Niederlassungsfreiheit der Notare in Europa; Erfordernis der Staatsangehörigkeit für den Beruf des Notars; Mitteilung der Europäischen Kommission vom 18. Juni 1999

Stellungnahme vom 03.08.1999

 

Wir danken für Ihre Telefaxmitteilung vom 25. Juni 1999 und nehmen gerne die uns eingeräumte Möglichkeit wahr, Stellung zu dem Schreiben der Europäischen Kommission zu nehmen.

Die von der Kommission aufgeworfene Frage, inwieweit das nach § 5 BNotO bestehende Erfordernis der deutschen Staatsangehörigkeit für eine Bestellung zum Notar mit dem geltenden Europäischen Verträgen, insbesondere der darin geregelten Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit, vereinbar ist, hängt von der Anwendbarkeit des Art. 45 EGV auf die von einem Notar in der Bundesrepublik Deutschland wahrgenommenen Tätigkeiten ab.

Es scheint nach Auffassung des Deutschen Notarvereins angebracht, die Dienststellen der Kommission umfassend über die von einem Notar in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten Tätigkeiten zu informieren, vgl. Ziff. 7 des Schreibens der Kommission, da sich hieraus die Anwendbarkeit des Art. 45 EGV auf den Beruf des Notars in der Bundesrepublik Deutschland erschließt.

Im folgenden wird zunächst auf Art. 45 EGV, vormals Art. 55 EGV, und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eingegangen und daran anschließend die einem deutschen Notar vom Staat übertragenen und daher täglich ausgeübten Tätigkeiten erläutert.

 

I. Art. 45 EGV

Art. 45 EGV gewährleistet innerhalb seines Anwendungsbereichs die Souveränität der Mitgliedstaaten. Es ist deshalb dem einzelnen Mitgliedstaat überlassen, ob er von der ihm eingeräumten Möglichkeit, die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit in den von Art. 45 EGV erfaßten Bereichen einzuschränken, Gebrauch macht. Es handelt sich hierbei um eine Ermessensentscheidung, bei der lediglich überprüft werden darf, ob das den Mitgliedstaaten eingeräumte Ermessen überschritten wurde oder nicht. In Anbetracht dieser Ermessensfreiheit darf aus der Entscheidung Portugals, von der Möglichkeit des Art. 45 EGV nicht in gleicher Weise Gebrauch zu machen wie die Bundesrepublik Deutschland, kein Umkehrschluß auf die Unzulässigkeit des Erfordernisses der deutschen Staatsangehörigkeit geschlossen werden. Mit einer derartigen Argumentation würde die Organisationskompetenz eines Mitgliedstaates durch die Entscheidung eines anderen in unzulässiger Weise eingeschränkt.

Diesen Gesichtspunkt der Organisationskompetenz des einzelnen Mitgliedsstaats übersieht die Kommission in gleicher Weise, wenn sie auf die zunehmende Aufhebung des Staatsangehörigkeitserfordernisses im Bereich der Gemeindevertretung verweist. Es steht im Ermessen des einzelnen Mitgliedsstaats, ob er, soweit der Anwendungsbereich des Art. 45 EGV eröffnet ist, die Einschränkung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit für bestimmte Tätigkeiten für geboten erachtet und zu diesem Zwecke bspw. das Erfordernis der Staatsangehörigkeit als Berufszugangsvoraussetzung gesetzlich regelt.

Die Organisationskompetenz eines Mitgliedstaates erlaubt es diesem ferner, die Ausübung öffentlicher Gewalt auf Selbständige zu übertragen, ohne daß hiermit zugleich eine Vorentscheidung über die Frage, ob die übertragenen Aufgaben die Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne des Art. 45 EGV darstellen, getroffen wird. Es ist schließlich in das Ermessen des einzelnen Mitgliedsstaats gestellt, auf welche Art und Weise er sein Rechts- und Justizsystem gestaltet und welchen Institutionen er im Rahmen dieses Justizsystems die Ausübung öffentlicher Gewalt überträgt. Bei der Beurteilung der Frage, inwieweit die Tätigkeit der Notare die Ausübung öffentlicher Gewalt darstellt, sind daher die Mitgliedsstaaten gesondert zu betrachten. Im folgenden wird ausschließlich auf die Tätigkeit der Notare in der Bundesrepublik Deutschland eingegangen.

