Stellungnahme vom 11.10.2019
Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Eckpunkten für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften (nachstehend „Eckpunkte“). Der Deutsche Notarverein ist der Bundesverband der Notare im Hauptberuf. Diese sind von den Eckpunkten zwar nicht unmittelbar betroffen, weil die Eckpunkte ausschließlich Neuregelungen des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften enthalten. Sie sind jedoch mittelbar betroffen. Zum einen sind Rechtsanwälte wie auch Notare Teil der Rechtspflege in Deutschland. Zum anderen ergeben sich nach den Eckpunkten möglicherweise Änderungen auf Anwaltsnotare, die wiederum Auswirkungen auf das Notariat in Deutschland insgesamt haben können und daher auch für Nur-Notare bedeutsam sind.
A. Änderungen in Bezug auf Rechtsanwälte
I. Erweiterung der sozietätsfähigen Berufe
Nach Nummer 9 der Eckpunkte sollen die Möglichkeiten der interprofessionellen Zusammenarbeit für Rechtsanwälte verbessert werden. Zunächst wird insofern zu Recht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.1.2016 verwiesen, nach der § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO nichtig ist, soweit es Rechtsanwälten untersagt wird, sich mit Ärzten und Apothekern zur Ausübung ihrer Berufe zu einer Partnerschaftsgesellschaft zusammenzuschließen.[1] Diese Entscheidung sollte selbstverständlich umgesetzt werden.
Allerdings sollen laut den Ausführungen in Nummer 10 der Eckpunkte darüber hinaus sogar künftig Angehörige aller „vereinbaren“ Berufe Gesellschafter von Berufsausübungsgesellschaften sein dürfen. „Vereinbar“ in diesem Sinne sollen alle Berufe sein, die Rechtsanwälte selbst auch als Zweitberuf ausüben dürfen.
Eine Erweiterung in dieser Weise ist aus unserer Sicht abzulehnen. Durch eine solche Generalklausel würden die mit dem Anwaltsberuf verbundenen rechtlichen und nicht zuletzt auch ethischen Anforderungen unklar(er). Der Schutz der rechtsuchenden Bürger und ihr Vertrauen in unabhängige Rechtsanwälte würde leichtfertig massiv beeinträchtigt aufgrund bloßer kommerzieller Interessen. Der Rechtsanwalt würde sich von einem Organ der Rechtspflege, der sich als Teil der dritten Gewalt definiert, hin zu einem bloßen (ökonomisch gesprochen) Teilnehmer am Rechtsberatungsmarkt entwickeln.
Die Bundesrechtsanwaltskammer hat in ihrer Stellungnahme Nr. 25 aus 2019 aus unserer Sicht überzeugend dargelegt, welche Risiken bestehen, wenn mit „vereinbaren“ Berufen im Ergebnis nahezu jeder Beruf und jede Tätigkeit sozietätsfähig wird, und wie eine Erweiterung stattdessen erfolgen könnte. Wir schließen uns daher der Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer in diesem Punkt an.
II. Fremdkapitalverbot
Die Ausführungen der Bundesrechtsanwaltskammer und des Deutschen Anwaltvereins zum Fremdkapitalverbot unterstützen wir, insbesondere lehnen auch wir den Vorschlag ab, reine Kapitalbeteiligungen mit dem Ziel zu erlauben, alternative Finanzierungswege insbesondere zur Finanzierung von Legal Tech zu eröffnen.
III. Eintragung der Berufsausübungsgesellschaft in ein elektronisches Verzeichnis
Nach Nummer 4 der Eckpunkte sollen Berufsausübungsgesellschaften in einem von der Bundesrechtsanwaltskammer geführten elektronischen Verzeichnis geführt werden, das der Information des Rechtsverkehrs (Transparenz) dienen soll. Nach unserem Verständnis dient dieses Register jedoch nicht dem Nachweis der Existenz und der Vertretungsberechtigung einer solchen Gesellschaft. Dieser Nachweis muss den jeweiligen öffentlichen Registern, also insbesondere dem Partnerschaftsregister und dem Handelsregister, vorbehalten bleiben.
IV. Personale Verantwortung der Rechtsanwälte
Wir unterstützen die Überlegungen in Nummer 11 der Eckpunkte, nach denen am Prinzip der personalen Verantwortung der einzelnen Rechtsanwälte festgehalten werden soll und die Rechtsanwälte verpflichtet werden sollen, die Einhaltung der Berufspflichten durch die Berufsausübungsgesellschaft und die berufsfremden Gesellschafter sicherzustellen. Dies muss auch organisationsrechtlich abgesichert sein, indem die Rechtsanwälte zwingend entsprechende Organstellungen in den Berufsausübungsgesellschaften innehaben müssen.
B. Überlegungen zur Erweiterung der sozietätsfähigen Berufe für Anwaltsnotare
Im Hinblick auf Anwaltsnotare soll nach Nummer 10 der Eckpunkte geprüft werden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang § 9 Abs. 2 BNotO dahingehend geändert werden kann, dass auch Anwaltsnotarinnen und -notare interprofessionell mit Angehörigen vereinbarer Berufe zusammenarbeiten können.
