Die Mitgliedstaaten können den Notaren die Vornahme von Beglaubigungen der Echtheit von Unterschriften auf Urkunden, die für die Schaffung oder Übertragung von Rechten an Liegenschaften erforderlich sind, vorbehalten. Dies entschied der EuGH am 9. März 2017 in der Rechtssache Piringer (C-342/15).
Im zugrundeliegenden Fall hatte ein tschechischer Rechtsanwalt in Tschechien eine Bewilligung für eine Grundbucheintragung beglaubigt (was nach tschechischem Recht möglich ist), die Grundlage sein sollte für eine Eintragung in einem österreichischen Grundbuch. Mangels notarieller Beglaubigung hatte das österreichische Bezirksgericht den Antrag auf Eintragung zurückgewiesen. Der EuGH entschied nun, dass die Zurückweisung mit Unionsrecht vereinbar war. Zwar unterliege auch die Beglaubigung eines Rechtsanwalts dem freien Dienstleistungsverkehr nach Art. 56 AEUV, die Nichtanerkennung für Grundbuchzwecke in Österreich sei daher eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit. Diese Beschränkung sei aber gerechtfertigt. Denn dem Grundbuch komme vor allem in bestimmten Mitgliedstaaten, die das lateinische Notariat kennen, u. a. im Rahmen von Grundstückstransaktionen entscheidende Bedeutung zu. Nationale Bestimmungen, die vorschreiben, dass die Richtigkeit von Eintragungen in ein Grundbuch durch vereidigte Berufsangehörige wie Notare überprüft werden muss, würden insofern zur Gewährleistung der Rechtssicherheit von Grundstückstransaktionen und zur Funktionsfähigkeit des Grundbuchs beitragen. Die Führung des Grundbuchs stelle insofern einen wesentlichen Bestandteil der vorsorgenden Rechtspflege dar, als sie die ordnungsgemäße Rechtsanwendung und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen gewährleisten soll, was zu den Aufgaben und Zuständigkeiten des Staates gehört.
In Anknüpfung an seine Rechtsprechung zum Staatsangehörigkeitsvorbehalt beim Notarberuf (C-54/08) wiederholte der EuGH, dass der Umstand, dass mit den notariellen Tätigkeiten im Allgemeininteresse liegende Ziele verfolgt werden, die insbesondere dazu dienen, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu gewährleisten, einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellt, der etwaige Beschränkungen der Grundfreiheiten rechtfertigen kann, die sich aus den Besonderheiten der notariellen Tätigkeit ergeben, wie etwa den für die Notare aufgrund der Verfahren zu ihrer Bestellung geltenden Vorgaben, der Beschränkung ihrer Zahl und ihrer örtlichen Zuständigkeit oder auch der Regelung ihrer Bezüge, ihrer Unabhängigkeit, der Unvereinbarkeit von Ämtern und ihrer Unversetzbarkeit, soweit diese Beschränkungen zur Erreichung der genannten Ziele geeignet und erforderlich sind.