WEG-Novellierung

Stellungnahme vom 09.12.2004

 

Der deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme. Er begrüßt, dass sich mit dem vorgelegten RefE der Gesetzgeber des Wohnungseigentums so umfangreich annimmt. Infolge des – dogmatisch sachgerechten, hinsichtlich der im Detail strittigen Beschlusskompetenzen der Eigentümerversammlung aber problematischen – Beschlusses des 5. Senates des Bundesgerichtshofes vom 20. September 2000 haben sich für fast alle Wohnungseigentümergemeinschaften sowie die Praxis der Notare und Grund­buchämter zahlreiche Zweifelsfragen ergeben, die dringend einer gesetzlichen Regelung bedürfen. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, auch andere drängende Praxisprobleme einer Lösung zuzuführen. Hierzu ist folgen­des anzumerken:

 

 

I. Zentralgrundbuch und Grundbucheintragung

 

1. Zentralgrundbuch

 

Angesichts der bevorstehenden Arbeiten des Bundes und der Länder zur Einführung des Datenbankgrundbuches (Begründung RefE S. 23) ist es bedauerlich, dass die ganz einhellig von Wissenschaft, Notar- und Rechtspflegerpraxis begrüßte Einführung eines Zentralgrundbuches nicht weiter verfolgt wird. Insbesondere bei Großgemein­schaften brächte das Zentralgrundbuch eine wesentliche Vereinfachung und Be­schleunigung von Neueintragungen und vor allem von Änderungen der Teilungs­erklärung und Gemeinschaftsordnung mit sich. Sie diente ferner in ganz ent­scheidendem Maße der Verbesserung der Grundbuchpublizität und –transparenz. Nicht zuletzt durch die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 01.10.2004 – V ZR 210/03; NJW 2004, 3418) kommt der Prüfung der insgesamt maßgebenden Eintragungsbewilligungen erhöhte Bedeutung zu. Nach heutigem Rechtszustand erfordert die verlässliche Kontrolle des maßgebenden Verein­barungsinhaltes streng genommen die Einsichtnahme in sämtliche Grundbücher einer Wohnungseigentumsanlage. Die auf die Grundbuchämter zukommende Arbeit durch Anlegung von Zentralgrundbüchern für bereits bestehende Gemeinschaften ließe sich durch sachgerechte Anwendung des Opportunitätsgrundsatzes ohne weiteres bewältigen (vgl. zum Zentralgrundbuch insgesamt und insbesondere zu sinnvollen Einführungsmechanismen von Oefele/Schneider DNotZ 2004, 740 ff). Optimiert würde die Grundbuchtransparenz schlussendlich durch eine bei Neuein­tragungen jeweils beizufügende aktuelle Fassung der maßgeblichen Gemeinschafts­ordnung (s. dazu Stellungnahme BNotK ZWE 2003, 353). In Betracht käme insofern auch eine notarielle Bescheinigung (entsprechend §§ 54 GmbHG, 181 AktG).

 

2. Eintragung

 

In ein solches Zentralgrundbuch sollten (zumindest fakultativ) auch gesetzes- oder vereinbarungsändernde Beschlüsse eingetragen werden können (näher noch unten IV. 2.; Armbrüster ZWE 2003, 357). Mittlerweile haben die ersten Wohnungs­eigentümergemeinschaften das Alter von mehr als 50 Jahren erreicht. Wie von ver­schiedenen Verwaltern mit verschiedenen Medien geführte Beschlusssammlungen nach 20, 50 oder 100 Jahren aussehen mögen, entzieht sich auch bei viel Fantasie der Vorstellungskraft. Bei den in die Sammlung aufzunehmenden Beschlüssen mag es sich um minimale Abweichungen von der Gemeinschaftsordnung, im Einzelfall aber auch um erhebliche Beeinflussung des wirtschaftlichen und/oder rechtlichen Gehalts des jeweiligen Wohnungseigentums handeln. Die (zumindest fakultative) Eintragung in das Grundbuch ermöglichte jedenfalls von Zeit zu Zeit die dauerhafte Dokumentation von besonders gewichtigen gesetzes- oder vereinbarungsändernden Beschlüssen.