Im Folgenden stellen wir zunächst den Regelungsrahmen für Nur-Notare und Anwaltsnotare de lege lata dar (dazu I.). Hiernach legen wir dar, inwieweit bereits jetzt Gefährdungen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit durch die Regelungen für Anwaltsnotare bestehen und inwieweit diese durch die angedachte Erweiterung noch entscheidend vertieft werden, die deshalb abzulehnen ist (dazu II.). Schließlich gehen wir auf mögliche weitere Regulierungen durch den Gesetzgeber ein, um die Gefährdungen zu minimieren (dazu III.).
I. Regelungsrahmen für die gemeinsame Berufsausübung de lege lata
Der Regelungsrahmen für die berufliche Zusammenarbeit für Nur-Notare einerseits und für Anwaltsnotare andererseits ist unterschiedlich ausgestaltet.
1. Berufsrechtliche Regelungen für Nur-Notare
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BNotO dürfen sich Nur-Notare nur mit am selben Amtssitz bestellten Notaren zur gemeinsamen Berufsausübung[2] verbinden. Damit dürfen Nur-Notare keine interprofessionellen Berufsverbindungen eingehen.[3] Dieses Verbot soll das Vertrauen in eine unabhängige und unparteiliche Amtsführung schützen.[4] Dabei ist das Notaramt selbst nicht sozietätsfähig, weil dieses nur einer einzelnen (natürlichen) Person zur höchstpersönlichen Ausübung vom Staat übertragen wird.[5] Die bürgerlich-rechtliche Sozietät bezieht sich deshalb nur auf die sachlichen und organisatorischen Mittel zur Berufsausübung.[6] Organisationsrechtlich steht Nur-Notaren für die Verbindung zur gemeinsamen Berufsausübung – insbesondere wegen der Höchstpersönlichkeit der notariellen Amtsausübung – als Gesellschaftsform letztlich nur die Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur Verfügung.[7]
Die Landesregierungen oder die von ihnen durch Rechtsverordnung bestimmten Stellen sind ermächtigt, durch Rechtsverordnung insbesondere zu regeln, dass die Verbindung nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde zulässig ist und weitere Voraussetzungen der gemeinsamen Berufsausübung, insbesondere zur Höchstzahl der Berufsangehörigen sowie inhaltliche Anforderungen an die Verbindung, zu bestimmen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 BNotO). Schließlich ist die Verbindung zur gemeinsamen Berufsausübung nur zulässig, soweit hierdurch die persönliche und eigenverantwortliche Amtsführung, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars nicht beeinträchtigt wird (§ 9 Abs. 3 BNotO).
Die Landesregierungen der Bundesländer, in denen Nur-Notare bestellt sind, haben (mit Ausnahme des Saarlandes) entsprechende Regelungen erlassen, die eine entsprechende zwingende vorherige Genehmigung der Aufsichtsbehörde (nach Anhörung der Notarkammer) vorsehen.[8] Die Höchstzahl der Notare in einer Sozietät ist überwiegend auf zwei Notare begrenzt (so etwa in Nordrhein-Westfalen nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 NotVO-NW und in Bayern nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 NotV-BY).[9] Hierdurch wird den Landesjustizverwaltungen eine präventive Kontrolle ermöglicht, um zu verhindern, dass das öffentliche Amt des Notars kommerzialisiert wird.[10] Darüber hinaus gibt es Richtlinien der Notarkammern, die u. a. detaillierte Vorgaben für die vertraglichen Vereinbarungen für die gemeinsame Berufsausübung vorsehen, etwa auch zur Gewinnaufteilung. Die Verbindung zur gemeinsamen Berufsausübung ist schließlich der Aufsichtsbehörde und der Notarkammer anzuzeigen nach § 27 Abs. 1 BNotO.
Zusammengefasst darf sich ein Nur-Notar nur mit (i.d.R. einem) anderen Nur-Notar in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts soziieren und unterliegt dabei engen Grenzen in der Ausgestaltung, was von den Aufsichtsbehörden im Rahmen einer präventiven Kontrolle geprüft wird.
Diese berufsrechtlichen Grenzen für Nur-Notare haben sich in der Praxis bewährt und sorgen für ein Höchstmaß an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Notare. Sie sollten daher in jedem Fall unangetastet bleiben.
2. Berufsrechtliche Regelungen für Anwaltsnotare
Ein Anwaltsnotar i.S.d. § 3 Abs. 2 BNotO übt zwei Berufe aus, den des Rechtsanwalts und den des Notars. Auch für Anwaltsnotare gilt zunächst der Grundsatz, dass das Notaramt selbst nicht sozietätsfähig ist (siehe oben unter 1.). Dieser Grundsatz soll auch nach Nummer 10 Satz 3 der Eckpunkte unberührt bleiben.
