Stellungnahme vom 22.09.2004
Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem eilbedürftigen Gesetzgebungsvorhaben.
Es bedarf keiner weiteren Erläuterungen, dass der Deutsche Notarverein, der die Entwicklung des internationalen Zivilprozessrechts stets aktiv begleitet hat, die Zielsetzung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 und des im Entwurf vorgelegten Durchführungsgesetzes begrüßt und nachdrücklich unterstützt. Durch die Verordnung wird die vollstreckbare öffentliche Urkunde als preiswertes, effizientes und verkehrsfähiges Mittel der Rechtsdurchsetzung weiter gestärkt. Der Verkehrsfähigkeit von Vollstreckungstiteln kommt in einem zusammenwachsenden Europa entscheidende Bedeutung zu.
1. Hintergrund
Vor diesem Hintergrund ist es aus der Sicht des Deutschen Notarvereins sehr zu begrüßen, dass der Europäische Gesetzgeber in der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 über die aus der „Brüssel I“-Verordnung bekannter Regelungstechnik hinausgegangen ist und eine eigene europäische Definition der öffentlichen Urkunde geschaffen hat. Nach der Definition in Artikel 4 Absatz 3a der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 ist eine öffentliche Urkunde ein Schriftstück, das als öffentliche Urkunde aufgenommen oder registriert worden ist, wobei sich die Bedeutung auf die Unterschrift und den Inhalt der Urkunde bezieht (i). Die Beurkundung muss von einer Behörde oder von einer anderen vom Ursprungsmitgliedstaat hierzu ermächtigten Stelle vorgenommen worden sein (ii). Damit macht sich der europäische Gesetzgeber im Wesentlichen die Definition des EuGH aus dem Urteil vom 17. Juni 1999 in der Rechtssache Uni-Bank (C-260/97) zu Eigen.
Die so definierte öffentliche Urkunde ist nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 nicht nur den dort ebenfalls geregelten gerichtlichen Vollstreckungstiteln gleichgestellt, sondern diesen in Teilbereichen überlegen. In verschiedenen Detailregelungen, wie etwa der Nichtanwendung der für Gerichtsverfahren vorgesehenen verfahrensrechtlichen Mindeststandards, zieht die Verordnung die Konsequenz aus der Rolle des Notars, der gleichermaßen Verbraucherschützer und Garant für ein faires Verfahren ist. Das im Referentenentwurf vorgelegte EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz ergänzt die unmittelbar anwendbare Verordnung und füllt den dem nationalen Gesetzgeber überlassenen Gestaltungsspielraum aus, indem insbesondere Kompetenzregeln geschaffen werden.
Der Deutsche Notarverein begrüßt den Ansatz des Durchführungsgesetzes, der der Tragweite der auszugestaltenden Verordnung gerecht wird. Die Verortung der Vorschriften im neuen elften Buch der Zivilprozessordnung ist konsequent; die Vorgaben des europäischen Rechts werden für den Bereich der vollstreckbaren notariellen Urkunde im Wesentlichen gut ausgefüllt. Allerdings zeigt der Entwurf auch an einigen Stellen Schwächen: Im Bereich der Zuständigkeit für Widerruf oder Berichtigung der Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel wäre eine praxisnähere Regelung wünschenswert. Auch die vorgeschlagene Änderung der Kostenordnung greift zu kurz.
Zu den aus der Sicht des deutschen Notariats relevanten Bestimmungen des Gesetzentwurfs möchten wir im Einzelnen Folgendes anmerken:
2. § 1079 ZPO-E Notarielle Zuständigkeit
Der Deutsche Notarverein begrüßt ausdrücklich, dass mit dem vorgeschlagenen neuen § 1079 ZPO die Zuständigkeit für die Ausstellung der Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel für eine öffentliche Urkunde, bei der mit öffentlichen Glauben versehenen Person liegen soll, der auch die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung obliegt. Für notarielle Urkunden ist damit konsequenterweise die Zuständigkeit des Urkundsnotars zur Erteilung der Bestätigung begründet.
Damit ist zum einen die sachnächste und damit kompetenteste öffentliche Stelle mit der Ausstellung der Bestätigung betraut, zum anderen stärkt der deutsche Gesetzgeber auch die Position des Notars als Träger eines öffentlichen Amtes: Rechtfertigt sich doch das der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zugrunde liegende Prinzip der gegenseitigen Anerkennung von Vollstreckungstiteln in dem Vertrauen auf zuverlässig funktionierende und die Verfahrensgrundrechte wahrende Justizsysteme in den anderen Mitgliedstaaten. Der Notar als Träger eines öffentlichen Amtes ist in Deutschland wie auch in den meisten anderen kontinentaleuropäischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein integraler Bestandteil der freiwilligen Gerichtsbarkeit und damit der Justiz. Dass der von einem Notar in der öffentlichen Urkunde geschaffene Vollstreckungstitel durch die Bestätigung des Urkundsnotars internationale Vollstreckbarkeit erlangt, lässt sich nur mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt durch den Notar erklären.
