Stellungnahme vom 27.09.2019
Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.3.2019 zum Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien. Notarinnen und Notare sind regelmäßig mit Adoptionsverfahren befasst, weil die für eine Adoption notwendigen Einwilligungserklärungen nach §§ 1746, 1747 und 1749 BGB der notariellen Beurkundung bedürfen (§ 1750 Abs. 1 Satz 2 BGB).
1. Grundansatz des Referentenentwurfs: Ermöglichung der Stiefkindadoption, nicht der gemeinschaftlichen Adoption fremder Kinder durch nichteheliche Paare
Im Referentenentwurf wird lediglich die vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig befundene Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien ermöglicht (im Diskussionspapier des BMJV vom 7.6.2019 als „Lösung A“ bezeichnet). Der dazu gewählte regelungstechnische Ansatz, mit dem die Vorschriften über die Annahme eines Kindes des anderen Ehegatten in entsprechenden Konstellationen entsprechend gelten sollen (§ 1766a Abs. 1 BGB-E), ist aus unserer Sicht zu begrüßen.
Der Entwurf ermöglicht hingegen nicht die gemeinschaftliche Adoption fremder Kinder durch nichteheliche Paare (im Diskussionspapier als „Lösung B“ bezeichnet). Wir hatten bereits in unserer Stellungnahme vom 26.6.2019 zum Diskussionspapier auf die damit verbundenen verfassungsrechtlichen Bedenken hingewiesen. Wir waren insofern auch darauf eingegangen, dass, wenn die gemeinschaftliche Adoption nicht ermöglicht werden würde, für betroffene Paare die Möglichkeit bestünde, nach erfolgter Einzeladoption durch einen Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft die Stiefkindadoption durch den anderen Partner durchzuführen. Die Begründung des Referentenentwurfs bestätigt, dass eine solche Sukzessivadoption möglich ist (Begründung zu § 1766 Abs. 1, S. 11). Aus Sicht der Praxis ist diese Klarstellung in der Begründung im Hinblick auf künftige Verfahren zu begrüßen, möglichen „Missbrauchs- oder Umgehungseinwänden“ sollte damit der Boden entzogen sein. Im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Bedenken stellt sich jedoch die Frage, weshalb die damit mögliche gemeinsame Elternschaft nichtehelicher Partner über den Umweg einer Sukzessivadoption nicht gleich mittels einer gemeinschaftlichen Adoption ermöglicht wird. Eine mögliche verfassungswidrige Ungleichbehandlung dürfte jedenfalls – soweit eine solche vorliegt – nicht dadurch geheilt werden, dass ein solcher Umweg durch eine Sukzessivadoption möglich ist, weil sich die beiden Adoptionsformen im Ablauf voneinander unterscheiden.[1]
2. Begriff der verfestigten Lebensgemeinschaft
a) Bedenken gegen die Verwendung des unterhaltsrechtlichen Begriffs im Rahmen der adoptionsrechtlichen Regelungen
Grundvoraussetzung für die Annahme von Kindern eines nichtehelichen Paares ist nach dem Referentenentwurf, dass zwei Personen in einer verfestigten Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt leben (§ 1766a Abs. 1 BGB-E). Wir hatten in unserer Stellungnahme zum Diskussionspapier Bedenken gegen die Verwendung des Begriffs der verfestigten Lebensgemeinschaft geäußert. Denn dieser Begriff wird bereits in § 1579 Nr. 2 BGB verwendet (worauf auch die Begründung des Referentenentwurfs hinweist).
Zwar wird die verfestigte Lebensgemeinschaft nach § 1766a Abs. 1 BGB-E in Abgrenzung zu § 1579 Nr. 2 BGB insofern weiter eingegrenzt und konkretisiert, als § 1766a Abs. 1 BGB-E zusätzlich einen gemeinsamen Haushalt verlangt. Allerdings bestehen die grundlegenden Unterschiede zwischen beiden Normen nach wie vor. Die Normen haben jeweils eine eigene Schutzrichtung bzw. Interessenlage vor Augen. Im Rahmen des § 1579 BGB geht es um die Beschränkung oder die Versagung des nachehelichen Unterhalts aus Billigkeitsgründen, weil sich der andere Ehegatte endgültig aus der ehelichen Solidarität gelöst und zu erkennen gegeben hat, dass er dieser nicht mehr bedarf.[2] Bei der Adoption geht es darum, die Lebensbedingungen des Kindes durch die Annahme so zu verändern, dass eine erheblich bessere Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes zu erwarten ist,[3] und nicht um eine nacheheliche Solidarität bzw. deren Nichtmehrvorhandensein.