Im Übrigen gelten für die gemeinsame Berufsausübung bei Anwaltsnotaren andere Regelungen als bei Nur-Notaren. So dürfen sich Anwaltsnotare nach § 9 Abs. 2 BNotO miteinander, mit anderen Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer, Patentanwälten, Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern zur gemeinsamen Berufsausübung verbinden oder mit ihnen gemeinsame Geschäftsräume haben. Der Kreis der Personen, mit denen eine gemeinsame Berufsausübung erfolgen darf, ist also erheblich weiter gezogen als bei Nur-Notaren.
Hierbei sind die allgemeinen Voraussetzungen nach § 9 Abs. 3 BNotO zu beachten (dazu siehe oben unter 1.). Eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Rechtsverordnungen durch Landesregierungen ist nicht vorgesehen. Eine präventive Kontrolle durch ein Genehmigungserfordernis wie bei § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNotO findet demnach nicht statt. Auch dürfen die Landesregierungen keine näheren Voraussetzungen der gemeinsamen Berufsausübung wie bei § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BNotO bestimmen.
Anstelle einer präventiven Kontrolle kann bei Anwaltsnotaren lediglich eine Ex-post-Kontrolle stattfinden, die durch die Anzeige der Verbindung zur gemeinsamen Berufsausübung nach § 27 Abs. 1 BNotO ermöglicht wird. Hierbei ist auf Anforderung die Vereinbarung über die gemeinsame Berufsausübung der Aufsichtsbehörde und der Notarkammer vorzulegen (§ 27 Abs. 2 BNotO). Bei einem Verstoß gegen § 9 Abs. 2 BNotO ist der Notar seines Amtes zu entheben nach § 50 Abs. 1 Nr. 5 BNotO, Verstöße gegen § 9 Abs. 3 BNotO können nach den allgemeinen disziplinarrechtlichen Maßnahmen geahndet werden.
II. Überlegungen in Nummer 10 der Eckpunkte sind abzulehnen
Nach Nummer 10 der Eckpunkte soll geprüft werden, ob und in welchem Umfang § 9 Abs. 2 BNotO dahingehend geändert werden kann, dass auch Anwaltsnotare interprofessionell mit Angehörigen vereinbarer Berufe zusammenarbeiten können.
Diese Überlegungen sind aus Sicht des Deutschen Notarvereins nachdrücklich abzulehnen.
1. Kein praktisches Bedürfnis für eine Erweiterung
Zunächst weisen wir darauf hin, dass die betroffenen Anwaltsverbände eine Erweiterung bei Anwaltsnotaren abgelehnt haben. Die Bundesrechtsanwaltskammer lehnt bereits die Erweiterung der sozietätsfähigen Berufe in der in Nummer 9 der Eckpunkte angedachten Form ab, weil diese die Unabhängigkeit des Berufsstandes gefährde (siehe oben). Der Deutsche Anwaltverein befürwortet zwar eine Erweiterung der Sozietätsmöglichkeiten bei Rechtsanwälten, lehnt jedoch eine Änderung des § 9 Abs. 2 BNotO ab.[11]
Die von der Bundesrechtsanwaltskammer befürchtete Gefährdung der Unabhängigkeit des Rechtsanwaltsberufs durch die Erweiterung der sozietätsfähigen Berufe gilt erst recht bei (Anwalts-)Notaren als Trägern eines öffentlichen Amtes. Die Wahrung der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Notaramtes liegt im Interesse einer geordneten Rechtspflege und dient dem Allgemeinwohl.[12] Dies ist ein legitimer Zweck, der aus verfassungsrechtlicher Sicht dem Grunde nach Berufsausübungsregelungen wie die eines Sozietätsverbots zu rechtfertigen vermag.[13] Die Umsetzung der Überlegungen in Nummer 10 der Eckpunkte würde zu einer noch weitgehenderen Vertiefung der Gefährdung dieser Gemeinwohlbelange führen.
2. Gefährdung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notaramtes
Zwar darf das Notaramt selbst nicht rechtlich in die Anwaltssozietät eingebunden werden (dazu siehe bereits oben I. 2.). Hieran soll auch laut Nummer 10 Satz 3 der Eckpunkte festgehalten werden. Der Anwaltsnotar darf damit auch künftig eine Sozietät nur bezogen auf seine anwaltliche Berufsausübung eingehen (§ 59a Abs. 1 Satz 3 BRAO).[14] Damit wird aber nur eine rechtliche Einbindung des Notaramtes in eine Sozietät vermieden.
Allerdings ist ein Anwaltsnotar tatsächlich aus Sicht des Rechtsverkehrs und insbesondere aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers selbstverständlich in eine Sozietät eingebunden. Rechtsverkehr und Durchschnittsverbraucher kennen bereits nicht die feinsinnige Unterscheidung zwischen den beiden Berufen des Anwaltsnotars (dazu siehe oben unter I. 2.), erst recht wird nicht zwischen dem Anwaltsnotar und der Sozietät differenziert, wenn diese einen größeren Umfang hat. Maßgebend für die Frage, ob eine Gefährdung der Gemeinwohlbelange durch die Regelungen zur Sozietätsfähigkeit gegeben ist, ist daher die Sozietät, die der Anwaltsnotar – rechtlich nur in seiner Eigenschaft als Anwalt – eingeht.