 

Statt des Zentralgrundbuchs will der RefE eine vom Verwalter zu führende Beschlusssammlung einführen. Die – im Prinzip sinnvolle – Beschlusssammlung durchbricht nach der bisherigen Konzeption des RefE grundlegende Prinzipien des Sachenrechtes (§§ 873 I, 892 BGB; 29 GBO) und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zu „Zitterbeschlüssen“ in neuem Gewande führen. Der RefE überschätzt das allgemeine Qualifikationsniveau der Wohnungsverwalter, eines Berufs ohne jeden regulierten Ausbildungsgang (und ohne eine § 34c GewO vergleichbare Zuverlässigkeitsprüfung). Selbst professionelle Verwalter sind nach den Erfahrungen der Praxis nur bedingt in der Lage, Beschlüsse mit der erforderlichen sachenrecht­lichen Klarheit zu protokollieren. Auch bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung und kleinen Aktiengesellschaften sind bis zu geschätzten 50 % aller ohne Rechts­beratung gefassten Beschlüsse aus formalen Gründen nichtig oder mangels recht­licher Eindeutigkeit unbrauchbar, wenn nicht gar streitverursachend. Ein dauerhafter Schutz gegen das Abhandenkommen oder die nachträgliche Veränderung bzw. Entfernung einzelner Unterlagen ist bei einer rein privaten Aktenführung nicht gegeben. Konse­quenz: Durch nur einen einzigen unzuverlässigen Verwalter (Unfähigkeit, aber auch bewusste Manipulation)  oder durch höhere Gewalt (z.B. Brand, Wasserschaden) könnten sachenrechtliche Verhältnisse verändert werden.

 

Mit Beschlüssen über Änderungen der Kostenverteilung und/oder bauliche Veränderungen (§§ 16 Abs. 2, 22 Abs. 1 RefE) werden außerdem sehr oft weitere Veränderungen der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung verbunden (z.B. Grundrissverschiebungen Sonder-/Gemeinschaftseigentum, Veränderung von Sondernutzungsrechten, Stimmrechtsregelungen), die nach anderen Vorschriften sehr wohl formbedürftig sind (§§ 4, 10 Abs. 2 WEG; § 873 I BGB i.V.m. § 29 GBO). Dies wird von den Beteiligten leicht übersehen. Hier besteht mangels notarieller bzw. grundbuchamtlicher Kontrolle stets die Gefahr, dass die vorgeschlagenen partiellen und nur in die Beschlusssammlung aufzu­nehmenden Änderungen infolge von § 139 BGB unwirksam sind.

 

3. Modalität der Eintragung

 

All dies spricht dafür, die Eintragung vereinbarungs- oder gesetzesändernder Be­schlüsse nach Maßgabe des § 10 Abs. 2 WEG in der heutigen Fassung vorzusehen. Jedenfalls sollte freiwillig eine solche Eintragung möglich sein. Ferner käme in Be­tracht, die Geltungsdauer von vereinbarungs- oder gesetzesändernden Beschlüssen zeitlich (z.B. 1, 2 oder 5 Jahre ab Beschlussfassung) zu begrenzen, sofern sie nicht in das Grundbuch eingetragen worden sind.

 

 

II. Zustimmung dinglich Berechtigter (§ 5 Abs. 4 RefE)

 

1. Allgemeines

 

Die vorgeschlagene Änderung ist der Tendenz nach sachgerecht. Sie wird für einen beachtlichen Teil der notariellen und grundbuchamtlichen Praxis zu Arbeitser­leichterungen und für die Beteiligten zu Kostenersparnissen führen. Die Anknüpfung an den Begriff „Sondernutzungsrecht“ erweist sich indes als problematisch (unten 2.); darüber hinaus werden wichtige praxisrelevante gleichwertige Problemgestaltungen nicht erfasst (unten 3.)

