz des Gesellschaftsschadens (Art. 1843-5 Code Civil)[39]. Die französische Rechtslage weist hier Parallelen zum US-amerikanischen Nebeneinander von „direct action“ und „derivative action“ auf[40]. Ähnlich wie im französischen ist die Lage im spanischen Aktienrecht[41]

 

Bei einer Übertragung monistischer Strukturen in das deutsche System erscheint daher jedenfalls eine stärkere Außenhaftung der Mitglieder des Verwaltungsrats unverzichtbar. Sie sollte sich am französisch-schweizerischen Vorbild orientieren, jedoch die unterschiedliche Situation in beiden Ländern im Auge behalten, was die Anzahl von Richtern und Rechtsanwälten pro Kopf der Bevölkerung, den traditionellen Pragmatismus der Rechtsprechung und die andere „Streitkultur“ in diesen Ländern angeht.

 

Eine Außenhaftung könnte wie folgt geregelt werden:

 

(1)       Verletzt ein Mitglied des Verwaltungsrats oder ein geschäftsführender Direktor eine ihm bei der Ausübung seiner Funktion obliegende Pflicht, so kann die Gesellschaft
oder ein Aktionär von ihm Ersatz des hieraus der Gesellschaft entstehenden Schadens verlangen, es sei denn, ihm fällt weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zur Last. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn der Schuldner bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben über zumutbare Kenntnis der Sachlage verfügte und davon ausgehen durfte, dass seine Handlung im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft lag.

 

(2)       Ansprüche nach Absatz 1 verjähren nach Ablauf von fünf Jahren, nachdem der Gläubiger vom Entstehen des Schadens Kenntnis erlangt hat, unabhängig hiervon nach Ablauf von fünf Jahren, nachdem das Ausscheiden des Schuldners als Mitglied des Verwaltungsrats oder als geschäftsführender Direktor bekannt gemacht worden ist.

 

(3)       Für Klagen wegen Ansprüchen nach Absatz 1 ist das Gericht des Sitzes der Gesellschaft zuständig.

 

(4)       Erhebt ein Aktionär die Klage, so kann das Gericht auf Antrag die Stellung einer angemessenen Sicherheit für die Kosten der Rechtsverteidigung des Schuldners anordnen. Gegen die Anordnung oder ihre Anlehnung findet die sofortige Beschwerde statt.

 

Damit wird dem einzelnen Aktionär ein Anspruch auf Ersatz des Gesellschaftsschadens gewährt, vergleichbar der „actio pro socio“ im Recht der Personengesellschaften. Für einen eigenen Schaden des Aktionärs verbleibt es bei den allgemeinen Regelungen, also insbesondere bei Ansprüchen nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz oder nach § 826 BGB. Mit der Ablehnung einer allgemeinen „direct action“ sollen räuberische Aktionärsklagen verhindert werden – für den Aktionär persönlich gibt es unmittelbar nichts zu gewinnen. Die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Kläger Aktionär der Gesellschaft sein muss, um aktiv legitimiert zu sein (und zu bleiben), kann der Lösung durch Wissenschaft und Praxis überlassen bleiben[42].

 

Absatz 1 Satz 2 weist entsprechend einer vertraglichen Haftung die Beweislast für Pflichtverletzung, Schaden und Kausalität dem Anspruchsteller und für das Fehlen eines Verschuldens dem Anspruchsgegner zu. Zugunsten des Schuldners schafft Absatz 1 Satz 2 einen Entlastungsbeweis. Absatz 1 Satz 2 ist in Anlehnung an die US-amerikanischer Doktrin der „business judgment rule“ ausgestaltet[43].

 

Die „business judgment rule“ begründet in der Umsetzung gemäß vorstehendem Vorschlag jedoch keine Vermutung zugunsten des Schuldners, sondern definiert nur den Inhalt seiner Sorgfaltspflicht. Diese Abschwächung trägt dem stärkeren Schutz des Beklagten im deutschen Zivilprozessrecht vor Ausforschungsbeweisen im Vergleich zu US-amerikanischen „pre-trial discovery procedures“ Rechnung. Dem prozessualen Übergewicht des Klägers muss das US-amerikanische materielle Recht durch eine Vermutung zugunsten des Beklagten begegnen.

 

Zudem wird das Erfordernis einer „informed basis“ auf das Erfordernis „zumutbarer Kenntnis“ abgemildert. Damit ist ein Beurteilungsspielraum geschaffen für eine geschäftspolitische Entscheidung über das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen der Gewinnung weiterer Informationen. Diese Abmilderung trägt insbesondere den enormen Transaktionskosten Rechnung, die das Erfordernis einer „informed basis“zur Folge hat. Denn Konsequenz des Tatbestandsmerkmals der „informed basis“ ist z.B. die Notwendigkeit einer eingehenden „due diligence“-Prüfung gerade bei Unternehmenszusammenschlüssen oder Finanzierungsmaßnahmen im angelsächsischen Raum. Deren tatsächlicher Nutzen für die Unternehmen aufgrund effektiven Erkenntnisgewinns lässt sich mit Fug und Recht bezweifeln, wenn man vom damit einhergehenden Beschäftigungseffekt für den Markt der Rechts- und Wirtschaftsberatung einmal absieht, der die „due diligence“ oft genug als eine Materialschlacht für die Berufsanfänger der Großbüros ansieht.