Vor diesem Hintergrund tritt der Notar einer größeren Sozietät der Wirtschaft und dem Verbraucher gegenüber nicht als Notar in Erscheinung, sondern als Teil ebenjener Sozietät. Dies gilt umso mehr, je größer und beruflich differenzierter die Sozietät ist. Bereits heute präsentieren sich viele Kanzleien im Gebiet des Anwaltsnotariats am Markt als „Full-Service-Kanzleien“, die Anwälte, Notare, Steuerberater und teilweise auch Wirtschaftsprüfer unter einem Dach vereinen. Das gilt von sog. Großkanzleien über mittelgroße bis hin zu kleineren Einheiten. Dabei ist teilweise zu beobachten, dass insbesondere Notare in Großkanzleien nicht das gesamte Spektrum der notariellen Tätigkeit abdecken, sondern faktisch insbesondere kleinere Angelegenheiten der vorsorgenden Rechtspflege nicht besorgen; Durchschnittsverbraucher trauen sich häufig schlicht nicht in die entsprechenden Hochglanzbüros internationaler Kanzleien, um dort „nur“ ihre Vorsorgevollmacht beurkunden oder ihre Vereinsregisteranmeldung beglaubigen zu lassen, auch weil sie – rechtlich natürlich zu Unrecht – hohe Kosten befürchten. Mitunter dürfte in erster Linie – in den Grenzen des § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurkG – das beurkundet werden, was die Anwälte der eigenen Sozietät vorbereitet haben, und das, was die Anwälte der benachbarten Kanzlei vorbereitet haben, deren Notar die Anwälte der eigenen Kanzlei dann beim nächsten Deal einen Gegenbesuch abstatten. Die soziale Komponente des Notaramtes ist hier kaum noch erkennbar.
Das Notaramt erscheint dabei nur noch als eine Komponente eines interdisziplinären Angebots, mit dem die Kanzlei am Markt auftritt. Diese Einbindung kann auf die Amtsführung durchschlagen. Der Notar ist als Teilkomponente eines Angebotspakets nicht mehr hinreichend unabhängig, sondern auf seine übrigen Sozien angewiesen. Zumindest wird ein solcherart eingebundener Notar gegebenenfalls auch über Gebühr Rücksicht auf seine Sozien nehmen, nicht zuletzt, weil nach üblichen Abreden der Gewinn der gesamten Kanzlei unter allen Partnern – also eben auch den Notaren – verteilt wird (näher hierzu siehe unten unter III. 2. c)). Es besteht damit die Gefahr, dass er sein Amt nicht mehr mit der gebotenen Unabhängigkeit ausüben kann. Darüber hinaus wird angesichts des beschriebenen Marketings eine Gefahr der Kommerzialisierung eines öffentlichen Amtes deutlich.
Mit einer Erweiterung der sozietätsfähigen Berufe des Anwaltsnotars würde diese Gefährdung noch viel weiter vertieft, insbesondere, wenn lediglich eine Generalklausel geschaffen werden sollte, mit der alle „vereinbaren“ Berufe sozietätsfähig wären.
Beispiel 1:
Anwaltsnotar Dr. A bildet gemeinsam mit Grundstücksmakler G eine Sozietät. Die Sozietät bietet als Teil eines „Rundum-Service-Pakets“ die Vermittlung von Grundstücken sowie die Beurkundung der entsprechenden Verträge an.
Beispiel 2:
Anwaltsnotar Dr. A bildet gemeinsam mit Finanzberater F eine Sozietät. F berät Verbraucher V zur Finanzierung eines Grundstückskaufs. Als Teil des Service-Pakets der Sozietät wird angeboten, die Grundstückskaufverträge und Finanzierungsgrundschulden direkt von A beurkunden zu lassen.
Beispiel 3:
Anwaltsnotar Dr. A und Finanzberater F sind in einer Sozietät verbunden. F empfiehlt dem Verbraucher V ein Produkt am grauen Kapitalmarkt. Dazu müsse V nur einen Beitrittsvertrag zu einer Kommanditgesellschaft mit einer Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung beurkunden lassen sowie eine entsprechende Handelsregistervollmacht unterschreiben. Praktischerweise biete die Sozietät das alles „aus einer Hand“ an, V müsse nur „zu Dr. A rüber gehen“.
Beispiel 4:
Dr. A ist Mitgesellschafter und Geschäftsführer der Landlord Service GmbH, die – u.a. rechtliche – Serviceleistungen für die Landlord GmbH erbringt, die einen großen Wohnungsbestand vermietet und an der die Mitgesellschafter von Dr. A beteiligt sind. Dr. A ist zudem als Anwaltsnotar bestellt. Die Landlord GmbH verlangt, dass Mieter vor Unterschrift eines Mietvertrags über eine Wohnung eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung abgeben, die von Dr. A beurkundet werden können.
