Stellungnahme vom 7.12.2020
Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe. Der Deutsche Notarverein ist der Bundesverband der Notarinnen und Notare im Hauptberuf. Diese sind von den geplanten Regelungen zwar nicht unmittelbar betroffen, weil der Referentenentwurf ausschließlich Neuregelungen des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften enthält. Der Referentenentwurf hat gleichwohl – wie bereits in unserer Stellungnahme vom 11.10.2019 zum Eckpunktepapier der Reform zum Ausdruck gebracht – generelle Bedeutung für die Rechtspflege in Deutschland und damit auch für Notarinnen und Notare.
Das im Zentrum der Neuregelung stehende Ziel, der (Patent-)Anwaltschaft und den Steuerberatern gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit zu gewähren und die interprofessionelle Zusammenarbeit zu erleichtern, ist nachvollziehbar. Dies darf jedoch aus Sicht des Deutschen Notarvereins nicht zu einer ausufernden Ausweitung der Sozietätsfähigkeit der Rechtsanwälte führen, die geeignet wäre, die anwaltlichen Maximen Unabhängigkeit, Verschwiegenheit und Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen zu unterminieren. Nicht alle Freien Berufe unterliegen spezifischem Berufsrecht und einer Berufsaufsicht mit den erforderlichen Eingriffsmöglichkeiten.
Im Einzelnen:
A. Besondere Bedeutung der eingeschränkten Sozietätsfähigkeit für Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotare
I. § 9 Abs. 2 BNotO und die Unabhängigkeit sowie Unparteilichkeit des Notaramts
Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotaren mit Angehörigen anderer Berufe nach der Konzeption des Referentenentwurfs nicht ausgeweitet werden soll. Die geltende Regelung des § 9 Abs. 2 BNotO soll – wie auch die Entwurfsbegründung (S. 143) zutreffend anerkennt – bereits den Anschein einer Gefährdung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notaramts vermeiden. Hierauf hat die Aufsichtsbehörde mit besonderer Sorgfalt zu achten.[1]
Eine über den bisherigen Rahmen des § 9 Abs. 2 BNotO hinausgehende Ausdehnung des Kreises der sozietätsfähigen Berufe wäre mit dem Charakter des Notars als unabhängigem Träger eines öffentlichen Amtes unvereinbaren und würde zu nicht hinnehmbaren Konfliktlagen führen. So wäre etwa die Soziierung zwischen einer Anwaltsnotarin oder einem Anwaltsnotar und einem Unternehmensberater grundsätzlich geeignet, den Anschein der Abhängigkeit und Parteilichkeit zu begründen.
Wir regen lediglich an, dass auch die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der eingeschränkten Sozietätsfähigkeit von Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotaren in der Gesetzesbegründung nochmals betont wird. Hierfür kann auf BVerfG, Beschluss vom 4.7.1989 – 1 BvR 1460/85, 1 BvR 1239/87 (= DNotZ 1989, 627) und BVerfG, Beschluss vom 8.4.1998 – 1 BvR 1773/96 (= DNotZ 1998, 754) Bezug genommen werden:
„…bedeutet nicht, daß der Gesetzgeber gehindert wäre, Anwaltsnotaren die Sozietät mit Angehörigen anderer freier Berufe, sogar mit dem des Rechtsanwalts, vollständig zu verbieten.“
(Beschluss vom 4.7.1989, 1 BvR 1460/85, 1 BvR 1239/87, Rn. 51 (juris))
sowie
„… steht es dem Gesetzgeber im Rahmen des Art. 12 I GG weitgehend frei, wie er erkennbaren Gefährdungen für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Notare vorbeugt. Es ist bereits dargestellt worden, daß es ihm obliegt, diese Gefährdungen einzuschätzen und ihnen durch Berufsausübungsregelungen zu begegnen.
(Beschluss vom 8.4.1998 – 1 BvR 1773/96, DNotZ 1998, 754)
Die Wahrung der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Notaramtes liegt im Interesse einer geordneten Rechtspflege und dient dem Allgemeinwohl.[2] Dies ist ein legitimer Zweck, der aus verfassungsrechtlicher Sicht dem Grunde nach Berufsausübungsregelungen wie die eines Sozietätsverbots zu rechtfertigen vermag[3] und im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG steht.