Eine abschließende Definition für die in Art. 45 EGV verwandte Formulierung „Ausübung öffentlicher Gewalt“ findet sich weder in der Rechtsprechung des EuGH noch in der einschlägigen Literatur. In der Rechtssache „Reyners“, Urteil vom 21.06.1974 Rs 2/74, Slg. 1974, 631ff., hat der EuGH ausgeführt, daß Art. 55 EGV -nunmehr Art. 45 EGV- auf diejenigen Tätigkeiten Anwendung findet, die eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen.

Aus einer Zusammenschau der zu Art. 55 EGV, nunmehr Art. 45 EGV, ergangenen Urteile läßt sich ableiten, daß die Ausübung öffentlicher Gewalt jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn durch die in Frage stehende Tätigkeit Richter bzw. Gerichte in ihrer Beweiswürdigung gebunden werden.

Dafür läßt sich zum einen das EuGH-Urteil vom 10.12.1991 Rs. C-306/89, Kommission gg. Griechenland, Slg. 1991, 5863, 5583 Rz. 7, anführen. In diesem Urteil führt der Gerichtshof sinngemäß aus, daß die Sachverständigengutachten, um die es in dem betreffenden Verfahren ging, die Gerichte nicht binden und die Gerichte weder in ihrer Beweiswürdigung noch in der Ausübung ihrer richterlichen Befugnis einschränken und demgemäß nicht als mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden angesehen werden können.

In der Leitentscheidung „Reyners“, Urteil vom 21.06.1974 Rs. 2/74, Slg. 1974, 631, 655 Rz. 51 u. 53, stellt der EuGH ebenfalls u.a. darauf ab, daß durch die Tätigkeit der Rechtsanwälte die richterliche Beurteilung und die freie Ausübung der Rechtsprechungsbefugnis nicht berührt wird. Aus diesem Grunde könne von keiner Ausübung öffentlicher Gewalt ausgegangen werden. Den Aspekt der Bindung von anderen Trägern öffentlicher Gewalt hat der Gerichtshof weiterhin in seiner Entscheidung in der Rechtssache „Thijssen“, Urteil vom 13.07.1993 Rs. C-42/92, Slg. 1993, 4047, 4070 Rz.11, 4073 Rz. 21, im Zusammenhang mit der Frage der Anwendbarkeit von Art. 45 EGV hervorgehoben.

Die Besonderheit der Beweiskraft notarieller Urkunden hat der EuGH schließlich in dem jüngst ergangenen Urteil vom 17.06.1999, Rs C-260/97, im Hinblick auf Art. 50 des Brüsseler Übereinkommens vom 27.09.1968 in den Mittelpunkt seiner Argumentation gestellt. Der EuGH betont in dieser Entscheidung, daß die Beweiskraft öffentlicher Urkunden einen wesentlichen Unterschied gegenüber Privaturkunden darstelle. Nur solche Urkunden, denen eine besondere Beweiskraft zukomme, fallen unter Art. 50 des Brüsseler Übereinkommens und rechtfertigen eine Vollstreckbarkeit in gleicher Weise wie gerichtliche Entscheidungen.

Angesichts der vorstehend dargelegten Rechtsprechung des EuGH weist die von der Kommission auf der Seite 2 ihres Schreibens angesprochene Streitentscheidung bzw. Strafverhängung durch Richter bzw. Staatsanwälte auf eine zu enge Auslegung des Rechtsbegriffs „Ausübung öffentlicher Gewalt“ hin.