In den beschriebenen Fällen liegen die Gefahren für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars, für den Rechtsverkehr im Allgemeinen und für den Verbraucherschutz im Besonderen klar auf der Hand. Man wäre in der Brave New World des deregulierten Berufsrechts angekommen. Nur auf den ersten Blick mag man einwenden, die in den Beispielen genannten Berufe seien nicht „vereinbar“, weil ein Rechtsanwalt diese Tätigkeiten gemäß §§ 7 Nr. 8, 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO nicht ausüben dürfte. Allerdings würde bei einer entsprechenden Generalklausel zunächst eine Unsicherheit bestehen, ob die konkrete Gestaltung nicht doch erlaubt wäre. Auch wäre zumindest der Finanzberater nach dem Vorschlag des Deutschen Anwaltvereins ein mit dem Anwaltsberuf vereinbarer Beruf, wenn er „beratender Volks- oder Betriebswirt“ ist.[15] Schließlich ist nicht abzusehen, welche weitere rechtliche Entwicklung das anwaltliche Berufsrecht nehmen wird, insbesondere unter Berücksichtigung der liberalen Tendenz der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG. Hieraus könnte auch eine einschränkende Interpretation der §§ 7 Nr. 8, 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO geboten sein, mit der Folge, dass die Frage der Vereinbarkeit möglicherweise sehr großzügig gehandhabt werden müsste, was durch eine entsprechende Generalklausel auf die Sozietätsfähigkeit durchschlagen würde.
Darüber hinaus besteht die reelle Gefahr, dass durch solche Entwicklungen das hohe Vertrauen der Bevölkerung in die notarielle Unabhängigkeit im Besonderen und in die vorsorgende Rechtspflege im Allgemeinen irreparabel geschädigt wird. Die Erweiterung der sozietätsfähigen Berufe bei Anwaltsnotaren würde damit dem Notaramt und der vorsorgenden Rechtspflege insgesamt einen Bärendienst erweisen. Eine solche Entwicklung sollte unter allen Umständen vermieden werden. Die Ausübung des Notaramtes neben der Rechtsanwaltstätigkeit ist eine historisch zu erklärende Besonderheit, die nicht dazu führen darf, dass die Institution eines unabhängigen und unparteilichen Notariats in Deutschland insgesamt Schaden nimmt.
3. Einheitlicher Beruf des Notars einerseits und immer weitgehenderes Auseinanderfallen des Berufsrechts andererseits
Schließlich würde eine Erweiterung der sozietätsfähigen Berufe für Anwaltsnotare dazu führen, dass das Berufsrechts für Anwaltsnotare und Nur-Notare noch weiter auseinanderfallen und sich die Tätigkeit als Anwaltsnotar dahin entwickelt, dass zumindest einige Anwaltsnotare in eine gewerbliche Tätigkeit eingebunden werden.
Der Beruf des Notars als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes für die Beurkundung von Rechtsvorgängen und andere Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege (§ 1 BNotO) ist einheitlich. Nur-Notare und Anwaltsnotare üben insoweit denselben Beruf aus, nehmen dieselben Aufgaben wahr und haben dieselben Kompetenzen. Das Nur-Notariat ist insofern das gesetzliche Regelmodell (§ 3 Abs. 1 BNotO), nur in den Gerichtsbezirken, in denen am 1.4.1961 das Amt des Notars nur im Nebenberuf ausgeübt worden ist, werden weiterhin ausschließlich Rechtsanwälte als Notare zugelassen (§ 3 Abs. 2 BNotO).
Das Berufsrecht der Anwaltsnotare einerseits und der Nur-Notare andererseits entwickelt sich aber in bedenklicher Weise auseinander, das gilt umso mehr für die dadurch bedingte Lebenswirklichkeit. Wie oben dargestellt unterscheiden sich die berufsrechtlichen Regelungen zur gemeinsamen Berufsausübung bereits jetzt erheblich. Würde § 9 Abs. 2 BNotO wie angedacht erweitert, würden das Berufsrecht der Anwaltsnotare und Nur-Notare noch weiter auseinanderdriften. Damit würde dieselbe Tätigkeit unter völlig verschiedenen Rahmenbedingungen ausgeübt werden. Eine solche Entwicklung ist aus unserer Sicht nicht im Interesse der Rechtspflege.
4. Nach derzeitiger Rechtslage keine gleich geeigneten milderen Mittel verfügbar
Zwar wäre es theoretisch denkbar, auf andere gesetzgeberische Maßnahmen als mildere Mittel zu Sozietätsverboten auszuweichen, wenn mit diesen Maßnahmen das gesetzgeberische Ziel, die Wahrung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notaramtes, ebenfalls erreicht werden könnte. Alle denkbaren milderen Mittel wären indes nicht in gleicher Weise geeignet, sondern würden in einem eklatant niedrigeren Schutzniveau münden.
a) Allgemeine Grenzen des § 9 Abs. 3 BNotO sind nicht ausreichend
Zunächst begrüßen wir, dass Nummer 10 Satz 2 der Eckpunkte bekräftigt, dass die Zusammenarbeit des Anwaltsnotars mit Angehörigen anderer Berufe in jedem Fall mit der Stellung als Trägerin oder Träger eines öffentlichen Amtes vereinbar sein muss. Sofern damit indes lediglich die allgemeine Grenze des § 9 Abs. 3 BNotO gemeint ist, reicht diese nicht aus, um die vorstehend beschriebenen Gefahren für Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notaramtes in gleicher Weise wie ein Sozietätsverbot zu bannen.