II. Der Regelungsgehalt der § 59a Abs. 1 Satz 3 BRAO, § 56 Abs. 1 Satz 2 StBerG muss weiterhin ausdrücklich erhalten bleiben
Die die Anwaltsnotare betreffenden Regelungen der §§ 59a Abs. 1 Satz 3 BRAO, 56 Abs. 1 Satz 2 StBerG wurden nicht in die neue Regelungsstruktur übernommen, wobei nach der Entwurfsbegründung hinsichtlich der Sozietätsfähigkeit der Anwaltsnotare ausdrücklich keine Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage eintreten sollte (S. 180, 309). Dabei wird fälschlicherweise davon ausgegangen, dass der Regelungsgehalt von § 59a Abs. 1 Satz 3 BRAO und § 56 Abs. 1 Satz 2 StBerG bereits in § 9 Abs. 2 und Abs. 3 BNotO enthalten wäre:
„Eine inhaltliche Änderung soll damit verbunden sein. Die entsprechenden Einschränkungen für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die zugleich ein Notaramt ausüben, ergeben sich bereits aus § 9 Absatz 2 und 3 BNotO.“
(S. 180 der Entwurfsbegründung)
Dem ist jedoch nicht so. Wird ein Rechtsanwalt zum Notar bestellt, übt er rechtlich gesehen zwei getrennte juristische Berufe aus, die verschiedene Aufgaben innerhalb der Rechtsordnung erfüllen und deshalb unterschiedlichen berufsrechtlichen Regelungen unterliegen können (BGH NJW 1996, 392; BGHZ 64, 214; BVerfG DNotZ 1964, 424; DNotZ 1980, 556; DNotZ 1989, 627). Wegen der Pflicht, sein Amt unabhängig zu führen, und wegen der Ausgestaltung dieses Amtes als öffentliches Amt darf sich der Notar grundsätzlich mit keinem anderen Beruf verbinden. § 9 BNotO enthält gerade nicht die Regelung, dass sich der Anwaltsnotar nur bezogen auf die anwaltliche Berufsausübung soziieren darf.
Bei der ersatzlosen Streichung dieser Regelung dürfte es sich zwar um ein Versehen handeln. Gleichwohl hätte die Streichung gravierende Auswirkungen zur Folge, weil dadurch das öffentliche Notaramt mit Nicht-Hoheitsträgern soziierungsfähig würde. Daher muss eine entsprechende Regelung unbedingt auch weiterhin vorgesehen werden. Sie könnte systematisch jedoch auch in § 9 BNotO verortet werden.
B. Keine ausufernde Sozietätsfähigkeit der Nur-Rechtsanwältinnen und -Rechtsanwälte
I. Kein Erfordernis für die geplante Ausweitung auf alle Freien Berufe (§ 59c BRAO-E)
Im Bereich des anwaltlichen Gesellschaftsrechts (sowie im Bereich der Patentanwaltsordnung und im Steuerberatungsgesetz) sollen die Möglichkeiten der interprofessionellen Zusammenarbeit für Rechtsanwälte, Steuerberaterinnen und Patentanwälte verbessert werden. Zunächst wird insofern zu Recht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.1.2016 verwiesen, nach der § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO nichtig ist, soweit es Rechtsanwälten untersagt wird, sich mit Ärzten und Apothekern zur Ausübung ihrer Berufe zu einer Partnerschaftsgesellschaft zusammenzuschließen. Diese Entscheidung sollte selbstverständlich umgesetzt werden.
