Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung hybrider und virtueller Versammlungen in der Bundesnotarordnung, der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentanwaltsordnung und dem Steuerberatungsgesetz sowie zur Änderung weiterer Vorschriften des Rechts der rechtsberatenden Berufe

Stellungnahme vom 19.4.2023

 

Insgesamt ist der Referentenentwurf aus Sicht des Deutschen Notarvereins zu begrüßen und dürfte zu mehr Flexibilität bei Kammerversammlungen beitragen. Wir erlauben uns dennoch auf zwei Punkte hinzuweisen.

Im Einzelnen:

A. Übertragung in Bild und Ton

Die gesamte (General)Versammlung der Notarkammer, die als hybride oder virtuelle Versammlung stattfindet, ist gemäß § 71a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BNotO-E bzw. § 85 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 71a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BNotO-E mit Bild und Ton zu übertragen.[1] Fehlt es an diesen Voraussetzungen, handelt es sich ausweislich der Begründung des Entwurfs zwar trotzdem um eine
hybride beziehungsweise virtuelle Kammerversammlung, jedoch können die Beschlüsse nach § 111e BNotO wegen Verletzung des Gesetzes angefochten werden.[2] Nicht nachvollzogen werden kann, weshalb die jeweiligen Kammern schlechter gestellt werden sollen als Aktiengesellschaften. Bei Aktiengesellschaften kann eine Anfechtung nicht gestützt werden „auf die durch die technische Störung verursachte Verletzung von Rechten, …“.[3] Eine Anfechtung kann auf die durch eine technische Störung verursachte Verletzung von Rechten aus § 243 Abs. 3 Satz 1 Nummer 1 und 2 AktG sowie Vorschriften aus § 243 Abs. 3 Satz 1 Nummer 3 AktG nur gestützt werden, wenn der Gesellschaft grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorzuwerfen ist oder in der Satzung ein strengerer Verschuldensmaßstab bestimmt worden ist.[4] Ein Unterschied zwischen einer Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft und einer Kammerversammlung im Hinblick auf technische Störungen, insbesondere bei der Übertragung mit Bild und Ton, vermögen wir nicht zu erkennen. Aus Sicht des Deutschen Notarvereins mag es daher sachgerecht sein, eine entsprechende Regelung in § 111e BNotO, § 112f BRAO bzw. § 94e PAO für die Durchführung virtueller oder hybrider Kammerversammlungen aufzunehmen.

B. Ausübung des Stimmrechts

Ohne ersichtlichen Grund ist des Weiteren beabsichtigt, abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 1 COV19FKG bzw. § 6 Abs. 2 Satz 1 COV19FKG[5] die Ausübung des Stimmrechts nunmehr unflexibler auszugestalten. Nach den Bestimmungen des COVID-19-Gesetzes zur Funktionsfähigkeit der Kammern (COV19FKG) und der COVID-19-Kammer-Funktionsfähigkeit-Verlängerungsverordnung (COV19KFVV) konnten Wahlen im Wege der Briefwahl oder als elektronische Wahl durchgeführt werden. Der Entwurf sieht nunmehr hingegen vor, dass die Mitglieder ihr Stimmrecht nur noch im Wege elektronischer Kommunikation, namentlich über elektronische Teilnahme oder elektronische Wahl, ausüben können.[6] Nach unserem Dafürhalten besteht kein sachlicher Grund, die Flexibilität hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts in Abweichung zum COV19FKG bzw. der COV19KFVV einzuschränken.

Der Deutsche Notarverein befürwortet grundsätzlich den vorliegenden Entwurf. Von einer ausführlicheren Stellungnahme unsererseits kann insofern abgesehen werden.

 

Druckfassung

 

Fußnoten:

[1] Für die Kammerversammlung der Rechtsanwälte, der Bundesrechtsanwaltskammer sowie der Satzungsversammlung gemäß § 86a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BRAO-E bzw. § 189 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 86a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BRAO-E bzw. § 191c Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 86a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BRAO-E, für die Kammerversammlung der Patentanwälte gemäß § 79a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 PAO-E sowie die Satzungsversammlung der Steuerberater § 86a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StBerG-E.

[2] Seite 22 oben Satz 3 und 4 des Entwurfs.

[3] § 243 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 – 3 AktG.

[4] § 243 Abs. 3 Satz 1 AktG.

[5] Für die Rechtsanwaltskammern bzw. Bundesrechtsanwaltskammer § 2 Abs. 3 Satz 1 COV19FKG bzw. § 3 Abs. 1 Satz 1 COV19FKG, für die Patenanwaltskammer § 4 Abs. 3 Satz 1 COV19FKG sowie für die Steuerberaterkammern bzw. Bundessteuerberaterkammer § 9 Abs. 3 Satz 1 COV19FKG bzw. § 10 Abs. 3 Satz 1 COV19FKG.

[6] § 71a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BNotO-E bzw. § 85 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 71a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BNotO-E, § 86a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BRAO-E bzw. § 189 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 86a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BRAO-E bzw. § 191c Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 86a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BRAO-E, § 79a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PAO-E sowie § 86a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StBerG-E.

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