Stellungnahme vom 10.02.1993
Der Deutsche Notarverein ist der Bundesverband der Notare im Hauptberuf. Er hat alle Notarvereine aus dem Gebiet des hauptberuflichen Notariats (Baden-Württemberg mit Ausnahme der dortigen Anwaltsnotare, Bayern, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen mit Ausnahme der dortigen Anwaltsnotare, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) einschließlich der Vereine des staatlichen Notariats in Württemberg und Baden zu Mitgliedern. Er ist legitimiert, für das hauptberufliche Notariat insgesamt zu sprechen.
Der Deutsche Notarverein fordert für die anstehende Neuordnung des notariellen Berufsrechts:
1. Notaren im Nebenberuf (Anwaltsnotaren) darf die gemeinsame Berufsausübung nur mit Rechtsanwälten gestattet werden; diese müssen ihre Kanzlei am Amtssitz des Notars haben und dürfen keinen anderen Beruf ausüben.
2. Im Beitrittsgebiet nach dem Einigungsvertrag wird die Bundesnotarordnung in der Weise eingeführt,
daß die gegenwärtige Notariatsorganisation nicht verändert werden kann.
I. Die Ausgangssituation
Die Bundesnotarkammer hat dem Bundesminister der Justiz in mehreren Teilen Vorschläge zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung überreicht. Das Änderungsgesetz soll die Regelungen enthalten, die erforderlich sind, damit die Bundesnotarordnung auch im Beitrittsgebiet in Kraft gesetzt werden kann. Darüber hinaus soll es der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Vorbehalt des Gesetzes Rechnung tragen, also Regelungen zum notariellen Berufsrecht, die bisher nicht den Charakter von Rechtsnormen hatten, in die BNotO übernehmen oder ausreichende Ermächtigungsgrundlagen für eine Regelung durch Verordnung oder Satzung schaffen (Erläuterungen des BMJ zum Einigungsvertrag Anl. I Kap. III Sachgebiet A Abschn. I Nr. 7).
Der Deutsche Anwaltverein hat im Oktober 1992 zu den Vorschlägen der Bundesnotarkammer, soweit sie damals vorlagen, im wesentlichen ablehnend Stellung genommen und dabei den unzutreffenden Eindruck erweckt, für die Gesamtheit der Notare im Nebenberuf zu sprechen. Tatsächlich sind die Vorschläge der Bundesnotarkammer von deren Vertreterversammlung mit den Stimmen der Mehrheit auch der Notarkammern des Anwaltsnotariats beschlossen worden, so daß davon auszugehen ist, daß der Deutsche Anwaltverein nur eine Minderheit der Anwaltsnotare repräsentiert.
Während die Vorschläge der Bundesnotarkammer von einem im wesentlichen unveränderten Bild des Amts und des Berufs des Notars ausgehen, will der Deutsche Anwaltverein die grundlegenden Änderungen, die sich im Berufsbild des Rechtsanwalts ergeben haben und in Zukunft verstärkt ergeben werden, auch auf das Notariat übertragen. Nach seiner Vorstellung soll das Notariat der Anwaltschaft auf dem Weg weg vom Organ der Rechtspflege hin zur Gewerblichkeit folgen (vgl. auch die Stellungnahme des DAV, die im Beschluß des BVerfG vom 4. November 1992 – 1 BvR 79/85 u. W. – wiedergegeben ist – in NJW 1993, 317 insoweit nicht abgedruckt). Die Notarkammern des Anwaltsnotariats haben sich in der Vertreterversammlung der Bundesnotarkammer diesen Tendenzen nicht angeschlossen. In den Punkten, auf die sich die vorstehenden Forderungen des Deutschen Notarvereins beziehen, bestehen allerdings zwischen den Auffassungen der Vertreter des hauptberuflichen Notariats und der Vertreter des nebenberuflichen (Anwalts-) Notariats so grundlegende Meinungsverschiedenheiten, daß die Bundesnotarkammer substantielle Vorschläge nicht vorlegen konnte.
Der Deutsche Notarverein beschränkt sich nachfolgend darauf, die offengebliebenen Grundsatzfragen zu erörtern, die von der Vertreterversammlung der Bundesnotarkammer gebilligten Detaillösungen stellt er nicht in Frage.
II. Ortsbestimmung des Notaramts
Daß die Vertreterversammlung der Bundesnotarkammer zu den zwei angesprochenen Grundsatzfragen keine gemeinsame Haltung des hauptberuflichen und des nebenberuflichen Notariats erreichen konnte, beruht auf unterschiedlichen Auffassungen zur Gegenwart und zur Zukunft des Notariats überhaupt. Die Forderungen des Deutschen Notarvereins beruhen auf folgenden Grundsätzen:
a) Das Notariat ist unteilbarer Bestandteil der freiwilligen Gerichtsbarkeit und damit der öffentlichen Rechtspflege.
b) Die Träger des Notariats üben demnach ein öffentliches Amt aus und keinen freien Beruf.
c) Der Grundsatz, daß die Rechtspflege und das Berufsrecht ihrer Träger für ganz Deutschland ausschließlich und einheitlich durch Bundesrecht bestimmt werden, beansprucht – ungeachtet gewisser organisatorischer Unterschiede – auch für das Notariat Geltung.
d) Amt und Beruf der hauptberuflichen und der Anwaltsnotare sind identisch. Eine Entwicklung zu separaten Funktionen und unterschiedlichen Berufsbildern scheidet aus.
e) Das (einheitliche) Berufsrecht aller Notare hat sich an den Erfordernissen des Amts, d.h. der öffentlichen Rechtspflege, zu orientieren.
f) Ein Rechtsanwalt, der das öffentliche Amt eines Notars im Nebenberuf ausüben will, muß sich den Erfordernissen des öffentlichen Amts fügen. Das öffentliche Amt kann sich nicht dem freien Beruf oder gar der gewerblichen Berufsausübung unterordnen.
g) Es entspricht national wie international der Regel, ein öffentliches Amt im Hauptberuf und ohne Nebentätigkeit auszuüben. Ausnahmen bedürfen besonderer Rechtfertigung.
