Stellungnahme vom 23.04.2010
Der Deutsche Notarverein dankt für die Übersendung des vorgenannten Referentenentwurfes und die Gelegenheit zur Stellungnahme.
Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Januar 2009 über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilnutzungsverträgen, Verträge über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufs- und Tauschverträge (ABl. L 33 vom 3. Februar 2009, S. 10, im Folgenden: „Richtlinie“). Dieser ging ein entsprechender Richtlinienvorschlag der Kommission (KOM (2007) 303; im Folgenden: „Richtlinienentwurf“) voraus, zu dem der Deutsche Notarverein mit Schreiben vom 16. Juli 2007 Stellung genommen hat (als Anlage beigefügt). Die dort geäußerten Gesichtspunkte wurden zum Großteil aufgegriffen und finden sich auch in dem vorgelegten Referentenentwurf. Einzelne Kritikpunkte blieben jedoch unberücksichtigt (hierzu unter „I.“).
Da sich der vorliegende Referentenentwurf im Übrigen nahezu ausschließlich mit den zur Umsetzung der Richtlinie erforderlichen Maßnahmen beschäftigt und kaum darüber hinausgehende Regelungen vorsieht, beschränkt sich die Stellungnahme zu den einzelnen Regelungen auf einige wenige spezifische Fragen (hierzu unter „II.“).
I. Einschätzung der Richtlinie und des Referentenentwurfs vor dem Hintergrund der Stellungnahme des Deutschen Notarvereins vom 16. Juli 2007
Der Deutsche Notarverein dankt herzlich für die Unterstützung durch das Bundesministerium für Justiz im europäischen Gesetzgebungsverfahren. Dies betrifft insbesondere die folgenden Gesichtspunkte:
· Formerfordernis
Der Deutsche Notarverein hatte das in Artikel 4 Abs. 1 des Richtlinienentwurfs vorgesehene Schriftformerfordernis im Wege der Vollharmonisierung u. a. wegen des Abstellens auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ und der völlig systemfremden und missbrauchsanfälligen Ausnahme zur notariellen Form des § 311b BGB kritisiert (S. 5ff.).
Dieser Einwand wurde in der Weise umgesetzt, dass nach Artikel 5 „der Vertrag [zwar] schriftlich in Papierform oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger“ abzufassen ist, entsprechend Artikel 1 Abs. 2 lit. b hierbei jedoch „Rechtsvorschriften über die Eintragung von unbeweglichem oder beweglichem Eigentum und die Übertragung von unbeweglichem Eigentum“ unberührt bleiben sollen.
Der deutsche Gesetzgeber hat daher zu Recht in § 484 Abs. 1 letzter Halbsatz BGB-E darauf abgestellt, dass die Schriftform lediglich eine Mindestanforderung darstellt. Wie sich aus der Begründung (S. 21) ergibt, soll hierdurch die strengere Formvorschrift der notariellen Beurkundung, insbesondere bei mit Eigentum an unbeweglichen Sachen gestalteten Nutzungsrechten, unberührt bleiben.
· Verpflichtung zur vorvertraglichen Information
Der Deutsche Notarverein hatte weiterhin kritisiert, dass nach Artikel 3 Abs. 2 des Richtlinienentwurfs der Gewerbetreibende dem Verbraucher vor dem Vertragsschluss schriftliches Informationsmaterial lediglich „auf Anfrage“ zur Verfügung zu stellen habe. Es wurde angeregt, eine diesbezügliche Verpflichtung des Unternehmers aufzunehmen (S. 8 f.).
Dies ist nun in Artikel 4 Abs. 1 der Richtlinie bzw. § 482 BGB-E geschehen. Der Deutsche Notarverein begrüßt ausdrücklich diese verbraucherfreundliche Regelung.
· Anzahlungsverbot
Ebenfalls berücksichtigt wurden die Bedenken des Deutschen Notarvereins hinsichtlich der „Aufweichung“ des Anzahlungsverbots, das sich nach hiesiger Auffassung auf den gesamten Zeitraum des Laufes der Widerrufsfrist beziehen sollte (S. 11).
Mit begrüßenswerter Klarheit wird dies nunmehr in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie und dementsprechend in § 486 Abs. 1 BGB-E aufgegriffen.
Die übrigen Bedenken des Deutschen Notarvereins gegen den damaligen Richtlinienentwurf wurden hingegen in der Richtlinie nicht berücksichtigt.
