Stellungnahme vom 02.07.2020
Der Deutsche Notarverein bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf eines Baulandmobilisierungsgesetzes.
Wir bitten um Verständnis, dass wir unsere Stellungnahme aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit und infolge der mangelnden Expertise auf dem Gebiet des rein öffentlichen Baurechts auf die Schnittstellen des Entwurfs zum Zivilrecht beschränken, den vorgeschlagenen neuen § 250 BauGB sowie die vorgeschlagene Verlängerung der Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts in § 28 BauGB.
A. Zum Vorschlag des § 250 BauGB-E
I. Vorangestellter Gesamtbefund
Der Deutsche Notarverein begrüßt das Ziel des Gesetzgebers, Mieter durch gesetzgeberische Maßnahmen noch stärker als bisher vor Verdrängung aus ihren Mietwohnungen zu schützen und ihnen den Erwerb der von ihnen bewohnten Wohnungen zu Eigentum zu ermöglichen.
Der Gesetzgeber sollte nach Auffassung des Deutschen Notarvereins effektive Anreize setzen, größeren Teilen der Bevölkerung den Erwerb von Wohnungseigentum zu ermöglichen und so zu einer sozialen Verteilung des Grundeigentums beizutragen, welches nicht in den Händen weniger vermögender Immobilieneigentümer und Unternehmen gebündelt sein sollte.
Insbesondere Mieter sollten durch intelligente und praktikable Regelungen mehr als bisher in die Lage versetzt werden, eine von ihnen bewohnte Wohnung selbst zu erwerben.
Der Deutsche Notarverein sieht aber auch im Erwerb einer vermieteten Wohnung durch Verbraucher eine zu begrüßende Form der Vermögensbildung und effektiven Vorsorge zur Vermeidung prekärer Versorgungsnotstände im Alter.
Auch aus Sicht des betroffenen Mieters, der den Verkauf seiner Wohnung nicht zum Eigenerwerb nutzen kann oder will, wird ein individueller Vermieter häufig dem eher anonymen und gewinnorientierten Immobilienunternehmen vorzuziehen sein, sofern nur eine Kündigung wegen Eigenbedarfs effektiv und für eine ausreichend lange Dauer ausgeschlossen ist.
Die genannten Ziele werden durch den vorgeschlagenen § 250 BauGB-E nicht erreicht.
§ 250 BauGB-E in seiner gesetzgeberischen Konzeption als mit einer Vielzahl von Bedingungen versehener Genehmigungsvorbehalt für die Aufteilung nach dem WEG ist weder erforderlich noch geeignet, das vom Gesetzgeber gewünschte Ziel zu erreichen.
Er ist zudem in Bezug auf die wichtigste vorgesehene Ausnahme, die Ermöglichung des Erwerbs der neu gebildeten Wohnungen durch die Mieter, in der Praxis nicht umsetzbar. Zugleich wird die Schaffung von gewünschtem Eigentum an einzelnen Wohnungen in diesen Fällen mit einem enormen Zeit- und Verwaltungsaufwand erschwert.
Das eigentlich wünschenswerte Ziel, mehr Mietern den Erwerb der eigenen Wohnung zu ermöglichen, würde so im Vergleich selbst zu bisherigen Rechtslage nicht erreicht. § 250 BauGB-E würde die Situation der Mieter in Deutschland nicht verbessern, sondern vielmehr verschlechtern.
Im Einzelnen:
II. Die Ausgangslage: Die Zielsetzung des Referentenentwurfs und das geltende Recht
Die im Gesetzesentwurf niedergelegt Zielsetzung zu § 250 BauGB-E ist kurz:
- Ausreichendes Angebot von bezahlbaren Mietwohnungen
§ 250 BauGB-E zielt darauf ab, ein ausreichendes Angebot an bezahlbaren Mietwohnungen zu erhalten. Sie setzt an der Verkehrsfähigkeit der Immobilie an und begegnet der Verdrängungsgefahr, die aus der mit der Umwandlung einhergehenden Änderung der Eigentümerstruktur folgt. Die Regelung führt einen Genehmigungsvorbehalt ein, um den zuständigen Stellen zu ermöglichen, negative Auswirkungen von Umwandlungen auf den Mietwohnungsmarkt zu begrenzen. Mieter werden so vor Verdrängung durch Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen geschützt.
Einziges erklärtes Ziel ist also die Verhinderung der Verdrängung des Mieters durch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.
Nach aktuellem Recht ist der Mieter einer zu Wohnungseigentum aufgeteilten Wohnung allerdings bereits in vielfältiger Weise vor eben diesem Risiko der Verdrängung geschützt:
- 577 BGB gewährt dem Mieter das Recht zum Vorkauf, soll die von ihm zum Zeitpunkt der Aufteilung bewohnte Wohnung verkauft werden.
- 577a BGB gewährt dem Mieter nach dem Verkauf seiner Wohnung Schutz vor einer Eigenbedarfskündigung, welcher mindestens 3 Jahre währt, in vielen Städten mit angespannten Mietmarkt (z.B. Hamburg, Berlin, München) aber bereits jetzt durch die Gemeinde bzw. Landesregierung auf 10 Jahre verlängert wurde.
