Stellungnahme vom 15.9.2022
Vorangestellter Gesamtbefund:
Infolge der Ersetzung des Einheitswerts durch den Grundsteuerwert und die Aufhebung von § 19 des Bewertungsgesetzes (BewG) durch das Grundsteuer-Reformgesetz entfällt mit Wirkung zum 1. Januar 2025 die tatbestandliche Grundlage für die kostenrechtliche Privilegierung bestimmter Geschäfte im land- und forstwirtschaftlichen Bereich bei den Grundbuch- und Notargebühren nach § 48 GNotKG. Damit ergibt sich die Notwendigkeit einer Anpassung. Der Deutsche Notarverein spricht sich dafür aus, die Gebührenprivilegierung des § 48 GNotKG im Grundsatz beizubehalten. § 48 GNotKG dient dem Erhalt leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe in Familienhand, einer aus unserer Sicht unverändert fortbestehenden schützenswerten Zielrichtung. Eine Orientierung weiterhin am Ertragswert, der künftig im Grundsteuerwertbescheid für das land- oder forstwirtschaftliche Vermögen festgesetzt wird, erscheint uns hierbei sachgemäß.
Der Wohnteil der Hofstelle, der im künftigen Grundsteuerwert nicht mehr erhalten ist, sondern separat nach den für allgemeines Grundvermögen geltenden Grundsätzen bewertet wird, sollte im Rahmen des auf den land- und forstwirtschaftlichen Grundsteuerwert anzuwendenden Multiplikators berücksichtigt werden. Angesichts der insofern divergierenden abweichenden Ländergesetzgebung erscheint es aus unserer Sicht nicht zweckmäßig, auf den für den Wohnteil gesondert festzusetzenden Grundsteuerwert zu rekurrieren.
Der Tatbestand des § 48 GNotKG sollte im Übrigen unverändert bleiben.
Im Einzelnen:
I. Grundsätzliche Beibehaltung der Privilegierung
Gesetzeszweck des § 48 GNotKG ist die Erhaltung und die Fortführung landwirtschaftlicher Betriebe in Familienbesitz.[1] Das vom Gesetzgeber des GNotKG so formulierte öffentliche Interesse hat unverändert Bestand. Das Bewertungsprivileg von land- und forstwirtschaftlichem Grundbesitz trägt dazu bei, in diesem sensiblen Sektor, der im besonderen Maße auf den Erhalt im Familienverbund angewiesen ist, den Bestand leistungsfähiger land- und forstwirtschaftlicher Betriebe generationenübergreifend in der Hand bäuerlicher Familien zu fördern. Daher sprechen aus Sicht des Deutschen Notarvereins auch nach Erlass des Grundsteuer-Reformgesetzes, durch das der Einheitswert mit Wirkung zum 1. Januar 2025 abgeschafft wird und § 19 BewG entfällt,[2] die besseren Gründe dafür, an einer grundsätzlichen Gebührenprivilegierung hinsichtlich land- und forstwirtschaftlicher Vermögen festzuhalten.
Zugleich bedarf es aber auch weiterhin einen angemessenen Ausgleich für den Aufwand, der für Notarinnen und Notare insbesondere mit der Beurkundung der Übergabe eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs mit Hofstelle verbunden ist, deren Vertragsgestaltung ein hohes Maß an Komplexität aufweist. Dies wird derzeit dergestalt erreicht, dass nach § 48 GNotKG das Vierfache des zuletzt festgestellten Einheitswerts für die Bewertung maßgebend ist.
II. Ertragswert als Anknüpfungspunkt
Nach Auffassung des Deutschen Notarvereins sollte die Aufrechterhaltung des Bewertungsprivilegs nach § 48 GNotKG weiterhin vorzugswürdig durch eine Orientierung am Ertragswert bewerkstelligt werden. Auch nach Abschaffung des Einheitswerts durch Art. 2 Nr. 4 GrStRefG zum 1. Januar 2025 sieht das Bewertungsgesetz (BewG) künftig einen Ertragswert als Grundsteuerwert vor (vgl. §§ 236 ff. BewG-neu), der im Grundsteuerwertbescheid für das land- oder forstwirtschaftliche Vermögen festgesetzt wird.