 

Entsprechende Überlegungen gelten für den Begriff des „wohlverstandenen Interesses“ anstelle des „best interest“.

 

Die US-amerikanische „business judgment rule“ ist in Fällen eines „conflict of interest“  nicht anwendbar, da Pflichtverletzungen aufgrund eines Interessenkonflikts nach dortigem Rechtsverständnis zu einer Haftung des „agent“ aufgrund der „duty of loyalty“ anstelle der „duty of care“ führen, welche sich in der Verteilung der Beweislast unterscheiden[44]. Hierfür besteht im deutschen Recht kein Bedürfnis. Zum einen kann im Außenverhältnis bereits § 181 BGB eingreifen, zum anderen wird auch bei Befreiung vom Verbot der Mehrvertretung/des Insichgeschäfts ein Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, dass ein Insichgeschäft nicht im wohlverstandenen Interesse der vertretenen Gesellschaft lag (auf eine Vermutung zugunsten des Schuldners wurde ohnedies im hier unterbreiteten Vorschlag verzichtet).

 

Der Vorschlag sieht davon ab, einen besonderen Vertreter entsprechend § 26 UmwG einzuführen[45], da die Klage eines einzelnen Aktionärs nach Absatz 1 Satz 1 nur auf Leistung an die Gesellschaft geht[46]. Der besondere Vertreter macht wegen der von ihm durchgeführten Verteilung der erstrittenen Summe unter zahlreichen Geschädigten nur in den Fällen Sinn, in denen etwas verteilt wird. Die Schaffung eines besonderen Vertreters würde zudem die Gefahr noch verstärken, dass auf solche Klagen spezialisierte Anwälte um die Verschaffung dieser Stellung konkurrieren[47]. Statt dessen soll der Gefahr räuberischer Haftungsklagen über die Anordnung einer Prozesskostensicherheit nach Absatz 4 begegnet werden. Es bedarf dann auch keiner Rechtskrafterstreckung eines Urteils auf Leistung an die Gesellschaft auf andere klagende Aktionäre[48]. Auch insoweit kann mit dem Institut der Prozesskostensicherheit[49] Missbräuchen begegnet werden. Die Anfechtbarkeit dieser Entscheidung mit der sofortigen Beschwerde bietet den Vorteil einer summarischen Prüfung der Hauptsache durch die nächsthöhere Instanz.

 

Die besondere Zuständigkeit des für den Sitz der Gesellschaft zuständigen Gerichts nach Absatz 3 (vgl. Art. 5 Nr. 1 b), Nr. 3, Nr. 5 EuGVO) dient ebenfalls der Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen.

 

Die Verjährungsfrist nach Absatz 2 nähert die Haftung an die Rechtslage nach § 159 HGB an.

 

Eine summenmäßige Haftungsbeschränkung[50] kommt nicht in Betracht. Zum einen erscheint es gesellschaftspolitisch nicht vermittelbar, dass der Tanklastzugfahrer eines Ölkonzerns für eine Nachlässigkeit im Straßenverkehr nach außen unmittelbar und unbeschränkt nach Deliktsrecht haftet, während seine sehr viel besser bezahlten Vorgesetzten in den Genuss einer Haftungsobergrenze kommen sollen. Zum zweiten ist unbeschränkte Haftung ein entscheidendes Element der Schaffung von Vertrauen der „principals“ in die Integrität der „agents“ und für letztere ein wesentlicher Anreiz für eine qualitativ hochwertige Leistung. Das Gegenargument der Gefahr risikoaversen Verhaltens wird schon durch den Vergleich der rechts- und wirtschaftsberatenden Berufe ohne Haftungsbeschränkungsmöglichkeit (nur noch der Notar) und mit einer solchen Möglichkeit (alle übrigen Berufe) widerlegt. Im übrigen schützt die „business judgment rule“ hinreichend vor den Folgen subjektiv richtiger Entscheidungen, die sich hinterher als objektiv falsch herausstellen.

 

 

8.         Handelndenhaftung

 

Art. 16 SE-VO folgt der französischen Konzeption[51], wonach Geschäfte, die vor Eintragung der SE in deren Namen geschlossen wurden, nicht mit deren Eintragung automatisch auf die SE übergehen und für diese vielmehr die Handelnden haften. Zum Übergang auf die SE bedarf es nach diesem Regelungsmodell eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses (« si la SE ne reprend pas, après cette immatriculation, les engagements résultants de tels actes »), soweit nicht im Vertrag zwischen der Vor-SE und dem Dritten die Haftung der Handelnden ohnedies bereits ausgeschlossen war (« sauf convention contraire »).