Denn bei Anwaltsnotaren greift anders als bei Nur-Notaren nur eine Ex-post-Kontrolle (zur Möglichkeit der Einführung einer präventiven Kontrolle bei Anwaltsnotaren siehe unten unter III. 2. a)), die erst durch die Anzeigepflicht nach § 27 BNotO ermöglicht wird. In der Folge können die Aufsichtsbehörden die gesetzlich vorgesehenen disziplinarrechtlichen Maßnahmen ergreifen. Adressat dieser Maßnahmen kann aber stets nur der Anwaltsnotar selbst sein, nicht seine nicht notariellen Sozien. Die Effektivität der Maßnahmen wird deshalb entscheidend beeinträchtigt. Das gilt umso mehr, je weiter der Kreis der sozietätsfähigen Berufe für Anwaltsnotare gezogen wird. Soweit etwa eine Sozietät mit einem Berufsangehörigen gebildet wird, der keiner berufsrechtlichen Aufsicht unterliegt, liefen viele Maßnahmen effektiv weitgehend ins Leere.
b) Mitwirkungsverbote nach § 3 BeurkG sind ebenfalls nicht ausreichend
Auch die geltenden Mitwirkungsverbote sind nicht ausreichend, um die beschriebenen Gefahren zu bannen. So wäre in den oben beschriebenen Beispielsfällen eine Mitwirkung des Notars in keinem Fall ausgeschlossen. Als Mitwirkungsverbot käme allenfalls das Vorbefassungsverbot nach § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurkG in Betracht. Allerdings erlaubt diese Vorschrift eine Beurkundung, wenn die Tätigkeit des Sozius‘ des Notars im Auftrag aller Personen ausgeübt wurde, die an der Beurkundung beteiligt sein sollen (§ 3 Abs. 1 Nr. 7, letzter Halbsatz BeurkG). Ein entsprechender Fall läge in allen oben unter 2. genannten Beispielsfällen vor.
III. Regulierungsmöglichkeiten des Gesetzgebers
1. Gemeinsame Berufsausübung nur mit Anwaltsnotaren
Wie oben unter 2. b) bereits beschrieben, bestehen die Gefahren für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notaramtes bereits bei den bisherigen Möglichkeiten zur interprofessionellen Zusammenarbeit von Anwaltsnotaren. Eine Möglichkeit wäre daher, die Sozietätsverbote entsprechend den Regelungen bei den Nur-Notaren auszugestalten. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber nicht daran gehindert wäre, Anwaltsnotaren die Sozietät mit Angehörigen anderer Berufe – sogar mit dem des Rechtsanwalts – vollständig zu verbieten.[16] Das hat die damalige Richterin am Bundesverfassungsgericht Jaeger seinerzeit auch noch einmal bestätigt.[17] Dementsprechend könnte der Gesetzgeber die Vorschrift des § 9 Abs. 2 BNotO entsprechend der Regelung für Nur-Notare ausgestalten, bei denen das Verbot der interprofessionellen Sozietät das Vertrauen in eine unabhängige und unparteiliche Amtsführung schützt (siehe oben I. 1.). Der Deutsche Notarverein hat sich bereits zum Dritten Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung (BGBl. I 1998, 2585), mit dem § 9 Abs. 2 BNotO in der heutigen Fassung eingeführt wurde, gegen die Erweiterungen der sozietätsfähigen Berufe für Anwaltsnotare gewendet und ist seinerzeit dafür eingetreten, jegliche gemeinsame Berufsausübung des Anwaltsnotars mit Trägern anderer Berufe als Rechtsanwälten oder Anwaltsnotaren zu untersagen. Mit einem solchen Schritt könnte das Berufsbild des Anwaltsnotars wieder eindeutiger konturiert werden, auch und gerade in Abgrenzung zu Nur-Rechtsanwälten, sofern bei diesen eine weitergehendere Liberalisierung angestrebt wird. Dabei müssten bei einem solchen Sozietätsverbot, das über den bisherigen Umfang hinausgeht, selbstverständlich Übergangsregelungen für die derzeit bestehenden Sozietäten von Anwaltsnotaren getroffen werden.
2. Gemeinsame Berufsausübung auch mit anderen Berufen
Entscheidet sich der Gesetzgeber dem Grunde nach Sozietäten von Anwaltsnotaren mit anderen Berufen zuzulassen, muss dies nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gleichheitsgerecht erfolgen.[18] Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht in den Entscheidungen zum Nur-Steuerberater[19] und Wirtschaftsprüfer[20] Kriterien aufgestellt. Ob hiernach noch weitere Berufe zuzulassen wären oder nicht, ist aus unserer Sicht unklar und kann im Ergebnis auch dahinstehen, da es kein praktisches Bedürfnis für eine Erweiterung bei Anwaltsnotaren gibt (siehe oben unter II. 1.). Bevor der Gesetzgeber sich hier auf regulatorisches Glatteis begibt und die beschriebenen Gefahren für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notaramtes heraufbeschwört, sollte von einer entsprechenden vorauseilenden Erweiterung ohne nachweisbares praktisches Bedürfnis abgesehen werden.