Eine Überschießende Umsetzung dergestalt, dass nach der Konzeption des § 59c BRAO-E (genauso § 52c PAO, § 50 StBerG) künftig der sozietätsfähige Kreis auf alle Freien Berufe ausgeweitet wird, ist jedoch nicht erforderlich und nach unserem Dafürhalten abzulehnen. Gegen diese Ausweitung sprechen mehrere Gründe:
- Durch eine solche Generalklausel würden die mit dem Anwaltsberuf verbundenen rechtlichen und nicht zuletzt auch ethischen Anforderungen unklar(er). Der Schutz der rechtsuchenden Bürger und ihr Vertrauen in unabhängige Rechtsanwälte würde leichtfertig massiv beeinträchtigt aufgrund bloßer kommerzieller Interessen. Der Rechtsanwalt würde sich von einem Organ der Rechtspflege, der sich als Teil der dritten Gewalt definiert, hin zu einem bloßen (ökonomisch gesprochen) Teilnehmer am Rechtsberatungsmarkt entwickeln.
- Das Kriterium der Freien Berufe alleine ist – außerhalb der „klassischen“ Bereiche der verkammerten Berufe – zu wenig fassbar. § 1 Abs. 2 PartGG bietet zwar gewisse Anhaltspunkte. Bereits der historische Gesetzgeber stellte jedoch klar, dass es sich beim Freien Beruf „um eine soziologische Wortschöpfung handelt, bezüglich derer eine juristische Begriffsfassung auf unüberwindliche Schwierigkeiten stößt“.[4] Und selbst die Bedeutung der nachträglichen Umschreibung des Freien Berufs in § 1 Abs. 2 Satz 1 PartGG wird – so der Bericht des BT-Rechtsausschusses[5] – angesichts der darin gewählten, um den Zusatz „im Allgemeinen“ ergänzten Formulierung zu Recht dahin relativiert, dass es sich um eine „offene“ Definition bzw. eine „Typusbeschreibung“ handele. Zwar existiert zu § 1 Abs. 2 PartGG eine gewisse Rechtsprechung, der Sache nach handelt es sich aber weiterhin weniger um eine Definition der Freien Berufe als vielmehr um einen ergebnisoffenen Programmsatz.[6] Es existieren Grenzfälle (etwa beratende Handwerker, Fahrlehrer oder auch beratende Entwicklungsingenieure?), insbesondere die Abgrenzung der Freien Berufe zur gewerblichen Tätigkeit gestaltet sich angesichts fehlender trennscharfer Abgrenzungskriterien als schwierig. Es steht deshalb zu befürchten, dass es aufgrund dieser unklaren Voraussetzungen auf Dauer zu einer immer weiter fortschreitenden Ausdehnung der sozietätsfähigen Berufe käme. Dies könnte zu einem Dammbruch führen. Letztlich gäbe man nach der Konzeption des Referentenentwurfs die wichtige Frage des Kreises der sozietätsfähigen Berufe von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten aus der Hand, ohne die Entwicklung der Ausformung des Begriffs Freie Berufe abschätzen geschweige denn kontrollieren zu können.
- Nicht alle Freien Berufe unterliegen einer Berufsaufsicht und haben ein spezifisches Berufsrecht, das sie einhalten müssen (etwa Journalisten, Künstler). Die Eingriffsmöglichkeiten gegenüber diesen Berufsgruppen sind auf das allgemeine Strafrecht beschränkt und daher mit verkammerten Berufsgruppen nicht vergleichbar. Auch die gebotene Absicherung des Zeugnisverweigerungsrechts (§ 53 StPO) erfolgt nicht bei allen Freien Berufen. Dies ist mit den anwaltlichen Grundwerten Unabhängigkeit, Verschwiegenheit und Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nicht vereinbar. Eine Unterwerfung der Berufsausübungsgesellschaft unter die Aufsicht der Rechtsanwaltskammer, wie sie der Entwurf vorsieht, vermag die dadurch entstehenden Defizite nicht auszugleichen. Auch die in §§ 59d Abs. 5, 59e Abs. 1 Satz 3 BRAO-E vorgesehenen gesellschaftsvertraglichen Sicherungsmechanismen gegen einen Berufsrechtsverstoß der nichtanwaltlichen Gesellschafter reichen nicht aus, wenn die nicht-anwaltlichen Gesellschafter die Mehrheit haben. Die rechtsanwaltlichen Minderheitsgesellschafter müssten zumindest im Falle von Berufsrechtsverstößen die Möglichkeit zum Ausschluss des betreffenden Gesellschafters haben. Die Annahme, bestimmte Mehrheitserfordernisse im Hinblick auf den Gesellschafterkreis seien nicht erforderlich, um die Einhaltung der Berufspflichten sicherzustellen (u.a. S. 137, 197 der Entwurfsbegründung), geht insoweit fehl.