 

2. Sonderrecht statt Sondernutzungsrecht

 

Der RefE führt erstmals in das WEG den gesetzlich nicht näher definierten Begriff „Sondernutzungsrecht“ ein. Hiervon sollte schon mit Blick auf die weitere Entwicklung der Diskussion zu § 15 WEG Abstand genommen werden (grundlegend Häublein, Sondernutzungsrechte und ihre Begründung im Wohnungseigentumsrecht, S. 1 ff; zu Umschärfe des Begriffes insbesondere S. 18 f). Alternativ wäre zumindest eine Legaldefinition des Begriffes erforderlich (vgl. dazu Stellungnahme BNotK ZWE 2004, 351).

 

Ferner können mit einem Wohnungseigentum wirtschaftlich und rechtlich ganz wesentliche Berechtigungen verbunden sein, die nicht dem herkömmlichen Begriff des „Sondernutzungsrechts“ unterfallen (z.B. Mehrfachstimmrechte, Vetorechte, Ausbaurechte, nicht ausschließliche Nutzungsrechte bestimmter Eigentümer­gruppen, wie z.B. turnusmäßige Parkplatznutzung, Schwimmbadnutzung o.ä.; Bildung von Untergemeinschaften etwa bei so genannter Quasi-Realteilung, Kon­kurrenzschutz oder Nutzungsrechte bei Gewerbeanlagen). Solche Rechte können erhebliche wirtschaftliche Bedeutung haben und sollten nicht ohne Zustimmung ding­lich Berechtigter verändert werden können. Da nach den Kreditvertragsbe­dingungen ohnehin zumeist ein schuldrechtlicher Zustimmungsvorbehalt besteht, gibt der RefE insofern den Beteiligen Steine statt Brot (vgl. auch § 1134 BGB). Stattdessen bietet es sich an, auf den verbands­rechtlich hinreichend definierten allgemeinen Begriff des Sonderrechtes abzustellen (vgl. § 35 BGB).

 

Darüber hinaus erfasst der Entwurf dem Wortlaut nach auch Änderungen der Ge­meinschaftsordnung, die nach allgemeiner Meinung zustimmungsfrei sind: Änderungen der Aufteilung bei bestehenden Gesamtbelastungen. Solche Fälle kommen in der Praxis häufig vor (z.B. „Umhängen“ von KFZ-Stellplatz-Sonder­nutzungsrechten bei Erstaufteilungen, Änderungen der Bauplanung durch den Bau­träger, Zu- und Abschreibungen von Bestandteilen des Sondereigentums bei Allein­eigentum an verschiedenen Einheiten).

 

Es empfiehlt sich daher, § 5 Abs. 4 Satz 1 RefE wie folgt zu formulieren:

 

„Ist das Wohnungseigentum mit der Hypothek, Grund- oder Renten­schuld oder der Reallast eines Dritten belastet, so ist dessen nach anderen Rechtsvorschriften notwendige Zustimmung zu der Verein­barung nur erforderlich, wenn ein mit dem Wohnungseigentum ver­bundenes Sonderrecht aufgehoben, geändert oder übertragen wird.“

 

3. Nicht erfasste praxisrelevante Probleme

 

Der RefE zu § 5 Abs. 4 erfasst zahlreiche zumindest ebenso praxisrelevante Fälle nicht: Die nachträgliche Änderung der Zuordnung von Gemeinschafts- und Sondereigentum, ggf. verbunden mit Quotenänderungen der Miteigentumsanteile. Diese Fälle sind häufig (bauabschnittsweise Errichtung, Dachgeschossausbau, An- und sonstige Ausbauten). Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (NJW 2003, 2165; vgl. ferner Urt. vom 01.10.2004 V ZR 201/03; zuletzt NJW 2004, 3418) bedürfen derartige Änderungen der nachträglichen Auflassung aller beteiligten Eigentümer. Die von der Praxis lange Zeit für möglich gehaltene „dingliche Ermächtigung“ zur Vorwegnahme solcher Rechtsänderungen ist demnach nicht im Wege einer Vereinbarung nach § 5 Abs. 4 WEG möglich. Dies ist – bei allen anzuerkennenden praktischen Schwierig­keiten – dogmatisch im Verhältnis der Eigentümer untereinander sachgerecht. Die in diesen Fällen weiterhin erforderliche Zustimmung der dinglich Berechtigten erweist sich jedoch in der Praxis sehr oft als kostenintensive Förmelei, die auch für die Grundbuchämter zu erheblicher Arbeitsmehrbelastung führt (nämlich durch die er­forderliche Prüfung sämtlicher Grundbücher hinsichtlich des aktuellen Belastungs­standes).