 

8.1       Vor-SE

 

Betrachtet man nur den über § 1 SEEG in der hier vorgeschlagenen Fassung anwendbaren § 41 AktG, so wäre de lege lata eine Lösung im Sinne von Art. 16 der Verordnung bereits Teil des deutschen Rechts. Denn das geschriebene deutsche Recht (“law in the books“) ist sehr viel „europäischer“ als man meint:

 

Die Konzeption des geschriebenen Rechts lässt sich wie folgt darstellen:

 

(1)       Schon vor der Gründung geplante Geschäfte der SE müssen als Sacheinlagen, Sachübernahmen Gründungsaufwand oder Sondervorteile in der Satzung der AG geregelt werden, §§ 26, 27 AktG.

 

(2)       Im Namen der künftigen AG abgeschlossene Geschäfte zwischen Gründung und Eintragung fallen unter die §§ 177-179 BGB[52] und werden somit mit der Genehmigung durch die Gesellschaft wirksam, wobei die Genehmigung selbst den Schranken der §§ 26, 27, 52 AktG unterliegt. Insbesondere darf das Handeln nach §§ 177-179 BGB nicht der Umgehung der Prüfungspflicht bei Sachgründungen/Sachübernahmen dienen.

 

(3)       Zudem kann ein Geschäft, das im Namen der AG geschlossen wurde, von dieser nach § 41 Abs. 2 AktG „übernommen“[53] werden, ohne dass es hierzu der Genehmigung des anderen Vertragsteils bedarf[54]. Auch hierdurch darf jedoch § 27 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht unterlaufen werden, § 41 Abs. 3 AktG[55]. Wird das Geschäft nicht von der AG genehmigt bzw. übernommen, verbleibt es bei der Haftung des Handelnden nach § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG. Rechtshandlungen, durch die die errichtete, aber noch nicht eingetragene AG verpflichtet wird, sind in dieser Systematik allenfalls dann denkbar, wenn das Geschäft im Zusammenhang mit der Herbeiführung der Eintragung steht (z.B. Eröffnung eines Bankkontos zur Einzahlung des Grundkapitals; Abschluss von Verträgen über Sacheinlagen oder Sachübernahmen)[56].

 

(4)       Denkbar sind schließlich Geschäfte, die nicht im Namen der künftigen AG geschlossen wurden, aber von der AG übernommen werden sollen. Insoweit gelten die allgemeinen Regeln der §§ 414, 415 BGB (vorbehaltlich §§ 26, 27, 52 AktG).

 

Die Entwicklung der Rechtslehre (“law in action“) ist jedoch zwischenzeitlich am Wortlaut des § 41 AktG vorbeigegangen. Ausgehend von der Dogmatik der sogenannten „Vorgesellschaft“ im Recht der GmbH ist inzwischen auch für die deutsche AG jedenfalls in der Wissenschaft anerkannt, dass Rechtshandlungen, durch die die errichtete, aber noch nicht eingetragene AG berechtigt oder verpflichtet wurde, im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die eingetragene AG übergehen[57].

 

Bilanziert man die Vor- und Nachteile der Anerkennung einer Vorgesellschaft als Rechtsvorgängerin der juristischen Person in der deutschen Rechtslehre, so erscheint das Ergebnis zwiespältig[58]. In der Konsequenz dieser Doktrin liegt beispielsweise die Lehre von der Differenzhaftung, nach welcher zur Feststellung der wertgleichen Deckung auf den Tag der Eintragung eine Bilanz der soeben entstandenen juristischen Person aufzustellen ist. Diese Betrachtung ist lebensfremd; eine solche Bilanz erstellt niemand. Nicht ohne Grund ist die Rechtsprechung nur mit großer Vorsicht daran gegangen, die Anwendbarkeit dieser zur GmbH entwickelten Grundsätze auf die AG auszuloten[59]. Die Annahme einer Rechtsnachfolge der AG in die Vor-AG unterläuft letztlich das Konzept der Kapitalaufbringung, das den §§ 26, 27 AktG vor dem Hintergrund der 2. Gesellschafts­rechtlichen Richtlinie zugrunde liegt[60].

 

Angesichts der Flexibilität der französischen Doktrin erscheint eine Reaktion des deutschen Gesetzgebers sinnvoll, schon um hier das deutsche Gesellschaftsrecht wieder näher an das ius commune und damit näher an Europa heranzuführen. Für Geschäfte zwischen Errichtung und Eintragung kann es bei der (allerdings wörtlichen) Anwendung des § 16 Abs. 2 SE-VO verbleiben. Die Schaffung einer Bestimmung, wonach eine « reprise » stets dann fingiert wird, wenn der Vorstand das Geschäft in der Zeit zwischen Errichtung und Eintragung der SE in deren Namen mit zumindest konkludenter Zustimmung der Gründer vorgenommen hat[61], wäre aus den oben dargestellten Gründen eher schädlich und zudem in seiner europarechtlichen Zulässigkeit zweifelhaft.