Dies gilt insbesondere für unsere generelle Kritik an dem Konzept der Vollharmonisierung (S. 1 ff., insbesondere S. 3 ff.) sowie für die Kritik an den in Anhang 1 Teil 1 bzw. Teil 3, 3. der in der Richtlinie aufgeführten Informationen, insbesondere für „im Bau befindliche Unterkünfte“ (S. 9f.). Auch hätte es der Deutsche Notarverein begrüßt, wenn den Mitgliedstaaten in der Richtlinie die Möglichkeit eröffnet worden wäre, im Falle der notariellen Beurkundung des Vertrages von der Einräumung eines Widerrufsrechts abzusehen (S. 12).
II. Konkrete gesetzliche Umsetzung im Referentenentwurf
Der Deutsche Notarverein regt im Hinblick auf die Umsetzung der Richtlinie noch Folgendes an:
1. Klärung des Verhältnisses von § 485 Abs. 2 BGB-E zu § 2 KostO
Die derzeitige Regelung des § 485 Abs. 5 Satz 2 BGB sieht vor, dass der Verbraucher dem Unternehmer in dem Fall, dass der Vertrag der notariellen Beurkundung bedurfte, die Kosten der Beurkundung zu erstatten hat, wenn dies im Vertrag ausdrücklich bestimmt ist.
Dies soll nunmehr geändert werden. Der Referentenentwurf sieht in § 485 Abs. 2 BGB-E vor, dass „der Verbraucher (…) im Falle des Widerrufs keine Kosten zu tragen“ habe. Entsprechend der Begründung (S. 22) bezieht sich dies unter anderem auf die Kosten der Vertragsabwicklung „einschließlich anfallender Notarkosten“.
Anders als die vorgenante derzeitige Regelung spricht der Wortlaut des § 485 Abs. 2 Satz 1 BGB-E dafür, dass es dem Notar bereits untersagt sein soll, dem Verbraucher im Falle des Widerrufs Kosten für die Beurkundung in Rechnung zu stellen.
Sollte dies der Fall sein, müsste jedoch – zumindest in der Gesetzesbegründung – das Verhältnis dieser Bestimmung zu §§ 2 Nr. 1, 5 Kostenordnung (KostO) bestimmt werden. Hiernach ist Kostenschuldner des Notars jeder Beteiligte, der die Tätigkeit des Notars veranlasst hat, insbesondere jeder Teil, dessen Erklärung beurkundet wird (vgl. LG Köln RNotZ 2005, 244). Bei einem Vertrag sind deshalb aufgrund dieses öffentlich-rechtlichen Kostenanspruchs – ohne Rücksicht auf die vertraglich getroffene Kostenregelung – beide Vertragsteile Kostenschuldner, und zwar gesamtschuldnerisch (§ 5 Abs. 1 KostO; vgl. zum Ganzen Waldner, in: Beck’sches Notarhandbuch, 5. Auflage (2009), S. 1536). Die derzeitige Fassung des § 485 Abs. 5 BGB, der von einer Erstattung bereits entstandener Kosten spricht und damit erst auf der „Sekundärebene“ im Innenverhältnis zwischen Verbraucher und Unternehmer ansetzt, ist mit den Regeln der KostO, die die „Primärebene“ zwischen dem Notar und den Vertragsbeteiligten betrifft, ohne weiteres vereinbar, während die vorgeschlagene „neue“ Fassung diesen Bestimmungen widerspricht, da sie nach dem Wortlaut bereits die vorgenannte öffentlich-rechtlich ausgestaltete „Primärebene“ zu Gunsten des Verbrauchers verändert.
Der Deutsche Notarverein schlägt vor diesem Hintergrund die folgende Formulierung des § 485 Absatz 2 BGB-E vor:
§ 485 Abs. 2 BGB-E:
„(2) Der Verbraucher trägt im Falle des Widerrufs keine Kosten. Bedurfte der Vertrag der notariellen Beurkundung, so ist der Unternehmer unabhängig von den vertraglichen Regelungen für die Kosten der Beurkundung Kostenschuldner im Sinne von § 5 KostO i. V. m. § 426 Absatz 1 Satz 1 a. E. BGB.“
2. Restriktive(re) Umsetzung des Art. 11 der Richtlinie in § 485 Abs. 3 Satz 2 BGB
Nach Art. 11 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass im Falle der Wahrnehmung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher alle „sonstigen akzessorischen Verträge ohne Kosten für den Verbraucher automatisch beendet werden.“
Dies möchte der Gesetzgeber in § 485 Abs. 3 Satz 2 BGB-E umsetzen. Hiernach ist der Verbraucher im Falle eines wirksamen Widerrufs nicht mehr an Verträge gebunden,
„mit denen der Verbraucher Leistungen im Zusammenhang mit einem Teilzeit-Wohnrechtevertrag oder einem Vertrag über ein langfristiges Urlaubsprodukt bezieht, die von dem Unternehmer oder auf Grund eines Vertrages des Unternehmers mit einem Dritten erbracht werden.“ [Hervorhebungen durch Verf.]