- Die aktuell in eben solchen Gebieten in verstärktem Maße geschaffenen Erhaltungssatzungen § 172 BauGB setzen die Bildung von Wohnungseigentum bereits jetzt unter einen Genehmigungsvorbehalt. Einen Anspruch auf Genehmigung gibt es vor allem dann, wenn der aufteilende Eigentümer eine Verpflichtungserklärung abgibt, für die nächsten sieben Jahre die neu gebildeten Wohnungen nur an Mieter zu verkaufen.
In der Kombination führt dies dazu, dass ein Mieter in Gebieten mit Erhaltungssatzung und ohne ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Preisen bereits heute für mindestens 12 Jahre davor geschützt ist, dass er wegen Eigenbedarfs durch Erwerber seiner Wohnung eben diese verlassen muss: 7 Jahre darf die Wohnung gar nicht an Dritte veräußert werden. Sodann beginnt erst mit der Veräußerung die zusätzliche Schutzfrist des § 577a BGB, welche allerdings um 5 Jahre verkürzt wird. Und dies unter der Voraussetzung, dass nicht der Mieter selbst die Wohnung erwirbt.
Im Folgenden ist nun zu untersuchen, ob sich der bestehende Schutz des Mieters durch den jetzt vorgeschlagenen § 250 BauGB-E tatsächlich verbessert.
III. Praktische Auswirkungen des § 250 BauGB-E
1. Tauglichkeit der Vermeidung der Bildung von Wohnungseigentum zur Erreichung der gewünschten Ziele
§ 250 BauGB-E würde zwingend und vom Gesetzgeber gewollt dazu führen, dass die Schaffung von Wohnungen in Bestandsgebäuden in wesentlichen Teilen der Bundesrepublik jedenfalls massiv erschwert, zumeist jedoch faktisch unterbunden wird.
Dieses Mittel erscheint nicht geeignet zur Erreichung des gewünschten Zwecks: Denn nicht die Bildung von Wohnungseigentum ist eine Gefahr für den Mieter, sondern allein die aus der Veräußerung der einzelnen vermieteten Wohnung potentiell erwachsenden Konsequenzen. Ob hingegen ein Alleineigentümer Eigentümer des ganzen Gebäudes ist oder aller dort gebildeten Wohnungseigentumseinheiten, macht für den Mieter keinen Unterschied. Eine Regelung sollte daher nicht auf der Stufe der Aufteilung ansetzen.
Aus Mietersicht wird erst der Verkauf seiner Einheit relevant, weil er sich nun einem neuen Vermieter ausgesetzt sieht, der potentiell ein Interesse an der Eigennutzung hat. Oder weil er sich im Vorfeld dem Wunsch des Verkäufers ausgesetzt sieht, die Wohnung gegen Zahlung einer Abfindung zu räumen.
Es sei die – auf den ersten Blick vielleicht überraschende – Frage aufgeworfen, ob im Rahmen einer sozialen Marktwirtschaft in der vom Gesetzgeber beabsichtigten Verhinderung dieses „Herauskaufens“ nicht sogar ein unangemessener Eingriff ausgerechnet in die Rechte gerade der doch zu schützenden Mieter liegen könnte.
Der Hintergrund: Mieter mit aus ihrer Sicht sehr niedrigen und damit aus Vermieter/Verkäufersicht sehr unattraktiven Mietverträgen haben heute faktisch keine Möglichkeit, ihre Wohnung zu verlassen, ohne erhebliche Mehrkosten durch eine Neuanmietung in Kauf zu nehmen, denen keine Möglichkeiten der Kompensation gegenüberstehen.
Muss oder möchte sich ein Mieter aber etwa räumlich verkleinern oder örtlich verändern, ist er auf die Kündigung seiner alten Wohnung und die Anmietung einer neuen, mit großer Wahrscheinlichkeit teureren Wohnung angewiesen.
Insofern ist die Bereitschaft des Vermieters, einen solchen, aus seiner Sicht unattraktiven Mieter gegen eine beidseitig als angemessene empfundene Entschädigung aus der Wohnung „herauszukaufen“, nicht per se etwas, was als Nachteil des Mieters gesehen werden muss. In der notariellen Praxis sind nicht wenige Fälle bekannt, in denen die Interessen von Mietern und Vermietern gleichlaufend waren und zum Teil sechsstellige Beträge an Mieter geflossen sind. Mieter haben so unmittelbar von den steigenden Grundstückspreisen profitiert, obwohl sie selbst überhaupt kein Eigentum erworben haben.
Es kann daher eine durchaus ökonomisch schlüssige Mieterentscheidung sein, aus einem etwa speziell für junge und berufstätige Menschen attraktiven und damit hochpreisigen Viertel in ein für diese Zielgruppe unattraktiveres, aber gerade für ältere Menschen angenehmeres und mit niedrigeren Mieten versehenes Viertel zu ziehen und dies mit einem erheblichen Vermögenszufluss durch den Vermieter zu verbinden bzw. zu finanzieren.
Davon zu unterscheiden ist die Intention des Gesetzgebers, zu verhindern, dass Wohnraum auf solche Weise generell der Vermietung entzogen wird. Auch dieser Wunsch lässt sich jedoch anders als durch ein Aufteilungsverbot erreichen, insbesondere durch ein zeitlich befristetes Verbot des Verkaufs von „aufgeteilten“ Wohnungen an Dritte, wie er der Ausnahmeregelung in den Bereichen Sozialer Erhaltungsverordnungen und in gewisser Weise auch der in § 250 BauGB-E enthaltenen Ausnahme zugrunde liegt.