Wenn der Gesetzgeber die Sozietätsregelungen nicht zurückschneidet, jedenfalls aber dann, wenn er die Erweiterung der Sozietätsmöglichkeiten in Erwägung zieht, müssen sonstige Möglichkeiten der Regulierung ergriffen werden, um die beschriebenen Gefahren soweit wie möglich zu reduzieren.
a) Präventive Kontrolle auch bei Anwaltsnotaren entsprechend § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNotO
Mit den weitgehenden Sozietätsmöglichkeiten der Anwaltsnotare – erst recht, wenn diese noch erweitert werden sollen – geht eine Gefährdung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sowie die Gefahr einer Kommerzialisierung des Notaramtes einher. Anders als bei Nur-Notaren ist die Aufsicht auf repressive Maßnahmen beschränkt. Eine mögliche Lösung wäre die Ausdehnung der Verordnungsermächtigung des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNotO, mit der die Landesregierungen auch bei Anwaltsnotaren die Möglichkeit erhielten, entsprechende präventive Kontrollen einzuführen.
b) Bestimmungen der Voraussetzungen der gemeinsamen Berufsausübung entsprechend § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BNotO
Folgerichtig könnte auch eine Verordnungsermächtigung entsprechend § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BNotO geschaffen werden, mit der die Landesregierungen in die Lage versetzt würden, die Voraussetzungen der gemeinsamen Berufsausübung zu bestimmen (zur entsprechenden Rechtslage bei Nur-Notaren siehe oben unter I. 1.).
c) Anwendbarkeit des Gebührenteilungsverbots nach § 17 Abs. 1 Satz 3 BNotO auch bei Sozietätsverträgen mit nicht-notariellen Berufen
Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 BNotO ist jede Beteiligung Dritter an den Gebühren unzulässig (sog. Gebührenteilungsverbot). Das OLG Celle hatte im Jahr 2007 entschieden, dass eine von Anwaltsnotaren mit den Rechtsanwälten ihrer Partnerschaft vereinbarte Regelung, wonach die Gebühren aus ihrer Notartätigkeit pauschal und in vollem Umfang der Partnerschaft (und damit auch den verbundenen Rechtsanwälten) zufließen, gegen dieses Gebührenteilungsverbot verstößt.[21] Zwar hat das OLG Celle diese Auffassung im Jahr 2009 revidiert und einen Verstoß durch eine entsprechende gesellschaftsvertragliche Vereinbarung verneint.[22] Allerdings ist zu konstatieren, dass mit der Teilung der Gebühren Gefährdungen in zwei Richtungen geschaffen werden: Zum einen partizipieren im Ergebnis Private an öffentlichen Gebühreneinnahmen, sodass das Gebührenteilungsverbot zumindest betroffen ist.[23] Zum anderen hat der Anwaltsnotar finanzielle Vorteile, wenn der Gewinn der Sozietät durch nicht-notarielle Einnahmen erhöht wird, wodurch potenziell die Unabhängigkeit des Notars beeinträchtigt wird. Damit besteht auch das Risiko einer Kommerzialisierung des Notaramtes, dem im Nur-Notariat durch die Richtlinien der Notarkammern wirksam entgegengewirkt wird. Denn über Sozietätsverträge können vielfältige finanzielle Abreden mit den nicht-notariellen Sozien getroffen werden, mit denen das Notaramt letztlich kommerzialisiert werden kann.
Der Gesetzgeber sollte das Gebührenteilungsverbot daher effektiver ausgestalten und auch entsprechende Vereinbarungen in Gesellschaftsverträgen grundsätzlich als unzulässig qualifizieren; eine angemessene Beteiligung des Anwaltsnotars an den Kosten der Sozietät kann auch auf anderem Wege geregelt werden.[24] Der Anwaltsnotar wäre insofern allein mit seinem Notarberuf betroffen, denn entsprechende Regelungen dürften selbstverständlich nur für den Gewinn aus der notariellen Tätigkeit gelten. Wie der anwaltliche Sozietätsvertrag bezogen auf den Gewinn aus der anwaltlichen Tätigkeit ausgestaltet wird, ist allein Sache des anwaltlichen Berufsrechts.
d) Mandantenbezogenes Mitwirkungsverbot
Unter II. 4. b) wurde bereits beschrieben, dass die bisherigen Mitwirkungsverbote nicht ausreichen, um den Gefahren für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit adäquat zu begegnen, insbesondere setzt das Vorbefassungsverbot des § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurkG keine ausreichenden Schranken. Abhilfe würde hier ein mandantenbezogenes Mitwirkungsverbot schaffen, bei dem der Notar an einer Mitwirkung gehindert ist, wenn ein nicht-notarieller Sozius bereits für den Beteiligten tätig war oder ist. Damit dürfte der Notar in keinem der unter II. 2. genannten Beispielsfällen ein Rechtsgeschäft beurkunden. Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit würden damit deutlich gestärkt.
