Stellungnahme vom 27.11.2020
Weiterhin – wie bereits in unserer Stellungnahme vom 3.7.2020 dargelegt – bewertet der Deutsche Notarverein eine Umwandlungsbeschränkung nach der Konzeption des Gesetzentwurfs für (verfassungs-)rechtlich und rechtspolitisch bedenklich (Ziff. A.). Das richtige Ziel des Gesetzgebers, Mieter vor Verdrängung aus ihren Mietwohnungen zu schützen und ihnen den Erwerb von ihnen bewohnten Wohnungen zu Eigentum zu ermöglichen, wird durch den vorgeschlagenen § 250 BauGB-E nicht erreicht.
Die im Kabinettsentwurf vorgesehene Regelung des § 250 BauGB-E ist, will der Gesetzgeber an der Einführung einer derartigen Umwandlungsbeschränkung festhalten, zwar aus notarieller Sicht verfahrenstechnisch etwas praxistauglicher geworden. Sie enthält jedoch weiterhin rechtliche Defizite, die in der notariellen und registerrechtlichen Praxis für erhebliche Probleme und Rechtsstreitigkeiten sorgen würden (Ziff. B.).
A. Zur generellen Untauglichkeit des Genehmigungsvorbehalts (§ 250 BauGB-E)
I. Praktische Auswirkungen des § 250 BauGB-E
§ 250 BauGB-E würde zwingend dazu führen, dass die Schaffung von Wohnungen in Bestandsgebäuden in wesentlichen Teilen der Bundesrepublik jedenfalls massiv erschwert, zumeist jedoch faktisch unterbunden wird.
Dieses Mittel erscheint nicht geeignet zur Erreichung des gewünschten Zwecks: Denn nicht die Bildung von Wohnungseigentum ist eine Gefahr für den Mieter, sondern allein die aus der Veräußerung der einzelnen vermieteten Wohnung potenziell erwachsenden Konsequenzen. Ob hingegen ein Alleineigentümer Eigentümer des ganzen Gebäudes ist oder aller dort gebildeten Wohnungseigentumseinheiten, macht für den Mieter keinen Unterschied. Eine Regelung sollte daher nicht auf der Stufe der Aufteilung ansetzen.
Aus Mietersicht wird erst der Verkauf seiner Einheit relevant, weil er sich nun einem neuen Vermieter ausgesetzt sieht, der potenziell ein Interesse an der Eigennutzung hat. Nach aktuellem Recht ist der Mieter einer zu Wohnungseigentum aufgeteilten Wohnung bereits in vielfältiger Weise geschützt durch
- das Mietervorkaufsrecht nach § 577 BGB, sofern die von ihm zum Zeitpunkt der Aufteilung bewohnte Wohnung verkauft werden soll;
- den Schutz vor Eigenbedarfskündigung gemäß § 577a BGB, welcher mindestens drei Jahre währt, in vielen Städten mit angespannten Mietmarkt sogar zehn Jahre;
- die in verstärktem Maße geschaffenen Erhaltungssatzungen gemäß § 172 BauGB, die die Bildung von Wohnungseigentum bereits jetzt unter einen Genehmigungsvorbehalt setzen. Einen Anspruch auf Genehmigung gibt es vor allem dann, wenn der aufteilende Eigentümer eine Verpflichtungserklärung abgibt, für die nächsten sieben Jahre die neu gebildeten Wohnungen nur an Mieter zu verkaufen.
Die nun angestrebte Verhinderung der Bildung von Wohnungseigentum steht hingegen im Widerspruch zu dem historischen Ziel des WEG-Gesetzgebers, auch normalen Bürgern in Städten die Möglichkeit zum Erwerb von Grundvermögen zu geben – einem bestimmenden Baustein der eigenen Altersvorsorge.
II. Negative Auswirkungen auf andere gesetzgeberische Ziele und verfassungsrechtliche Bedenken
Die vorgeschlagene Regelung greift als generelle Erschwerung bzw. Verhinderung der eigentumsrechtlichen Gestaltung von Immobilien weit in schützenswerte Interessen des Eigentümers ein, weshalb mit Blick auf die in Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Eigentumsgarantie auch verfassungsrechtliche Bedenken bestehen.
Beispiel einer typischen Gestaltung aus der notariellen Praxis: Ein älteres Bestands-Mehrfamilienhaus mit einigen Wohnungen, das im Eigentum eines älteren Paares steht.
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- Das Paar hat mehrere Kinder, aber nur dieses Haus und will dies in Wohnungseigentum zur gerechten Verteilung zwischen mehreren Kindern aufteilen. Dabei wird dies typischerweise insbesondere aus erbschafts-/schenkungssteuerlichen Gründen nicht im Wege der testamentarischen Anordnung (wie in § 250 Abs. 3 Nr. 1 BauGB-E), sondern im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu Lebzeiten erfolgen.