Die Haltung des Deutschen Anwaltvereins zum Notarrecht beruht offenbar auf völlig anderen, leider nicht klar formulierten, sondern in Detailargumenten versteckten Vorstellungen. Recht deutlich kommen diese Vorstellungen aber in dem folgenden, nicht veröffentlichten Papier des DAV zum notariellen Berufsrecht zum Ausdruck:
„Zu kritisieren ist an dem Entwurf zur Änderung der BNotO und des BeurkG aber insbesondere, daß er nicht der Tatsache Rechnung trägt, daß das Berufsbild des Anwalts zur Zeit im Wandel begriffen ist. Dies verdeutlicht nicht nur die Problematik der überörtlichen Sozietät …. Auch die Diskussion um die Berufsverbindungen eines Anwalts dürfte angesichts des Zwangs in der Anwaltschaft, sich zu spezialisieren und in neue Märkte zu expandieren, mehr oder weniger erst am Anfang stehen. Hier in diesen für die Anwaltschaft und damit auch für die Anwaltsnotare besonders brisanten Bereichen sollte die Rechtsentwicklung nicht durch voreilige Regelungen beeinflußt bzw. erschwert werden.“
Der DAV möchte die Bedürfnisse der öffentlichen Rechtspflege und des im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit stehenden Amts des Notars den Erfordernissen und Entwicklungen der anwaltschaftlichen Berufsausübung, wie er sie als erwünscht oder notwendig erkennt, unterordnen. Die im DAV organisierten Rechtsanwälte wollen nicht nur in neue Märkte expandieren, mit ihrem Beruf zu neuen Ufern aufbrechen, sondern auch „ihr“ Notariat – zwangsläufig unter Ablösung vom hauptberuflichen Notariat – dahin mitnehmen. Sie meinen, der Gesetzgeber solle ihnen bei diesem Vorhaben durch Spaltung des Notariats und Schaffung eines Sonderrechts für das Anwaltsnotariat behilflich sein. Letztlich lassen sich die Vorstellungen des DAV nur durch Veränderung des Notariats als solchem, hin zur Privatisierung, verwirklichen. Diesen Vorstellungen tritt der Deutsche Notarverein mit Entschiedenheit entgegen:
1. Das notarielle Berufsrecht ist nicht Eigentum der Berufsträger. Es hat sich deshalb primär am öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Wahrnehmung der notariellen Aufgaben zu orientieren. Eigeninteressen der Berufsträger sind nur zu berücksichtigen, soweit dies die Aufgabenstellung erfordert oder zumindest nicht stört. Zwar ist in diesem Sinne auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Notars zu sichern, weil sie Voraussetzung der unbedingt notwendigen persönlichen Unabhängigkeit ist; im übrigen aber dürfen wirtschaftliche Interessen bestimmter Berufsgruppen, die das Notariat als Teil eines ihnen gehörenden Unternehmens verstehen, keine Rolle spielen.
2. Das Notariat erfüllt Aufgaben der Rechtspflege, die im gegebenen Privatrechtssystem nur in Form des öffentlichen Amts und im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit wahrgenommen werden können. Es ist zu erwarten, daß zur Entlastung der Gerichte dem Notariat künftig weitere Öffentliche Aufgaben übertragen werden, die bisher von der staatlichen Justiz unmittelbar wahrgenommen wurden.
3. Als Träger öffentlicher Rechtspflege und als Teil der Justiz ist das Notariat nicht privatisierbar: es ist und bleibt – wie in allen Staaten des kontinentalen Rechtssystems – öffentliches Amt. Seines Charakters als öffentliches Amt könnte das Notariat nur dadurch entkleidet werden, daß seine Aufgabenstellung völlig verändert wird, was unter anderem eine Totalrevision unteres Grundstücks- und unseres Registerrechts erforderlich machen würde. Der Notar hätte sich nicht mehr als unabhängiges Rechtspflegeorgan dem Schutz und der Sicherheit des Rechtsverkehrs und der Teilnehmer am Rechtsverkehr zu widmen, sondern – wie ein angelsächsischer „notary“ – nur noch die Identität der Vertragsunterzeichner in einer Unterschriftsbeglaubigung zu bestätigen. Bisher hat es aus gutem Grunde niemand gewagt, die Forderung nach einer solchen Umgestaltung unseres Privatrechtssystems im angelsächsischen Sinne offen auszusprechen; es gibt dafür auch nicht den mindesten Anlaß. Der Deutsche Notarverein hält deshalb
nachdrücklich am Notariat als öffentlichem Amt fest; den Vorschlag der BNotK, das Wort „Amt“ auch im Text der BNotO stärker zu verankern und dadurch Bestrebungen zu einem privatrechtlichen Verständnis der Tätigkeit des Notars entgegenzutreten, billigt der Deutsche Notarverein.