IV. Mit dem Notaramt vereinbare und nicht vereinbare Anwaltssozietäten
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bereits gegen die Erweiterung der anwaltlichen Sozietätsmöglichkeiten durchgreifende Bedenken bestehen, die auch von Anwaltsseite selbst vorgebracht werden. Diese Bedenken bestehen erst recht und in viel größerem Ausmaß für die Sozietätsmöglichkeiten von Anwaltsnotaren. Derartige Sozietätsmöglichkeiten würden sowohl aus der Sicht der rechtsuchenden Bevölkerung als auch aus der Binnensicht und des Rollenverständnisses der Berufsträger
- das (bisher) einheitliche Berufsbild von Nur-Notar und Anwaltsnotar stark gefährden,
- die Unabhängigkeit des (Anwalt-)Notars beeinträchtigen und
- das Bild des Notars als Träger eines öffentlichen Amtes als Bestandteil von „Full-Service-Kanzleien“ nahezu unsichtbar werden lassen.
Sollte sich der Gesetzgeber entscheiden, lediglich die anwaltlichen Sozietätsmöglichkeiten zu erweitern und gleichzeitig § 9 Abs. 2 BNotO unangetastet lassen, wäre in der Gesetzesbegründung unbedingt klarzustellen, dass es dann zukünftig zwei verschiedene Arten von Anwaltskanzleien gibt, nämlich solche, die mit dem Notaramt vereinbar sind und solche, die das nicht sind. Anwältinnen und Anwälte, die das Notaramt anstreben oder bereits Notare sind, müssten dann bei der Gründung einer Sozietät und/oder dem Beitritt zu einer Sozietät im Sozietätsvertrag klarstellen lassen, dass mit dem Notaramt nicht vereinbare Berufsträger nicht aufgenommen werden dürfen.
Fußnoten:
[1] BVerfG v. 12.1.2016, – 1 BvL 6/13, NJW 2016, 700; s. a. BGH v. 12.4.2016 – II ZB 7/11, NJW 2016, 2263.
[2] Die gleichen Regelungen gelten für das Innehaben von gemeinsamen Geschäftsräumen. Lediglich aus Gründen der einfacheren sprachlichen Darstellung wird im Folgenden nur die Verbindung zur gemeinsamen Berufsausübung oder die Sozietät genannt, für die gemeinsamen Geschäftsräume gelten die Ausführungen entsprechend.
[3] Eylmann/Vaasen/Baumann, BNotO, § 9 Rn. 25.
[4] Würzburger Notarhandbuch/Bischoff, Teil 1 Kap 1 Rn. 54.
[5] Eylmann/Vaasen/Baumann, BNotO, § 9 Rn. 2; Beck’sches Notarhandbuch/Starke, Teil L Rn. 35.
[6] Schippel/Bracker/Görk, BNotO, § 9 Rn. 2; Würzburger Notarhandbuch/Bischoff, Teil 1 Kap 1 Rn. 54
[7] Schippel/Bracker/Görk, BNotO, § 9 Rn. 5.
[8] Vgl. Schippel/Bracker/Görk, BNotO, § 9 Rn. 14a.
[9] Näher Schippel/Bracker/Görk, BNotO, § 9 Rn. 14a.
[10] Würzburger Notarhandbuch/Bischoff, Teil 1 Kap 1 Rn. 55.
[11] Stellungnahme des DAV Nr. 37/2019.
[12] BVerfG v. 4.7.1989 – 1 BvR 1460/85, DNotZ 1989, 627.
[13] BVerfG v. 8.4.1998 – 1 BvR 1773/96, DNotZ 1998, 754; BVerfG v. 4.7.1989 – 1 BvR 1460/85, DNotZ 1989, 627.
[14] Schippel/Bracker/Görk, BNotO, § 9 Rn. 9.
[15] Vgl. § 59b Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) des Vorschlags (Stellungnahme des DAV Nr. 8/2019, abrufbar unter https://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-8-19-dav-vorschlag-zur-grossen-brao-reform).
[16] BVerfG v. 4.7.1989 – 1 BvR 1460/85, DNotZ 1989, 627, 632.
[17] Jaeger, ZNotP 2003, 402, 407.
[18] BVerfG v. 4.7.1989 – 1 BvR 1460/85, DNotZ 1989, 627; BVerfG v. 8.4.1998 – 1 BvR 1773/96, DNotZ 1998, 754.
[19] BVerfG v. 4.7.1989 – 1 BvR 1460/85, DNotZ 1989, 627.
[20] BVerfG v. 8.4.1998 – 1 BvR 1773/96, DNotZ 1998, 754.
[21] OLG Celle v. 30.5.2007 – Not 5/07, NJW 2007, 2929.
[22] OLG Celle v. 9.12.2009 – NotZ 12/09, DNotI-Report 2010, 27.
[23] Eylmann/Vaasen/Baumann, BNotO, § 9 Rn. 31.
[24] Eylmann/Vaasen/Baumann, BNotO, § 9 Rn. 31.