Die nun angestrebte Verhinderung der Bildung von Wohnungseigentum hingegen steht im direkten Widerspruch zu den historischen Zielen des Gesetzgebers bei der Schaffung des Wohnungseigentumsgesetzes und außerdem auch im Widerspruch zu aktuellen Zielen des heutigen Gesetzgebers:
Das WEG wurde dezidiert geschaffen, um auch dem normalen Bürger in Städten die Möglichkeit zum Erwerb von Grundvermögen zu geben. An die Stelle weniger Immobilienunternehmer, die als Eigentümer und Vermieter ganzer Häuser das Kapital in wenigen Händen gebündelt hielten, sollte der Immobilienerwerb auf breite Teile der Bevölkerung ausgeweitet werden. Dies ist in den folgenden Jahren auch gelungen, auch wenn Deutschland im internationalen Vergleich immer noch ein Land mit vergleichsweise geringer Eigentumsquote bei Immobilien ist.
Der Erwerb einer Wohnung während der letzten Jahre und Jahrzehnte hat im Ergebnis zu einem außergewöhnlich großen Vermögensaufbau geführt. Dank des Wohnungseigentums hat sich die Wertsteigerung bei Immobilien eben nicht (nur) in der Hand weniger Immobilienunternehmer materialisiert, sondern kam über die Eigentumswohnung auch breiteren Schichten der Bevölkerung zugute, deren selbst genutzte oder auch vermietete Immobilie erheblich an Wert gewonnen hat.
Die Eigentumswohnung ist so zu einem bestimmenden Baustein der eigenen Altersvorsorge geworden. Sie dient zum einen der Sicherung der Unterkunft im Alter. Sie dient zum anderen aber auch als Vermögensreserve, sollte später eine Veränderung der Lebensumstände erfolgen müssen, etwa weil eine Betreuung erforderlich wird.
Wäre nun § 250 BauGB-E bereits vor 10 oder 20 Jahren in der jetzt vorgeschlagenen Form verabschiedet worden, hätte es diese Möglichkeit des individuellen Vermögensaufbaus, von denen alle Wohnungseigentümer profitiert haben, in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten nicht gegeben. Vielmehr wären noch mehr Bürger als heute auf den Status als Mieter angewiesen gewesen. Sie hätten keinen Vermögensaufbau betrieben, sie hätten gleichwohl mit großer Wahrscheinlichkeit unter steigenden Mieten zu leiden gehabt, da deren Grund ja nicht in der Vielzahl von Eigentumswohnungen zu suchen ist, sondern in der nicht ausreichenden Zahl von Wohnungen insgesamt.
Es ist nicht ersichtlich, wie ein heute eingeführter § 250 BauGB-E diesem Missstand effektiv abhelfen können soll.
Denn § 250 BauGB-E hat als gesetzgeberisches Konzept nicht den Schutz des Mieters bei der Veräußerung von Eigentumswohnungen zum Ziel, sondern die Verhinderung der Bildung von Eigentumswohnungen. Statt die Möglichkeit, die Wertsteigerung von Immobilien auf viele Bürger zu verteilen, insbesondere also auch dem Mieter die Möglichkeit zu geben, seine eigene Wohnung zu Eigentum zu erwerben, würde der Wertzuwachs wiederum nur einzelnen wohlhabenden Menschen oder Unternehmen zugutekommen, die es sich leisten können, ein Zinshaus im Eigentum zu haben.
Zugleich würde eine künstliche Verknappung der ohnehin schon knappen Ressource der Bestands- oder Altbauwohnung herbeigeführt. Die Folge wäre im Zweifel steigende Preise, welche mittelbar wiederum zu ansteigenden Mieten führen dürften.
§ 250 BauGB-E ist damit ein — so vom Gesetzgeber sicher nicht beabsichtigter — Wolf im Schafspelz: Aus dem Wunsch nach dem Schutz sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen wird tatsächlich die Förderung von wenigen, dafür umso vermögenderen Immobilieneigentümern.
2. Negative Auswirkungen auf andere gesellschaftspolitische Ziele
Wenn die Aufteilung in Wohnungseigentum beschnitten und die Erhöhung von Mieten verboten wird, dann entfällt für viele Eigentümer und Unternehmer der Anreiz und die Möglichkeit, Bestands- und Altbauten in einem guten Zustand zu erhalten oder sie überhaupt erst in diesen zu versetzen bzw. energetisch sinnvolle Verbesserungen vorzunehmen.
Die lokale Bauwirtschaft lebt jedoch nicht nur von Neubauten, sondern auch von Erhalt und Sanierung von Bestandswohnungen. Die dafür anfallenden Kosten können nur selten von einem Alleineigentümer aufgebracht werden. Daher ist das Konzept der Aufteilung von Gebäuden nach Vornahme von Sanierungsmaßnahmen im Interesse nicht nur des Eigentümers, sondern auch der Mieter in Bezug auf die Qualität ihrer Wohnungen, der Bauwirtschaft in Bezug auf die so eingehenden Aufträge und der Allgemeinheit in Bezug auf CO2-reduzierende Maßnahmen.
Erfolgt der Verkauf der so gebildeten Wohnungen sodann an den Mieter oder auch an Dritte bei fortbestehendem Mieterschutz, dann ist dies ein im Sinne der sozialen Marktwirtschaft funktionales und begrüßenswertes System.