4. Wenn es richtig ist – das scheint unbestritten -, daß sich das Berufsbild des Rechtsanwalts wandelt, so stellt sich umgekehrt die Frage, ob das Notarrecht nicht Maßnahmen ergreifen muß, um zu verhindern, daß das Notariat als Teil der öffentlichen Rechtspflege ungewollt und unkontrolliert in eine Entwicklung mitgerissen wird, die aus der Sicht des Anwaltsberufs unausweichlich sein mag, die aber mit Sicherheit auf die Bedürfnisse der öffentlichen Rechtspflege keinerlei Rücksicht nimmt.
III. Die Sozietätsfrage
Der Deutsche Notarverein fordert, das Notariat von überörtlichen, internationalen und interprofessionellen Zusammenschlüssen der Rechtsanwälte freizuhalten. Am Anwaltsnotariat an sich, dort wo es am 1. April 1961 im Nebenberuf ausgeübt worden ist (§ Abs. 2 BNotO), rüttelt der Deutsche Notarverein nicht; er ist im Gegenteil der Auffassung, daß allein seine Vorschläge die Existenz des Anwaltsnotariats in seinen gegenwärtigen Grenzen zu sichern vermögen. Das Anwaltsnotariat hat sich als Folge spezieller Gegebenheiten im ehemaligen Preußen zu seiner jetzigen, weltweit gesehen freilich nahezu singulären Form historisch entwickelt. Es erfüllt seine Aufgaben jedenfalls so, daß der Deutsche Notarverein beim gegenwärtigen Stand der Diskussion keinen Anlaß sieht, es grundsätzlich in Frage zu stellen. Er behält sich freilich vor, die Qualitätsdiskussion mit sehr konkreten Zahlen und Daten wieder aufzugreifen, wenn er durch den Gang der Gesetzgebungsverhandlungen dazu genötigt werden sollte.
1. Das Notariat als öffentliches Amt verträgt sich nicht ohne weiteres mit der Ausübung des freien Anwaltsberufs. Zur Zeit der Schaffung der BNotO im Jahre 1961 – und das Jahrhundert zuvor – wies aber der Anwaltsberuf Verwandtschaften zum Notaramt auf, die eine Personalunion möglich gemacht haben. Wie der Notar sein Amt innerhalb eines bestimmten Gerichtbezirks ausübt, wie er am Amtssitz eine Geschäftsstelle zu unterhalten hat und grundsätzlich keine Zweigstellen einrichten darf, wie er einer straffen Standesordnung unterworfen und – in die Justiz eingegliedertes – Organ der Rechtspflege ist, war auch die anwaltliche Berufsausübung durch verwandte Prinzipien charakterisiert. Für den Anwalt galten das Zulassungsprinzip, das Lokalisierungsprinzip, eine Standesordnung, die jede gewerbliche Tätigkeit ausschloß, und das Selbstverständnis als Organ der Rechtspflege. Diese Parallelität ermöglichte es, (Notar-)Amt und (Rechtsanwalts-)Beruf ohne allzuschwere Kollisionen miteinander zu verbinden.
2. Dieser Gleichlauf ist zwar nicht mehr rechtlich, wohl aber faktisch in der Mehrzahl der Anwaltsnotariate auch jetzt noch gewährleistet. Wenn der Rechtsanwalt auch einen freien, d.h. grundsätzlich privatnützigen Beruf ausübt, versteht sich doch die Mehrheit der Rechtsanwälte im Sinne der BRAO noch als in erhöhtem Maße pflichtgebundene Organe der Rechtspflege; freilich ist nicht zu übersehen, daß sich immer mehr Rechtsanwälte auch öffentlich von der Vorstellung, Organe der Rechtspflege zu sein, distanzieren.
Unbestritten aber hat sich die Anwaltschaft oder jedenfalls ein Teil von ihr in den vergangenen Jahren gewandelt; sie erwartet, daß sich dieser Wandlungsprozeß fortsetzt. Aus der ortsgebundenen, in das Justizwesen eingegliederten Anwaltskanzlei entwickelt sich das Rechtsbesorgungsunternehmen, ja das allgemeine Dienstleistungsunternehmen. Das Rechtsbesorgungsunternehmen arbeitet deutschland-, europa-, weltweit. Es ist nicht mehr an ein bestimmtes Gericht oder einen bestimmten Gerichtszweig gebunden. Das Rechtsbesorgungsunternehmen versteht sich als gewinnorientiertes, auf dem Markt agierendes, für sich und seine Produkte werbendes, mit beliebigen Marktpartnern unter rein ökonomischen Gesichtspunkten mehr oder minder eng kooperierendes Wirtschaftssubjekt. das sich in seiner unternehmerischen Freiheit durch nichts, auch nicht durch Begrenzung seiner Tätigkeit auf die Rechtspflege, beschränken lassen will. Die bereits zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4.11.1992 verstärkt diese Tendenz, indem sie dem Rechtsanwalt beliebige gewerbliche Haupt- oder Nebentätigkeiten erlaubt und damit zwangsläufig auch die ununterscheidbare Vermischung von Anwalts- und gewerblicher Tätigkeit eröffnet.