 

 

II. Die dem Notar übertragenen Tätigkeiten

a) Beurkundungen und Beglaubigungen als Ausübung öffentlicher Gewalt

Die weitaus am häufigsten von einem Notar ausgeübte Tätigkeit ist die der Beurkundung und der Beglaubigung gem. § 20 Abs. 1 BNotO. Die Bedeutung dieser Tätigkeit für das Rechtswesen der Bundesrepublik Deutschland zeigt sich nicht zuletzt darin, daß der Notar gem. § 15 Abs. 1 BNotO diese Tätigkeit im Gegensatz zu anderen nicht ohne ausreichenden Grund verweigern darf, sog. Urkundsgewähranspruch. Die wesentlichen Besonderheiten notarieller Urkunden bestehen neben den Besonderheiten des Beurkundungsverfahrens in ihren Beweiswirkungen und in der Vollstreckbarkeit der beurkundeten Ansprüche. Beides fehlt Privaturkunden, mithin auch solchen Urkunden, die von Rechtsanwälten erstellt worden sind.

 

(1)  Vermutung der Echtheit

Nach § 437 Abs. 1 ZPO hat die notarielle Urkunde die Vermutung der Echtheit für sich. Aus diesem Grunde ist das Gericht hieran bis zum Beweis des Gegenteils gem. § 292 ZPO gebunden. Diese Bindung der deutschen Gerichte gilt gem. § 438 Abs.1 ZPO nicht für die Frage der Echtheit ausländischer öffentlicher Urkunden, es sei den es wurde eine Legalisation gem. Abs. 2 herbeigeführt. Dies unterstreicht die Bedeutung der inländischen notariellen Urkunden, die diesen im Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland zukommen.

 

(2)  Umfang der Beweiskraft

Die notarielle Urkunde erbringt gem. § 415 ZPO den vollen Beweis des beurkundeten Vorgangs. Demgemäß unterliegt die Urkunde in Abweichung von § 286 ZPO nicht der freien richterlichen Beweiswürdigung und das Gericht ist in der Beweiswürdigung daran gebunden, daß die Erklärungen, wie in der Urkunde bezeugt, abgegeben worden sind.

Im Falle von Tatsachenbeurkundungen begründet die notarielle Urkunde den vollen Beweis über die beurkundeten Tatsachen, vgl. § 418 Abs. 1 ZPO. Auch insoweit schließt die notarielle Urkunde eine freie Beweiswürdigung durch das Gericht aus.

 

(3)  Vollstreckbarkeit notarieller Urkunden

Notarielle Urkunden sind, soweit sie eine Zwangsvollstreckungsunterwerfung des Schuldners gem. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO enthalten, im Gegensatz zu Privaturkunden Vollstreckungstitel im Sinne der §§ 704 ff. ZPO. Die Möglichkeit der Zwangsvollstreckungsunterwerfung wurde erst vor kurzem durch die Zweite Zwangsvollstreckungsnovelle deutlich erweitert. Die notarielle Urkunde ist in diesen Fällen die Grundlage des zwangsweisen staatlichen Zugriffs auf das Schuldnervermögen und ermöglicht, daß gegen den Willen des Betroffenen rechtliche Ansprüche unter Zuhilfenahme staatlicher Gewalt vollstreckt werden. Die notarielle Urkunde steht im Hinblick auf die Zwangsvollstreckungsmöglichkeit auf einer Ebene mit dem richterlichen Urteil.

Die vorgenannten wesentlichen Besonderheiten einer notariellen Urkunde haben den Gesetzgeber dazu veranlaßt, daß der Notar ähnlich einem Gerichts- und Verwaltungsverfahren wesentliche Verfahrensvorschriften bei der Beurkundung einzuhalten hat, die sich vornehmlich im Beurkundungsgesetz wiederfinden. Hervorzuheben ist bspw., daß für den Notar gleich einem Richter Ausschließungsgründe und Mitwirkungsverbote in den Fällen bestehen, in denen seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gefährdet erscheint, vgl. § 3 ff. BeurkG. Die mit der Beurkundung von Rechtsvorgängen verbundene Ausübung öffentlicher Gewalt wird schließlich in der Geltung des Territorialprinzips deutlich, das ein wesentliches Kennzeichen staatlicher Gewalt bildet. Eine notarielle Urkunde ist unwirksam, wenn sie nicht von einem Notar auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beurkundet worden ist. Dies ist ein weiterer wesentlicher Unterschied gegenüber Privaturkunden.