Der Deutsche Notarverein regt insbesondere im Hinblick auf die zweite Variante eine Überarbeitung der Bestimmung an:
· Anwendungsbereich klärungsbedürftig
Zunächst erschließt sich dem Deutschen Notarverein weder deren konkreter Anwendungsbereich noch die dahinter liegende ratio legis. Nach dem Wortlaut der Bestimmung soll es wohl darauf ankommen, dass der Unternehmer einen Vertrag mit einem Dritten abgeschlossen hat, der seinerseits Grundlage bzw. Rahmen des Vertrages des Verbrauchers mit dem(selben) Dritten ist. Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob an dieser Stelle auf die vertraglichen Beziehungen des Unternehmers mit dem Dritten abzustellen ist. Diese stellen nach Auffassung des Deutschen Notarvereins kein taugliches Unterscheidungskriterium für die Frage dar, ob der Verbraucher noch an den Vertrag mit dem Dritten gebunden sein soll oder nicht. Dies illustriert bereits das vom Gesetzgeber in der Begründung aufgeführte Beispiel, wonach hiervon etwa Verträge erfasst sein sollten über eine „entgeltliche Mitgliedschaft in einem Fitnessklub in der Ferienanlage, in welcher das Teilzeit-Wohnrecht liegt“ (S. 23). Der Wegfall der Bindung an einen solchen Vertrag kann jedoch offensichtlich nicht davon abhängen, ob der Fitnessclub auf Grund eines Vertrages zwischen dem Club und dem Unternehmer oder unabhängig hiervon betrieben wird. Reicht bereits ein Vertrag zwischen dem Unternehmer und dem Fitnessklub über die Gewährung eines Rabatts an Bewohner der Ferienanlage oder, dass der Unternehmer Räume an den Fitnessklub vermietet hat?
· Schutzwürdige Interessen des Dritten berücksichtigen
Der Deutsche Notarverein hält die derzeitige Fassung des § 485 Abs. 3 Satz 2, 2. Var. BGB-E zudem für zu weitgehend. Er spricht sich für eine restriktivere Umsetzung des Art. 11 der Richtlinie aus.
Dies ergibt sich zum einen daraus, dass – worauf der Gesetzgeber in seiner Begründung zu Recht hinweist (S. 22) – in dieser Konstellation „an dem widerrufenen Vertrag gänzlich Unbeteiligte zu schützen sind“. Diese werden von einem außerhalb ihres Einflussbereichs stehenden Umstand (hier: Widerruf des Teilzeit-Wohnrechtevertrages oder des Vertrages über ein langfristiges Urlaubsprodukt; im Folgenden: „Hauptvertrag“) unvorbereitet – insoweit unterscheidet sich dies auch von den verbundenen Verträgen nach § 358 BGB, in denen der anderer Vertragsteil um die Gefahr des Widerrufs des „Hauptvertrages“ wissen wird – betroffen und können gegenüber dem Vertragspartner keinerlei Ansprüche (vgl. § 485 Abs. 2 BGB) geltend machen. Dem Verbraucher steht hier ausnahmsweise nicht (wie in der ersten Alternative des § 485 Abs. 3 S. 2 BGB-E) der Unternehmer selbst, sondern ein ebenfalls schützenswerter Dritter gegenüber. Dieser sollte sich regelmäßig darauf verlassen können, dass auch für ihn der Grundsatz des pacta sunt servanda uneingeschränkt gilt. Besondere Bedeutung erwächst dieser Frage etwa dann, wenn der Dritte im Vertrauen auf die Fortgeltung des Vertrages seinerseits Investitionen tätigt und/oder nicht kondizierbare (Voraus-) Leistungen an den Verbraucher erbringt.