Ein generelles Aufteilungsverbot würde hier erhebliche Auswirkungen haben: Das Interesse und die Fähigkeit der Eigentümer eines Mietshauses, dieses zu modernisieren (und es geht hier nicht um Luxusmodernisierung, sondern grundlegende Arbeiten an der Bausubstanz zum Zwecke der Erreichung eines zeitlich angemessenen Standes und der damit verbundenen dauerhaften Sicherung der Immobilie), würde erheblich beeinträchtigt werden. Aufträge an die Bauwirtschaft würden zurückgehen mit all den damit verbundenen, hier nicht weiter auszuführenden Folgen, welche wiederum vor allem die in diesen Wirtschaftszweigen beschäftigten Arbeitnehmer und Selbständigen treffen werden.
3. Rechtfertigung der gesetzgeberischen Zielsetzung
Anders als in dem meist eng begrenzen Gebieten der Erhaltungssatzungen nach § 172 BauGB, deren Zielsetzung in erster Linie nicht nur der Mieterschutz, sondern die Verhinderung der „Gentrifizierung“ gewachsener Stadtteile insb. durch Luxussanierungen ist, würde § 250 BauGB-E von der Zielsetzung und der praktischen Anwendung große Stadtteile bzw. ganze Städte und Gemeinden umfassen. Zugleich ist die gesetzgeberische Zielsetzung im Vergleich zu den Erhaltungssatzungen viel kleiner, indem es „nur“ dem Mieterschutz durch Verhinderung der Verkehrsfähigkeit der Immobilie und einem daraus abgeleiteten Verdrängungswettbewerb dient.
Ein das Eigentumsrecht so einschränkendes Mittel, das wiederum nur einem einzigen gesetzgeberischen Ziel dient, bedarf zweifellos der besonderen Rechtfertigung und darf in seiner Gesamtheit wie aber auch in der konkreten Ausgestaltung die vielfältigen anderen Zwecke, zu denen Wohnungseigentum benötigt und in der Praxis eingesetzt wird, nicht außer Acht lassen bzw. völlig unbestimmten, vagen Genehmigungsvorbehalten überlassen.
Wir dürfen auf nur einige typische Gestaltungen hinweisen, die – außer Neubauvorhaben im Bauträgerbereich und den (eher ) seltenen „Aufteilerfällen“ – einen Großteil der notariellen Praxis bestimmen. Exemplarisch kann dies an dem typischen Beispiel eines älteren Bestands-Mehrfamilienhauses mit einigen Wohnungen, das im Eigentum eines älteren Paares steht, gezeigt werden:
- Das Paar hat mehrere Kinder, aber nur dieses Haus und will dies in Wohnungseigentum zur gerechten Verteilung zwischen mehreren Kindern aufteilen. Dabei wird dies typischerweise insb. aus erbschafts-/schenkungssteuerlichen Gründen nicht im Wege der testamentarischen Anordnung (wie in § 250 Abs. 3 Nr. 1 BauGB-E) sondern im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu Lebzeiten erfolgen.
- Eine Aufteilung nach WEG kann erforderlich sein, um die Wohnungen in Abt. II und III des Grundbuchs unterschiedlich erstrangig zu belasten, z.B. einige Wohnungen mit einem Wohnungsrecht oder Nießbrauch, andere mit notwendigen Finanzierungsgrundschulden. Beim unaufgeteilten Haus sind diese Rechte im Hinblick auf die Bankenpraxis und das berechtigte Sicherungsbedürfnis der Übergeber praktisch „unvereinbar“.
- Gerade bei Bestandsgebäuden stehen häufig größere Sanierungen an, die über Kredite finanziert werden müssen. Besonders ältere Eigentümer erhalten aber aufgrund der verschärften Banken-Richtlinien nur noch schwer Kredite, wenn die Rückzahlung (d.h. nicht nur die Verzinsung) nicht perspektivisch vollständig aus Einkünften erwartet werden kann. Gerade solchen Eigentümern bleibt häufig nur der Verkauf einzelner Wohnungen, um einerseits notwendige Einnahmen zur Durchführung von Sanierungen zu erzielen und andererseits in ihrer eigenen Wohnung weiter leben zu können.
Die vorgeschlagene Regelung greift damit als generelle Erschwerung bzw. gar Verhinderung der eigentumsrechtlichen Gestaltung von Immobilien weit in andere durchaus schützenswerte Interessen des Eigentümers ein.
Sofern man an einer Regelung im Sinne des § 250 BauGB-E überhaupt festhalten will, muss dies aus Sicht des Deutschen Notarvereins sowohl im Anwendungsbereich der Norm, also auch bei dessen konkreter Gestaltung Berücksichtigung finden:
Schon der Anwendungsbereich der Norm erscheint zu weit, indem er generell auf „Bestandsgebäude“ Bezug nimmt. Mag dies noch in § 172 BauGB im Hinblick auf die vielfältigen gesetzlichen Ziele der Erhaltungssatzungen gerechtfertigt sein, geht dies beim bloßen Ziel des Mieterschutzes zu weit. Gebäude, die im Zeitpunkt der Aufteilung überhaupt nicht vermietet sind, müssten damit vom Anwendungsbereich der Norm ausgeschlossen sein.
