EuGH-Entscheidung: Beurkundung mit russischem Unternehmen kein Verstoß gegen Russland-Sanktionen

Leitsatz

EuGH C‑109/23

Art. 5n Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, in der durch die Verordnung (EU) 2022/1904 des Rates vom 6. Oktober 2022 geänderten Fassung ist dahingehend auszulegen, dass

  • weder die Beurkundung eines Kaufvertrags über eine im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats belegene Immobilie, die einer in Russland niedergelassenen juristischen Person gehört, durch einen Notar dieses Mitgliedstaats,
  • noch die Handlungen dieses Notars zum Vollzug eines solchen beurkundeten Vertrags, um die auf dieser Immobilie ruhenden Belastungen zu löschen, den Kaufpreis an den Verkäufer auszuzahlen und im Grundbuch das Eigentum umzuschreiben,
  • noch die von einem Dolmetscher bei einer solchen Beurkundung erbrachten Übersetzungsleistungen zur Unterstützung des Vertreters dieser juristischen Person, der die im Beurkundungsverfahren verwendete Sprache nicht beherrscht,

unter das in dieser Bestimmung vorgesehene Verbot, einer solchen juristischen Person Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung zu erbringen, fallen.

Anmerkung

Der EuGH entschied, dass die notarielle Beurkundung eines Kaufvertrags nicht unter den Begriff der „Dienstleistung“ gemäß Art. 5n Abs. 2 Buchst. b der EU-Verordnung fällt. Dies basiert auf einer Auslegung des Begriffs „Dienstleistung“ im allgemeinen Sprachgebrauch und unter Bezugnahme auf den Erwägungsgrund der Verordnung. Dienstleistungen sind nach dieser Definition interessengeleitete Tätigkeiten zwischen Dienstleister und -empfänger. Da ein Notar jedoch in Deutschland bei Immobilienverkäufen als unparteiischer Träger eines öffentlichen Amtes handelt und nicht zur Förderung von Parteiinteressen tätig wird, sondern allein der Rechtssicherheit dient, wird seine Beurkundungstätigkeit nicht als Dienstleistung angesehen. Der EuGH bestätigt die Amtsträgereigenschaft deutscher Notare und grenzt die „Dienstleistung“ durch Notare klar von „Dienstleistungen“ durch Rechtsanwälte ab.

Der EuGH betont, dass diese Auslegung durch den normativen Kontext bestätigt wird. Während Immobiliengeschäfte mit russischen juristischen Personen in der EU erlaubt bleiben, könnte das Erfordernis der notariellen Beurkundung in bestimmten Mitgliedstaaten zu praktischen Hindernissen führen, was nicht im Sinne des Unionsgesetzgebers gewesen sei. Der Zweck der Verordnung besteht darin, die Geschäftstätigkeit russischer Unternehmen zu erschweren, nicht jedoch Immobilienverkäufe zu verbieten. Die notarielle Beurkundung steht diesem Ziel nicht entgegen.

Auch bei der Vollziehung des Kaufvertrags ist der Notar unparteiisch, sodass diese Tätigkeiten ebenfalls keine Dienstleistungen im Sinne der Verordnung darstellen. Zudem wurde festgestellt, dass die Beiziehung eines Dolmetschers bei der Beurkundung keinen Verstoß gegen die Verordnung darstellt, da dessen Tätigkeit keine Rechtsberatung ist.

Schließlich bleibt abzuwarten, wie das Landgericht Berlin diese Entscheidung im anhängigen Verfahren umsetzen wird.

Praxishinweis

Die Entscheidung des EuGH ist für die notarielle Praxis positiv, da sie das Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht des Notars zur Urkundsgewährung und dem Risiko eines strafrechtlichen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsverbot erheblich entschärft. Der EuGH stellt klar, dass die Tätigkeit des Notars, einschließlich der Beurkundung von Kaufverträgen, nicht als rechtsberatende Dienstleistung im Sinne der Verordnung gilt, da der Notar als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes handelt. Diese Auslegung lässt sich auch auf andere gesetzlich vorgeschriebene Tätigkeiten des Notars, wie z. B. die Gründung von Gesellschaften oder die Anmeldung zu öffentlichen Registern, übertragen. Der Notar dient dabei primär öffentlichen Interessen, insbesondere der Rechtssicherheit.

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