 

b) Erteilung der Vollstreckungsklausel als Ausübung von öffentlicher Gewalt

Der Notar ist nach § 724 Abs. 1 iVm § 795 ZPO befugt, die für die Zwangsvollstreckung notwendige Vollstreckungsklausel für die von ihm verwahrten Urkunden nach der hoheitlichen und eigenverantwortlichen Prüfung diverser Voraussetzungen zu erteilen. Diese Tätigkeit des Notars ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, daß zwangsweise auf das Vermögen des Schuldners unter Zuhilfenahme staatlicher Gewalt zugegriffen werden darf. Die den Notaren eingeräumte öffentliche Gewalt wird ferner deutlich bei der Vollstreckbarerklärung eines von Rechtsanwälten abgeschlossenen Vergleichs gem. § 796c ZPO. Auch auf diesem Gebiet ist die Tätigkeit des Notars notwendig, um unter Zuhilfenahme staatlicher Gewalt zwangsweise auf das Vermögen des Schuldners zugreifen zu können. Gleiches gilt gem. § 1053 Abs. 4 ZPO hinsichtlich der Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen mit vereinbartem Wortlaut durch einen Notar. Aufgrund der eigenverantwortlichen und unabhängigen Prüfung der für die Erteilung der Vollstreckungsklausel notwendigen Voraussetzungen wird der Notar in einer dem Richter vergleichbaren Funktion tätig. Die Ausübung öffentlicher Gewalt manifestiert sich darin, daß die Erteilung der Vollstreckungsklausel einen an die folgenden Vollstreckungsorgane gerichteten Befehl enthält, die Vollstreckung durchzuführen.

 

c) Amtliche Bescheinigungen gem. § 21 BNotO als Ausübung öffentlicher Gewalt

Die Notare sind für die Erteilung der in § 21 BNotO aufgeführten Bescheinigungen zuständig. Eine derartige Bescheinigung hat die gleiche Beweiskraft wie das Zeugnis des Registergerichts, worin sich die einem Gericht vergleichbare Tätigkeit des Notars zeigt. Die notarielle Bescheinigung bindet die richterliche Beweiswürdigung.

 

d) Abnahme von Eiden und Aufnahme von eidesstattlichen Versicherungen als Ausübung öffentlicher Gewalt

Gem. § 22 BNotO ist der Notar zur Aufnahme eidesstattlicher Versicherungen und in bestimmten Fällen zur Abnahme von Eiden zuständig. Die dadurch ausgeübte öffentliche Gewalt zeigt sich besonders deutlich in den Strafvorschriften der §§ 154 und 156 StGB. Der Notar wird darin als zuständige Stelle den Gerichten bzw. Behörden gleichgestellt.

 

e) Sonstige vom Notar wahrzunehmede Tätigkeiten, die eine Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen

Die den Notaren in der Bundesrepublik Deutschland eingeräumte Zuständigkeit zur unmittelbaren und spezifischen Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt zeigt sich weiterhin in den Vermittlungsverfahren nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz gem. §§ 20 Abs. 4 BNotO, 87 ff. Sachenrechtsbereinigungsgesetz, für das der Notar ausschließlich zuständig ist. Der Notar ist für diese Verfahren mit Zwangsbefugnissen ausgestattet, die ein Versäumnisverfahren mit rechtskraftähnlichen Folgen einschließen, vgl. § 96 Sachenrechtsbereinigungsgesetz. Diese Tätigkeit ist daher der Ausübung richterlicher Gewalt gleichzustellen. Gleiches gilt für die in den landesrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Vermittlungs- und Auseinandersetzungsverfahren, die zu der Entlastung der Gerichte geschaffen wurden.

Die Ausübung hoheitlicher Gewalt ist ferner in der Wahrnehmung der dem Notar übertragenen Aufgaben in Bezug auf die Verwahrung von Wertgegenständen und die Vertretung von Beteiligten gegenüber Gerichten und Verwaltungsbehörden, vgl. §§ 23 f. BNotO zu sehen.