3. § 1081 ZPO-E Berichtigung und Widerruf
Der vorgeschlagene § 1081 ZPO greift nach Ansicht des Deutschen Notarvereins zu kurz. Nach der dort vorgeschlagenen Regelung soll für Entscheidungen über die Berichtigung oder den Widerruf einer notariellen Bestätigung das Amtsgericht zuständig sein. In der Begründung wird dazu ausgeführt, dass eine Kompetenz des Notars, der die Bestätigung ausgestellt hat, nicht sachgerecht erscheine, da sich die Gründe für den Widerruf nicht immer unmittelbar aus der Urkunde ergeben.
Aus der notariellen Praxis heraus betrachtet, erscheint diese Begründung alles andere als überzeugend: Der Notar ermittelt den Willen der Beteiligten und entwirft nach dem Ergebnis dieser Ermittlungen den Vertrag. Er bespricht den Vertrag mit den Parteien, erläutert seine einzelnen Bestimmungen und passt ihn auch noch in der Beurkundung dem Willen und den Interessen der Parteien an. Auch in der Abwicklung des Vertrages, insbesondere in der Kommunikation mit den öffentlichen Registern, berät und betreut der Notar die Parteien.
Demgemäß ist eine sachnähere und mit den Hintergründen des Falles vertrautere Instanz als die des Urkundsnotars nach Ansicht des Deutschen Notarvereins nicht denkbar. Es wäre der Rechtspflege dienlich und im Sinne eines effizienten Vollstreckungsverfahrens geboten, auch für die Entscheidung über die Berichtigung oder den Widerruf einer notariellen Bestätigung die Zuständigkeit des Urkundsnotars vorzusehen. Die hier skizzierte Regelung der Zuständigkeit für Entscheidungen über die Berichtigung oder den Widerruf einer notariellen Bestätigung würde auch zur Gerichtsentlastung beitragen. Als Vorbild für eine Vorschrift, die im Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Gerichtsbarkeit durch eine Abhilfezuständigkeit für Gerichtsentlastung sorgt, ist § 11 Absatz 2 Satz 2 des Rechtspflegergesetzes zu nennen: Danach hat der Rechtspfleger die Befugnis, einer Erinnerung, die gegen seine Entscheidung eingelegt worden ist, selbst abzuhelfen. Dem Urkundsnotar würde durch die Zuständigkeit gleichermaßen die Möglichkeit an die Hand gegeben, insbesondere monierten Schreibfehlern und ähnlichen Unrichtigkeiten in der Bestätigung zügig „abzuhelfen“: Warum soll für den Fall, dass bei der Schreibweise der portugiesischen Adresse oder eines lettischen Namens ein Fehler aufgetreten ist, zwingend das Amtsgericht mit der Angelegenheit befasst werden? Solche und andere Anträge auf Berichtigung oder Widerruf der Bestätigung können vom Urkundsnotar zügig erledigt werden, ohne dass gleichzeitig eine Verkürzung des Rechtsschutzes zu befürchten ist: Gegen die Entscheidung des Urkundsnotars steht den Parteien dann der Rechtsweg nach den allgemeinen Vorschriften offen.
4. § 148 a KostO-E Kostenvorschrift
Die vorgeschlagene Ergänzung von § 148a Absatz 3 Satz 2 Kostenordnung ist das Ergebnis der Gleichstellung des Europäischen Vollstreckungstitels mit der Ausstellung einer Bescheinigung nach Artikel 57 Absatz 4 der „Brüssel I“-Verordnung. Diese Gleichstellung geht nach Ansicht des Deutschen Notarvereins an der Rechtsnatur der Bestätigung vorbei: Die Bestätigung nach der „Brüssel I“-Verordnung ist Bestandteil des für Vollstreckungstitel nach dieser Verordnung notwendigen Anerkennungsverfahrens dar. Zum in Europa vollstreckungsfähigen Titel wird die Urkunde nach der „Brüssel I“-Verordnung aber erst durch die Entscheidung der öffentlichen Instanz im Vollstreckungsstaat. Die Bestätigung nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 stellt demgegenüber die Qualität als europäischer Vollstreckungstitel unmittelbar her – sie ist damit nichts anderes als eine europäische Vollstreckungsklausel.
Damit ist die Ausstellung der Bestätigung nach der Verordnung mit der Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung zur Vollstreckung an einem weiteren Vollstreckungsort vergleichbar. Demgemäß sollte auch die dafür einschlägige Bestimmung des §133 Kostenordnung auf die Ausstellung der Bestätigung Anwendung finden. Das Europarecht eröffnet diese konsequente Eingliederung ins deutsche Kostenrecht: Anders als Artikel 52 der „Brüssel I“-Verordnung steht die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 der Erhebung wertabhängiger Gebühren nicht entgegen.
5. Zusammenfassung
Der Entwurf des EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetzes ist für den Bereich des Notariats insgesamt gelungen. Insbesondere begrüßt der Deutsche Notarverein die Schaffung einer notariellen Zuständigkeit für die Ausstellung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel. Allerdings wäre es wünschenswert, wenn die bestehenden Schwächen im Bereich des Widerspruchs- und Berichtigungsverfahrens beseitigt sowie die inkonsequente Kostenregelung verbessert würden.
Für weitere Informationen oder ein persönliches Gespräch stehen wir gern zur Verfügung.