Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verbesserung des Hochwasserschutzes und zur Vereinfachung von Verfahren des Hochwasserschutzes

Stellungnahme vom 12.07.2016

 

Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme zu einem bedeutsamen Vorhaben. Wir bitten um Verständnis dafür, dass wir uns nur zu den Punkten des Entwurfs äußern, zu denen wir uns fachliche Expertise zutrauen. Dies betrifft das im neuen § 99a E-WHG vorgesehene Vorkaufsrecht.

Die Idee, über ein Vorkaufsrecht die Verfügungsgewalt über die zum Hochwasserschutz benötigten Uferbereiche von Gewässern zu erlangen, ist nicht neu. Für ein Vorkaufsrecht spricht, dass es (zumindest auf den ersten Blick) weniger einschneidend in das grundgesetzlich geschützte Privateigentum eingreift als etwa eine Enteignung zu Zwecken des Hochwasserschutzes.

Dennoch meinen wir, dass die Nachteile dieser Lösung deren Vorteile überwiegen.

Landesrechtlich bestehen derartige Vorkaufsrechte unseres Wissens nur in Baden-Württemberg (§ 29 Abs. 4 Wassergesetz-BaWü) und in Hamburg (§ 55b WasserG Hbg).

Das früher bestehende Vorkaufsrecht in § 25 Abs. 2 des Wassergesetzes des Freistaates Sachsen ist nach wenigen Jahren wieder aufgehoben worden. Zur Begründung dieser Maßnahme führte der entsprechende Gesetzentwurf der Sächsischen Staatsregierung Folgendes aus (LT-Drucks. 5/1356 v. 11.02.2010, S. 3):

Das Vorkaufsrecht im Wassergesetz wird aufgehoben. Es dient der Durchsetzung überörtlicher und übergeordneter Belange. Der Grunderwerb über ein Vorkaufsrecht ist aber nicht steuerbar und erfolgt eher zufällig. Regelmäßig eröffnet er nur die Möglichkeit zum Erwerb von Splitterflächen, welche insbesondere zum Zwecke des Hochwasserschutzes nur schwer sinnvoll genutzt werden können. Vorkaufsrechte sind geeignet, wenn Ziele bereits durch den Erwerb einzelner Objekte erreicht werden können, wie z. B. im Denkmalschutzrecht und im Baurecht. Lassen sich Ziele dagegen nur beim Erwerb einer größeren Anzahl von Grundstücken erreichen, wie dies typischerweise im Wasserrecht der Fall ist, sind Vorkaufsrechte nicht geeignet, weil sie regelmäßig nicht das gesamte benötigte Gebiet, sondern nur kleine Teilflächen erfassen.

Das Vorkaufsrecht in der gegenwärtigen Fassung hat zu einer Vervielfachung der Anzahl der Vorkaufsrechtsanfragen bei der Landestalsperrenverwaltung geführt … .“

Diesen Argumenten ist aus unserer Sicht nichts hinzuzufügen. Demgemäß hatte auch ein erneuter Vorstoß der Fraktion „DIE LINKE“ im Sächsischen Landtag vom 11.07.2013 (LT-Drucks. 5/12421), also unmittelbar nach dem verheerenden Elbhochwasser, gerichtet auf Wiedereinführung eines wasserrechtlichen Vorkaufsrechts, keinen Erfolg.

Der Misserfolg des wasserrechtlichen Vorkaufsrechts im Freistaat Sachsen (knapp 60.000 Anfragen standen sechs Ausübungsfälle gegenüber, wie die Antwort des sächsischen Innenministeriums auf eine kleine Anfrage der FDP vom 22.5.2009 Drs. 4/15642 ergab) mag auch daran liegen, dass einerseits eine Grundbuchsperre vorgesehen war, andererseits die Gebiete, in denen ihre Ausübung nicht in Betracht kam, erst spät explizit ausgewiesen wurden.

Auch gegen das Vorkaufsrecht im Wassergesetz Baden-Württemberg wird aus Praktikersicht Kritik laut (vgl. Böhringer, BWNotZ 2014, 38-45). Hier wie dort wird auf das Missverhältnis zwischen Bürokratieaufwand und -kosten einerseits und dem Nutzen für die Allgemeinheit verwiesen.