- Eine Aufteilung nach WEG kann erforderlich sein, um die Wohnungen in Abt. II und III des Grundbuchs unterschiedlich erstrangig zu belasten, z. B. einige Wohnungen mit einem Wohnungsrecht oder Nießbrauch, andere mit notwendigen Finanzierungsgrundschulden. Beim unaufgeteilten Haus sind diese Rechte im Hinblick auf die Bankenpraxis und das berechtigte Sicherungsbedürfnis der Übergeber praktisch „unvereinbar“.
- Gerade bei Bestandsgebäuden stehen häufig größere Sanierungen an, die über Kredite finanziert werden müssen. Besonders ältere Eigentümer erhalten aber aufgrund der verschärften Banken-Richtlinien nur noch schwer Kredite, wenn die Rückzahlung (d. h. nicht nur die Verzinsung) nicht perspektivisch vollständig aus Einkünften erwartet werden kann. Gerade solchen Eigentümern bleibt häufig nur der Verkauf einzelner Wohnungen, um einerseits notwendige Einnahmen zur Durchführung von Sanierungen zu erzielen und andererseits in ihrer eigenen Wohnung weiter leben zu können.
Die vielfältigen legitimen Anwendungsfälle nur im Rahmen einer Art „Rechtfertigung“ über das „Allgemeinwohl“ des § 250 Abs. 3 Nr. 4 BauGB mit der jeweiligen Genehmigungsbehörde zu diskutieren, ist untauglich und verspricht Rechtsunsicherheit sowie eine Vielzahl von gerichtlichen Prozessen. Der vorgesehene erhebliche Eingriff in das grundrechtlich geschützte Eigentum verlangt es, die Abwägungskriterien den zuständigen Verwaltungsbehörden und Gerichten daher zwingend vorzugeben.
B. Zu den Defiziten der Umsetzung des § 250 BauGB-E in der Fassung des RegE
Das in § 250 Abs. 3 S. 2 BauGB-E angedachte Verfahren ist ein (negatives) Novum und bislang ohne Beispiel. Will man gleichwohl an diesem gesetzgeberischen Vorhaben festhalten, müsste aus unserer Sicht zur Verhinderung verfassungsmäßig zweifelhafter Einschränkungen zumindest der Anwendungsbereich der Norm präzisiert und die auch in der Kabinettsfassung des § 250 BauGB-E enthaltenen Defizite beseitigt werden:
- Der vorgeschlagene Gesetzestext stellt nicht darauf ab, ob das aufzuteilende Objekt überhaupt zu Wohnzwecken vermietet ist. Ob die bisherige Wohnnutzung durch Mieter oder durch (Mit-)Eigentümer erfolgt, wäre daher unerheblich für das Eingreifen einer Genehmigungsbedürftigkeit. Die Aufteilung von nicht vermieteten Räumen müsste jedoch zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels nicht per se unter einen Genehmigungsvorbehalt gestellt werden. Insoweit sollte die Wertung der Parallelvorschrift des § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 5 BauGB auf § 250 BauGB-E übertragen werden.
- Ein Genehmigungserfordernis für Änderungen an Teileigentumseinheiten ist nicht geeignet, das Ziel der Erhaltung von Mietwohnraum zu verfolgen, da Teileigentum i. S. d. WEG nicht zu Wohnzwecken genutzt werden darf. Folglich kann durch Änderungen an Teileigentumseinheiten auch keine Beeinträchtigung des Mietwohnungsmarktes entstehen.
- Es ist unklar und unbestimmt, was unter „bestehenden Wohngebäuden“ i. S. d. § 250 Abs. 1 S.1 BauGB zu verstehen ist. Erstens ist unklar, auf welchen Zeitpunkt es für das „Bestehen“ und damit das Bestehen einer Genehmigungspflicht ankommen soll: In Betracht kommen z. B. der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Rechtsverordnung i. S. d. § 250 Abs. 1 S. 2 BauGB-E, der Zeitpunkt der Beantragung der Genehmigung nach § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB-E oder der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung oder -versagung. Darüber hinaus ist unklar, auf welchen Bautenstand es für das Bestehen ankommt: In Betracht kommen Gebäude im Rohbau, solche die bezugsfertig sind, (teilweise) bezogen sind oder solche, die schon vermietet und bezogen sind.
- Nach der aktuellen Entwurfsfassung bleibt das Verhältnis von § 250 Abs. 3 BauGB-E zu § 250 Abs. 4 BauGB-E völlig unklar. Gilt die Ausnahmeregelung des § 250 Abs. 4 BauGB-E allgemein, nur in Fällen des § 250 Abs. 3 BauGB-E (so der Gesetzeswortlaut) oder in diesen Fällen gerade nicht (in diese Richtung kann man die Gesetzesbegründung verstehen)? Insbesondere bei Orientierung unmittelbar am Gesetzeswortlaut ist außerhalb des Anwendungsbereichs von § 250 Abs. 3 BauGB-E ein Anspruch auf Genehmigung immer ausgeschlossen.