- Es steht ferner zu befürchten, dass durch die Ausweitung auf alle Freien Berufe legale Umgehungsmöglichkeiten für reine Kapitalbeteiligungen von externen Gesellschaftern geschaffen werden. Zwar gilt – formalistisch betrachtet wie bisher im Rahmen des § 59a BRAO – weiterhin das Erfordernis der aktiven Mitarbeit. Wie und in welchem Umfang die aktive Mitarbeit ausgestaltet wird, ist jedoch nicht vorgeschrieben und bleibt nach der Entwurfsbegründung (S. 180) „den Gesellschafterinnen und Gesellschaftern überlassen“. Damit könnten externe Kapitalgeber eine beratende Tätigkeit (z.B. als Künstler) vorschieben, während sie in Wahrheit als bloße Financiers agieren, welche die Berufsausübungsgesellschaft in wirtschaftliche Abhängigkeit bringen.
Aus unserer Sicht überwiegen daher die Risiken, wenn im Ergebnis nahezu jeder Beruf und jede Tätigkeit für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sozietätsfähig wird.
II. Zu den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts und einer Beschränkung der Sozietätsfähigkeit von Rechtsanwälten zumindest auf verkammerte Freie Berufe
Eine undifferenzierte Erweiterung der Sozietätsfähigkeit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten auf alle Freien Berufe, wie sie der Referentenentwurf vorsieht (§ 59c BRAO-E), ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Das Bundesverfassungsgericht vermag in seinem Beschluss vom 12.1.2016 – Az. 1 BVL 6/13 durchaus die Bedeutung der (strafbewehrten) Verpflichtung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zur Verschwiegenheit zu erkennen und hinreichende Differenzierungskriterien für eine unterschiedliche Behandlung herauszuarbeiten:
„Die Verpflichtung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zur Verschwiegenheit zählt nach § 43 a II BRAO zu den ihren Beruf prägenden Pflichten (vgl. Begründung zum GE der BReg. zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentanwälte, BT-Drs. 12/4993, 27). Diese Pflicht ist Grundlage des notwendigen Vertrauensverhältnisses zum Mandanten und bezieht sich auf alles, was in Ausübung des Anwaltsberufs bekannt geworden ist (§ 43 a II 2 BRAO). Die Einhaltung der anwaltlichen Pflicht zur Verschwiegenheit ist nach Maßgabe des § 203 I Nr. 3 StGB strafbewehrt.
Bei der beruflichen Zusammenarbeit mit anderen Personen erweitert sich zwangsläufig der Kreis derjenigen, die von Umständen erfahren oder zumindest Kenntnis erlangen können, hinsichtlich derer anwaltliche Verschwiegenheit einzuhalten ist. Die damit verbundenen Gefahren für die Wahrung der Verschwiegenheit mögen gering erscheinen, soweit sich die gemeinsame Berufsausübung auf Angehörige des Anwaltsberufs beschränkt. Bei einer berufsübergreifenden Zusammenarbeit kann das Geheimhaltungsinteresse der Mandanten wegen der selbst für Freie Berufe nicht zwingend gleich strengen und auf jeweils andere Aspekte gerichteten Verpflichtungen zur Verschwiegenheit indessen stärker gefährdet sein. Angesichts dieser spezifischen Gefährdungen der Mandanteninteressen, die sich aus der Zusammenarbeit eines Rechtsanwalts mit anderen Berufen ergeben können, ist der Gesetzgeber grundsätzlich nicht gehindert, solche Berufe von der gemeinschaftlichen Ausübung auszuschließen, für die ein ausreichendes Maß an Verschwiegenheit nicht gesichert erscheint.