 

8.2       Vorgründungs-SE

 

Nach französischem Modell sind jedoch darüber hinaus sogar im Namen der Vorgründungsgesellschaft vorgenommene Rechtshandlungen der « reprise » zugänglich. Dieser rückwirkende Schuldnerwechsel kann nur mit den im französischen Recht viel weiter gehenden Befugnissen der Gläubiger kompensiert werden[62]. Die « action paulienne » des Code Civil kennt das deutsche Recht nicht. Hier sollte es daher bei der Regel des deutschen Rechts verbleiben[63], d.h. bei einer Überwindung der Schranke zwischen Vorgründungsgesellschaft und Vorgesellschaft nur durch eine rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme oder Genehmigung nach § 177 BGB, die den Regeln der Sachübernahme bzw. der Nachgründung unterfällt, da die Absicht der Vornahme des Geschäfts bereits vor Errichtung der SE bestand. Eine solche Regelung wäre europarechtlich unbedenklich.

 

Insoweit bedarf es daher der Klarstellung zu Art. 16 Abs. 2 SE-VO, dass § 41 Abs. 3 AktG unberührt bleibt.

 

9.         Sitz und Hauptverwaltung

 

In § 2 und § 49 SEEG macht der deutsche Gesetzgeber von der Befugnis nach Art. 7 Satz 2 SE-VO Gebrauch.

 

Zu Recht beschränkt § 2 SEEG die Sitzwahl nicht nur auf den Ort der Hauptverwaltung, sondern lässt (wie in § 5 Abs. 2 AktG und § 4a Abs. 2 GmbHG) das Bestehen eines Betriebs (im arbeitsrechtlichen Sinne bzw. im Sinne einer Betriebsstätte des Steuerrechts) genügen. Grenzüberschreitende Zusammenschlüsse im Sinne eines „merger of equals“ werden damit erleichtert, wobei zumindest in der Begründung auch die Zulässigkeit von Doppelsitzen klargestellt werden sollte. Die damit verbundenen Probleme eines „merger“ zweier anwendbarer Aktienrechte wird das Notariat in grenzüberschreitender Zusammenarbeit lösen, wenn nur genügend Gestaltungsspielraum für die Satzung eingeräumt wird.

 

Der liberale Gesetzestext steht in gewissem Gegensatz zur Gesetzesbegründung, die offenbar von der Gleichung Sitz = Ort der Hauptverwaltung ausgeht.

 

§ 49 SEEG sollte neben und vor der harten Sanktion der Feststellung eines Satzungsmangels dem Registergericht die allgemeinen Befugnisse nach FGG geben (d.h. Androhung und Festsetzung eines Zwangsgelds).

 

Grundsätzlich ist zu erwägen, ob der deutsche Gesetzgeber überhaupt von der Ermächtigung des Art. 7 Satz 2 SE-VO Gebrauch machen sollte. Ein partieller Übergang zur Gründungstheorie könnte bewirken, dass Holdingstandorte im Ausland zumindest unter Sicherstellung der unternehmensstrategischen Führung deutscher Unternehmen gegründet werden können. Schon jetzt liegen die Ausweichgestaltungen wie Einbringung deutscher Unternehmen in eine Holding-SE mit Sitz im Ausland und deren anschließende Rückumwandlung nach Art 66 SE-VO in eine Aktiengesellschaft nach dortigem Recht auf dem Tisch[64]. Ohnedies steht zu befürchten, dass die Praxis die SE gänzlich links liegen lässt und die schon in den Fällen wie Daimler-Chrysler oder Hoechst-Rhône-Poulenc beschrittenen Wege geht.

 

Diese Wege werden sich letztlich durch Grenzsicherungsanlagen im Gesellschaftsrecht nicht versperren lassen. Die Leistungsträger dieses Landes werden, wenn ihnen hier nicht die entsprechenden Rahmenbedingungen geboten werden, von ihrem zwar nicht kodifizierten, aber als Teil ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit ebenfalls bestehenden Streikrecht Gebrauch machen und ihre Chance außerhalb dieses Landes suchen[65].

 

Das deutsche Gesellschaftsrecht hat international im Verhältnis zum anglo-amerikanischen Rechtskreis den Vorteil berechenbarer und klarer Regelungen[66] sowie mit dem Notariat und der Registergerichtsbarkeit eine juristische Infrastruktur, die es jedem Unternehmer möglich macht, ohne große Transaktionskosten die rechtlichen Gestaltungsformen des Gesellschaftsrechts zu benutzen.

 

An Nachteilen steht diesen Vorzügen zum einen eine derzeit für nicht börsennotierte Gesellschaften im Aktienrecht relativ hohe Regulierungsdichte mit geringer Fehlertoleranz gegenüber.

 

Als weiterer vielfach so empfundener Nachteil aus der Sicht des Auslands und zahlreicher deutschen Unternehmen sticht die betriebliche und die Unternehmensmitbestimmung hervor. Insoweit ist es leider den deutschen Sozialpartnern in den über 25 Jahren des Bestehens der allgemeinen Unternehmensmitbestimmung nach dem MitBestG 1976 nicht gelungen, das Ausland von den positiven Effekten der Einbindung des Sachverstands der Arbeitnehmerschaft in unternehmerische Entscheidungsprozesse zu überzeugen (auch im Inland scheint dieser Prozess noch nicht abgeschlossen). Dies kann am Unverstand des Auslands liegen, aber auch an Mängeln im System selbst. Zu nennen wären hier die enormen volkswirtschaftlichen Kosten der Mitbestimmung[67], die Zentrierung der Aufsichtsratstätigkeit auf Fragen der Sozialpolitik mit der einhergehenden Verlagerung der Entscheidungsträgerschaft auf anonyme Gruppen und die Prärogative für nicht betroffene unternehmensfremde Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat[68]. Die Einführung der SE bietet jetzt die Chance, die Effizienz unseres Systems so zu verbessern, dass es nicht zu einer „Abstimmung mit den Füßen“ kommt.