Auch ein anderer Gesichtspunkt spricht an dieser Stelle für eine maßvolle Umsetzung des Rechtsetzungsauftrages in Art. 11 der Richtlinie. So entschied der Europäische Gerichtshof am 3. September 2009 (Rs. C 489/07, Messner), dass die derzeitige Regelung in § 312d Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. §§ 357 Abs. 1 S. 1, 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB, nach der der Unternehmer vom Verbraucher für die Nutzung der im Fernabsatz gekauften Ware bei fristgerechten Widerruf generell Wertersatz verlangen kann, nicht mit der Richtlinie 97/7/EG vereinbar ist. Der deutsche Gesetzgeber plant zur Umsetzung dieser Entscheidung jedoch nicht den generellen Ausschluss des Wertersatzes des Verbrauchers, sondern sieht vielmehr in § 312e Abs. 1 BGB-E vor, dass der Unternehmer zukünftig vom Verbraucher (nur) insoweit Wertersatz verlangen kann, als dieser die gelieferte Ware
„in einer Art und Weise genutzt hat, die über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsfähigkeit der Ware hinausgeht“.
Zur Begründung führt der Gesetzgeber zu Recht aus, dass sich der Verbraucher, der die Ware
„sofort vollständig nutzt, (..) treuwidrig [verhält], solange sich der Verbraucher nicht entschieden hat, ob er von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen will“ (Begründung des Referentenentwurfes zum Gesetz zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen, S. 16).
Wenn der Verbraucher um die Widerrufsmöglichkeit weiß,
„kann von ihm erwartet werden, zunächst sorgsam mit der Ware umzugehen und diese nicht sofort vollständig als sein dauerhaftes Eigentum in Gebrauch zu nehmen“ (a. a O., S. 16).
Diese begrüßenswerte Wertung des Gesetzgeber lässt sich ohne weiteres auch auf die vorliegende Konstellation übertragen: Solange der Verbraucher von seinem – ihm bekannten (§ 482 a BGB-E) – Widerrufsrecht noch Gebrauch machen kann, verstößt es gegen die „Grundsätze von Treu und Glauben“ (a. a. O., S. 16) bzw. das Verbot kontradiktorischen Verhaltens, wenn er ohne Not Verträge mit Dritten abschließt, die im Falle des Widerrufs des „Hauptvertrages“ für ihn keinen Sinn mehr ergeben. Es kann von dem Verbraucher ohne weiteres erwartet werden, dass er im „Schwebezeitraum“ zwischen Vertragsabschluss und dem Ende der Widerrufsfrist – im Sinne einer Art „Schadensabwendungs- bzw. -minderungspflicht“ (vgl. hierzu jüngst BGH NJW-RR 2009, 175) – solange er sich nicht entschieden hat, ob er von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht, nur solche Rechtshandlungen vornimmt, die zur bestimmungsgemäßen Nutzung des erworbenen Produktes erforderlich sind.
Es ist vor dem Hintergrund dieser beiden Gesichtspunkte eine restriktive Umsetzung des Art. 11 der Richtlinie angezeigt. An dieser Stelle bietet sich insbesondere eine deutlichere Eingrenzung der von § 485 Abs. 3, Satz 2, 2. Variante BGB-E erfassten Verträge mit dem Dritten an. Der von der Richtlinie in Art. 11 vorgegebene Umsetzungsauftrag, der lediglich von dem (gesetzlich nicht determinierten) Begriff des „akzessorischen“ Vertrages ausgeht, lässt dem Gesetzgeber insoweit einen Umsetzungsspielraum, den es interessengerecht auszufüllen gilt. An dieser Stelle sollte dementsprechend sowohl auf den Schutz des Dritten als auch auf die besondere „Schadensminderungspflicht“ des Verbrauchers im Schwebezeitraum abgestellt werden. Mit der Rechtsfigur des „Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte“ (wobei der „Dritte“ dann der Verbraucher ist) und ihren drei Voraussetzungen der Leistungsnähe, des Schutzinteresses und der Erkennbarkeit gelangt man zu gerechten Lösungen auf der Basis einer bewährten juristischen Konstruktion.
Der Deutsche Notarverein schlägt vor daher folgende Fassung des § 485 Absatz 3 BGB-E vor:
§ 485 Abs. 3 BGB-E:
„(3) (…) Satz 1 gilt entsprechend für Verträge mit dem Unternehmer oder einem Dritten, mit denen der Verbraucher Leistungen im Zusammenhang mit einem Teilzeit-Wohnrechtevertrag oder einem Vertrag über ein langfristiges Urlaubsprodukt bezieht. Im Fall eines Vertrags mit einem Dritten gilt dies nur, sofern
a) die Leistungen in einem unmittelbaren tatsächlichen und wirtschaftlichen Näheverhältnis zu dem widerrufenen Vertrag stehen und
b) dem Verbraucher ein Zuwarten mit dem Vertragsschluss bis zum Ende der Widerrufsfrist auch unter Berücksichtigung der schützenswerten Interessen des Dritten und der Grundsätze von Treu und Glauben nicht zuzumuten ist.“