Stellungnahme vom 01.06.2006
Der Deutsche Notarverein dankt für die Zusendung des Entwurfs eines Zweiten Justizmodernisierungsgesetzes und für die Gelegenheit zur Stellungnahme. Wir möchten jedoch anregen, in Zukunft Stellungnahmefristen nach Möglichkeit etwas großzügiger zu bemessen. Die zahlenmäßigen und inhaltlichen Schwerpunkte des Vorhabens betreffen Rechtsgebiete, mit denen der hauptberufliche Notar selten in Berührung kommt, namentlich aus dem Bereich des Zivil- und Strafprozessrechts. Der Deutsche Notarverein möchte daher die Stellungnahme auf die in der notariellen Praxis bedeutsamen Aspekte des Entwurfs beschränken. Dies sind
– die Regelungen zum unbaren Zahlungsverkehr mit Gerichten und Justizbehörden,
– die Regelungen zur Aufhebung der Gebührenfreiheit einiger bislang privilegierter Verfahrensarten und
– die Änderung des § 78a Abs. 2 Satz 1 BNotO.
1. Regelungen zum unbaren Zahlungsverkehr mit Gerichten und Justizbehörden
Der Deutsche Notarverein begrüßt das Anliegen, den baren Zahlungsverkehr mit Gerichten und Justizbehörden sowohl der Länder als auch des Bundes einzuschränken und mit § 40 Abs. 1, 2 EGGVG-E die erforderlichen Ermächtigungsgrundlagen für Verordnungen zu schaffen, in denen Näheres zur Art und Weise der unbaren Zahlung und ihres Nachweises geregelt werden soll.
Für den Notar erlangt die Frage, wie Zahlungen an Gerichte und Justizbehörden geleistet und nachgewiesen werden können, beim Handelsregister besondere Bedeutung. Hintergrund ist der, dass häufig große Eile im konkreten Fall geboten ist, etwa aus steuerlichen Gründen oder weil im Rahmen umfangreicherer Transaktionen der registermäßige Vollzug des einen Schritts Voraussetzung für den nächsten sein kann. Auch dort, wo der konkrete Fall keine Eile gebietet, ist ein möglichst rascher Vollzug aus rechts- und standortpolitischen Erwägungen erstrebenswert. Denn spätestens seit die Rechtsprechung des EuGH den „Wettbewerb der Rechtsordnungen“ ermöglicht hat, muss sich etwa die deutsche GmbH insbesondere mit der englischen private limited company by shares messen lassen. Hierbei wird die durchschnittliche Gründungsdauer immer wieder medienwirksam verglichen und als Qualitätsmerkmal des Rechtsstandorts dargestellt.
In diese Richtung zielt auch das Gesetz über das elektronische Handelsregister- und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG), das ab 1. Januar 2007 die elektronische Handelsregisteranmeldung vorschreiben wird (§ 12 HGB-E). Die Notare und ihre Verbände haben erhebliche Investitionen getätigt, um den umfangreichen technischen Herausforderungen gerecht zu werden und dadurch ihren Beitrag zur Beschleunigung des Verfahrens zu leisten. Auch das vor wenigen Tagen angekündigte Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) zielt in diese Richtung. Der Wegfall der Vorlage etwa erforderlicher gewerberechtlicher Genehmigungen als Voraussetzung für die Eintragung im Handelsregister soll weitere Verfahrensbeschleunigung bewirken. Diese uneingeschränkt zu begrüßenden und vom Deutschen Notarverein seit jeher unterstützten Entwicklungen wären unvollständig, wenn der von § 8 Abs. 2 Satz 1 KostO geforderte Kostenvorschuss als Nadelöhr bestehen bliebe.
