Risikobewertungsbericht der EU-Kommission zu Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung

Stellungnahme vom 06.10.2017

zum Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Bewertung der mit grenzüberschreitenden Tätigkeiten im Zusammenhang stehenden Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung für den Binnenmarkt vom 26.06.2017, COM(2017) 340 final.

Der oben genannte Geldwäschebericht der Kommission veranlasst uns zu diesem Schreiben. Wir haben den Eindruck, dass eventuell seitens der Autoren des Berichts ein falsches Verständnis – zumindest in Bezug auf Notare – von deren Tätigkeit im Zusammenhang mit einer Unternehmensgründung bestehen könnte. Ein solches Missverständnis dürfen wir nachfolgend ausräumen.

Zur Veranschaulichung haben wir zunächst einen fiktiven Beispielsfalls gebildet (nachfolgend A) und diesen sodann unter die RL (EU) 2015/849 („Vierte EU-Geldwäscherichtlinie“) subsumiert (nachfolgend B). Schließlich haben wir Handlungsempfehlungen (nachfolgend C) zusammengefasst, die Notare tatsächlich in die Lage versetzen würden, noch stärker bei der Bekämpfung der Geldwäsche mitzuwirken.

 

A.

Beispielsfall

Im Büro der Notarin Dr. Stefanie Maier in Neustadt erscheint Herr Vassilios Kiriadikis, griechischer Staatsangehöriger und zwar nicht der deutschen, aber der englischen Sprache mächtig. Herr Kiriadikis erklärt, dass er in Thessaloniki ein Im- und Export-Geschäft für 7-Sterne-Metaxa in Rechtsform der K-GmbH nach griechischem Recht betreibt und jetzt zu diesem Zweck auch in Neustadt ein Büro eröffnen will. Er fragt nach den Möglichkeiten hierzu. Die Notarin weist ihn auf die Möglichkeiten hin, die das deutsche Recht hier zur Verfügung stellt, d. h. die Eröffnung einer nicht im Handelsregister eingetragenen Betriebsstätte der K-GmbH, einer eingetragenen Zweigniederlassung nach Art. 29 ff. der RL 2017/1132, eines einzelkaufmännischen Unternehmens oder einer GmbH/UG (= haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft), wobei dann noch zu klären ist, ob die K-GmbH oder Herr Kiriadikis persönlich als Gründer auftritt. Sie klärt über die Vor- und Nachteile jeder Option auf. Nach Rücksprache mit seinem Steuerberater ergibt sich, dass wegen der Haftungsbeschränkung eine UG mit einem Stammkapital von EUR 5.000,00 gegründet werden soll. Die Notarin hilft Herrn Kiriadikis bei der richtigen Formulierung von Firma und Unternehmensgegenstand, der Vertretungsmacht des Geschäftsführers etc. Sie entwirft eine deutsch-englische Gründungsdokumentation. Diese wird mit Herrn Kiriadikis als Gründer beurkundet (mit englischer Übersetzung). Das Stammkapital wird aus Griechenland auf ein eröffnetes deutsches Bankkonto überwiesen. Die UG wird zur Eintragung in das zuständige Handelsregister angemeldet und eingetragen.

Später stellt sich heraus, dass Herr Kiriadikis zwar zunächst 7-Sterne-Metaxa importiert und vertrieben hatte, sich aber dann auf die Abwicklung zahlreicher fiktiver Exportgeschäfte verlegte, die er über die gegründete UG abwickeln wollte, was dazu diente, Einnahmen aus dem afghanischen Drogenhandel zu „waschen“.

Hätte Notarin Dr. Maier eine Verdachtsanzeige erstatten müssen bzw. dürfen?

 

B.

Lösung des Falls nach der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie

Das „Waschen“ von Drogengeldern fällt zweifelsfrei unter Art. 1 Abs. 3 lit. a) der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, dass Herr Kiriadikis dies beabsichtigte, war der Notarin jedoch nicht bekannt. Als die Notarin an der Gründung der UG mitwirkte, fehlte ihr die Kenntnis, dass diese als „Waschmaschine“ verwendet werden würde, Für eine Kenntnismeldung durch sie bestand daher kein Raum.

Käme vielleicht aber eine Verdachtsmeldung nach Art. 33 der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie durch die Notarin in Betracht? Dies wäre dann der Fall, wenn allein die Gründung der UG – der einzige Berührungspunkt der Notarin mit Herrn Kiriadikis – unter Art. 1 Abs. 3 lit. d) der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie fiele. Welche Tatsachen hätten jedoch aus der Sicht der Notarin einen Verdacht begründen können, dass die UG ein Vehikel für Geldwäsche sein könnte. Drei Umstände weichen im konkreten Fall vom „Normalfall“ eines deutschen Existenzgründers ab.

  1. Herr Kiriadikis ist griechischer Staatsangehöriger.
  2. Herr Kiriadikis spricht kein Deutsch.
  3. Herr Kiriadikis gründet selbst und nicht durch seine K-GmbH in Thessaloniki.