Darüber hinaus sollte überlegt werden, ob nicht eine noch weitergehende Einschränkung des Anwendungsbereichs auf die tatsächlich relevanten Fälle geboten ist. Denkbar wäre z.B. die Einschränkung dahingehend, dass das Aufteilungsverbot nur für solche Eigentümer gilt, die die Immobilie erst innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor der Aufteilung nach WEG (z.B. von zehn Jahren) erworben haben. Mit einer solchen Regelung würde man einerseits die typischen „Aufteilervorhaben“ (die Bestandsgebäude zum Zwecke der Aufteilung, häufig kombiniert mit aufwändigen Sanierungen erwerben) erfassen. Andererseits würde man die berechtigten Interessen langjähriger Eigentümer – die ja zumeist durchaus über viele Jahre ihrer sozialen Verantwortung als Vermieter nachgekommen sind – an einer aus ihrer Lebenssituation gebotenen Aufteilung berücksichtigen. Dies nur im Rahmen einer Art „Rechtfertigung“ über die Allgemeinnorm des § 250 Abs. 4 BauGB mit der jeweiligen Genehmigungsbehörde zu diskutieren, erscheint uns unangemessen und in vielen Fällen tatsächlich „aussichtslos“.
Sofern man diese Fälle nicht über den Anwendungsbereich einschränkt, erscheinen zumindest die gebundenen Ausnahmefälle des § 250 Abs. 3 BauGB-E als viel zu eng. Auch wenn sich die Vorschläge des § 250 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BauGB-E an dem Vorbild des § 172 BauGB orientieren, ist deren Wirkung völlig verzerrt, wenn nicht zugleich die Abwendungsbefugnis des § 172 Abs. 4 Nr. 6 BauGB übernommen wird. Eigentümern bliebe dann in vielen der vorbezeichneten Fälle der lebzeitigen Übertragung innerhalb der Familie auf die völlig unbestimmte Abwägung nach § 250 Abs. 3 Nr. 4 bzw. Abs. 4 BauGB-E verwiesen, wohingegen der Erbfall und kurioserweise der Fall des Eigenbezugs (der ja zwingend zur Verdrängung des Mieters führt) ausgenommen wäre.
Schließlich formuliert § 250 Absatz 3 Nr. 4 BauGB-E, dass eine Genehmigung zu erteilen ist, wenn „auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls ein Absehen von der Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht mehr zumutbar ist.“ Diese Formulierung ist untauglich. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die Abwägungskriterien (z.B. den „Mieterschutz“) vorzugeben und nicht allgemein vom „Allgemeinwohl“ zu sprechen. Das Allgemeinwohl ist kein justiziabler oder inhaltlich feststehender Begriff, vielmehr wird das Allgemeinwohl in einer Demokratie im demokratischen Prozess durch die zuständigen Institutionen im Rahmen der verfassungsrechtlichen Schranken konkretisiert. Was dem Allgemeinwohl dient ist politisch umkämpft und von Wertungen und Einstellungen abhängig. Der Gesetzgeber kann es nicht einer Verwaltungsbehörde (oder im Streit den Gerichten) überlassen, das Allgemeinwohl im Rahmen einer gebundenen Entscheidung („Die Genehmigung ist zu erteilen“) zu konkretisieren. Der vorgesehene erhebliche Eingriff in das grundrechtlich geschützte Eigentum verlangt es, die Abwägungskriterien den zuständigen Verwaltungsbehörden und Gerichten daher zwingend vorzugeben. Würde man in § 250 Abs. 3 Nr. 4 stattdessen vom „Mieterschutz“ sprechen, so stellt sich indes die Frage des Unterschiedes der bereits nach § 250 Abs. 3 Nr. 4 gebundenen Entscheidung zur allgemeineren Auffangbestimmung des § 250 Abs. 4 BauGB-E.
4. Praktische Unmöglichkeit der Umsetzung der zentralen gesetzlichen Ausnahmevorschriften
Natürlich ist eine Benachteiligung von Mietern vom Gesetzgeber nicht gewollt und dies reflektiert auch der vorliegende Entwurf. Die aus Sicht des Mieterschutzes zentrale Ausnahme vom Aufteilungsverbot ist jedoch zugleich diejenige, die in der Praxis nicht umgesetzt werden kann.
Nach dem gesetzgeberischen Vorschlag ist gem. § 250 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB-E die Genehmigung zur Aufteilung von Gebäuden in Wohnungseigentum zu erteilen, wenn
„das Wohnungseigentum oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an mindestens zwei Drittel der Mieter veräußert werden soll.“
Satz 2 bestimmt sodann, dass diese Genehmigung erst erteilt werden darf,
„wenn abgesehen von der Eintragung in das Grundbuch alle Voraussetzungen für die beabsichtigte Rechtsänderung gemäß Absatz 6 Satz 1 unwiderruflich erfüllt sind.“
Dies soll ersichtlich dem begrüßenswerten Zweck dienen, Umgehungen effektiv zu verhindern. Leider kann dies durch die vorgeschlagene Regelung nicht gelingen, da diese in der Praxis in keiner denkbaren Konstellation umsetzbar erscheint.