Letztere Zuständigkeit darf er vor dem Hintergrund seiner Amtspflicht zur Unabhängigkeit und Unabhängigkeit allerdings nur wahrnehmen, soweit es sich um nichtstreitige Angelegenheiten handelt. Seine hoheitliche Funktion auf dem Gebiete der vorsorgenden Rechtspflege zeigt sich auf diesem Gebiet besonderes deutlich darin, daß der Notar in bestimmten Fällen, vgl. die Aufzählung in § 24 Abs. 3 BNotO, kraft Gesetzes zur Vertretung der Beteiligten befugt ist.

Auch auf dem Gebiete der Verwahrung ist der Notar strengen Reglementierungen unterworfen, vgl. §§ 54 a ff. BeurkG, die einer Disposition der Beteiligten entzogen sind. Die notarielle Verwahrung ist daher auf einer Ebene mit der Hinterlegung bei Gericht anzusiedeln.

Die vorstehende Darstellung der von einem Notar ausgeübten Tätigkeiten zeigt, daß der Notar nicht wie ein Rechtsanwalt die Gerichte bei der Ausübung ihrer hoheitlichen Gewalt durch seine Mitarbeit lediglich unterstützt, ohne diese jedoch in irgendeiner Weise zu beeinflussen. Der Notar übt die ihm übertragenen Tätigkeiten vielmehr entweder selbständig anstelle der Gerichte und Behörden aus oder bindet durch die von ihm vorgenommenen hoheitlichen Akte sowohl Gerichte als auch Behörden in ihren Entscheidungen. In etlichen der ihm vom Staat übertragenen hoheitlichen Tätigkeiten vermag er gegen den Willen der Beteiligten Rechtsveränderungen bzw. Eingriffe in deren Freiheitssphäre herbeizuführen bzw. die notwendige Grundlage hierfür zu schaffen.

§ 1 BNotO umschreibt den Notar aus diesem Grunde als unabhängigen Träger eines öffentlichen Amtes, der Beurkundungen von Rechtsvorgängen und andere Aufgaben auf dem Gebiete der vorsorgenden Rechtspflege wahrzunehmen hat.

Die enge Einbindung des Notars in das Justizsystem der Bundesrepublik Deutschland zeigt sich schließlich zum einen darin, daß nicht selten Parallelzuständigkeiten mit Gerichten und Behörden auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestehen, so z.B. bei der Abnahme eidesstaatlicher Versicherungen im Zusammenhang mit Erbscheinsanträgen, vgl. § 2356 Abs. 2 BGB, bei Beurkundungen und Beglaubigungen auf dem Gebiete des Familienrechts, vgl. § 59 SGB VIII und nicht zuletzt im Hinblick auf § 127 a BGB. Aufgrund seiner hoheitlichen Tätigkeiten obliegen dem Notar weiterhin insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts zahlreiche Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten gegenüber anderen Behörden und Gerichten.

Zum anderen manifestiert sich die enge Einbindung in das Justizsystem darin, daß der Notar ähnlich einem Richter der staatlichen Aufsicht und der Disziplinargewalt durch die Justizverwaltung unterworfen ist, daß er von dieser in sein Amt bestellt wird und bei Erreichen der Altersgrenze aus seinem Amt ausscheidet. Hinzukommt, daß im Falle von Beschwerden über Amtshandlungen des Notars im Unterschied zu anderen freien Berufen ein Beschwerdeweg vorhanden ist, der den Notar funktional so behandelt, als ob er die erste Gerichtsinstanz wäre. In strafrechtlicher Hinsicht steht der Notar auf einer Ebene mit anderen Hoheitsträgern, d.h. die §§ 331 ff. StGB finden auf einen Notar Anwendung. Bestünde nicht die Ausnahmeregelung des § 19 Abs. 1 Satz 4 BNotO müßte der Staat ferner für Amtspflichtverletzungen, die von einem Notars bei Ausübung seines Amtes begangen werden, in gleicher Weise wie für Beamten haften. Im Gegensatz zu dem freien Beruf des Rechtsanwalts unterliegt der Notar schließlich auch in seinem Privatbereich zahlreichen Beschränkungen, vgl. § 14 BNotO, die seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleisten sollen. Zu guter letzt belegt die Gestaltung des Notarwesens im Landesteil Baden, daß es allein dem Organisationsermessen des Staates überlassen ist, ob Landesbeamte im Justizdienst, die die Befähigung zum Richteramt besitzen müssen, die von einem Notar wahrzunehmenden Aufgaben erledigen oder dieselben Tätigkeiten selbständigen, d.h. in die Justizverwaltung nicht umittelbar organisatorisch eingegliederten Notaren übertragen werden.