 

Eine allgemeine „Geringfügigkeitsregelung“ mit Blick auf die Gläubiger dürfte im WEG selbst systemwidrig sein (so zutreffend unter Verweis auf die landesrechtlichen Unschädlichkeitsregelungen Begründung RefE S. 26). Fraglich ist indes, ob sich nicht verfahrensrechtlich eine Vereinfachung erreichen lässt. Die Bundesnotar­kammer (vgl. Stellungnahme ZWE 2003 S. 353 f) hat hierzu einen sinnvollen Vor­schlag unterbreitet, der für die Beteiligten zu erheblicher Kostenersparnis führt und darüber hinaus die Doppelbearbeitung durch Notar und Grundbuchamt vermeidet. Dieser Vorschlag sollte weiter verfolgt werden, und zwar entweder als Ergänzung des § 7 WEG oder durch die Erweiterung des § 5 WEG um einen weiteren Absatz.

 

Die Zustimmung der dinglich Berechtigten zu nachträglichen und erforderlichen Auf­lassungen sollte ferner dann entbehrlich sein, wenn die betreffende Maßnahme in der ursprünglichen Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung abschließend fest­gelegt ist und sich die späteren Änderungen im bloßen Vollzug der daraus resultierenden (jedenfalls schuldrechtlichen) Verpflichtungen erschöpfen. Der Sache nach kann dieser Fall dogmatisch als vorweggenommene Zustimmung (Einwilligung) im Sinne der §§ 875 ff BGB gewertet werden. Systematisch würde eine solche Regelung zwar in den Kontext des § 3 oder 4 WEG gehören; der Einfachheit halber ließe sie sich aber auch als Ergänzung des Vorschlages der Bundesnotarkammer wie folgt formulieren:

 

„Die Bewilligung des Dritten ist nicht erforderlich, soweit die Eintragung der Änderung sich als Vollzug eines bereits vereinbarten Sonder­rechtes darstellt und dieses Sonderrecht bereits bei der Begründung des Rechtes des Dritten bestand oder diesem bekannt war.“

 

 

 

4. Zustimmungspflicht bei der Begründung von Sondernutzungsrechten

 

Der Entwurf stellt die nachträgliche Begründung von Sondernutzungsrechten ohne Rücksicht auf eine Wesentlichkeitsschwelle bewusst zustimmungsfrei. Dies ist be­denklich, da die Begründung eines Sondernutzungsrechts zugunsten einer Einheit im Einzelfall erhebliche Auswirkungen auf die Werthaltigkeit einer anderen haben kann, die sich meist auch nicht quantifizieren lassen. Wenn mit einem Garagenstellplatz das Recht zur gemeinschaftlichen Mitbenutzung eines luxuriösen Golfplatzes verbunden ist und sodann einem anderen Stellplatz das ausschließliche Sondernutzungsrecht an der Spielfläche zugeordnet wird, läuft dies auf eine fast vollständige Entwertung hinaus. Will man nicht innerhalb des WEG be­stimmte Wesentlichkeitsschwellen ziehen (d.h. in Anlehnung an das Unschädlich­keitsrecht, s.o. 3.) und dennoch verfahrensrechtliche Erleichterungen schaffen, sollte zumindest rechtliches Gehör zur Wahrung der Rechte aus § 1134 BGB gewährt werden. Der Vorschlag der BNotK zur Zustimmungsfiktion (s.o. 3.) könnte zu diesem Zwecke wie folgt ergänzt werden:

 

„Besteht bei der nachträglichen Begründung eines Sonderrechts die Be­sorgnis, dass eine die Sicherheit der Hypothek, Grund- oder Rentenschuld oder Reallast gefährdende Verschlechterung eines Sondereigentums gegeben ist, so genügt zur Ausräumung dieser Besorgnis ein Zeugnis des Notars in entsprechender Anwendung von Satz 1 und 2.“

 

Auf diese Weise wäre ein praxisgerechter Mittelweg geschaffen: Lehnt das Grund­buchamt einen zuvor gestellten Antrag auf Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnis ab, kann es zugleich diejenigen Gläubiger bezeichnen, bei denen nach seiner Auf­fassung eine Besorgnis besteht. Diese wären sodann vom Notar zu informieren. Ergänzend ist eine Grundbuchsperre bis zur Vorlegung des Zeugnisses oder der Zu­stimmung anzuordnen.