Der Deutsche Notarverein sieht es nicht als seine Aufgabe an, die Entwicklung des Anwaltsrechts und der Anwaltswirklichkeit als solche zu kommentieren oder zu kritisieren. Er bestreitet der Anwaltschaft nicht das Recht, sich fortzuentwickeln und auf tatsächliche oder vermeintliche Änderungen des rechtlichen und wirtschaftlichen Umfelds mit Strukturveränderungen zu reagieren, wenn es auch manchmal wünschenswert wäre, zu berücksichtigen, daß auch das Anwaltsrecht nicht Privateigentum der Rechtsanwälte, sondern Teil der staatlichen Rechtspflegeordnung ist. Wenn die Anwaltschaft aber meint, sich verändern zu müssen, hat sie nicht das Recht, zu verlangen, daß das Notariat sich diesen Veränderungen unter- und einordnet; sie muß sich vielmehr die Prüfung gefallen lassen, ob die veränderten Verhältnisse im Anwaltberuf die Verbindung mit dem Notariat in der bisherigen Form noch rechtfertigen.
3. Im modernen Rechtsbesorgungsunternehmen, wie es sich teils schon herausgebildet hat und nach Meinung der Anwaltsorganisationen weiter bilden wird oder soll, gibt es den vorstehend geschilderten Gleichlauf zwischen anwaltlicher Praxis und Notaramt nicht mehr. Dies liegt auf der Hand, wenn der Anwalt zugleich Grundstücksmakler, Versicherungsvermittler und Betreiber eines Nachtclubs sein darf. Aber nicht nur die Hinwendung zur Gewerblichkeit, sondern schon allein die Abkehr vom Lokalisierungs- und Zulassungsprinzip zerstören den Gleichlauf. Dabei geht es nicht um die formelle Frage, ob positivrechtlich Lokalisierung und überörtliche Organisation miteinander vereinbar sind und ob es rechtlich denkbar ist, daß sich der Anwaltsnotar als Notar auf seinen Amtssitz beschränkt, während er als Anwalt europaweit agiert; maßgeblich ist die soziale Wirklichkeit, die solche Persönlichkeitsspaltungen nicht kennt. Das Rechtsbesorgungsunternehmen ist kein Organ der Rechtspflege, sondern – soziologisch gesehen – Gewerbebetrieb selbst dann, wenn das Steuerrecht es immer noch als freien Beruf behandeln sollte. Hier findet der Notar keinen Platz, an dem er kraft öffentlichen Amts freiwillige Gerichtsbarkeit sachgerecht ausüben könnte. Ebensogut könnte man den Bundesgerichtshof in die Rechtsabteilung eines Konzerns und die Staatsanwaltschaften in private Bewachungsunternehmen eingliedern.
a) Der weltweit tätige Anwalt ist faktisch auch als Notar nicht lokalisiert. Er kann sein Nebenamt als Notar nicht wie einen Mantel ablegen, wenn er die Grenzen seines Amtsbezirks überschreitet. Schon jetzt besteht die Praxis, daß Anwaltsnotare, die in eine überörtliche Sozietät eingegliedert sind, durch Nur-Anwälte ihrer Sozietät außerhalb ihres Amtsbezirks notarielle, auch nach der KostO abgerechnete Beratungen durchführen lassen. Unübersehbar ist auch, daß sich bereits jetzt in einer bestimmten, dem Anwaltsnotariat zugehörenden Stadt Beurkundungsgeschäfte aus ganz Deutschland versammeln, weil Großkanzleien ihr Notariat durch Konzentration „rationalisieren“ – nicht selten unter Verletzung aller Regeln guter Beurkundungspraxis. Die Konzentration auf bestimmte Großstädte gefährdet die flächendeckende Notariatsversorgung bis hin in die neuen Länder.
b) Der Anwaltsnotar, der mit Angehörigen eines Berufs, der kein Rechtspflegeberuf ist, in Sozietät verbunden und an deren wirtschaftlichem Erfolg beteiligt ist, ist von deren wirtschaftlichen Interessen naturgemäß keineswegs unabhängig. Das Rechtsbesorgungsunternehmen, das für sich überregional wirbt, wirbt natürlich auch für „sein“ Notariat – Beispiele können in ansehnlicher Zahl vorgeführt werden. Die mit dem Anwaltsnotar verbundenen Nicht-Notare sind ihrerseits am wirtschaftlichen Ergebnis des Notariats interessiert und verlangen ohne eigene Bindung an notarielle Pflichten und Rücksichten vom Notar kategorisch die Erfüllung eines in einem gemeinschaftlichen Budget festgelegten Umsatz- und Ertragssolls. Der Notar verliert seine persönliche Unabhängigkeit. Er ist faktisch gezwungen, sein Amt nach den Weisungen oder Beschlüssen seiner Mitgesellschafter zu führen; diese bestimmen darüber, ob er ein gebührenträchtiges Geschäft ablehnen darf oder nicht. Faktisch ist es unmöglich, das Notariat innerhalb der Organisation eines Gewerbebetriebs als einsame Insel amtsmäßig zu führen.