 

Fußnoten:

[1]           Zitaten der SE-VO liegt, soweit nichts anderes gesagt, der französische Verordnungstext zugrunde. Außer der deutschen wurden die englische, spanische und italienische Sprachfassung verwendet.
[2]           So z.B. die Schlussfolgerung von Brandt/Scheifele, DStR 2002, 547 und Grundmann/Möslein, ZGR 2003, 317, 362 (Fußnote 147), die nur von der deutschen Sprachfassung ausgehen und zwangsläufig zur unzutreffenden Auslegung gelangen.
[3]           Siehe auch Erwägungsgrund 14 zur SE-VO.
[4]           In diesem Sinne auch Kübler, ZHR 167 (2003), 222, 224 f., 231.
[5]           Die Verwendung des bestimmten Artikels im englischen Text anstelle des unbestimmten Artikels ist grammatikalisch korrekt, da sie Gericht, Notar und Behörde als abstrakte Institution bezeichnen.
[6]           Art. L-225-103, Art. L-225-105 Code de Commerce; Art. L. 432-6-1 Code du travail.
[7]           Kursive Hervorhebung vom Verfasser.
[8]           subjuntivo del presente, zu übersetzen mit dem Imperativ.
[9]           Art. L-236-6 al. 3 Code de commerce.
[10]          Statt vieler Widmann/Mayer-Heckschen, § 14 UmwG Rz. 49-52. Jetzt in diesem Sinne auch Teichmann, ZGR 2003, 367, 380.
[11]          Begr. UmwG BR-Drucks. 75/94 zu § 14 UmwG: Entsprechend schon die Begründung des DE-UmwG und des RE-UmwG.
[12]          Teichmann, ZGR 2003, 367, 381 weist nur auf § 57 AktG hin, ohne das Problem des Kapitalschutzes zu diskutieren. Auf die europarechtliche Dimension des Kapitalschutzes wird gar nicht eingegangen.
[13]          (vgl. Ziff. 3.4, 3.10. sowie der Vorschlag eines Einführungsgesetzes in Beilage 1) Der Vorschlag findet sich unter http://www.justitie.regieringen.se/propositioner/index.htm.
[14]          Entsprechend auch die Übersetzung in Erwägungsgrund 24 der SE-VO.
[15]          Vgl. auch Art. 8 Abs. 7 SE-VO, wo das im deutschen Text enthaltene Wort „angemessen“ im französischen Text mit « adéquate », im englischen Text mit „adequately“ wieder gegeben ist.
[16]          Vgl. hierzu neben Erwägungsgrund 24 der SE-VO (zum Übersetzungsproblem siehe oben) insbesondere auch Erwägungsgrund 5 Satz 2 der SE-VO.
[17]          EuGH ZIP 2002, 1085 (Frankreich und Portugal); EuGH ZIP 2002, 1090 (Belgien) sowie die jetzt entschiedenen Rechtssachen Rs C-463/00 (Spanien), DB 2003, 1160 und Rs C-98/01 (Vereinigtes Königreich), DB 2003, 1163; hierzu Vorbericht in ZIP 2003 Heft 20, S. A 39 Nr. 119. Hierzu jetzt auch Grundmann/Möslein, ZGR 2003, 317, 340-342.
[18]          Nicht recht verständlich ist hier Teichmann, ZGR 2003, 367, 382-383, nach dem die Ausdehnung des Austrittsrechts ein Vorteil für deutsche Unternehmen sein soll.
[19]          Auch Teichmann, aaO, S. 395 sieht hierin keine Gesetzeslücke.
[20]          Vgl. hierzu Erwägungsgrund 24 Satz 3 der SE-VO.
[21]          Siehe Erwägungsgrund 5 der SE-VO.
[22]          Denn § 917 Abs. 2 Satz 2 ZPO macht von Satz 1 eine Ausnahme für Urteile, die nach den dort genannten Abkommen (EuGVÜ, Lugano-Übereinkommen) im Ausland vollstreckbar wären. Damit ist dem Wertungen des Europarechts (heute gemäß Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000, Abl. L 12/01, S. 1 (EuGVO) Rechnung getragen.
[23]          Diese Auslegung entspricht dem Schutzanliegen von Erwägungsgrund 24 Satz 3 SE-VO.
[24]          „Nachweis“ im Sinne der deutschen Sprachfassung der SE-VO ist ein Beweis (« prouver »). Inwieweit ein Beweisverfahren überhaupt in das einseitige Verfahren der Erteilung des Zertifikats passt und nicht eher einem der Dispositionsmaxime unterliegenden Prozess vorbehalten bleibt, ist ohnedies eine durch die SE-VO ungelöste Frage.
[25]          Art. L-225-51-1 al. 1 Code de commerce (1. Alternative).
[26]          Art. L-225-51-1 al. 1 Code de commerce (2. Alternative) i.V.m. Art. L-223-53 Code de commerce.
[27]          Hierzu Schiessl, ZHR 167 (2003), 235, 243.
[28]          Näher hierzu jüngst Schiessl, aaO, S 245.