 

5. Zustimmung der Berechtigten aus einer Auflassungsvormerkung

 

Ob die Änderung einer Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung der Zustimmung von Auflassungsvormerkungsberechtigten bedarf, ist umstritten (aus­führlich Häublein aaO. S. 127 ff). Praxisrelevant ist die Fragestellung vor allem bei Änderungen der Erstaufteilung in Bauträgerfällen nach erfolgten Abveräußerungen. Hier werden ohnehin in der Praxis regelmäßig umfangreiche Vollmachten auch für die Zustimmungen durch die Auflassungsvormerkungsberechtigten erteilt. Im Übrigen könnte der Schutz über § 883 Abs. 2 BGB sowie die jeweiligen kaufver­traglichen Bedingungen genügen. Der Gesetzentwurf sollte dieser Diskussion nicht vorgreifen. Satz 2, 2. Halbsatz § 5 Abs. 4 RefE sollte demgemäß entfallen.

 

 

III. Abgeschlossenheitsbescheinigung

 

1. Sachverständige

 

§ 7 Abs. 4 RefE verfolgt im Grundsatz ein sachgerechtes Anliegen. In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass die bisher zuständigen Bauordnungsbehörden nicht über die erforderlichen wohnungseigentumsrechtlichen Kenntnisse verfügen, um die zivilrechtlichen Fragen der wohnungseigentumsrechtlichen Abgeschlossenheit zutreffend zu beurteilen. Die Verlagerung der betreffenden Aufgaben auf alle bauvorlageberechtigten Personen (dazu Trautmann ZWE 2004, 318 ff) dürfte diesen Missstand nicht entscheidend verbessern. Eine derartige Aufgabenprivatisierung würde wiederum zu erheblichen Mehrbelastungen der Grundbuchämter führen, so dass das Ziel der Entlastung der Exekutive insgesamt nicht erreicht wäre. Zu bezweifeln ist indes, ob wirklich alle öffentlich bestellten und anerkannten Sachverständigen gleich welcher Fachbereiche hinreichend qualifiziert sind, die für die sachenrechtliche Abgrenzung des Sonder­eigentums zivilrechtlich höchst bedeutsame und im Einzelfall komplexe rechtliche Differenzierung erfordernde Bescheinigung zu erteilen (so RefE-Begründung S. 30 f). Es bietet sich an, hierfür einen besonderen Fachbereich unter Berücksichtigung der erforderlichen Qualifikationsvoraussetzungen zu schaffen. Unter dieser Voraus­setzung dürfte die Konzentration der Aufgaben auf öffentlich bestellte Sachver­ständige mit besonderen Fachkenntnissen tendenziell geeignet sein, den bisherigen Rechtszustand zu verbessern.

 

2. Notarielle Bescheinigung

 

Das Gesetz (§ 3 Abs. 1 WEG) unterscheidet bereits heute zwischen bereits er­richteten oder noch zu errichtenden Gebäuden. Dementsprechend differenziert auch Ziff. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheini­gungen gem. § 7 WEG. Bei noch zu errichtenden Gebäuden dürfte eine notarielle Abgeschlossenheitsbescheinigung wegen der dabei zu berücksichtigenden bau­technischen, bauordnungs- und bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen nicht in Frage kommen. Bei der Aufteilung reiner Bestandsbauten, bei der ohnehin nur eine Baubestandszeichnung einzureichen ist (vgl. Ziff. 2 der Allgemeinen Verwaltungs­vorschrift) nähert sich die Bescheinigung jedoch der reinen Tatsachenbescheinigung, so dass – auch in Anlehnung an § 33 Abs. 3 AktG – keine Bedenken bestehen, die Abgeschlossenheitsbescheinigung durch den Notar zu erteilen.