Da der vorgelegte Gesetzentwurf bislang nur die Ermächtigungsgrundlage für die noch zu schaffenden Verordnungen enthält, wäre es verfrüht, zu den Details der technischen Abwicklung Stellung zu nehmen. Das Ziel muss dabei aber sein, dass sämtliche für den Kostenvorschuss nötigen Daten mit der Handelsregisteranmeldung vom Notar elektronisch übermittelt werden. Das Ziel, die Laufzeit der Briefpost aus dem Verfahren zu eliminieren und dem Unternehmensgründer einen „one stop shop“ zu bieten, kann anders nicht erreicht werden.
§ 8 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 KostO in der Fassung des EHUG sieht hierzu die Kostenhaftungsübernahme des Notars als eine Möglichkeit vor. Dies wird in vielen Fällen ein geeignetes Mittel sein. Bei noch unbekannten Mandanten und solchen mit bekanntermaßen schlechter Zahlungsfähigkeit oder -willigkeit ist es dem Notar jedoch nicht zumutbar, das Ausfallrisiko zu tragen. Es sollte deshalb eine Möglichkeit geschaffen werden, mit der elektronischen Handelsregisteranmeldung diejenigen Daten zu übertragen, die für eine unbare Vorschussleistung durch den Anmelder selbst erforderlich sind. Hierzu bieten sich unterschiedliche für den elektronischen Rechtsverkehr entwickelte e-payment-Systeme an. Da diese Systeme aber jedenfalls gegenwärtig noch nicht so weit verbreitet sind, dass ein Account bei einem dieser Systeme als Selbstverständlichkeit angesehen werden kann, sollte die Möglichkeit der Kreditkartenzahlung nicht von vornherein aus den Überlegungen ausgeschlossen werden. Wegen der hierbei einbehaltenen Provision kommt nicht der vollständige Betrag beim Zahlungsempfänger an; der Vorschuss wäre nur zu beispielsweise 98,5 % geleistet. Es sollte aus Sicht des Deutschen Notarvereins dennoch zumindest diskutiert werden, dies hinzunehmen, und zwar nicht nur als Vorschuss, sondern als endgültige Erfüllung. Denn wenn das deutsche Handelsregister den Wettbewerb der Rechtsordnungen nicht scheuen möchte, sollte der Verordnungsgeber im Blick haben, dass das britische Companies House Kreditkartenzahlung akzeptiert.
2. Aufhebung des Gebührenprivilegs diverser Verfahrensarten
Jedem Gebührenprivileg liegt ein rechtspolitisches Motiv zugrunde. Da der Verzicht auf Gerichtsgebühren anders betrachtet zur Folge hat, dass eine bestimmte Verfahrensart aus Steuermitteln subventioniert wird, ist es schon aus diesem Grund geboten, bestehende Gebührenprivilegien in regelmäßigen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob die zugrundeliegenden Motive auch heute noch tragfähig sind. Der Entwurf sieht vor, dass in diversen berufsgerichtlichen Verfahren bestehende Gebührenprivilegien aufgehoben werden sollen. Der Deutsche Notarverein möchte sich zu den Kosten der berufsgerichtlichen Verfahren anderer Berufe nicht äußern.
Jedoch möchte der Deutsche Notarverein die vorgesehene Aufhebung diverser Gebührenprivilegien zum Anlass nehmen, die Prüfung eines weiteren, vom vorgelegten Entwurf bislang nicht betroffenen Privilegs anzuregen. Dabei handelt es sich um die Kostenbeschwerde nach § 156 KostO. Diese ist gemäße Abs. 5 Satz 1 im landgerichtlichen Verfahren gebührenfrei. Erst im Falle einer weiteren Beschwerde besteht die Möglichkeit, dem erfolglosen Beschwerdeführer gemäß §§ 156 Abs. 5 Satz 2, 131 Abs. 1 KostO Gebühren aufzuerlegen. Daran ändert auch der vom Entwurf vorgesehene neue § 1 Satz 2 KostO-E nichts, wonach künftig für Verfahren über eine Beschwerde, die mit einem der in § 1 Satz 1 KostO genannten Verfahren in Zusammenhang steht, Kosten „nach diesem Gesetz“ erhoben werden. Denn zu „diesem Gesetz“ zählt unzweifelhaft auch § 156 Abs. 5 Satz 1 KostO, der ausdrücklich die Gebührenfreiheit des landgerichtlichen Kostenbeschwerdeverfahrens vorsieht.