c) In der überprofessionellen Großsozietät läßt sich die Verschwiegenheitspflicht nicht wahren. Schon im klassischen Anwaltsnotariat gibt es eine gewisse Grauzone. Faktisch verfügt auch der der Sozietät angehörende Nur-Anwalt über das gesamte Informationsmaterial aus früheren Beurkundungen seiner Notar-Sozien. In der überregionalen Sozietät erweitert sich das Informationspotential auf die Gesamtsozietät. In der überprofessionellen Sozietät stehen die dem Notar anvertrauten Tatsachen faktisch auch allen berufsfremden Gesellschaftern zur beliebigen, berufsrechtlich nicht kontrollierten Verfügung. Aus dem Notar als geborenem Datenschützer wird eine wertvolle Informationsquelle auch für gewerbliche Aktivitäten.
d) Das Notariat wird verkäuflich und käuflich. Es sind ohnehin Fälle bekannt, in denen sich junge, noch nicht zur Ernennung zum Notar anstehende Rechtsanwälte aus Gründen der Werbung einen älteren Anwaltsnotar zu Bedingungen „eingekauft“ haben, die auf einen Verkauf des Notariats hinauslaufen. In das überregionale und überprofessionelle Rechtsbesorgungsunternehmen mit angeschlossenem Gewerbebetrieb wird der Notar sein reiches Material an Informationen zu einem Preis einbringen können, der den zu erwartenden Gewinn aus notarieller Tätigkeit weit übersteigt. Effektiv kontrollierbar sind solche Praktiken in der Großkanzlei nicht.
e) Über den in einem solchen Unternehmen tätigen Notar kann keine effektive Dienstaufsicht ausgeübt werden; wegen der dem Notaramt zwingend eigenen Inkompatibilitäten ebenso wie zur Kontrolle der Verschwiegenheit müßte sich die Dienstaufsicht über jeden einzelnen einem solchen Rechtsbesorgungsunternehmen angeschlossenen Anwaltsnotar hinaus weltweit auf das Gesamtunternehmen erstrecken. Dazu fehlt der Dienstaufsicht aber die Kompetenz; schon jetzt ist unklar, wie die Landgerichtspräsidenten prüfen sollen, ob der ausländische Zweig einer internationalen Anwaltssozietät ein Anwaltsmandat wahrnimmt, das den zu prüfenden Notar von der Amtsausübung ausgeschlossen hätte. Von den praktischen Fragen ganz zu schweigen, hat die Dienstaufsicht gar keine Befugnisse außerhalb des nationalen Territoriums; schon im nationalen Bereich wäre und ist eine effektive Amtsprüfung nur noch unter Inanspruchnahme der Amtshilfe anderer Justizverwaltungen möglich (die aber praktischer Schwierigkeiten wegen nicht stattfindet).
Es sei angemerkt, daß der Deutsche Notarverein auch den in der Bundesnotarkammer diskutierten, aber nicht beschlossenen Vorschlag, die Wahrung der Beurkundungs- und Vertretungsverbote dadurch zu sichern, daß ein „Beteiligtenverzeichnis“ zu führen ist, als untauglich ablehnt. Ein solches Verzeichnis wäre nur effektiv, wenn es der Dienstaufsicht uneingeschränkt offenstünde und wenn überdies seine Richtigkeit kontrolliert werden könnte. Dies würde bedeuten, daß eine Großsozietät mit nur einem Anwaltsnotar der Dienstaufsicht dieses Notars weltweit ihr gesamtes Mandantenmaterial offenlegen müßte; das wäre ebenso unzumutbar (aus der Sicht der Rechtsanwälte) wie undurchführbar (aus der Sicht der Dienstaufsicht).
4. Der vorstehend nur ansatzweise geschilderten Probleme wegen müssen nach Überzeugung des Deutschen Notarvereins im Interesse einer geordneten Rechtspflege internationale, überörtliche und interprofessionelle Sozietäten vom Notariat ausgeschlossen werden. Nur so läßt sich die Einrichtung des Anwaltsnotariats überhaupt halten. Ein Anwaltsnotar wird und soll künftig wählen müssen, ob er seinem Interesse an einer „modernen“ Form der Ausübung des Anwaltsberufs den Vorzug geben will – dann muß er auf das Notariat verzichten – oder ob er – wie jeder Notar, auch der hauptberufliche – um der Ausübung des Notariats willen die notwendigen Beschränkungen seiner beruflichen und ökonomischen Freiheit in Kauf nehmen will. Es kann letztlich nur einen einheitlichen Notarberuf mit für alle gleichen, sachlich gebotenen Beschränkungen geben. Sollten sich Beschränkungen, die bisher für den Notarberuf gelten, als überflüssig erweisen, sind sie für alle Notare aufzuheben; sind sie aber notwendig, können Anwaltsnotare sich diesen Beschränkungen nicht mit Hinweis auf ihren Anwaltsberuf entziehen.
Eine Alternative zum Ausschluß der überörtlichen, internationalen und interprofessionellen Sozietät steht nicht zur Verfügung. Zumindest ist ein überzeugender Vorschlag, der diesen Ausschluß entbehrlich machen würde, bisher nicht vorgelegt worden.