(BVerfG, Beschl. v. 12.1.2016 – 1 BVL 6/13 = NJW 2016, 700 Rn. 55 f.)
Die Sozietätsfähigkeit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten müsste also, um den Vorgaben des BVerfG gerecht zu werden, nicht per se auf alle Freien Berufe ausgedehnt werden, sondern könnte auch nur in beschränktem Maße erweitert werden. Im Gegenteil ist der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vielmehr die Bedeutung der Verschwiegenheitspflicht als Differenzierungskriterium zu entnehmen.
Nach unserem Dafürhalten sollte die Sozietätsfähigkeit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten daher zumindest auf verkammerte Freie Berufe beschränkt bleiben. Dasselbe sollte für Bürogemeinschaften gelten (§ 59q Abs. 2 BRAO-E). Dies würde im Einklang mit den vom BVerfG aufgestellten Anforderungen stehen, muss und kann insoweit doch sichergestellt werden, dass die anderen Kammern auch die Einhaltung der anwaltlichen (und steuerberaterlichen) Grundpflichten überwachen und sanktionieren.
C. Streichung einer unrichtigen Passage in der Begründung zu § 46a BRAO-E (öffentliche Beglaubigung der Arbeitsverträge der Syndikusanwälte)
Die Entwurfsbegründung zu § 46a BRAO-E stellt die angeblich aus der Rechtsanwaltschaft stammende Behauptung auf, dass „die Erlangung einer notariellen Beglaubigung insbesondere während der im Zuge der COVID-19-Pandemie geltenden Beschränkungen (…) erschwert war.“ (S. 175).
Dieser insbesondere vor dem Hintergrund des § 15 BNotO schwere Vorwurf ist ersatzlos zu streichen, denn er ist unwahr. Das Gegenteil ist richtig: Notarinnen und Notare haben während der Pandemie ihre Büros im Gegensatz zu einigen Behörden weiterhin offengehalten und oftmals Beurkundungsaufgaben übernommen, die üblicherweise eher von den Behörden, Städten und Gemeinden wahrgenommen werden (Vaterschaftsanerkennungen, Kirchenaustritte, Erbschaftsausschlagungen, Sorgeerklärungen etc.).
D. Zu den übrigen Änderungen der BNotO
Im Übrigen stehen den im Referentenentwurf vorgesehenen Änderungen der BNotO grundsätzlich keine Bedenken entgegen; als Bundesdachverband der Notare im Hauptberuf beschränkt sich unsere diesbezügliche Bewertung jedoch auf die aus unserer Sicht maßgeblichen Regelungen. Insoweit schließen wir uns der Stellungnahme der Bundesnotarkammer an.
Wir dürfen jedoch zwei redaktionelle Anmerkungen machen:
- 64d BNotO-E müsste richtigerweise als § 64b BNotO-E nummeriert werden, denn § 64b und 64c BNotO existieren – auch unter Berücksichtigung des Referentenentwurfs zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 15.6.2020 – nicht.
- Ferner geht der Verweis in § 110a Abs. 3 BNotO-E auf Absatz 1 Satz 4 Nummer 1 Buchstabe e fehl, da kein lit. e) vorgesehen ist.
Fußnoten:
[1] S. statt aller BeckOK-BNotO/Görk, § 9 Rn. 24 ff., 34 f.
[2] BVerfG v. 4.7.1989 – 1 BvR 1460/85, DNotZ 1989, 627.
[3] BVerfG v. 8.4.1998 – 1 BvR 1773/96, DNotZ 1998, 754; BVerfG v. 4.7.1989 – 1 BvR 1460/85, DNotZ 1989, 627.
[4] Begr. RegE, BT-Drs. 12/6152, 9. Gleiches gilt für § 18 EStG vgl. BVerfGE 10, 354 (364) = NJW 1960, 619.
[5] BT-Rechtsausschuss, BT-Drs. 13/10955, 12 f.
[6] Vgl. auch MüKo-BGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, PartGG, § 1 Rn. 33 ff. mit weit. Nachw.