Stellungnahme vom 31.08.2010
Der Deutsche Notarverein begrüßt, dass in dem o. g. Gesetzentwurf der Bundesregierung eine einfache, knappe und in der Praxis leicht anwendbare Lösung gefunden wurde, um die Entscheidung des EGMR vom 28. Mai 2009 im deutschen Erbrecht umzusetzen. Wir bedanken uns insoweit auch, dass die Bedenken der Verbände gegenüber der im ursprünglichen Referentenentwurf (Aktenzeichen: I A 1 – 3480/4-12 1889/2009) vorgesehenen „gesetzlichen Nacherbschaft“ berücksichtigt wurden.
Mit Blick auf den nun vorliegenden Gesetzentwurf möchten wir aber anregen, die Formulierung des neuen Art 12 § 10 Abs. 2 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 (BGBl. I, S. 1243, im Folgenden: NichtehelichenG-RefE) nochmals zu überprüfen, da uns diese nicht zutreffend oder zumindest missverständlich erscheint.
Grundsätzlich soll das gesetzliche Erb- bzw. Pflichtteilsrecht nach dem BGB nur gelten, wenn der Erblasser (meist der Vater des Kindes, in seltenen Fällen aber auch das Kind) nach dem 28. Mai 2009 verstorben ist. Denn erst seit der Entscheidung des EGMR war mit einer Änderung des Gesetzes zu rechnen, was die Rückwirkung der Neuregelung bis zu diesem Tag erlaubt. Ist der Erblasser schon zuvor verstorben, muss, wie die Gesetzesbegründung richtig ausführt, der Vertrauensschutz auf die alte gesetzliche Regelung Vorrang haben.
Nach der Gesetzesbegründung soll daneben durch den neuen Art 12 § 10 Abs. 2 des NichtehelichenG-RefE erreicht werden, dass die alte Regelung (d. h. keine Verwandtschaft zwischen Vater und nichtehelichem Kind und damit kein gesetzliches Erbrecht) bestehen bleibt, wenn alle unmittelbar Beteiligten bereits verstorben sind. Ratio des Gesetzes ist, dass es „keinen Anlass (gibt), in der weiteren Verwandtschaft (z. B. im Verhältnis eines Bruders des Vaters und einem Enkel des nichtehelichen Kindes) eine Neuordnung der erbrechtlichen Beziehungen vorzunehmen“. Auch diesem Ansatz ist zuzustimmen, wobei sich dazu zwei ergänzende Fragen stellen:
– Soll dies wirklich nur gelten, wenn alle Beteiligten verstorben sind, oder auch schon dann wenn der potentielle Erbe vor dem Stichtag verstorben ist (Beispiel: das nichteheliche Kind ist im Jahr 2000 verstorben, der Vater verstirbt im Sommer 2010. Sollen nun die Enkel als weitere Abkömmlinge ein gesetzliches Erbrecht besitzen?)?
– Warum wird hier auch auf die Mutter abgestellt, da sich das Erbrecht des Kindes zu ihr schließlich nicht ändert?
Vor dem Hintergrund dieser zwei in der Gesetzesbegründung ausgeführten Prämissen (keine Änderung des Erbrechts, wenn der Erblasser bereits vor dem vor dem 29. Mai 2009 verstorben ist, und keine Änderung des Erbrechts im Verhältnis zu entfernteren Verwandten) erscheint uns der neuen Art 12 § 10 Abs. 2 des NichtehelichenG-RefE als missverständlich:
Aus dem vorgeschlagenen Wortlaut
„Für die erbrechtlichen Verhältnisse eines vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes bleiben die vor dem 29. Mai 2009 geltenden Vorschriften maßgeblich, wenn sowohl der Vater als auch die Mutter und das Kind vor dem 29. Mai 2009 verstorben sind“
ergibt sich unseres Erachtens der Umkehrschluss, dass die neuen Vorschriften (d. h. das aktuelle BGB) immer dann anwendbar sind, wenn nur einer der drei Beteiligten zum Zeitpunkt des 29. Mai 2009 noch lebt bzw. lebte. Auch wenn der Vater bereits zuvor verstorben ist, das nichteheliche Kind aber noch lebt, würde also diese einschränkende Norm nicht eingreifen und es käme – mit Rückwirkung für die Zeit vor dem 29. Mai 2009 – zur gesetzlichen Erbfolge nach dem BGB. Dies kann nach der Gesetzesbegründung nicht gewollt sein, weil dann die oben genannte erste Prämisse verfehlt würde. Unklar ist uns jedoch, wie das Gesetz anders, d. h. im Sinne der Gesetzesbegründung ausgelegt oder angewendet werden könnte. Wir regen daher eine Neuformulierung dieser Regelung an, mit der die beiden Prämissen klarer zum Ausdruck kommen. Jedenfalls die Worte „die Mutter und“ sollten entfallen.
Für Rückfragen stehen wir natürlich gern zur Verfügung.