Stellungnahme vom 28.10.2016
Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme. Die notarielle Praxis bringt zahlreiche Berührungspunkte zum Kindschaftsrecht mit sich. Über die Beurkundungs- und Beglaubigungstätigkeit im Zusammenhang mit Maßnahmen der Reproduktionsmedizin hinaus (z. B. Zustimmungserklärungen, Freistellungsvereinbarungen, Vaterschaftsanerkenntnisse, Adoptionsanträge) gewinnen Notarinnen und Notare auch über die weitergehende familien- und erbrechtliche Beratung in der Regel ein breites und umfassendes Bild nicht nur der rechtlichen, sondern auch der tatsächlichen Verhältnisse in diesem Bereich. Aus diesem Bild möchten wir folgende Aspekte hervorheben, die uns aus diesem Teilaspekt der Praxis besonders bedeutsam erscheinen:
1. Regelungsziel des Entwurfs
Der Gesetzentwurf verfolgt das Ziel, das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Kenntnis der Abstammung einerseits und andererseits den Wunsch der sozialen Eltern auf Vollintegration des Kindes in die eigene Familie sowie den Schutz des Samenspenders vor den Rechtsfolgen der biologischen Vaterschaft zum Ausgleich zu bringen.
Wurde der Schutz des biologischen Vaters bislang vor allem auf tatsächlicher Ebene erreicht, indem Anonymität zugesichert und gewährleistet wurde, kann bei einer Nachverfolgbarkeit und Offenlegung der Identität des biologischen Vaters ein Schutz vor Inanspruchnahme nur normativ erreicht werden.
Der Entwurf greift eine typische Fallgestaltung auf, nämlich die bisher weitgehend anonyme Samenspende über entsprechende Einrichtungen.
2. Privilegierung der über Samenbanken organisierten Samenspende
Die Begründung zu § 1600d Abs. 4 BGB-E führt aus, dass nur bei Einschaltung einer Samenbank grundsätzlich davon ausgegangen werden darf, dass der Spender keine Verantwortung für das Kind übernehmen will.
In der notariellen Praxis begegnen uns aber auch andere Fälle, in denen Verwandte des einen sozialen Elternteils oder Freunde/Bekannte zu einer Samenspende bereit sind, die eine Samenspende zu Gunsten unbekannter Dritter ablehnen würden, die aber selbst die Stellung eines sozialen Elternteils nicht übernehmen wollen, sei es, dass sie diese persönlich ablehnen, sei es, dass sie nicht allein durch das Wissen um ihre Person in eine Konkurrenz zu den sozialen Eltern treten wollen. Zum Beispiel im Zusammenhang mit Adoptionen durch Lebenspartnerinnen kommen immer wieder Fälle vor, in denen in erster Linie die persönliche Bekanntschaft mit Mutter und Co-Mutter die Bereitschaft zur Samenspende fördert, ohne dass der Spender später Verantwortung für das Kind übernehmen will und ohne dass dies von ihm erwartet wird.
Es wird angeregt zu prüfen, ob auch für die Fälle der privaten Samenspende eine Privilegierung (z. B. Freistellung durch § 1600d BGB) möglich ist, wenn die Samenspende einem entsprechenden Verfahren unterworfen wird.
3. Vaterschaftsanerkenntnis vor Empfängnis und vorgeburtliche Adoption
Der Entwurf des § 1600 d Abs. 4 BGB regelt nur, dass der Samenspender nicht als Vater festgestellt werden kann. Eine Verpflichtung des sozialen Vaters wird weder begründet noch wird dessen Feststellung als Vater vorausgesetzt. Weil es derzeit kein Vaterschaftsanerkenntnis vor der Empfängnis gibt – es gibt vor der Empfängnis nur den Anfechtungsausschluss für den sozialen Vater, der mit der Mutter verheiratet ist, § 1600 Abs. 5 BGB –, sind Fälle denkbar, in denen sich der ‚geplante‘ künftige soziale Vater anders entscheidet und die Vaterschaft dann doch nicht anerkennen will. Wenn es kein Kind ohne Vater geben soll, braucht man ein „Vaterschaftsanerkenntnis vor Empfängnis“. Ferner ist an die Fälle zu denken, in denen die Mutter vor Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung verstirbt. Eine Anerkennung der Vaterschaft ist dann nach herrschender Meinung nicht möglich, die Beteiligten werden auf die Vaterschaftsfeststellung verwiesen, die aber in diesen Fällen des Nichtbestehens einer biologischen Vaterschaft nicht möglich sein wird.
Eine Anfechtbarkeit kann wie auch in § 1600 Abs. 5 BGB („Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, […]“) für den Fall vorgesehen werden, dass der Samenspender nicht der biologische Vater des Kindes ist.
