Stellungnahme vom 12.01.2021
Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des E-Government-Gesetzes und zur Einführung des Gesetzes für die Nutzung von Daten des öffentlichen Sektors. Der Deutsche Notarverein ist der Bundesverband der Notarinnen und Notare im Hauptberuf.
Das im Zentrum der Neuregelung stehende Ziel, die Bereitstellung von ohnehin offen zugänglicher Daten zum Zwecke der Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen zu fördern, ist aus unserer Sicht begrüßenswert. Offene Daten können nach unserem Dafürhalten einen relevanten Beitrag für einen innovativen Fortschritt der Digitalisierung leisten. Aus Sicht der notariellen Praxis beschränken wir uns in unserer Stellungnahme auf die Folgen des geplanten Datennutzungsgesetzes (DNG-E) auf die öffentlichen Register der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Deren Eintragungen fußen in weiten Teilen auf Registeranmeldungen durch Notarinnen und Notare.
Wir begrüßen dabei ausdrücklich, dass nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 lit. a) DNG-E das Gesetz nicht gelten soll für Daten, an denen kein oder ein eingeschränktes Zugangsrecht besteht, wobei eine Einschränkung insbesondere vorliegt, wenn der Zugang nur bei Nachweis eines rechtlichen oder berechtigten Interesses besteht. Damit sind zu Recht die sensiblen Grundbuchdaten aus dem Anwendungsbereich des DNG ausgenommen. Wir regen in diesem Zuge lediglich an, ausdrücklich im Gesetzestext oder zumindest in der Gesetzesbegründung klarzustellen, dass Grundbuchdaten vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen sind.
Hinsichtlich der geplanten Aufnahme der Daten des Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts-, Vereins-, Insolvenz-, Unternehmens- und Schiffsregisters sowie des Registers für Pfandrechte an Luftfahrzeugen in den Anwendungsbereich des DNG-E (vgl. § 2 Abs. 1, 2) möchten wir hingegen nach unseren Erfahrungen auf ein mögliches Missbrauchspotential hinweisen. Bereits heute beobachten wir missbräuchliche Nutzungen der Register der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch Betrüger; dies könnte sich im Zuge dieses Gesetzes nochmals erheblich verschärfen. Wir sehen insoweit nicht nur Gefahren für den Rechts- und Wirtschaftsverkehr und die Verlässlichkeit der von den Justizbehörden geführten Register, sondern befürchten auch zunehmende wirtschaftliche Schäden insbesondere von unerfahrenen Gesellschaftsgründerinnen und -gründer (Start-up-Unternehmen).
Der Verhinderung der missbräuchlichen Nutzungen sollte diesbezüglich ein größeres Augenmerk beigemessen werden, mit der Folge, dass aus unserer Sicht bei Unternehmensdaten vergleichbar zu den geschützten identifizierbaren Daten natürlicher Personen die maschinelle Auswertung „personenbezogener Daten“ wie etwa Adressen ausgenommen sein sollten.
Im Einzelnen:
A. Bestehende missbräuchliche Nutzungen der Registerdaten
Seit längerem werden Unternehmen mit fingierten Rechnungen in Registersachen konfrontiert, die einen Bezug zur Landesjustizverwaltung oder zum Bundesverwaltungsamt vorspielen. Der Absender der Rechnung erweckt durch die äußere Aufmachung und den Stil des Schreibens den Eindruck einer öffentlichen Stelle. Die Schreiben werden dabei häufig bereits unmittelbar nach Veröffentlichung der Eintragung im Handelsregister mit kurzer Zahlungsfrist und lange vor Zugang der Rechnung durch die Landesjustizkasse versandt. Durch diese zeitliche Vorgehensweise wird bei den Beteiligten der Eindruck verstärkt, es handle sich um die zu erwartende Rechnung einer öffentlichen Stelle. Zwar sensibilisieren die Notarinnen und Notare die Beteiligten bereits im Rahmen der Beurkundung auf die Gefahren betrügerischer Kostenrechnungen und auch die Bundes- und Landesjustizverwaltungen
„warnen im Zusammenhang mit den Onlinediensten und Bekanntmachungen im Justizportal des Bundes und der Länder vor – teilweise irreführenden – Angeboten, Zahlungsaufforderungen und Rechnungen, die nicht von Justizbehörden stammen. (…)
Die Angebote, Zahlungsaufforderungen bzw. Rechnungen und Überweisungsträger dieser Unternehmen erwecken teilweise den Anschein amtlicher Formulare. Solche Schreiben entfalten für sich allein jedoch keinerlei Rechtswirkung, eine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Aussteller wird hierdurch nicht begründet.“
– abrufbar unter: https://justiz.de/onlinedienste/index.php#hinweis –
Gleichwohl häufen sich die Missbrauchsfälle. Nährboden dieses betrügerischen Vorgehens sind letztlich die offen verfügbaren Daten: Die Gründung z. B. einer GmbH wird in das örtlich zuständige Handelsregister (Amtsgericht) eingetragen. Die Bekanntmachung dieser Eintragung erfolgt – für jedermann frei zugänglich – im Internet. Betrüger rufen diese Bekanntmachung auf und nutzen diese Information, um an die veröffentlichte Anschrift der neugegründeten Gesellschaft gefälschte Rechnungen öffentlicher Stellen (z. B. für Eintragungskosten des Gerichts) zu senden und damit unerfahrene Gründerinnen und Gründer zu schädigen.