Diese Handhabe ermöglicht, auch weiterhin in bewährter Weise weitestgehend auf die Festsetzungen der Finanzverwaltung zurückgreifen zu können (dazu sogleich unter III.). Zugleich werden durch die grundsätzliche Orientierung am Ertragswert unbillige Härten in der kostenrechtlichen Beurteilung, die bei land- und forstwirtschaftlichen Hofübergaben mit einem verkehrswertorientierten Bewertungsverfahren regelmäßig verbunden wären, auch in Zukunft vermieden. Denn die Bewertungsprivilegierung des § 48 GNotKG beruht auf dem Umstand, dass der land- oder forstwirtschaftliche Betrieb in der Hand bäuerlicher Familien verbleibt; in vielen Fällen ist insofern der bei einer Drittveräußerung „auf dem freien Markt“ zu erzielende Verkehrswert, der allerdings regelmäßig zu einer Zerschlagung des land- bzw. forstwirtschaftlichen Familienbetriebs führen würde, als kostenrechtliche Bewertungsgrundlage unpassend.
III. Grundsteuerwert nach dem Bundesmodell
1. Bundeseinheitliche Bewertungsgrundlage
Vor diesem Hintergrund und aus Praktikabilitätsgesichtspunkten empfiehlt sich, den künftigen land- und forstwirtschaftlichen Grundsteuerwert nach den Festsetzungen der Finanzverwaltung im Grundsteuerwertbescheid bei der Geschäftswertermittlung einer Privilegierung nach § 48 GNotKG heranzuziehen. Da das GNotKG die Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare bundeseinheitlich festschreibt, sollte auch im Rahmen des § 48 GNotKG eine möglichst bundeseinheitliche Bewertung erfolgen.
Aus diesem Grund erscheint eine Orientierung am Bundesmodell vorzugswürdig, demgemäß bundeseinheitlich für land- und forstwirtschaftliche Betriebe und Flächen die Bewertung über ein typisiertes Ertragswertverfahren erfolgt (§§ 232 ff. BewG-neu). Hiervon weicht kein Bundesland ab. Der Grundsteuerwert resultiert aus einer ertragswertbezogenen Bewertung nach der mit einem Wertfaktor multiplizierten Summe der standardisierten Reinerträge, abhängig von der Fläche und Nutzungsart (z.B. landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich, gärtnerisch, weinbaulich).
2. Etwaige Abweichungen in der Landesgesetzgebung
Einzelne Bundesländer (z.B. Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen) weichen bei der Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens zwar nicht hinsichtlich der Bewertungsgrundsätze, jedoch im Hinblick auf den Umfang der wirtschaftlichen Einheit, die Grundlage für die Festsetzung des Grundsteuerwerts ist, teilweise vom Bundesmodell ab. Nach vorläufiger Einschätzung wirken sich diese Abweichungen jedoch lediglich in einem untergeordneten Maße aus, sodass auch in den Ländern mit vom Bundesrecht abweichenden Landesrecht insofern eine Orientierung am festgesetzten Grundsteuerwert durchführbar erscheint, ohne dass das Ziel einer bundeseinheitlichen Bewertung konterkariert würde. So beschränken sich die Abweichungen nach hiesiger Bewertung im Wesentlichen darauf, dass nach den jeweiligen Ländermodellen teils kleinteiligere wirtschaftliche Einheiten gebildet werden können, für die ein separater Grundsteuerwert festgesetzt wird. In dementsprechend gelagerten Fällen ließen sich im Sinne einer praktikablen Lösung allerdings die Werte der kleinteiligeren Festsetzungen zusammenrechnen, um den Grundsteuerwert zu ermitteln bzw. nachzubilden, der nach dem Bundesmodell zu erfassen wäre.