5. Die Folgen eines solchen Verbots sind ordnungspolitisch und sozial nicht nur tragbar, sondern erwünscht.
Die Feststellung, die Anwaltschaft strebe nach einer Totalrevision ihres Berufsbilds, trifft keineswegs für die gesamte Anwaltschaft zu. Vielmehr ist die Anwaltschaft auf dem Weg, sich – wie in angelsächsischen Ländern bereits geschehen – soziologisch zu spalten in eine Gruppe, die in übergreifenden Verbindungen die wirtschaftlichen Interessen der internationalen Großwirtschaft wahrnimmt und – mit Ausnahme einiger Spezialisten – den Rest der Anwaltschaft von diesem Mandanten- und Mandatskreis ausschließt, und eine verbleibende Gruppe, die der lokalen, bürgerlichen Klientel verbunden und auf sie beschränkt bleibt. Die vom Deutschen Notarverein angestrebte Regelung würde die letztere Gruppe vom Notariat nicht ausschließen, sondern das Notariat im Gegenteil dieser (zahlenmäßig größeren) Gruppe von Anwälten reservieren. Die wirtschaftliche Position und die Wettbewerbsfähigkeit der klassisch tätigen, örtlich engagierten Anwälte würde gegenüber den übermächtigen Groß- Zusammenschlüssen gestärkt. Der (in den USA bereits realisierten) Gefahr einer Proletarisierung der lokalen Anwaltstätigkeit oder deren wirtschaftlicher Austrocknung wäre gesteuert. All dies liegt im Interesse der Rechtspflege und ist geeignet, andere mit dem Anwaltsnotariat verbundene Nachteile zu kompensieren.
Die Forderung korrespondiert mit den sozialen Erwägungen, die bei Schaffung der BNotO dafür maßgebend waren, daß das Anwaltsnotariat dort, wo es eingeführt war, beibehalten wurde. Wesentlich war das Argument, die Anwaltschaft in der Fläche benötige das Notariat als wirtschaftliches Rückgrat; entziehe man es ihr, so sei die flächendeckende Anwaltsversorgung gefährdet. Dies mag auch heute noch zutreffen; die überörtlichen, transnationalen und interprofessionellen Sozietäten sind aber auf das Notariat als Wirtschaftsfaktor mit Sicherheit nicht angewiesen. Sie drohen jedoch im Gegenteil, alle lukrativen Anwaltsmandate aus der Fläche abzuziehen und bei sich zu konzentrieren und gefährden damit die Versorgung der Fläche mit anwaltschaftlichen Dienstleistungen.
II. Die Notarverfassung des Beitrittsgebiets
Der Deutsche Notarverein fordert, im Beitrittsgebiet die Bundesnotarordnung in Kraft zu setzen, an der Notarverfassung, wie sie am 2. Oktober 1990 vorgefunden wurde, aber nichts zu ändern. Die Neuschaffung nur partiell geltenden Bundesrechts lehnt er ebenso ab wie die Übertragung entsprechender Kompetenzen an einzelne Länder.
1. Es ist nicht verwunderlich, daß die Befürworter einer Expansion des Anwaltsberufs in neue Märkte auch die Expansion des Anwaltsnotariats in die neuen Länder verlangen (DAV-Stellungnahme). Auch dieses Verlangen wird vor allem von überörtlich und übernational tätigen Großkanzleien aus dem alten Bundesgebiet getragen, die sich wirtschaftliche Vorteile davon versprechen, an ihren Zweigstellen in den neuen Ländern auch das Notariat auszuüben – selbstverständlich durch West-Anwälte, die regelmäßig nicht einmal die Absicht haben, an ihrem Amtssitz ihren echten Wohnsitz zu nehmen. Daß sie damit etwa 400 unbelastete Diplomjuristen des einzigen funktionierenden Zweigs der Gerichtsbarkeit, der in nennenswertem Umfang Juristen aus der ehemaligen DDR übernommen hat, aus ihrem in schwerer Arbeit aufgebauten Beruf verdrängen würden, scheint sie nicht zu stören.
Der Deutsche Notarverein aber möchte nicht versäumen» auf die politische Brisanz eines solchen Vorgangs und auf seine Wirkung in der Öffentlichkeit der neuen Länder mit aller Deutlichkeit hinzuweisen. Kampflos werden die Notare in den neuen Ländern ihre mühsam errungene Berufsposition nicht aufgeben.
2. Auch die Notariatsverfassung in den neuen Ländern hat sich an den Interessen der Rechtspflege zu orientieren. Dabei trägt der die Beweislast, der die geltende Notariatsverfassung verändern will. Wer die Notariatsverfassung der neuen Länder ändern will, muß auch die Verantwortung für die zu erwartenden schweren Störungen der Rechtspflege übernehmen.
a) Das aufgrund der Verordnungen vom 20.7.1990 und vom 22.8.1990 geschaffene Notariatsverfassungsrecht gilt nach Maßgabe des Einigungsvertrags uneingeschränkt und zeitlich unbegrenzt als Bundesrecht fort. Es besteht kein rechtlicher Zwang, den Status quo zu ändern. Um die Bundesnotarordnung einzuführen, genügt es, in § 3 Abs. 2 BNotO das Datum „1. April 1961“ durch das Datum „2. Oktober 1990“ zu ersetzen.