B. Auswirkungen des DNG-E auf diese Missbrauchsproblematik (§§ 2, 7 f. DNG-E)
Diese unsere Erfahrungen stellen sicherlich nur einen exemplarischen Fall für diverse Missbrauchsmöglichkeiten auch in anderen Bereich dar. Gleichwohl steht nach unserem Dafürhalten zu befürchten, dass sich bei einer Erstreckung des Anwendungsbereichs des Datennutzungsgesetzes auf die vorbenannten Register diese missbräuchliche Entwicklung noch einmal verschärfen wird.
Bislang stehen Betrügern für ihr Vorgehen nur die – im Wege des Einzelabrufs zugänglichen– öffentlichen Bekanntmachungen von Eintragungen in Registersachen zur Verfügung. Infolge des Datennutzungsgesetzes in seiner derzeitigen Konzeption würden die Daten künftig nach dem Open-Data-Ansatz bereitgestellt werden (§§ 7 f. DNG-E), insbesondere wären die Daten „elektronisch und in nach den anerkannten Regeln der Technik offenen, maschinenlesbaren, zugänglichen, auffindbaren und interoperablen Formaten (…) zu übermitteln.“ (vgl. § 7 Abs. 2 DNG-E). Sogenannte hochwertige Datensätze, deren Festlegung gemäß Art. 14 der Richtlinie (EU) 2019/1024 erst noch in einem Durchführungsrechtsakt durch die Europäische Kommission im ersten Quartal 2021 erfolgen soll[1], müssten gar als Massen-Download nutzbar gemacht werden (§ 9 DNG-E).
Damit würde die Datengrundlage für Missbrauchsszenarien bedeutend „verbessert“ und ausgeweitet werden. Mit einfachen technischen Mitteln ließen sich gezielt Registerdaten extrahieren und gezielt für betrügerische Geschäftspraktiken – etwa der Zusendung gefälschter Rechnungen und Abmahnungen – einsetzen. Der erforderliche Aufwand hierfür wäre ungleich geringer als dies derzeit der Fall ist. Daneben wäre unseres Erachtens zu besorgen, dass private Anbieter mit den Daten „Parallelseiten“ aufbauen, durch die Rechtssuchende getäuscht werden können, etwa durch Bereitstellung verfälschter Daten und/oder dadurch, dass Daten kostenpflichtig angeboten werden. Dadurch könnten der Staatskasse Einnahmeausfälle durch das Ausbleiben kostenpflichtiger Registerabrufe entstehen, wodurch die Refinanzierung der Register durch Abrufgebühren geschwächt würde. All diese Risiken stehen nach unserem Dafürhalten in keinem angemessenen Verhältnis zum Nutzen der Neuregelung, zumal die betreffenden Register bereits nach geltendem Recht im Wege des Einzelabrufs öffentlich zugänglich sind.
Wir geben insoweit zu bedenken, die Daten des Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts-, Vereins-, Insolvenz-, Unternehmens- und Schiffsregisters sowie des Registers für Pfandrechte an Luftfahrzeugen aus dem Anwendungsbereich des DNG-E auszunehmen. Zumindest regen wir an, dass bei Unternehmensdaten vergleichbar zu den geschützten identifizierbaren Daten natürlicher Personen die maschinelle Auswertung „personenbezogener Daten“ wie etwa Adressen ausgenommen sein sollten. Dies ließe sich durch eine entsprechende Anpassung des § 2 Abs. 3 DNG-E umsetzen.
Ferner regen wir an, in diesem Zuge gemeinsam mit den Justizverwaltungen Wege zur Verhinderung des offensichtlichen Missbrauchs zu finden. Gerne wird sich der Deutsche Notarverein hierbei aktiv einbringen.
Fußnoten:
[1] Vgl. Begründung des Referentenentwurfs zu § 9 DNG-E, S. 36.