Auch und gerade wegen der Entlassung des Samenspenders aus der Verantwortung für das Kind sollte es flankierend Regelungen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften geben, insbesondere für Lebenspartnerinnen bei der Verwendung von Samenspenden, um die Rechte und vor allem Pflichten von Co-Müttern zu regeln. Zu denken wäre etwa an die Möglichkeit einer vorgeburtlichen Adoption.
Umgekehrt scheint die Vorschrift über das Ziel hinauszugehen. Ihrem Wortlaut nach schließt sie die Feststellung der Vaterschaft durch den biologischen Vater aus. Es sollte eine Klärung herbeigeführt werden, ob und auf welchem Weg die rechtliche Vaterschaft des biologischen Vaters jedenfalls in den Fällen herbeigeführt werden kann, in denen alle Betroffenen ihr Einverständnis in notariell/öffentlich beurkundeter Erklärung erklären.
4. Verfahren
a) Erfassung der Geburtsurkunde mit Elterneinträgen
Um sicherzustellen, dass eine andere Person an die Stelle des Samenspenders tritt (sozialer Vater, Co-Mutter) sollte neben den in § 6 SaRegG-E genannten Daten auch eine Geburtsurkunde mit Eintrag des entsprechenden sozialen Elternteils eingesandt und mit den übrigen Daten gespeichert werden.
b) Antrag auf Auskunft
Für den Antrag auf Auskunft gem. § 10 SaRegG-E reicht die Vorlage der Geburtsurkunde und einer Kopie des Personalausweises (§ 10 Abs. 3 SaRegG-E) wegen der besonderen Sensibilität der Daten nicht aus. Geburtsurkunden können von unterschiedlichen Personen erlangt werden (vgl. §§ 62 ff. PStG) und Ausweiskopien werden zu unterschiedlichen Zwecken gefertigt. Gerade weil das Gesetz eine Beratung des Auskunftssuchenden sicherstellen will, sollte der Antrag bzw. die Auskunftserteilung über geeignete Stellen mit sicherer Identifikation erfolgen. Zum Vergleich kann hier das Verfahren nach § 42 BZRG zur Einsichtnahme in die Angaben des Bundeszentralregisters herangezogen werden.
5. Grundsatzüberlegungen
Leitgedanke des Systems der Vaterschaftsanerkennung und –feststellung war, demjenigen die rechtliche Rolle des Vaters mit allen Rechten und Pflichten zuzuweisen, der der Erzeuger des Kindes ist. Das Anfechtungsrecht eröffnet Korrekturmöglichkeiten, die aber wiederum zum Schutz sozialer Beziehungen eingeschränkt sind.
Bei der Samenspende werden biologische und geplante soziale/gewollte rechtliche Vaterschaft entkoppelt. Deshalb ist zu hinterfragen, ob das Rechtsinstitut der Vaterschaftsanerkennung/Vaterschaft aufgrund Ehe auf diese Fälle passt, insbesondere wenn es hinsichtlich Verfahren und Rechtsfolgen mit einer Annahme als Kind, namentlich als Stiefkindadoption, verglichen wird.
Beispiel 1: M und F leben in einer verfestigten Partnerschaft. Ihr Kinderwunsch soll durch die Samenspende eines Dritten erfüllt werden. F bringt aufgrund der ärztlich begleiteten heterologen Insemination das Kind K zur Welt. Entgegen dem Behandlungsvertrag hat M die Vaterschaft nicht anerkannt. Mit der Begründung, nicht anerkennen zu können, was nicht den Tatsachen entspreche, und um eine unanfechtbare Stellung als Vater zu erhalten, möchte er K als Kind annehmen, wobei F ihre Stellung als Mutter nicht verlieren soll. Heiraten wollen beide nicht.
Beispiel 2: F1 und F2 sind eingetragene Lebenspartnerinnen. Durch eine Samenspende bei F2 wird K gezeugt. F1 als Co-Mutter möchte möglichst frühzeitig – auch zur Absicherung des Kindes – eine rechtliche Stellung als Elternteil erhalten; auch für den Fall, dass F2 etwas zustößt. Das Familiengericht ist der Auffassung, dass eine Annahme als Kind erst nach Ablauf der Wartefrist beantragt und erst nach einer Adoptionspflegezeit ausgesprochen werden kann.
Der Gesetzentwurf wird so verstanden, dass der Schwerpunkt bei der Auskunftserteilung und dem Verfahren liegt. Die Regelungen zum Kindschaftsrecht haben kompensatorischen Charakter. Es bleiben zahlreiche Fragen offen. Deshalb sollte ein auf dem Entwurf beruhendes Gesetz nicht den Abschluss gesetzgeberischer Maßnahmen bilden, sondern zu einer Systematisierung des Kindschaftsrechts in diesem Bereich führen.