Stellungnahme vom 10.5.2023
Der Deutsche Notarverein begrüßt es grundsätzlich, dass mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz für Start-ups und Wachstumsunternehmen in Deutschland bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden sollen. Ob das amerikanische SPAC-Modell (Special Purpose Acquisition Company) in Deutschland ein hierfür geeignetes Instrument ist, ist in Frage zu stellen. Ein SPAC ist lediglich ein inhaltsloses Unternehmen, also eine inhaltslose Mantelgesellschaft ohne operatives Geschäft. Der Sinn und Zweck einer SPAC besteht zunächst grundsätzlich darin, über die Börse Geld von Anlegern einzusammeln. Das über einen Börsengang eingesammelte Geld muss durch einen geeigneten Treuhänder gehalten werden (§ 45 Abs. 1 BörsG-E). Für die nach § 45 Abs. 1 BörsG-E geleisteten Zahlungen ist ein gesondertes Konto zu führen, auf das nur der Treuhänder unmittelbaren Zugriff hat (§ 45 Abs. 2 Satz 2 BörsG-E). Der Deutsche Notarverein hat ausgeführt, dass § 45 Abs. 2 BörsG-E zutreffend regelt, dass ausschließlich ein Notar oder ein Kreditinstitut i. S. v. § 1 Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes geeignete Treuhänder sind, da die Verwahrung durch den Notar nicht treuhänderisch auf privatrechtlicher Grundlage durch Geschäftsbesorgungsvertrag, sondern ausschließlich aufgrund hoheitlicher Tätigkeit erfolgt. Der Deutsche Notarverein hat auch darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit des Notars als Treuhänder i. S. d. § 45 Abs. 2 BörsG-E kein (neues) Sonderberufsrechts darstellen kann, da Notare gemäß § 23 BNotO sowie der Vorgängervorschrift § 25 RNotO schon immer für die Übernahme von Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten zur Aufbewahrung oder zur Ablieferung an Dritte zuständig sind.
Sollten SPACs nach dem Willen des Gesetzesgebers dennoch das Mittel zum Zweck sein, so hat der Deutsche Notarverein dargelegt, dass der vorgelegte Referentenentwurf noch einiger Überarbeitung und Klarstellung, entweder im Gesetzeswortlaut selbst oder aber wenigstens in der Gesetzesbegründung, bedarf und, dass es sodann auch überlegenswert sein mag, ob die Bestimmungen der §§ 44 – 47b BörsG-E nicht besser im Aktiengesetz zu verorten wären. Insbesondere müssen nach Auffassung des Deutschen Notarvereins im Hinblick auf die aktienrechtlichen Kapitalaufbringungsgrundsätze und der damit einhergehenden zivil- und/oder strafrechtlichen Verantwortungen, die Regelungen zur Einzahlung, etwaigen Weiterleitung von eingezahlten Geldern sowie der Erklärung über die freie Verfügbarkeit gesetzlich klar, eindeutig und widerspruchsfrei gefasst werden und die im Referentenentwurf ungelösten Problembereiche der Verlagerung des Haftungsrisikos von den Gründern zu den Gläubigern sowie die Frage der Rückzahlung bei gescheiterten Transaktionen und die Liquidation einer SPAC in diesen Fällen gelöst werden.
Durch den Referentenentwurf sollen mal wieder Mehrstimmrechte im deutschen Recht eingeführt werden. Sollte dies auch wegen des Vorschlags der Europäischen Kommission für eine Richtlinie zu Mehrstimmrechtsstrukturen bei Gesellschaften, die eine Zulassung zum Handel ihrer Aktien an einem KMU-Wachstumsmarkt anstreben (KOM-Nummer: COM(2022) 761 final), tatsächlich umgesetzt werden, müssen die im Referentenentwurf enthaltenen dogmatischen Ungleichbehandlungen von Höchststimmrechten und Mehrstimmrechten jedoch beseitigt werden. Des Weiteren greift der Referentenentwurf Änderungen im Bereich des bedingten Kapitals auf, welche grundsätzlich begrüßenswert sind. Dass die beabsichtigten Änderungen nach Auffassung des Deutschen Notarvereins jedoch nahezu ins Leere laufen, wird anhand eines Berechnungsbeispiels ausgeführt und mit einer aus Sicht des Deutschen Notarvereins praktikablen Lösung unterfüttert.
Abschließend hat der Deutsche Notarverein darauf hingewiesen, dass im Zuge des Zukunftsfinanzierungsgesetzes die Formulierung des § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG angepasst werden müsste, da von dessen Wortlaut her lediglich die Geschäftsführung aber nicht der Vorstand und/oder Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft umfasst ist.