Die Gesetzesbegründung hierzu ist überaus kurz und erklärt zwar das Ziel des Schutzes, nicht aber den gewählten Weg:
„Mit § 250 Absatz 3 Satz 2 ist klargestellt, dass die Genehmigung nicht auf Grundlage bloßer Absichtsbekundungen in den Fällen von § 250 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 bis 3 zu erteilen ist. Die Genehmigung darf nur der vorletzte Schritt vor Eintragung in das Grundbuch darstellen. Nur so lässt sich sicherstellen, dass Eigentümer keine Gründe vorschieben und so tatsächlich den Schutzzweck des Gesetzes unterlaufen.“
Bei dem Verweis auf Absatz 6 muss es sich um ein Redaktionsversehen handeln, da in diesem nichts geregelt ist, was die hier aufgeworfene Frage beantworteten könnte. Es ist aber auch keine andere Norm ersichtlich, auf die ein entsprechender Verweis passen könnte. Dieser Satzteil wird daher im Folgenden nicht weiter kommentiert.
Zuzustimmen ist dem Gesetzgeber, dass eine bloße Absichtserklärung nicht ausreichend darf, um einen Genehmigungsanspruch auszulösen. Weder könnte dem Eigentümer nachgewiesen werden, dass er tatsächlich gar keine Absicht gehabt hat, noch wäre klar, welches die Sanktionen für ein Abweichen von der Absicht sein sollten.
Insofern ist zu begrüßen, dass der Gesetzgeber die mögliche Umgehung mitdenkt und ausdrücklich adressiert. Die vorgeschlagene Lösung ist jedoch keine.
Denn nimmt man das Gesetz beim Wort, dann müsste vor der Eintragung der Aufteilung im Grundbuch folgendes passiert sein:
- Die Teilungserklärung müsste beurkundet worden sein.
- Es müssten mit wenigstens zwei Drittel der Mieter wirksame, unwiderrufliche Kaufverträge geschlossen worden sein.
Anders kann die Veräußerungs“absicht“ an zwei Drittel der Mieter nicht unwiderruflich nachgewiesen werden. Beide Voraussetzungen sind jedoch mit erheblichen praktischen Implikationen verbunden, die eine Umsetzung faktisch ausschließen.
Bereits die Beurkundung der Teilungserklärung würde dazu führen, dass für den Eigentümer Kosten entstünden, ohne dass auch nur im Ansatz Sicherheit bestünde, dass sich diese nicht als vollständig überflüssig herausstellen, weil es doch nicht zu einer Aufteilung kommt.
Natürlich könnten umgekehrt erst die Kaufverträge über Wohnungseigentum mit wenigstens zwei Dritteln der Mieter vor Beurkundung der Teilungserklärung geschlossen werden. Doch dann gäbe es keine bestehende Teilungserklärung, auf die in den Kaufverträgen gem. § 13a BeurkG verwiesen werden könnte. Ohne eine solche kann aber der Vertragsgegenstand des Kaufvertrages nicht mit Rechtssicherheit bestimmt werden.
Doch selbst, wenn die Teilungserklärung zuerst beurkundet würde, stellen sich in Bezug auf die zweite Genehmigungsvoraussetzung praktisch unüberwindbare Probleme:
§ 250 BauGB-E würde zwei Drittel der Mieter zwingen, zu einem willkürlich festgelegten Zeitpunkt die verbindliche Entscheidung über den Erwerb der eigenen Mietwohnung zu treffen. Eine Entscheidung, die nur getroffen werden kann, wenn auch die Finanzierung gesichert ist. Die Finanzierung wird praktisch niemals aus Eigenmitteln erfolgen, sondern bedürfte immer einer entsprechenden Darlehensaufnahme. Ein Darlehensvertrag können aber nicht geschlossen werden, ohne dass auch Sicherheit besteht, dass der Kaufvertrag zustande kommt. Eben diese Sicherheit besteht aber nicht, bevor nicht Kaufverträge mit zwei Dritteln aller Mieter geschlossen sind.
Denn es könnte bis zum Erreichen dieser Schwelle gerade kein wirksamer und unbedingter Kaufvertrag mit einem Mieter über dessen Wohnung geschlossen werden. Der Verkäufer kann zu diesem Zeitpunkt nicht wissen, ob er die erforderliche Quote erreicht, ob also die Genehmigung zur Aufteilung überhaupt erteilt wird. Alle Verträge müssten daher also aufschiebend bedingt auf die Aufteilung geschlossen werden.
Da es sich bei den Mietern aber regelmäßig um Verbraucher handelt und bei den Eigentümern jedenfalls nicht selten um Unternehmer, ist eine Bindung an Kaufverträge, deren Wirksamkeit in der Schwebe steht, über vier Wochen hinaus grundsätzlich nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH gerade nicht zulässig.
Im Widerspruch zu dieser Rechtsprechung fordert § 250 Abs. 2 S. 3 BauGB sogar die „Unwiderruflichkeit“ des Vorliegens der Voraussetzungen für die Genehmigung. Unwiderrufliche, dauerhaft bindende und zugleich aufschiebende bedingte Kaufverträge mit Mietern sind aber aus den genannten Gründen gerade unzulässig.