Durch die Wahl desselben Begriffes für verschiedenartige Normen wird Rechtsprechung und Lehre zudem die interessengerechte Herausarbeitung von Kriterien für die Auslegung und Konturierung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs erschwert, weil die zu beurteilenden Lebenssachverhalte unterschiedlich sind.
b) Definition für die verfestigte Lebensgemeinschaft laut Referentenentwurf deckt sich mit der bundesverfassungsgerichtlichen Definition der eheähnlichen Gemeinschaft, die Tatbestandsmerkmal des Regelbeispiels i. S. d. § 1766a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB-E ist
In der Begründung des Referentenentwurfs wird die verfestigte Lebensgemeinschaft unter Verweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.11.1992 (1 BvL 8/87) als eine Lebensgemeinschaft definiert, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründet, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht. Das Bundesverfassungsgericht hat in besagter Entscheidung indes nicht die „verfestigte Lebensgemeinschaft“ definiert, sondern die „eheähnliche Gemeinschaft“. Das passt insofern, als § 1766a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB-E als Regelbeispiel für die verfestigte Lebensgemeinschaft die Eheähnlichkeit vorsieht. Allerdings deckt sich dann die Definition des Regelbeispiels mit dem gesetzlichen Grundtatbestand. Will man tatsächlich für die verfestigte Lebensgemeinschaft die Kriterien der Definition lt. Referentenentwurf anlegen, läge es näher, direkt den Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft als gesetzlichen Grundtatbestand zu normieren. Das hätte auch den Vorteil, dass eine begriffliche Abgrenzung zum unterhaltsrechtlichen Begriff der verfestigten Lebensgemeinschaft erfolgt.
c) Verwandte i. S. d. § 1307 als gemeinsame Eltern als Folge einer Adoption nach § 1766a BGB-E?
Der Wortlaut des § 1766a Abs. 1 BGB-E verlangt lediglich zwei Personen, die in einer verfestigten Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt leben. Fraglich ist, ob diese Voraussetzungen auch von Verwandten erfüllt werden können, die wegen des Eheverbots nach § 1307 BGB keine Ehe schließen können. Wäre das so, könnte sich daraus ein Wertungswiderspruch ergeben.
Beispiel: F ist Mutter eines minderjährigen Kindes K. Der Vater ist verstorben. F lebt mit K und ihrer Schwester S – die auch Patentante von K ist – gemeinsam in einem Haushalt. F und S sind ledig und beabsichtigen, dauerhaft eine Lebensgemeinschaft mit gemeinsamem Haushalt zu führen. S will K adoptieren.
Wäre eine Adoption nach § 1766a BGB-E möglich, würde K das gemeinsame Kind der Schwestern S und F werden. Entscheidend ist, ob die Beziehung zwischen Geschwistern – oder anderen Verwandten i. S. d. § 1307 BGB – eine verfestigte Lebensgemeinschaft darstellt. Legt man die oben unter b) genannte Definition des Referentenentwurfs zugrunde, dürfte das wohl abzulehnen sein. Denn ein Tatbestandsmerkmal der Definition ist, dass die Gemeinschaft „keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt“. Im Urteil zur Verfassungsmäßigkeit des LPartG hatte das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass eingetragene Lebenspartnerschaften keine weitere Beziehung gleicher Art neben sich zulassen, während Geschwister und andere verwandtschaftliche Einstandsgemeinschaften häufig in weitere vergleichbare Beziehungen eingebunden sind und auch neben einer sonstigen Bindung durch Ehe oder Partnerschaft bestehen.[4] Dieser Gedanke könnte auch für die Auslegung der verfestigten Lebensgemeinschaft i. S. d. § 1766a BGB-E fruchtbar gemacht werden. Demnach wären verwandtschaftlichen Beziehungen nicht als verfestigte Lebensgemeinschaften anzusehen.