 

 

IV. RefE § 10

 

1. Anpassung einer Vereinbarung

 

Der Änderungsvorschlag ist sachgerecht und insbesondere geeignet, das bisherige Tatbestandsmerkmal der „groben Unbilligkeit“ auf ein den heutigen An­forderungen des Rechtsverkehrs genügendes Maß zurück zu führen. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt allerdings ein Anspruch auf Anpassung einer Vereinbarung auch dann in Betracht, wenn die ergänzende Vertragsauslegung der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung ergibt, dass sich bestimmte Vorstellungen der Eigentümer als falsch herausgestellt haben (Beschl. vom 07.10.2004 – V ZB 22/04; NJW 2004, 3413). Es bietet sich an, diese Rechtsprechung unter Aufgreifen bereits geäußerter Vorschläge (vgl. Stellungnahme BNotK ZWE 2003, 346, 352) durch folgende Anfügung eines weiteren Satzes an § 10 Abs. 1 zu berücksichtigen:

 

„Dies gilt auch, wenn Umstände oder wesentliche Vorstellungen, die Grundlage für die Regelung des Verhältnisses der Wohnungs­eigentümer untereinander geworden sind, sich nachträglich schwerwiegend geändert oder sich als falsch herausgestellt haben.“

 

Alternativ kommt ein ausdrücklicher Verweis auf § 313 Abs. 1 und 2 BGB in Betracht.

 

2. Grundbucheintragung

 

Zur Verbesserung der Grundbuchpublizität und insbesondere zur Entlastung des Be­schlussbuches sollte (zumindest fakultativ) auch die Eintragung von gesetzes- und vereinbarungsändernden Beschlüssen ausdrücklich zugelassen werden. Im Anschluss an § 10 Abs. 3 Satz 1 könnte wie folgt formuliert werden:

 

„Dies gilt auch für die gem. § 23 Abs. 1 gefassten vereinbarungs- oder gesetzesändernden Beschlüsse. Diese können auf Antrag eines jeden Wohnungseigentümers in das Grundbuch eingetragen werden. § 26 Abs. 4 gilt entsprechend. Sind Beschlüsse nach Satz 2 nicht in das Grundbuch eingetragen worden, sind sie gegenüber einem Sonder­nachfolger unwirksam, wenn sie bei dessen Einsicht in die Beschluss­sammlung dort nicht aufgenommen sind, es sei denn, dass sie ihm be­kannt sind. Vereinbarungs- oder gesetzesändernde Beschlüsse, deren Eintragung in das Grundbuch nicht nach Ablauf von fünf Jahren nach Beschlussfassung beantragt worden ist, werden unwirksam.“

 

 

V. Aufhebung von Veräußerungsbeschränkungen

 

1. Allgemeines

 

Die Möglichkeit der vereinfachten Aufhebung einer Veräußerungsbeschränkung ist sinnvoll. In der Vergangenheit wurden vielfach Veräußerungsbe­schränkungen vereinbart, die sich dann später nur als lästige zeit- und kostenintensive Förmelei darstellten. Eine Veräußerungsbeschränkung würde Sinn machen, wenn der Verwalter bei jedem Erwerber eine Anfrage bei einer Kreditauskunftei stellen würde. So verfährt leider nur eine Minderheit. Damit hat die Rechtspraxis die in § 12 WEG liegende Chance vergeben. Es ist daher angemessen, die Löschung einer Veräußerungsbeschränkung grundbuchverfahrensrechtlich zu ver­einfachen. Bei dieser Gelegenheit sollte aber zugleich eine für die Praxis höchst brisante Frage mit erledigt werden: Nach herrschender Meinung genügt für die wirksame Verlautbarung einer Veräußerungsbeschränkung im Grundbuch die Be­zugnahme auf die Eintragungsbewilligung (Palandt/Bassenge § 12 WEG Rn. 5). Die Eintragung der Veräußerungsbeschränkung im Bestandsverzeichnis wäre demnach eine bloße Ordnungsvorschrift; auch wenn eine solche Veräußerungsbeschränkung nicht ausdrücklich verlautbart wurde, soll sie wirksam sein. Hier sollte zumindest entweder durch Ergänzung des § 12 Abs. 3 WEG oder durch Einführung einer Heilungsvorschrift in Anlehnung an § 61 WEG (vgl. ähnlich Stellungnahme BNotK ZWE 2003, 354) Abhilfe geschaffen werden.