[29]          Das ist nach der jetzigen Fassung des SEEG nicht möglich, vgl. §§ 38 Abs. 4 Satz 2, 21 Abs. 3 SEEG. Daher wäre die Vergabe eines Prüfungsauftrags für ein Restrukturierungskonzept, der seinem Umfang nach über die Pflichtprüfung hinausgeht, z.B. durch einen Verwaltungsrat, der zu je einem Drittel aus geschäftsführenden Direktoren, aus Arbeitnehmervertretern und aus „unabhängigen“ Mitgliedern besteht, wegen des verständlichen Bedürfnisses der Mehrheit, Managementfehler zu verdecken und soziale Besitzstände zu wahren, in der Praxis sicherlich problematisch.
[30]          In Frankreich ist mit etwa 6-7 Sitzungen des conseil d’administration die Sitzungsfrequenz und damit die Kontrolldichte des monistischen Organs nur unwesentlich höher als im dualistischen System, vgl. Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, 15. Aufl. 2002, RNr. 638.
[31]          Ein Beispiel hierfür ist etwa § 25 SEEG, der zu Unrecht die flexible Regelung der Vertretungsmacht der geschäftsführenden Direktoren durch Beschluss des Verwaltungsrats nicht vorsieht (Erfordernis einer Satzungsänderung) und zudem keine Befreiung vom Verbot der Mehrvertretung nach § 181 Alternative 2 BGB ermöglicht (die Anwendbarkeit von § 112 AktG im Bereich des monistischen Systems ist ohnedies fraglich, dazu nachstehend). Ein weiteres Beispiel ist die Verweisung auf § 68 Abs. 2 Satz 2 AktG in § 38 Abs. 4 Satz 2 SEEG. In einer Publikumsgesellschaft mit vinkulierten Namensaktien (z.B. Luftfahrt oder Versicherungswirtschaft) ist die Entscheidung über die Veräußerungszustimmung durch einen mitbestimmten Verwaltungsrat in seiner Gesamtheit kaum vorstellbar.
[32]          Art. 236-6 Code de commerce; hierzu Cozian/Viandier/Deboissy, aaO, RNr. 1715.
[33]          Vgl. hierzu etwa den Regelungsansatz in § 17 des Vorschlags des schwedischen Justizministeriums, aaO (oben Fußnote 13).
[34]          Art. 727 ff. schweizer OR.
[35]          Einzelheiten hierzu bei Cozian/Viandier/Deboissy, aaO, RNr. 960 ff.
[36]          Art. L-234-1 Code de commerce (« procédure d’alerte »).
[37]          Art. L-225-103 al. 1 Code de Commerce. Hierzu Cozian/Viandier/Deboissy, aaO, RNr. 835. Dem gegenüber sind die Kompetenzen der schweizer Revisionsstelle schwächer.
[38]          Diese steht nach schweizer Recht nicht nur den Aktionären, sondern sogar als unmittelbare Durchgriffsklage den Gläubigern der Gesellschaft offen, vergleichbar der französischen « action paulienne » (Art. 1167 Code Civil), ist aber eher einer vertraglichen als einer deliktischen Klage ähnlich.
[39]          Hierzu Cozian/Viandier/Deboissy, aaO, RNr. 361-366.
[40]          Eingehend Pinto/Branson, Understanding Corporate Law, 1999, § 14 (p. 385 sqq.).
[41]          Siehe Art. 127, 133, 134 und 135 RDLeg 1564/1989 de 22 diciembre. Aprueba el texto refundido de la ley de sociedades anónimas.
[42]          Siehe Pinto/Branson, aaO, § 14.03 (p. 397 sqq.).
[43]          Vgl. die Formulierung der business judgment rule bei W. Burnham, Introduction into the Law and Legal System of the United States, 3. Aufl. 2002, S. 567: “a presumption that in making a business decision the directors of a corporation acted on an informed basis, in good faith and in the honest belief that the action taken was in the best interest of the company”. Zur business judgment rule auch Pinto/Branson, aaO, § 8.03 [C] (p. 190-192).
[44]          Näher hierzu Pinto/Branson, aaO, § 8.01 [A] (p. 182), § 8.03 [C] in fine (p. 192), § 9 (p. 199 sqq.).
[45]          Wie hier der Vorschlag Kapitel I Nr. 15 (Rz. 72-73) der Regierungskommission Corporate Governance, hierzu die im Grundsatz zustimmende Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, BB 2003, Beil. 4, S. 3, der sich jedoch für den besonderen Vertreter ausspricht.
[46]          Eine Klage des Aktionärs auf Ersatz seines eigenen Schadens, z.B. eines Verwässerungsschadens wie nach deutschem Aktienrecht in den Fällen der §§ 197, 199, 201 AktG i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB wird gewöhnlich in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen weniger bedeutend sein.