Würde eine allein auf diese Umstände gestützte Verdachtsanzeige eines Notars aber nicht auf unzulässiges „racial profiling“ hinauslaufen?

Wir haben diesen fiktiven Fall gewählt, um zu veranschaulichen, dass bei der Inanspruchnahme notarieller Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Gründung, dem Betrieb oder der Leitung von Unternehmen dem Notar von den Beteiligten regelmäßig keine Tatsachen offenbart werden, die bei diesem einen Verdacht auf Geldwäsche (oder Terrorismusfinanzierung) begründen könnten, der eine entsprechende Meldung zur Folge hat.

Den Auftraggebern, die solche Straftaten planen, dürfte bewusst sein, dass der Notar aufgrund Art. 37 der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie ohne Gefahr disziplinarrechtlicher oder strafrechtlicher Sanktionen eine Meldung abgeben darf, sobald er einen entsprechenden Verdacht hegt, da sein guter Glaube hier umfänglich geschützt wird. Hier baut uns die Richtlinie eine „Goldene Brücke“, was im Berufsstand sehr wohl bekannt ist.

Das Problem der Anwendung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie liegt für uns Notare daher nicht auf der (Rechtfertigungs-)Ebene, ob das Unterlassen einer Verdachtsanzeige durch das Berufsgeheimnis geboten ist, sondern auf der Tatbestandsebene, nämlich bei der Frage, welche Umstände vorliegen müssen, damit man überhaupt Verdacht schöpfen kann.

Die Anzahl der eingegangen Meldungen durch Notare ist daher kein Indikator dafür, dass bei unserer Berufsgruppe eine irrige Annahme über den Umfang des Berufsgeheimnisses – wie der Risikobewertungsbericht (Seite 6 und 7) hinsichtlich einiger Angehöriger rechtsberatender Berufe annimmt – bestünde.

 

C.

Empfehlung

Trotzdem können Notare eine wirksame Waffe im Kampf gegen die Geldwäsche sein. Wie im Geldwäschebericht richtigerweise hervorgehoben, ist die Ermittlung des „wirtschaftlich Berechtigten“ bei der Geldwäschebekämpfung ganz entscheidend. Notare können diese Aufgabe wahrnehmen, indem sie für transparente, korrekte und aktuelle Register Sorge tragen, die es ihnen wiederum ermöglichen, als Verpflichtete nach Art. 2 der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie den wirtschaftlichen Eigentümer im Sinne von Art. 13 Abs. 1 lit b) und Art. 3 Nr. 6 der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie festzustellen.

Die Europäische Kommission müsste ihrerseits allerdings auch dafür Sorge tragen, dass Firmengründer ihre Identität bei Gründung von Gesellschaften und Erwerb von Gesellschaftsanteilen vollumfänglich offenlegen (müssen). Die vorsätzliche Schonung der Steueroasen des Vereinigten Königreichs (z. B. die Kanalinseln, Isle of Man, Gibraltar) leistet dem Missbrauch dagegen geradezu Vorschub. Guernsey-Fonds und Trusts sind nur Beispiele hierfür. Gleiches gilt für alle Gesellschaften nach US-amerikanischem Recht. Auch das Propagieren der Online-Gründung mit manipulationsanfälligen Identifizierungsverfahren ist die bewusste Inkaufnahme der Schwächung der Registertransparenz. Die gerade aufgedeckte Sicherheitslücke in Estland, die rund 750.000 ausgegebene estnische ID-Cards betrifft und den Diebstahl der digitalen Identität der Karteninhaber ermöglicht, ist nur ein Beispiel dafür, wie unausgereift die Technik noch ist, die hier übereilt propagiert wird. Unter der Flagge der Deregulierung um jeden Preis werden Schwächen des Systems billigend in Kauf genommen.

Wir empfehlen daher, das auf reine Repression ausgerichtete System der Geldwäschebekämpfung präventiv auszurichten. Insbesondere im Gesellschaftsrecht sind Strukturen zu schaffen, die eine einfache und rechtssichere Identifizierung der wirtschaftlich Berechtigten ermöglichen. „Publicity is justly commended as a remedy for social and industrial diseases. Sunlight is said to be the best of disinfectants; electric light the most efficient policeman”. Dies hat schon vor 100 Jahren der spätere Richter am US Supreme Court Louis Dembitz Brandeis (1856-1941) geschrieben.[1] Dieser Satz gilt nach wie vor. Auch das Europarecht sollte diese Weisheit eines großen amerikanischen Richters beherzigen. Ein Gesellschaftsrecht mit Notar schafft eine solche Struktur. Die europäischen Notare sind durchaus bereit, ihre Rolle als electric light wahrzunehmen, das Licht muss aber auch in alle Ecken dringen dürfen.

 

Druckfassung

 

Fußnoten:

[1] Louis Dembitz Brandeis, Other People’s Money And How The Bankers Use It, New York 1914, S. 92 (chapter V).

 

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