Hinzu käme die Frage, wer die erheblichen Kosten dieser Verträge zu tragen hätte, wenn diese letztlich nicht durchgeführt werden könnten? Die Mieter können schwerlich mit diesen Kosten belastet werden. Aber auch dem Eigentümer ist es nicht zumutbar, solch erhebliche Kosten auf alleiniges Risiko zu übernehmen. Profitieren würden alleine die Notare. Notare haben aber kein Interesse an der Beurkundung von Verträgen, deren Schicksal mehr als nur ungewiss ist. Dies widerspricht der ganzen Idee der notariellen Beurkundung, dass hier – von Ausnahmen abgesehen – Rechtsklarheit geschaffen werden soll.
Weitere Kosten würden potentiell auf Seiten der Käufer entstehen im Zusammenhang mit der Vorbereitung einer Finanzierung, sofern nicht sogar schon eine Bindung an geschlossene Darlehensverträge eingetreten ist.
Eine niedrigere Schwelle als den Abschluss eines Kaufvertrages wiederum ist aus Sicht des Deutschen Notarvereins nicht denkbar. Jede Form der bloßen Absichtserklärung wäre entweder formfrei und damit unverbindlich oder – wenn in der dafür erforderlichen notariellen Form geschlossen – letztlich mit der Verpflichtung zum Abschluss eines Kaufvertrages gleichzusetzen. Diese Vereinbarung würde also grundsätzlich die identischen Kosten auslöst wie der Kaufvertrag, ohne diesen jedoch zu ersetzen, was die Gesamtkosten nochmals erhöht.
Dieses System ist unnötig komplex und in der Praxis nicht umzusetzen. Dass es anders geht, zeigt im Grundsatz der Blick in die Parallelregelung bei Erhaltungssatzungen. Der dortige Genehmigungsanspruch führt dazu, dass für die Aufteilung eine Verpflichtungserklärung allein des aufteilenden Eigentümers ausreicht, binnen sieben Jahren nur an Mieter zu verkaufen. Aus Sicht des Mieters ist daher nach der Aufteilung ausreichend Zeit, im normalen Ablauf Kaufverträge zu schließen, deren Wirksamkeit für beide Parteien auch sofort feststeht.
§ 250 BauGB-E hingegen würde den Mieter zwingen, sich sofort für den Erwerb der Wohnung zu entscheiden – oder eben auf diesen zu verzichten. Dies setzt den Mieter unter einen nicht zu rechtfertigenden Druck und verringert zudem die Zahl der für den Kauf in Frage kommenden Mieter, weil keinerlei Flexibilität in Bezug auf sich ändernde Lebensumstände besteht.
IV. Fazit
Die Ausführungen haben deutlich gemacht, dass § 250 BauGB-E die selbst gesteckten Ziele nicht erreichen kann und nicht erreichen wird.
Seine Einführung würde im Gegensatz die Rechte von Mietern zusätzlich beschränken, zu einer fortbestehenden Konzentration von Grundeigentum in den Händen weniger Vermögender führen, durch Verknappung die Preise für Wohnungen voraussichtlich weiter nach oben treiben und insgesamt die sozialpolitisch erwünschte Beteiligung möglichst vieler Bürgerinnen und Bürger am Grundvermögen behindern.
Darüber hinaus ist § 250 BauGB-E mit seiner wichtigen Ausnahme für den Verkauf der aufgeteilten Wohnungen an Mieter in der Praxis in keiner denkbaren Konstellation umsetzbar.
Von der Verabschiedung des § 250 BauGB-E kann daher vom Deutschen Notarverein nur insgesamt abgeraten werden.
Will man gleichwohl an diesem gesetzgeberischen Vorhaben festhalten, müsste aus unserer Sicht zur Verhinderung verfassungsmäßig zweifelhafter Einschränkungen zumindest der Anwendungsbereich der Norm eingeschränkt bzw. die Aufzählung der gebundenen Ausnahmen deutlich ausgeweitet und präzisiert sowie mit einer an § 172 Abs. 4 Nr. 6 BauGB angelehnten Abwendungsbefugnis, deren Art und Umfang vom Gesetzgeber zu präzisieren ist, ergänzt werden.
B. Frist des § 28 BauGB-E
Gemäß Ziffer 11 des Referentenentwurfs soll — in Abweichung der im Zivilrecht etablierten Regelfrist zur Ausübung des Vorkaufsrechts von zwei Monaten (§ 469 Abs. 2 BGB) — die Ausübungsfrist des gemeindlichen Vorkaufsrechts von zwei auf drei Monaten verlängert werden. Eine nähere Begründung, welche Zwecke damit verfolgt werden, gibt der Entwurf nicht, da in der Begründung lediglich auf die Empfehlung der Baulandkommission Bezug genommen wird, diese aber wiederum in ihrem Text keinerlei Begründung für diesen Vorschlag gibt.
Auch wenn das Vorkaufsrecht nach §§ 24 ff. BauGB in der Praxis nur sehr selten einschlägig ist und nur in einer verschwindend kleinen Zahl von Fällen ausgeübt wird, hat es für die übliche Kaufvertragsabwicklung eine erhebliche Bedeutung, da der Vollzug der Eigentumsumschreibung im Grundbuch nach § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB nur unter Vorlage einer Negativbescheinigung erfolgen darf. Dies führt dazu, dass der Eingang dieser Bescheinigung bei nahezu allen Kaufverträgen auch zur Fälligkeitsvoraussetzungen des Kaufpreises gemacht wird, zumal alle Banken eine Auszahlung der Kaufpreisfinanzierung ohne Vorlage dieser Bescheinigung ablehnen würden. Umgekehrt gibt es viele Kolleginnen und Kollegen, die es in ihrer langjährigen Berufspraxis noch nie (!) erlebt haben, dass das Vorkaufsrecht tatsächlich einmal ausgeübt wird. Dieses Regel-Ausnahmeverhältnis (Die Regel ist die Nichtausübung, die Ausnahme die Ausübung) sollte sich auch in der gesetzlichen Regelung widerspiegeln.