[47]          Zu entsprechenden Entwicklungen in den USA Pinto/Branson, aaO, § 14.01 (zu „class action attorneys“ als „private attorney general“). Nach den bisherigen Erfahrungen mit Anlegerprozessen im Kapitalmarkrecht ist von einer analogen Entwicklung in Deutschland auszugehen.
[48]          Anders der Vorschlag der Regierungskommission Corporate Governance Kapitel I Nr. 15.
[49]          Insoweit greift der Vorschlag Rechtsinstitute aus dem Recht der US-Bundesstaaten auf, vgl. Pinto/Branson, aaO, § 14.01 (p. 386) sowie § 14.04 [C] (p. 406 sqq.): erstmals 1944 im N.Y. Bus. Corp. L. § 627.
[50]          So aber die Regierungskommission Corporate Governance Kapital 3 Nr. 31 (Rz. 186) für die Haftung für Falschinformation des Kapitalmarkts; kritisch hierzu Handelsrechtsausschuss des DAV, BB 2003, Beil. 4, S. 13.f.
[51]          Siehe Art. 1843 Code Civil, Art. L. 210-6 Code de commerce: die « reprise » erfolgt durch Nennung der Geschäfte der Vorgründungsgesellschaft in der Satzung, für Geschäfte der Vorgesellschaft durch Generalermächtigung in der Satzung oder in einem separaten Rechtsakt oder im nachhinein durch zustimmenden Beschluss der Mehrheit der Aktionäre. Hierzu Cozian/Viandier/Deboissy, aaO, RNr. 251-259. Ähnlich Art. 645 schweizer OR und Art. 15 des spanischen Aktiengesetzes (RDLeg 1564/1989 de 22 diciembre, das eine automatische Überleitung nur für die unabdingbaren Gründungskosten kennt (Art 15 apto. 2, apto. 3 frase 1), im übrigen eine Annahme durch die Gesellschaft innerhalb von drei Monaten vorschreibt (Art 15 apto. 3 frase 2).
[52]          Palandt-Heinrichs, BGB 62. Aufl., § 177 RNr. 3.
[53]          Die Vorschrift geht auf § 34 AktG 1935 zurück, wobei dessen Abs. 3 durch das AktG 1965 erweitert wurde. Davor galt nur eine Regelung entsprechend § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG (vgl. Art. 211 Abs. 2 ADHGB und § 200 Abs. 2 HGB 1900), eine Klarstellung der im gemeinen Recht hinsichtlich des Umfangs streitigen Haftung des Vertreters und eine Sonderregelung zu § 179 BGB (vgl. Staudinger-E. Riezler, BGB 9. Aufl., § 179 Anm. 3c sowie zum Rechtsstand vor 1900 Windscheid, Pandekten, 4. Aufl. 1875, I § 74 a.E.). Die Wirksamkeit eines im Namen der künftigen AG geschlossenen Vertrages hing von deren Genehmigung nach Eintragung ab, andernfalls haftete der Handelnde auf id, quod interest. Im Übrigen verblieb es bei § 415 BGB. Die in § 41 Abs. 2 AktG liegende Aufweichung des Schutzes des anderen Vertragsteils im Verhältnis zu §§ 177 Abs. 2, 415 BGB ist rechtspolitisch nicht unproblematisch (vgl. die einschränkende Auslegung im Verhältnis zu §§ 414, 415 BGB bei Godin/Wilhelmi, AktG, 4. Aufl., § 41 Anm. 11: ratio des § 41 Abs. 2 AktG sei nur eine erleichterte Befreiung des Handelnden von seiner Haftung nach § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG). Das Verhältnis zwischen § 177 Abs. 2 BGB und § 41 Abs., 2 AktG bleibt bei dieser Auslegung jedoch unklar. Gleiches gilt auch für die Ausführungen von Kraft in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 41 RNr. 79 einerseits („vereinfachte Form der Schuldübernahme“) bzw. RNr. 86 andererseits (Genehmigung „analog“ §“ 177 BGB). Ohne weiteres von einer Ausnahme zu §§ 414, 415 BGB scheint auszugehen Münchner Kommentar zum AktG-Pentz, § 41 Rz. 154.
[54]          Die Auslegung von § 41 Abs. 2 AktG müsste an der Frage nach dem Verhältnis der Vorschrift zu § 177 Abs. 2 BGB ansetzen. § 41 Abs. 2 AktG schneidet dem anderen Vertragsteil zunächst die Möglichkeit ab, den Vertrag über § 177 Abs. 2 BGB zu Fall zu bringen und damit die Haftung des Vertreters nach § 179 BGB auszulösen. Diese Möglichkeit besteht erst nach Ablauf der in § 41 Abs. 2 AktG bestimmten Frist. Mit § 415 BGB hat § 41 Abs. 2 AktG schon deshalb nichts zu tun, da § 41 Abs. 2 AktG ausdrücklich ein Handeln im Namen der AG voraussetzt, so dass sich ein Problem der Schuldübernahme nicht stellt.