Die Kostenbeschwerde nach § 156 KostO ist in der Rechtswirklichkeit zwar kein Massenphänomen. Dies liegt in erster Linie daran, dass bei Beanstandungen einer Kostennote regelmäßig außergerichtliche Nachprüfungen stattfinden, zumeist unter Einschaltung der Notarkassen oder -kammern. Begründeten Beschwerden wird daher im Regelfall abgeholfen, bevor sie das gerichtliche Stadium erreichen. Jedoch spielt die Kostenbeschwerde nach § 156 KostO auch kein völliges Schattendasein. Um ein Bild von der Größenordnung zu vermitteln, seien exemplarisch die Erfahrungen der Ländernotarkasse genannt. Diese wird in allen Kostenbeschwerden gegen einen der rund 500 Notare der neuen Bundesländer angehört. In den vergangenen Jahren schwankte die Zahl dieser Anhörungen zwischen ca. 70 und ca. 150 pro Jahr. Die Beschwerden haben in der großen Mehrzahl keinen Erfolg, binden aber nicht nur bei den Stellung nehmenden Notarkassen personelle Ressourcen, sondern auch bei dem betroffenen Notar und vor allem bei Gericht, das sich in eine sehr spezielle Rechtsmaterie einarbeiten muss, nämlich in das materielle Notarkostenrecht.
Vielfach geht es in diesen Verfahren um Bagatellwerte, die in keinem Verhältnis zum Aufwand stehen. Die Aussicht, auch im Falle offensichtlich unbegründeter Beschwerden keine Gerichtsgebühren bezahlen zu müssen und trotz landgerichtlicher Zuständigkeit keinem Anwaltszwang zu unterliegen, mag von manchen Beschwerdeführern als Einladung aufgefasst werden. Die Gebühren, die sich in diesen Verfahren im Falle der Anwendung des § 131 Abs. 1 KostO im landgerichtlichen Verfahren ergäben, dürften regelmäßig so gering ausfallen, dass sie für den ernsthaft Rechtsschutzsuchenden nicht prohibitv wirken, sie andererseits aber durch die bloße Existenz die Anziehungskraft des Unentgeltlichen vermeiden.
Der Deutsche Notarverein möchte daher anregen, im Rahmen des laufenden Gesetzgebungsverfahrens auch die Kostenbeschwerde nach § 156 KostO zu prüfen. Der rein quantitative Effekt für die Entlastung der Justiz dürfte jedenfalls größer sein als die Aufhebung bestimmter Gebührenprivilegien in einzelnen berufsgerichtlichen Verfahren.
3. Änderung des § 78a Abs. 2 Satz 1 BNotO
Die Neufassung des § 78a Abs. 2 Satz 1 BNotO sieht vor, dass künftig außer dem Vormundschaftsgericht auch dem Landgericht als Beschwerdeinstanz das Recht zustehen soll, Auskünfte aus dem Zentralen Vorsorgeregister einzuholen. Zwar wird die Vorschrift des § 78a Abs. 2 Satz 1 BNotO bereits de lege lata zu Recht in diesem Sinne ausgelegt, denn das Landgericht als Beschwerdegericht ist eine zweite Tatsacheninstanz und hat daher grundsätzlich über gleichlaufende Erkenntnismittel zu verfügen. Eine sprachliche Klarstellung dieser Frage ist aber vor dem Hintergrund des etwas eng geratenen Wortlauts der Norm aus Sicht des Deutschen Notarvereins zu begrüßen.
Für Rückfragen oder weitere Erörterung steht Ihnen der Deutsche Notarverein jederzeit gerne zur Verfügung.