Schon in der derzeitigen Praxis ist der Eingang dieser Negativbescheinigung selbst in Fällen, bei denen inhaltlich gar kein Vorkaufsrecht besteht, zeitlich häufig die letzte Fälligkeitsvoraussetzung. Es ist nicht unüblich, dass Grundbuchämter für die Eintragung der Vormerkung und Banken zur Vorlage üblicher Lastenfreistellungserklärungen oft nur wenige Tage oder Wochen benötigen, die Negativbescheinigung der Gemeinde aber erst nach mehreren Wochen eingeht. Auf Rückfragen wird dann häufig auf die gesetzliche Zweimonatsfrist verwiesen. Ganz generell ist jede Verzögerung misslich, da auch dies zu unnötigen Zwischen-Leerständen der Immobilie, zusätzlichen Zinskosten usw. führen kann.
In der typischen Kaufvertrags-Praxis ist ferner zu beachten, dass in vielen Fällen die Gemeinden ohnehin eine deutlich längere „Frist“ zur Ausübung eines Vorkaufsrechts haben. Denn in vielen Regionen ist es in Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden und der inneren Verwaltung üblich, dass zur Wahrung des Datenschutzes Vorkaufsrechtsanfragen durch den Notar zweistufig erfolgen: In einer ersten Anfrage werden dabei nur die betroffenen Grundstücksdaten (aber ohne Kaufpreis u. ä.) mitgeteilt. Und erst wenn die Gemeinde geprüft hat, ob überhaupt ein Vorkaufsrecht einschlägig sein kann, wird in einem zweiten Schritt der vollständige Kaufvertrag zugestellt, wobei erst dies die gesetzliche Zweimonatsfrist auslöst. Die Gemeinde hat dabei ohnehin in Summe eine deutlich längere Zeit zur Entscheidung zur Verfügung.
Schon dieses Verfahren legt den Bürgern mitunter eine erhebliche Verzögerung auf, wie folgendes tatsächliches Beispiel in einer süddeutschen Großstadt zeigt: Ein Kaufvertrag wurde im Oktober 2019 geschlossen und der Stadt in der vorbeschriebenen Weise angezeigt. Nach sechs Wochen forderte die Stadt den Kaufvertrag an und übte sodann exakt am letzten Tag der Zweimonatsfrist das Vorkaufsrecht aus. Eine weitere Abwicklung des Kaufvertrags wurde mit dem Verweis auf die Rechtsmittelfrist von einem Monat vertagt und sodann die Beurkundung der sachenrechtlich erforderlichen Nachtragsurkunde (statt des unpraktikablen Verfahrens des § 28 BauGB) über mehrere Wochen verzögert. Im Ergebnis wurde damit der Kaufpreis nicht wie erwartet Ende November, sondern Ende Mai 2020 gezahlt. Dem Verkäufer entstand allein dadurch ein „Zinsschaden“ von über 30.000 €. Wohnungen wurde dadurch im Übrigen auch nicht schneller gebaut.
Eine Verlängerung der Vorkaufsrechtsfrist in allen (!) Fällen mit Nachteilen für alle (!) Verkäufer und Käufer von betroffenem Grundbesitz bedarf daher einer besonderen gesetzgeberischen Begründung. Dies gilt umso mehr, als diese Frist in der Praxis auch als indirekte Leitlinie für die bloße Ausstellung eines Negativzeugnisses herangezogen wird.
Sofern man in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig werden will, sollte damit nicht nur über eine Verlängerung der Frist für die sehr seltenen Fälle der öffentlichen Baulandmobilisierung nachgedacht werden, sondern andererseits auch über eine effektive Verfahrensbeschleunigung in der ganz großen Zahl der Fälle, bei denen ein Vorkaufsrecht nach BauGB überhaupt nicht einschlägig ist. Ein sinnvoller Ansatz könnte dabei nach dem Vorbild von § 6 Grundstücksverkehrsgesetz geregelt werden: Danach müsste die Gemeinde verpflichtet sein, das bloße Negativattest, dass kein Vorkaufsrecht besteht, innerhalb von einem Monat zu erteilen. Kommt sie bei dieser Prüfung zu dem Ergebnis, dass ein Vorkaufsrecht grundsätzlich besteht, die Entscheidung über die konkrete Ausübung aber aus besonderen Gründen längere Zeit als zwei Monate bedarf, könnte sie diese Frist ausnahmsweise um einen Monat verlängern. Der Gesetzestext in § 28 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BauGB könnten dann wie folgt aussehen:
„Das Vorkaufsrecht kann nur binnen eines Monats nach Mitteilung des Kaufvertrags durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer ausgeübt werden. Kann die Prüfung des Vorkaufsrechts in dieser Zeit nicht abgeschlossen werden, so ist vor Ablauf der Frist dem Veräußerer ein Zwischenbescheid zu erteilen; durch den Zwischenbescheid verlängert sich die Frist des Satzes 1 auf zwei Monate.“