Sollte hingegen nur ein Teil der Wirtschaftsgüter, für die der Grundsteuerwert festgesetzt wurde, Vertragsgegenstand sein, erscheint es – im Einklang mit der unter geltendem Recht erfolgten und bewährten Praxis – möglich, bei der Geschäftswertermittlung die jeweiligen Flächenanteile heranzuziehen.[3]
3. Berücksichtigung des Wohnteils
Im Gegensatz zur bisherigen Regelung im Einheitswert (vgl. § 34 Abs. 1 Nr. 2 BewG geltende Fassung) enthält der neue Grundsteuerwert für land- und forstwirtschaftliche Vermögen zukünftig – ebenfalls bundeseinheitlich – nicht mehr den Wohnteil. Grund und Boden sowie Gebäude und Gebäudeteile, die Wohnzwecken oder anderen nicht land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen, werden künftig nach den Grundsätzen bewertet, die für sonstiges Grundvermögen gelten (vgl. § 232 Abs. 4 Nr. 1 BewG-neu). In diesem Bereich der Grundsteuer für das sonstige Grundvermögen haben einzelne Länder abweichend vom Bundesmodell teilweise individuelle Modelle entwickelt, die zu nicht unerheblichen Bewertungsunterschieden führen können.
Der Tatbestand des § 48 GNotKG bezieht allerdings die Hofstelle einschließlich des Wohnteils ein.[4] Der Wohnteil wird folgerichtig – dem Normzweck gemäß – von der Privilegierung erfasst. Nach Auffassung des Deutschen Notarvereins sollte aufgrund der deutlich abweichenden Bewertungsgrundsätze im Bereich des sonstigen Grundvermögens und der im größeren Maße individuell ausgestalteten Landesregelungen eine Bezugnahme auf den Grundsteuerwert in Bezug auf den Wohnteil vermieden werden. Vorzugswürdig erscheint daher, den Wohnteil nicht einer separaten Bewertung zuzuführen, sondern ihn pauschal bei Festsetzung des Multiplikators zu berücksichtigen.
4. Vervielfachung mit einem Multiplikator
Wählt man nach den vorstehend getroffenen Feststellungen den Grundsteuerwert zum Ausgangspunkt der Bewertung, ist dieser für die Zwecke des § 48 GNotKG mit einem Multiplikator zu versehen. Dabei sollte der Multiplikator so gewählt werden, dass er zumindest im Durchschnitt den bislang maßgeblichen und in der Praxis bewährten vierfachen Einheitswert auf den Grundsteuerwert überträgt. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass der Wohnteil der Hofstelle künftig bei der Festsetzung des Grundsteuerwerts für das land- oder forstwirtschaftliche Vermögen nicht mehr eigens einbezogen wird und damit in der hier vorgeschlagenen Lösung im Rahmen des Multiplikators Berücksichtigung finden muss.
IV. Beibehaltung des Tatbestands des § 48 GNotKG
Die hier vorgeschlagene Lösung verfolgt eine – soweit möglich – minimalinvasive Anpassung des Privilegierungstatbestandes des § 48 GNotKG auf Ebene der Wertermittlung. Im Übrigen ist der Tatbestand von § 48 GNotKG beizubehalten. Dies ist nach Auffassung des Deutschen Notarvereins vorzugswürdig, da der Tatbestand durch Rechtsprechung und Literatur hinreichend ausgeformt ist und sich in der Praxis bewährt hat. Für eine über die bloße Anpassung an den künftigen Wegfall des Einheitswerts hinausgehende Änderung gibt das Grundsteuer-Reformgesetz keinen Anlass.
Fußnoten:
[1] BR-Drs. 517/12, S. 243.
[2] Vgl. Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG) v. 26.11.2019, BGBl. 2019 I S. 1794.
[3] Vgl. Diehn, in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt (Hrsg.), GNotKG, 4. Aufl. 2021, § 48 GNotKG Rn. 22 ff.; Tiedtke, in: Korintenberg (Hrsg.), Gerichts- und Notarkostengesetz, 22. Aufl. 2022, § 48 GNotKG Rn. 19.
[4] OLG München, Beschl. v. 28.1.2014 – 34 Wx 576/11 = ZNotP 2014, 77; Diehn, in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt (Hrsg.), GNotKG, 4. Aufl. 2021, § 48 GNotKG Rn. 3 f.; Tiedtke, in: Korintenberg (Hrsg.), Gerichts- und Notarkostengesetz, 22. Aufl. 2022, § 48 GNotKG Rn. 12.