Zum Vorkaufsrecht nach dem BauGB hat bereits Schelter, DNotZ 1987, 330/341-347 empirisches Material zur mangelnden Effektivität dieser Regelung vorgelegt. Dass das Vorkaufsrecht des Mieters nach § 577 BGB nicht dazu beigetragen hat, durch Eigentumsbildung in den Händen breiter Bevölkerungskreise der Wohnungsnot entgegenzuwirken, dürfte zwischenzeitlich Allgemeingut sein (hierzu bereits Langhein, DNotZ 1993, 650/669). Vorkaufsrechte helfen nur dem, der Geld hat. Ob Geld vorhanden ist, hängt von der Haushaltslage ab.

Die Beteiligten an Grundstücksgeschäften werden durch das Vorkaufsrecht mit einer längeren Abwicklungsdauer und der Ungewissheit belastet, ob der Vertrag durchgeführt werden kann. Dies gilt insbesondere, wenn Äußerungen zum Vorkaufsrecht mit einer längeren Prüfungs- und Bearbeitungszeit verbunden sind. Der Mehraufwand in der Abwicklung bei Vorkaufsrechten führt auch zu höheren Notarkosten (vgl. Nr. 22112 zum Gebührenverzeichnis, Anlage zum Gerichts- und Notarkostengesetz). Diese betragen in der Regel EUR 50,00 zzgl. USt. Gebühren der für Negativzeugnisse bzw. Nichtausübungserklärungen zuständigen Behörden kommen hinzu. Für die Haushalte ist zu berücksichtigen, dass die durch Vorkaufsrechte erzielten Gebühreneinnahmen den internen Verwaltungsaufwand meist nicht kostendeckend finanzieren.

Der Vorstand des Deutschen Notarvereins hat bei Beratung dieser Stellungnahme schließlich auch Fragen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für ein wasserrechtliches Vorkaufsrecht erörtert, durchaus in dem Bewusstsein, dass die Lösung dieser Fragen besser denjenigen vorbehalten sein sollte, die über die erforderliche Expertise verfügen. Als Ergebnis dieser Beratungen dürfen wir anregen, nochmals zu prüfen, ob die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG („Wasserhaushalt“) auch ein Vorkaufsrecht deckt, das nicht dem Wasserhaushalt (d. h. dem Management der Ressource Süßwasser, vgl. § 1 WHG), sondern dem Hochwasserschutz dient. Letzterer gehört zum Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Gefahrenabwehr) und dürfte daher eher Ländersache sein. Zudem sind trotz gesetzgeberischer Tätigkeit des Bundes abweichende Regelungen der Länder nach Art. 72 Abs. 3 Nr. 5 GG möglich, das heißt, das Landesrecht könnte ein bundesrechtliches Vorkaufsrecht wieder abschaffen. Konsequent wäre solches etwa im Fall des Freistaats Sachsen.

Wir regen daher an, in der Novelle zum WHG kein wasserrechtliches Vorkaufsrecht vorzusehen und Art. 1 Nr. 9 des Entwurfs fallen zu lassen.

Aus unserer Sicht empfehlen wir stattdessen, zum einen die Möglichkeiten des Planfeststellungsverfahrens mit Enteignung auf ihre Eignung zu prüfen, Überflutungsflächen für den Hochwasserschutz zu gewinnen. Der Bau von Flughäfen und Eisenbahnlinien kommt auch ohne Vorkaufsrechte aus. Im Recht des Straßenbaus sieht § 9a Abs. 6 FStrG ein Vorkaufsrecht nur in Gebieten vor, die als Planungsgebiete ausgewiesen sind und der Veränderungssperre unterliegen. Dies erscheint uns – Lösung der Fragen der Gesetzgebungskompetenz vorausgesetzt – jedenfalls im Rahmen der Wassergesetze der Bundesländer als ein eher gangbarer Weg.

Zum anderen möchten wir einen besseren Zugang zu Daten über hochwassergefährdete Gebiete anregen. Die Lage eines Grundstücks in einem solchen Gebiet ist ein wertbestimmender Faktor, über den ein Käufer unterrichtet sein will.

Ein Einpflegen solcher Daten in die Geodatenbanken der Vermessungsverwaltung oder eine Online-Datenbank der unteren Wasserbehörden würde dank besserer Markttransparenz zu einer realistischen Preisbildung führen und damit auch die Möglichkeiten der öffentlichen Hand verbessern, bei konkreten Maßnahmen des Hochwasserschutzes zu marktnahen Preisen an die hierfür benötigten Grundstücke zu gelangen.

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