Damit würde im Ergebnis doch wieder ein Gleichlauf der Adoption nach § 1766a BGB-E mit der Adoption durch Ehegatten erzielt und ein Wertungswiderspruch vermieden. Das setzt aber voraus, dass man der Definition der Begründung des Referentenentwurfs folgt, die vom Bundesverfassungsgericht ursprünglich gerade für die eheähnliche Gemeinschaft erdacht worden ist (siehe oben unter b)). Sicherer und dogmatisch einfacher erscheint es, im Gesetz unmittelbar den Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft zu verwenden.
3. Zum Erfordernis des gemeinsamen Haushalts
Ausweislich der Begründung des Referentenentwurfs soll den unterschiedlichen Zielrichtungen von § 1579 Nr. 2 BGB und § 1766a BGB-E dadurch Rechnung getragen werden, dass als einschränkendes Tatbestandsmerkmal das Führen eines gemeinsamen Haushalts verlangt wird. Indes erscheinen Situationen denkbar, in denen zwar kein gemeinsamer Haushalt zwischen den Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft geführt wird, gleichwohl aber die Zulassung einer Stiefkindadoption gerechtfertigt sein kann.
Beispiel: K ist seit seinem vierten Lebensjahr von seiner Mutter M und deren Lebensgefährten L aufgezogen worden. L ist seit K’s zwölftem Lebensjahr querschnittsgelähmt und lebt seitdem in einer Pflegeeinrichtung, da eine häusliche Pflege durch M nicht bewerkstelligt werden kann. Dort wird L von M und K regelmäßig besucht. Nach einigen Jahren entschließt sich die Familie, eine (Stiefkind-)Adoption des K durch L zu beantragen.
Das gewählte Fallbeispiel zeigt, dass eine funktionierende Ehe oder eheähnliche Gemeinschaft nicht zwingend das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt voraussetzt. Zu bedenken ist, dass die Lebenswirklichkeit auch in intakten Ehen und Familien vielfältiger geworden ist. Die Rahmenbedingungen des modernen Berufslebens bewirken, dass selbst Ehepartner inzwischen häufig getrennte Haushalte führen. Dass damit zugleich zwangsläufig eine Situation vorliegt, in der eine Stiefkindadoption ausscheiden soll, erscheint nicht sachgerechnet, zumal die Umstände des Einzelfalls ohnehin im Rahmen zusätzlich vom Gericht am Maßstab des § 1741 BGB geprüft werden müssen. Es mag zwar in vielen Fällen durch eine weite Auslegung des vom RefE vorgeschlagenen Begriffs des „gemeinsamen Haushalts“ diesen Konstellationen noch Rechnung getragen werden. Das vorgenannte Beispiel belegt jedoch, dass es vorzugswürdig erscheint, auf dieses Merkmal zu verzichten, und stattdessen auf das Vorliegen einer „eheähnlichen Gemeinschaft“ abzustellen.
4. Zu den vorgeschlagenen Änderungen im EGBGB
Der RefE schlägt eine Änderung im Internationalen Privatrecht dahin gehend vor, dass primär an die lex fori und hilfsweise an den gewöhnlichen Aufenthalt des Anzunehmenden angeknüpft wird. Diese Änderung ist zu begrüßen, da sie die Handhabung in der Praxis erheblich erleichtert. Sie trägt zudem der Kritik an der bisherigen Vorschrift Rechnung und entspricht in der Literatur geäußerten Reformvorschlägen.[5]
Fußnoten:
[1] BVerfG v. 19.2.2013 – 1 BvR 3247/09 (zur Sukzessivadoption von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften), Rn. 92.
[2] BGH v. 13.7.2011 − XII ZR 84/09, NJW 2011, 3089; Palandt/Brudermüller, § 1579 BGB Rn. 11.
[3] BVerfG v. 26.3.2019 – 1 BvR 673/17, Rn. 11.
[4] BVerfG, Urteil vom 17.7.2002 – 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01, NJW 2002, 2543.
[5] Vgl. Helms, StAZ 2015, 97; Mansel IPRax 2015, 185 (bisher zit. nach BeckOK BGB/Heiderhoff, Art. 22 EGBGB Rn. 1.