[55]          Diese Vorschrift dürfte einen allgemeinen Rechtsgedanken enthalten (Vorrang des Kapitalaufbringungsrechts) und daher auch auf die Genehmigung geschlossener Verträge nach § 177 BGB oder nach §§ 414, 415 BGB anwendbar sein. Aus ihr ergibt sich im übrigen, dass die GmbH-rechtliche Dogmatik der Vorgesellschaft auf die AG nicht passt. Auch wertgleiche Deckung kann die nach § 33 Abs. 2 Nr. 4 AktG vorgeschriebene Prüfung nicht ersetzen, da letztlich dem Insolvenzverwalter das Prozessrisiko insoweit aufgebürdet wird (dieser muss die Unterdeckung beweisen), während bei einer Sachgründung das Risiko der Unterdeckung der Gründer trägt, der die Erfüllung seiner Einlagepflicht beweisen muss.
[56]          Zur ultra vires Lehre bei Geschäften vor Eintragung der SE siehe Godin/Wilhelmi, AktG, § 41 Anm. 5 sowie Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I/2 Die juristische Person, 1983, S. 150 (§ 5 III 1.) unter Hinweis auf RGZ 32, 97, 98.
[57]          Statt aller Hüffer, AktG, 5. Aufl. § 41 Rz. 2, 16-16a, 19, 28: die Handelndenhaftung und der Befreiungstatbestand des § 41 Abs. 2 AktG beschränken sich nach dieser Ansicht heute auf den Fall, dass die Vor-AG mangels Vertretungsbefugnis ihrer Vorstände nicht wirksam verpflichtet worden ist und die Gesamtrechtsnachfolge daher ins Leere geht. Damit wäre der Anwendungsbereich des § 41 Abs. 2 auf ein Minimum beschränkt.
[58]          Instruktiv Flume, aaO, S. 166 ff. (§ 5 III 4).
[59]          Vgl. Kölner Kommentar zum AktG-Kraft, 2. Aufl., § 41 RNr. 61 ff. unter Hinweis auf BGHZ 80, 129.
[60]          Auch die aus europarechtlicher Sicht erstaunliche Fragestellung, ob auf einen Mantelkauf die Gründungsvorschriften anwendbar sind, liegt letztlich in der Konsequenz dieser Doktrin (vgl. BGH vom 09.12.2002, DStR 2003, 298 ff.).
[61]          Das liefe im Ergebnis auf die Anerkennung der Figur der Vor-AG durch den Gesetzgeber hinaus.
[62]          So reicht für die „fraude paulienne“ im Sinne des Art. 1167 Code Civil eine vorsätzliche Fehlbewertung aus; eine subjektive Schädigungsabsicht im Sinne des deutschen § 826 BGB ist nicht erforderlich, Vgl. Dalloz, Code Civil 2003, Anm. 3 zu Art. 1167 mit weiteren Nachweisen. Beispielsfall bei Cozian/Viandier/Deboissy, aaO, RNr. 229bis.
[63]          So im Ergebnis auch Sec. 36C Companies Act 1985 (U.K.).
[64]          Noch schneller durchführbar, da nicht an die 2-Jahres-Frist des Art. 66 SE-VO gebunden, ist die Verschmelzung der SE nach dem Umwandlungsrecht des Sitzstaates auf eine dem dortigen Recht unterliegende SE oder andere Gesellschaft.
[65]          Siehe den Roman der amerikanischen Schriftstellerin Ayn Rand, Atlas Shrugged (erschienen erstmals im Jahr 1956).
[66]          Die klaren Regulierungen von Maßnahmen der Restrukturierung und Kapitalaufbringung zahlen sich auf der Ebene des Rechtsschutzes aus. Hinweise auf sogenannte „flexible Gestaltungsmöglichkeiten“ anderenorts beziehen stets das ungemein ausdifferenzierte und hochkomplexe Rechtsschutzsystem von Aktionärsklagen nicht mit ein.
[67]          Hierzu Theisen, AG 1998, 153/154: „Die Kosten der betrieblichen Mitbestimmung wurden 1994 vom Institut der Deutschen Wirtschaft pauschal mit rund 13 Mrd. DM pro Jahr beziffert, rechnerisch ein Betrag von rund 300 DM pro Arbeitnehmer; eine korrespondierende Nutzenstudie steht noch aus.“ Umgelegt auf die tatsächlich vom der betrieblichen und der Unternehmensmitbestimmung betroffenen Arbeitnehmer dürften sich die Kosten pro Arbeitnehmer dem Bereich eines Monatsgehalts nähern. Zu den Kosten der Wahl von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat siehe Singhof, AG 1998, 318, 322 rechte Spalte Mitte und S. 327 bei Fußnote 97.
[68]          Zu diesen Fragen jetzt eingehend Schiessl, aaO, 235 ff.

 

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