Die von der Kommission angesprochenen Beratungsleistungen im Zusammenhang mit der Errichtung von Urkunden sind keinesfalls mit den Beratungsleistungen von Rechtsanwälten vergleichbar.

Die Beratungsleistung, zu der der Notar gem. § 17 BeurkG verpflichtet ist, ist eine notwendige Annexkompetenz des Notars zu den ihm übertragenen hoheitlichen Tätigkeiten, insbesondere zu der der Beurkundung und Beglaubigung. Die nach dem Gesetz mit der notariellen Urkunde verbundenen Beweiswirkungen, die eine Bindung der Gerichte nach sich zieht, bedingen eine eingehende Beratung der Beteiligten, damit gewährleistet ist, daß der Inhalt der Urkunde die Erklärungen der Beteiligten und die sonstigen Umstände zutreffend wiedergibt, vgl. § 17 Abs. 2 BeurkG. Ferner rechtfertigt nur die Amtspflicht der Beratung die Besonderheit der Vollstreckbarkeit der in einer notariellen Urkunde enthaltenen Ansprüche. Die vorgenannten Beweiswirkungen sowie die Eigenschaft der Vollstreckbarkeit erfordern, daß im Unterschied zu der von einem Rechtsanwalt ausgeübten Beratung diejenige des Notars stets unparteiisch und unabhängig erfolgen muß, vgl. § 14 BNotO. Die Beratung und die darauf aufbauende Beurkundung sind auf Grund der mit einer notariellen Urkunde verbundenen Rechtswirkungen untrennbar miteinander verknüpft.

Die Kommission verkennt daher die wesentlichen, einem Notar zukommenden Aufgaben, wenn sie die mit der Errichtung von Urkunden verbundenen Beratungsleistungen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen rückt und auf eine Ebene mit der von den Rechtsanwälten erbrachten Beratungsleistungen stellt.

Die vorstehenden Ausführungen belegen, daß sich die von einem Notar ausgeübten Tätigkeiten eine Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 45 EGV darstellen. Aus diesem Grunde richten sich die Rechtsbeziehung zwischen dem Notar und dem Klienten konsequenterweise nicht nach Zivilrecht, sondern nach öffentlichen Recht. Aus diesem Grunde ist es in das freie Ermessen der Bundesrepublik Deutschland gestellt, ob, wie in § 5 BNotO gere­gelt, das Erfordernis der deutschen Staatsangehörigkeit Zugangsvoraussetzung für die Bestel­lung zum Notar ist. Das demgemäß nach Art. 45 EGV bestehende Ermessen wurde von der Bundesrepublik Deutschland sachgerecht ausgeübt, indem entsprechend der Rechtslage bei Richtern am Staatsangehörigkeitserfordernis für Notare festgehalten wird.

Eine Änderung dieses Erfordernisses wurde im Rahmen der Dritten BNotO-Novelle zu keinem Zeitpunkt von den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten erwogen. Aufgrund der engen Einbeziehung der von den Notaren wahrgenommenen Aufgaben in die Justiz auf dem Gebiete der vorsorgenden Rechtspflege, die z.T. einem Richter vergleichbar sind, ist nach Ansicht des Deutschen Notarvereins eine Änderung des § 5 BNotO solange inkonsequent, als auch an dem Erfordernis der deutschen Staatsangehörigkeit für Richter gem. § 9 Nr. 1 DRiG festgehalten wird.

 

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