Schreiben vom 09.06.2004
Ich schreibe Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender der Justizministerkonferenz.
Auf der nächsten Justizministerkonferenz am 17./18. Juni 2004 in Bremerhaven wird nach unserer Kenntnis auch der elektronische Registerverkehr behandelt werden.
Notare wirken beim Registerverkehr verantwortlich mit. Der Deutsche Notarverein sieht sich insoweit durch einen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 13.5.2004 alarmiert. In dem Artikel ist von Plänen des Bundesjustizministeriums die Rede, ab dem 1.1.2007 bei Registeranmeldungen gänzlich auf die notarielle Mitwirkung verzichten zu wollen. Vielmehr soll dann die Anmeldung zum Handelsregister ohne notarielle Beglaubigung für jedermann möglich sein. Dies soll im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 2003/58/EG (Änderung der Publizitätsrichtlinie) und der Einführung des elektronischen Registerverkehrs erfolgen. Tatsächlich macht die Publizitätsrichtlinie hierzu jedoch keine Vorgaben, wie sich aus Erwägungsgrund Nr. 6 („…unbeschadet der grundlegenden Anforderungen und vorgeschriebenen Formalitäten des einzelstaatlichen Rechts …“) und Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie („…und sonstige anmelde- oder mitwirkungspflichtige Personen und Stellen…“) ergibt. Um den Übertragungsweg von Handelsregisteranmeldungen zu erleichtern, muss man nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und die sinnvolle öffentliche Beglaubigung gleich mit abschaffen.
Im Gegensatz zu den Plänen, die Beglaubigung abzuschaffen, sieht der gegenwärtig ebenfalls diskutierte Referentenentwurf des Justizkommunikationsgesetzes (veröffentlicht unter http://www.bmj.bund.de/media/archive/522.pdf) vor, dass Beglaubigungen künftig durch den Notar elektronisch vorgenommen werden können. Parallel dazu soll eine Regelung in der ZPO geschaffen werden, die die Beweiskraft öffentlicher elektronischer Dokumente mit der öffentlicher Urkunden gleichstellt. Dieser Ansatz erscheint folgerichtig und wird vom Deutschen Notarverein begrüßt, weil er den Anforderungen der Rechtspraxis an einen modernen Geschäftsverkehr gerecht wird. Dagegen würde es diesen Anforderungen gerade nicht gerecht, wenn künftig jedermann ohne notarielle Mitwirkung Anmeldungen zum Handelsregister einreichen könnte.
Der Geschäftsverkehr verlangt ein schnelles, zuverlässiges, effizientes und reibungslos funktionierendes Handelsregister. Dies lässt sich ohne die Filterfunktion, die der Notar bei den Handelsregisteranmeldungen wahrnimmt, nicht oder nur mit erheblichem (insbesondere personellem) Mehraufwand bei Gericht gewährleisten. Die Jahre nach 1989 haben gezeigt, dass der Verbund Notar – Handelsregister eine Schlüsselfunktion in der Umsetzung wirtschaftlicher (Investitions-)Entscheidungen in einen Rechtsrahmen innehat. Als dieser im Umfeld der Wiedervereinigung nämlich nicht funktioniert hat, ging erst einmal gar nichts mehr. Solange der Verbund Notar-Handelsregister funktioniert hatte, hat sich niemand darüber Gedanken gemacht, was Störungen hier auslösen können, bis diese da waren. Es stellt sich die Frage, ob diese Erkenntnis ein gutes Jahrzehnt nach dem 3.10.1990 keine Gültigkeit mehr hat.