b) An den historischen Rechtszustand vor 1937 kann man nicht mehr sinnvoll anknüpfen. Immerhin hat der damals überwiegend von Anwaltsnotaren getragene Deutsche Notarverein schon 1871 die Trennung des Notariats von der Advokatur gefordert, woraus erhellt, daß es sich bei der von der Reichsnotarordnung 1937 vorgesehenen, wegen des Kriegs nicht durchgeführten Trennung der Berufe nicht um nationalsozialistisches Gedankengut gehandelt hat. Ebensowenig hat es sich bei der Einführung des hauptberuflichen Notariats in der damaligen sowjetisch besetzten Zone um kommunistisches Gedankengut gehandelt. Die historische Kontinuität des Anwaltsnotariats ist in den neuen Ländern nicht mehr gegeben; zwar gab es in der DDR noch eine Hand voll Anwaltsnotare; diese waren aber nur für besondere Zwecke des SED-Regimes tätig und mit ihm besonders verbunden. Das Anwaltsnotariat war praktisch abgeschafft. Dafür ist eine Struktur hauptberuflicher Notare – zunächst im Staatsdienst, sodann freiberuflich – entstanden und historisch an die Stelle des Vorkriegssystems getreten. Es gibt weder im alten Bundesgebiet noch in den neuen Ländern auch nur einen einzigen Rechtsanwalt, der aus einer Position vor oder nach 1945 einen rechtlich oder moralisch begründeten Anspruch erheben würde, im Wege der Wiedergutmachung als Notar im Nebenberuf zugelassen zu werden. Bei den potentiellen Bewerbern handelt es sich ausschließlich um junge West-Anwälte, die entgegen den Behauptungen des DAV keinerlei begründete Option auf Zugang zum öffentlichen Amt des Notars haben.
c) Die gegenwärtige Notariatsverfassung hat ihre Funktionsfähigkeit bewiesen. Das Notariat in den neuen Ländern ist zwar nicht mangelfrei, war aber unbestritten sowohl im Vergleich zur übrigen Gerichtsbarkeit als auch im Vergleich zu freien Berufen – einschließlich der Anwaltschaft – die zuerst und bis jetzt am besten funktionierende Einrichtung. Die Fortsetzung der positiven Qualitätsentwicklung ist durch den enormen Einsatz, den das hauptberufliche Notariat der alten Länder (neben erheblichen materiellen Leistungen) für die Aus- und Fortbildung der Notare und des Notarpersonals der neuen Länder erbracht hat und weiter erbringt, gewährleistet. Von auch nur annähernd vergleichbaren Leistungen des Anwaltsnotariats oder der Anwaltschaft ist nichts bekannt geworden; dort hat man die neuen Länder nie als Entwicklungs-, sondern immer nur als Wirtschaftszone betrachtet.
Besonders durch die Einbindung der Notare der neuen Länder in die genossenschaftliche Einrichtung der Ländernotarkasse ist die flächendeckende Notariatsversorgung nicht nur der Ballungsgebiete, sondern auch der dünner besiedelten Teile der neuen Länder gewährleistet. Probleme gibt es nur in Sachsen-Anhalt, wo die Justizverwaltung im Interesse der mit Ausnahmegenehmigung beurkundenden Anwaltsnotare aus dem Westen und zur Begründung der Forderung nach Einführung des Anwaltsnotariats eine Mangellage künstlich geschaffen hat, indem die Ausschreibung der zur Versorgung der Bevölkerung notwendigen Notarstellen und deren Besetzung absichtlich verzögert wurde. Auch jetzt hat Sachsen-Anhalt Besetzungsschwierigkeiten, weil die allen Bewerbern bekannte Option der Landesregierung für die Einführung des Anwaltsnotariats alle ernsthaften Interessenten abschreckt. Dies ist der Grund dafür, daß auf nur einen Bewerber für eine Notarstelle in Sachsen-Anhalt nicht weniger als 15 Bewerber für eine Notarstelle in Mecklenburg-Vorpommern treffen, wo die Haltung der Staatsregierung eindeutig ist. Der Deutsche Notarverein wendet sich mit aller Schärfe dagegen, die durch rechtswidrigen Gesetzesboykott verursachte Mangellage in Sachsen-Anhalt als vernünftigen Grund für eine Systemänderung anzuerkennen.
d) Die Lage in Sachsen-Anhalt zeigt, wie gefährlich es für die Rechtspflege ist, die längst überholte Diskussion um die Notariatsverfassung immer wieder neu in Gang zu setzen. Geradezu katastrophale Auswirkungen wären zu erwarten, wenn der Bundesgesetzgeber auf den Gedanken kommen sollte, die Frage der Notariatsverfassung durch eine Öffnungsklausel etwa gar noch über Jahre hinaus in der Schwebe zu halten. Dies hätte mit Sicherheit zur Folge,
- daß qualifizierte Bewerber für die schon geschaffenen und – zur Verbesserung der Versorgung – neu zu schaffenden Notarstellen und für das Notarassessorat nicht mehr zu finden sein werden;
- schon bestellte Notare wieder abwandern werden und zwar vor allem aus der Fläche;
- es wegen der bekannten zahlenmäßigen aber auch qualitativen Schwäche und Überlastung der Anwaltschaft in den neuen Ländern Jahre dauern wird, bis sich ein funktionstüchtiges Anwaltsnotariat neu gebildet haben wird;
- es zu einer Vielzahl gerichtlicher und verfassungsgerichtlicher Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Änderung der Notarverfassung insgesamt und der Rechtmäßigkeit der Zulassung jedes einzelnen Anwaltsnotars kommen wird, die durch eine Vielzahl einstweiliger Maßnahmen geradezu einen Stillstand der Notarrechtspflege über Jahre befürchten lassen;
- die Ländernotarkasse und mit ihr die flächendeckende Notariatsversorgung und die Aus- und Fortbildung der Notare und ihres Personals zusammenbrechen werden;
- die ohnehin schwach besetzten, mit anderen Schwierigkeiten überladenen Justizverwaltungen außerstande sein werden, den mit der Neubestellung und Beaufsichtigung einer zehnmal so großen Zahl von Anwaltsnotaren gegenüber der Zahl der jetzigen hauptberuflichen Notare verbundenen Arbeitsaufwand zu bewältigen.
