Stellungnahme vom 23.01.2015
Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten.
Da typische verbraucherrechtliche Streitigkeiten den Aufgabenbereich des Notars allenfalls am Rande berühren bzw. die Einschaltung des Notars solche Streitigkeiten gerade im Ansatz vermeiden soll, dürfte uns wahrscheinlich die erforderliche Expertise für eine eingehende Analyse des Entwurfs fehlen.
Allerdings konnten wir auf die Erfahrungen der Notarinnen und Notare in den Freistaaten Bayern und Sachsen zurückgreifen. Dort sind Notare für Schlichtungen und Güteverfahren zuständig (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BaySchlG, §§ 55 ff. SächsSchiedsGütStG).
Die praktische Bedeutung dieser (förmlichen) Verfahren ist allerdings gering. Es sich handelt überwiegend um Nachbarschaftsstreitigkeiten bzw. die Verfahren werden eingeleitet, um kostengünstig die Verjährung zu hemmen (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB). Dessen ungeachtet erfolgen „Schlichtungen“ oftmals bereits im Rahmen der Beratungsgespräche ohne ein förmliches Verfahren.
Zum Gesetzentwurf, den wir insgesamt für praxistauglich und gelungen halten, dürfen wir Folgendes anmerken:
1. Art. 1 – § 4 VSBG
Eine vom BMJV entworfene Musterverfahrensordnung für Verbraucherschlichtungsstellen könnte für alle Beteiligten hilfreich sein. Ein bundeseinheitliches Schlichtungsverfahren schont Ressourcen und macht das Verfahren für alle Beteiligten berechenbarer. In den notariellen Schlichtungsverfahren wird auf die Güteordnung der Bundesnotarkammer zurückgegriffen (Empfehlung der Vertreterversammlung der Bundesnotarkammer vom 8.10.1999, zugänglich unter http://www.bnotk.de/Notar/Berufsrecht/Gueteordnung.php [abgerufen am 8.1.2015]).
2. Art. 1 – § 5 Abs. 3 VSBG
Die Vorschrift soll, was sinnvoll ist, eine „Abkühlungsphase“ schaffen. Fraglich ist jedoch zum einen, warum sie für frühere Mitarbeiter von Verbraucherschutzorganisationen nicht gelten soll (Art. 3 Abs. 1 GG). Fraglich ist zum anderen, ob die darin vorgesehene Drei-Jahres-Frist nicht zu lang ist. Eine Drei-Jahres-Frist ist zwar z. B. im Freistaat Bayern für die Bestellung ehemals aufsichtführender Richter zu Notarvertretern vorgesehen. Dort ist der Schutzzweck jedoch ein anderer. Schon mit Blick auf die Notwendigkeit, genügend qualifizierte Schlichter zu gewinnen, erscheint eine Analogie zu der auch in der Politik nunmehr eingeführten Ein-Jahres-Frist naheliegender.
3. Art. 1 – § 15 Abs. 1 Nr. 1 VSBG
Mit Blick auf § 9 Abs. 2 VSBG sollte auch insoweit ein Hinweis erfolgen. Sehr viel mehr Mitbürger, als man meint, nutzen das Internet nicht bzw. sind nicht in der Lage, dieses zu nutzen. Gerade diese bedürfen des Schutzes als Verbraucher in besonderem Maße.
4. Art. 1 – § 17 Abs. 1 VSBG
Die Formulierung „berücksichtigt das geltende Recht“ ist missverständlich. Sie könnte dahingehend verstanden werden, dass die Schlichtungsstelle befugt ist, wie nach manchen Schiedsverfahrensordnungen, ex aequo et bono zu entscheiden. Die Gesetzesbegründung stellt die Bindung an das geltende Recht jedoch im letzten Satz des ersten Absatzes der Begründung zu § 17 Abs. 1 VSBG (S. 63 unten) klar. Stattdessen könnte wie folgt formuliert werden: „ergebenden Sachlage und auf dem geltenden Recht“.
5. Art. 1 – § 29 Abs. 1 und 2 VSBG
Die darin angesetzte Gebühr von 290 Euro beruht auf Annahmen (vgl. Gesetzesbegründung S. 71-73), die noch nicht praxiserprobt sind. Dies gilt insbesondere für die Missbrauchsgebühr von (nur) 30 Euro in § 29 Abs. 2 E-VSBG. Wenn die Auffangschlichtungsstellen defizitär arbeiten sollten, müssen diese von ihren jeweiligen Trägern entsprechend aus Steuermitteln bezuschusst werden. Verbraucherschutzrecht ist jedoch kein Teil des Sozialrechts.
Daher empfehlen wir, in § 29 statt fester Gebührenvorgaben eine Ermächtigung an das jeweilige Land vorzusehen, die Gebühren nach Art und Höhe unter Beachtung des Zwecks der Schlichtungsstelle durch Rechtsverordnung zu regeln. Wir sehen den Nachteil divergierender Gebühren und eines daraus resultierenden „forum shopping“ sehr wohl. Dennoch sollte wegen der größeren Sachnähe die Verordnungskompetenz bei demjenigen liegen, dem die Kostenträgerschaft obliegt.