Insofern möchten wir daran erinnern, dass der Notar in der Praxis über die reine Beglaubigungsfunktion hinaus in umfangreichem Maße beratend und prüfend tätig wird und regelmäßig den Text der Anmeldung für seine Klienten entwirft. Daher sind Handelsregisteranmeldungen in der Regel richtig aufgesetzt und erfordern nur einen geringen gerichtlichen Prüfungsaufwand. Beanstandungen sind selten. Direkten Nachfragen von Seiten der Anmeldenden sieht sich das Handelsregister bisher nur in Ausnahmefällen ausgesetzt. All dies würde sich ändern, wenn die Vorstellungen des Bundesjustizministeriums Wirklichkeit werden und die Notare künftig nicht mehr die Schnittstelle zum Handelsregister bilden. Ohne notarielle Mitwirkung wird es zwangsläufig mehr fehlerhafte Anmeldungen und damit einen höheren Arbeitsaufwand beim Handelsregister für die Bearbeitung von Beanstandungen, Rückfragen etc. geben. Aber auch die reine Beglaubigung ist nicht bloß Formalität. Durch die Beglaubigung ist nicht nur die Identität des Unterzeichnenden festgestellt, sondern auch die persönliche Abgabe der Erklärung, das Fehlen von Zwang oder Täuschung und die Geschäftsfähigkeit. Missbrauch wird damit verhindert, ein Umstand, der für die Funktion eines öffentlichen Registers unabdingbar ist.
Nimmt man hinzu, dass der Entwurf der Bundesregierung zum Handelsregistergebühren-Neuordnungsgesetz vorsieht, dass spätestens einen Monat nach Eingang der Anmeldung über die Eintragung zu bescheiden ist, steht zu befürchten, dass die Handelsregister bei gleichzeitigem Wegfall der notariellen Beglaubigung unter der Arbeitslast zusammenbrechen würden.
Aus Sicht des Deutschen Notarvereins erscheint es ferner unvorstellbar, wie bei Wegfall der notariellen Beglaubigungszuständigkeit am Erfordernis der strafbewehrten Versicherungen (wie z.B. die Versicherung über die Leistung der Stammeinlagen in § 8 Abs. 2 GmbHG) festgehalten werden kann. Zum Schutz des Rechtsverkehrs und der versichernden Anmelder sowie als Grundlage für Sanktionen erscheint eine Belehrung durch den Notar über die Rechtsfolgen der Versicherung unabdingbar. Bei der Anmeldung neuer Geschäftsführer ist die Belehrung durch einen Amtsträger sogar gesetzlich in § 8 Abs. 3 GmbHG festgelegt. Dies ist auch sachgerecht.
Zudem ließe sich die Unterschriftszeichnung, wie sie z.B. in § 8 Abs. 5 GmbHG vorgeschrieben ist, ohne eine öffentliche Beglaubigung überhaupt nicht mehr aufrechterhalten.
Aus den vorgenannten Gründen und weil die Führung der Handelsregister in die Justizhoheit der Länder fällt, bitten wir Sie, den Plänen des Bundes entgegenzutreten.
Der Deutsche Notarverein regt an, die Diskussion nicht allein unter dem Gesichtspunkt der einfachen elektronischen Übermittlung der Handelsregisteranmeldung durch den Notar zu führen. Vielmehr sollte die Schnittstellenfunktion des Notars verstärkt werden. Dies könnte dadurch geschehen, dass die Prüfung, die bisher dem Handelsregister obliegt, auf den Notar vorverlagert wird. Der Notar könnte die von ihm geprüften Daten in einer strukturierten Form so an das Handelsregister übermitteln, dass diese automatisch in die Registersoftware überführt werden können. Das Register könnte dann den elektronisch erstellten Verfügungsentwurf durch Knopfdruck verabschieden. Der Gerichtsaufwand könnte auf diese Weise weiter reduziert werden.
Dieses Schreiben übersende ich Ihnen in 16-facher Ausfertigung mit der Bitte, es an die übrigen Mitglieder der Justizministerkonferenz zu verteilen. Außerdem füge ich ein Thesenpapier bei, das auf einer Seite wichtige Argumente gegen die gesetzgeberischen Überlegungen der Bundesregierung zusammenfasst.
Für Rückfragen und ein weiterführendes Gespräch stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.