Unrealistisch ist der Vorschlag des DAV, Anwaltsnotare neben den hauptberuflichen Notaren zu bestellen. Ein Nebeneinander von hauptberuflichen und Anwaltsnotaren im selben Bezirk ist nicht praktikabel. Die Anwaltsnotare werden in diesem Fall nur daran interessiert sein, sich in den Ballungsgebieten die Rosinen aus dem Kuchen picken, ohne zur Ländernotarkasse beitragen, und das „Armennotariat“ in den Städten und das flache Land den hauptberuflichen Notaren überlassen. Das hauptberufliche Notariat wird darauf letztlich nicht anders reagieren als bereits dargestellt. Auch durch ein solches Modell wird also die Versorgung des Landes mit notarieller Dienstleistung nicht verbessert, sondern im Gegenteil gestört. Aus gutem Grund kennt die BNotO bisher eine solche Mischform nicht (die wenigen Anwaltsnotare in Württemberg existieren auf dem Hintergrund des völlig anders strukturierten württembergischen Staatsnotariats).
3. Nach Auffassung des Deutschen Notarvereins fehlt dem Bundesgesetzgeber von Verfassung wegen grundsätzlich die Befugnis, nur partiell geltendes Bundesrecht zu setzen. Der Bundesgesetzgeber hat einheitliche Lebensverhältnisse zu schaffen (Art. 72 Abs. 2 GG). Es mag sein, daß es dem Bundesgesetzgeber – wie in § 3 Abs. 2 BNotO 1961 geschehen – gestattet ist, historisch gewachsene, von ihm vorgefundene Differenzierungen aufrechtzuerhalten; er darf aber keine neuen Ungleichheiten schaffen und wenn doch, jedenfalls nur aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls. In den neuen Ländern hat der Bundesgesetzgeber das hauptberufliche Notariat vorgefunden. Es gibt keine, geschweige denn zwingende Gründe des Gemeinwohls, vom vorgefundenen Zustand und von der Regel des § 3 Abs. 1 BNotO abzuweichen und die regelwidrige Ausnahme Anwaltsnotariat regional begrenzt einzuführen.
4. Der Deutsche Notarverein erwartet, daß im Interesse einer geordneten und effektiven Rechtspflege die Diskussion um eine Änderung der Notariatsverfassung in den neuen Ländern ein für allemal beendet wird. Sie schadet dem Aufbau der Rechtspflege. Die Gesamtsituation in den neuen Ländern ist zu ernst, als daß der Bundesgesetzgeber es hinnehmen könnte, daß ein so wichtiges Element des Aufbaus Ost aus Nachgiebigkeit einem bloßem Gruppeninteresse gegenüber auf Jahre hinaus seine Effektivität zu verlieren droht.
ANHANG
Formulierungsvorschläge
1. In § 3 Abs. 2 BNotO wird das Datum „1. April 1961“ durch das Datum „2. Oktober 1990“ ersetzt.
2. §9 BNotO erhält folgende Fassung:
„§ 9. (1) Notare dürfen sich nur mit Notaren zur gemeinsamen Berufsausübung verbinden oder mit ihnen gemeinsame Geschäftsräume haben. Sie müssen dazu den selben Amtssitz haben.
(2) Anwaltsnotare dürfen sich auch mit Rechtsanwälten zur gemeinsamen Berufsausübung verbinden oder mit ihnen gemeinsame Geschäftsräume haben. Rechtsanwälte müssen dazu ihre inländische Kanzlei am Amtssitz des Notars haben, dürfen keinen anderen Beruf ausüben und sich nicht mit Personen zur gemeinsamen Berufsausübung verbinden oder mit ihnen gemeinsame Geschäftsräume haben, die diesen Anforderungen nicht entsprechen; § 8 gilt für sie entsprechend.
(3) Die Landesregierungen oder die von ihnen bestimmten Stellen werden ermächtigt, um den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege oder den örtlichen Bedürfnissen und Gewohnheiten Rechnung zu tragen, durch Rechtsverordnung
1. zu bestimmen, daß sich der Notar nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde, die mit Auflagen verbunden und befristet werden kann, und nach Anhörung der Notarkammer mit einem anderen Notar zur gemeinsamen Berufsausübung verbinden oder gemeinsame Geschäftsräume mit ihm haben kann,
2. zu bestimmen, daß sich der Anwaltsnotar nur nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde, die mit Auflagen verbunden und befristet werden kann, und nach Anhörung der Notarkammer mit einem Rechtsanwalt zur gemeinsamen Berufsausübung verbinden oder gemeinsame Geschäftsräume mit ihm haben kann,
3. die Voraussetzungen zu bestimmen, unter denen die Genehmigung versagt werden kann, insbesondere Bestimmungen über den Inhalt der zur gemeinsamen Berufsausübung oder zur gemeinsamen Nutzung der Geschäftsräume abzuschließenden Verträge und über die Zahl der Berufsangehörigen zu treffen, die daran teilnehmen können.
Anmerkung: Der Formulierung liegt die gegenwärtig gültige Fassung der § 27 ff. BRAO zugrunde.