 

2. Keine abschließende Beschlusskompetenz

 

Über das Ziel der Beseitigung einer bloßen Förmelei schießt § 12 Abs. 4 RefE jedoch hinaus, wenn er generell und zwingend für die Aufhebung von Veräußerungsbe­schränkungen (einfache) Stimmenmehrheit genügen lässt. Sowohl im ländlichen Bereich als auch in kleineren, insbesondere familiär geprägten Wohnungseigen­tümergemeinschaften, aber auch bei kommerziellen Großanlagen besteht durchaus im Einzelfall ein Bedarf für eine Zustimmungspflicht. Solche Veräußerungsb­eschränkungen können insbesondere zur Wahrung von Individual- oder Spezial­interessen dienen (z.B. Sicherung von Vetorechten, Ferienhausanlagen, betreutes Wohnen, behindertengerechte Anlagen); neuerdings wird insbesondere diskutiert, ob Veräußerungsbeschränkungen auch zur Sicherung von bauabschnittsweisen Er­richtungen nutzbar gemacht werden können (vgl. Hügel DNotZ 2003, 517). Solche ökonomisch und rechtlich sinnvollen Sonderrechte sollten nicht durch (einfachen) Mehrheitsbeschluss zwingend aufgehoben werden können. Formulierungsvorschlag zu § 12 Abs. 4 Satz 1 neue Fassung:

 

„Die Wohnungseigentümer können durch Stimmenmehrheit be­schließen, dass eine Veräußerungsbeschränkung, die sich nicht als ein Sonderrecht anderer Wohnungseigentümer darstellt, gem. Abs. 1 aufgehoben wird.“

 

Satz 2 sollte demgemäß entfallen. Durch den Begriff des „Sonderrechtes“ ist sicher­gestellt, dass allgemein vereinbarte Veräußerungsbeschränkungen bei Altanlagen nicht änderungsfest sind.

 

 

VI. Beschlüsse über Kostenverteilungen

 

1. Allgemeines

 

Der Änderungsvorschlag ist sinnvoll und wird einen ganz wesentlichen Bereich der früheren „Zitter-Beschlüsse“ in praxisgerechter Weise bereinigen. Durch die Bezugnahme auf die mietrechtlichen Vorschriften kann ins­besondere auch erreicht werden, dass die wohnungseigentums- und die mietrecht­liche Betriebskostenabrechnung harmonisiert werden (dazu BGH Urt. vom 26. Mai 2004 VIII ZR 169/03). Mit dem Begriff der „ordnungsmäßigen Verwaltung“ wird jedoch möglicherweise ein neues Kompetenzkriterium eingeführt, dass sich im Rahmen der Diskussion über die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 22.09.2000 als äußerst schwierig zu handhaben erwiesen hat. Stattdessen bietet es sich an, auf das Kompetenzkriterium zu verzichten und in Anlehnung an eine all­gemein verbreitete Auffassung (vgl. Stellungnahme BNotK ZWE 2003, 347) die Be­schlusskompetenz einer Inhaltskontrolle zu unterwerfen. Der Halbsatz „soweit…“ könnte demgemäß wie folgt lauten:

 

„… soweit hierfür ein sachlich gerechtfertigter Grund besteht und einzelne Wohnungseigentümer nicht dauerhaft unzumutbar benach­teiligt werden.“

 

2. Keine zwingende Regelung

 