In Anbetracht der viel zu eng formulierten „Genehmigungstatbestände“ des § 250 Abs. 3 BauGB-E erscheint eine solche Regelung unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel kaum haltbar.
Es erscheint vielmehr geboten, auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 250 Abs. 3 BauGB bezüglich der Genehmigung ein Ermessen der zuständigen Behörde vorzusehen und dieses durch ermessensleitende tatbestandliche Voraussetzungen zu flankieren. Auch bleibt gänzlich ungeregelt, welche Kriterien hinsichtlich der Entscheidung über die Erteilung oder Versagung einer Genehmigung zu einer Veräußerung i. S. v. § 250 Abs. 3 Satz 2 BauGB-E nach bereits genehmigter Aufteilung maßgeblich sein sollen. Abgesehen von einem eher kryptischen Satz in der Gesetzesbegründung sind gerade auch bezüglich der nachfolgenden Veräußerung die Genehmigungsmodalitäten völlig ungeregelt. Das Gesetz sollte jedoch aus sich heraus verständlich sein. Zudem wird auch sprachlich nicht hinreichend zwischen der Genehmigung zu einer Begründung/Teilung von Wohnungs- oder Teileigentum einerseits und zu einer Genehmigung einer nachfolgenden Veräußerung von Wohnungs- oder Teileigentum andererseits differenziert.
- 250 Abs. 3 S. 2 ist auch unter einem anderen Gesichtspunkt problematisch: Wenn es trotz genehmigter Teilung zu einer darauf folgenden Eintragung des Veräußerungsverbots kommt, beinhaltet dies ein faktisches Beleihungsverbot. Selbst wenn eine Grundschuld ohne Genehmigung eingetragen werden kann, steht zu befürchten, dass keine Bank einen Kredit gewähren wird. Denn diese will nicht nur die kosten- und zeitaufwändige Versteigerungsmöglichkeit als Sicherheit, sondern dass sich der Kunde (i) den Kredit „leisten kann“, und (ii) auch schnell und kooperativ verkaufen könnte.
- Der Entwurf sieht eine Pflicht zur Genehmigungserteilung vor, wenn das Wohnungseigentum oder Teileigentum „zur eigenen Nutzung“ an Familienangehörige des Eigentümers veräußert werden soll.
Zunächst mutet es angesichts des Gesetzeszwecks verfehlt an, eine Genehmigung zur Aufteilung nur dann zu gewähren, wenn der übernehmende Familienangehörige (üblicherweise die Kinder) selbst in das Objekt einziehen möchte (hier kommt es gerade zu einer vom Gesetz nicht erwünschten Verdrängung von Mietern). Ist dagegen seitens der Familienangehörigen auch weiterhin eine Vermietung beabsichtigt, bleibt das Objekt dem Mietwohnungsmarkt erhalten.
Darüber hinaus kann die Regelung erhebliche negative Folgen für die innerfamiliäre Nachfolgeplanung haben, wenn die Kinder das aufzuteilende Objekt nicht selbst bewohnen möchten und es weiterhin vermietet bleiben soll.
Beispiel des älteren Mehrfamilienhauses, das im Eigentum eines älteren Paares steht (s.o.):
Müssten die Eltern damit rechnen, dass ihnen die Genehmigung zu einer Aufteilung nicht erteilt wird, weil die Kinder das Objekt nicht selbst beziehen möchten, so müssten sie auf eine Regelung im Testament ausweichen, die es den Kindern nach dem Tod der Eltern im Rahmen der Nachlassaufteilung ermöglichen würden, eine WEG-Teilung im Rahmen von § 250 Abs. 3 Nr. 1 BauGB-E vorzunehmen. Dieser Weg wäre jedoch aus erb- und pflichtteilsrechtlichen sowie steuerlichen Gesichtspunkten vielfach für die Familie mit erheblichen Nachteilen verbunden und daher nicht zu empfehlen.
- Eine Frist zur Genehmigung wie etwa beim gemeindlichen Vorkaufsrecht nach dem BauGB (§§ 28 Abs. 2 S. 1 BauGB, § 469 Abs. 2 BGB) ist nicht vorgesehen. Die Aufnahme einer solchen Frist mit Fiktionswirkung bei Ablauf der Frist könnte jedoch der Rechtssicherheit zuträglich sein.
Zudem müsste aus Bestandsschutzgesichtspunkten der Anwendungsbereich der Norm generell dergestalt eingeschränkt werden, dass bestehende Eigentümerinnen und Eigentümer, die zum Inkrafttreten des Gesetzes bereits Eigentum an ihrem Wohngebäude innehatten und auf deren eigentumsrechtliche Gestaltung vertrauen durften, von den Umwandlungsbeschränkungen ausgenommen bleiben.