Der Referenten-Entwurf sieht in § 16 Abs. 2 letzter Satz zwingendes Recht vor. Nach der Begründung (S. 44 f) soll hiermit insbesondere eine Zementierung des Rechts­zustandes für bereits erfolgte Aufteilungen verhindert werden. Dieses Ziel ist zwar sachgerecht, der Entwurf geht aber über das nötige Maß hinaus. Im Einzelfall kann durchaus ein gerechtfertigtes Interesse daran bestehen, Änderungen einer verein­barten Betriebskostenverteilung mehrheitsfest zu machen oder jedenfalls an besondere Quoren zu knüpfen (Stichwort Minderheitenschutz bei heterogenen Anlagen, z.B. gemischte Groß-/Kleinstwohnungen, Gewerbe und Wohnraum). Ferner sollten ausdrücklich als solche vereinbarte Sonderrechte nicht ohne Zustimmung des Berechtigten entzogen werden können (vgl. bereits oben II. 2, V. 2). Man könnte wie folgt formulieren:

 

„Sonderrechte eines oder mehrerer Wohnungseigentümer können durch die Regelung gem. Satz 2 und 3 nicht eingeschränkt oder aus­geschlossen werden. Regelungen in Vereinbarungen, die vor dem (Datum des Inkrafttretens) abgeschlossen worden sind, gelten im Zweifel nicht als Begründung eines Sonderrechtes.“

 

 

VII. Versteigerungsverfahren

 

Die Abschaffung des notariellen Versteigerungsverfahrens (§§ 19, 51 ff RefE) wird ausdrücklich begrüßt. Diese Normen haben sich in den – äußerst seltenen – Praxis­fällen als schwerfällig, umständlich und höchst problematisch erwiesen. Soweit in der Literatur auf die Eignung als Druckmittel hingewiesen wird (z.B. Armbrüster ZWE 2003, 360) endeten die betreffenden Verfahren in der Praxis meist damit, dass für den betroffenen Wohnungseigentümer vormundschaftsgerichtlich ein Betreuer zu bestellen war und sich das Verfahren als Pseudosanktion erwies.

 

 

VIII. Bauliche Veränderungen

 

§ 22 Abs. 1 RefE ist sachgerecht, nicht allerdings die nunmehr zwingende Rechts­natur gem. § 22 Abs. 1 letzter Satz RefE. Auch bei baulichen Veränderungen können im Einzelfall Sonderrechte einzelner Miteigentümer gewünscht und sinnvoll sein. Insofern kann auf die Ausführungen zu § 16 RefE (oben VI. 2.) verwiesen werden.

 

 

IX. Beschlusssammlung

 

1. Allgemeines

 

Die ausdrückliche Einführung einer bei ordnungsgemäßer Verwaltung auch bisher erforderlichen Beschlusssammlung ist grundsätzlich sinnvoll. Es steht allerdings zu befürchten, dass im Laufe der Jahre und nach mehreren Verwalterwechseln die Beschluss­sammlung unübersichtlich und unhandlich wird. Zudem stellt die ordnungsgemäße Führung der Beschlusssammlung nicht geringe Anforderungen an den Verwalterberuf, die an sich ein reguliertes Berufsbild erforderlich machen würden. Demgemäß sollte zumindest fakultativ die Eintragung besonders wichtiger vereinbarungs- oder gesetzesändernder Beschlüsse in das Grundbuch vorgesehen werden (oben I 2, 3; VI. 2.). Folglich könnte § 27 Abs. 1 Nr. 6 RefE um folgenden Satz ergänzt werden:

 

„Eine Aufnahme in die Beschlusssammlung ist nicht erforderlich, wenn der Beschluss im Grundbuch eingetragen ist.“

 

2. Elektronische Einsichtnahme

 

Mit Blick auf die zunehmende Verbreitung des elektronischen Rechtsverkehrs sollte zumindest zusätzlich die Führung einer elektronischen Beschlusssammlung ermöglicht werden. Die Einsichtnahme in die elektronische Beschlusssammlung sollte der Einsichtnahme in die schriftliche Beschlusssammlung gleichgestellt werden. Ansonsten droht insbesondere bei professionellen Großverwaltungen eine erhebliche zusätzliche Arbeitsbelastung durch tägliche Einsichtnahmen und ggf. das Fertigen von umfangreichen Ablichtungen.

 

 

X. Verfahren in Wohnungseigentumssachen

 

Prinzipielle Bedenken gegen die Erstreckung der Vorschriften der Zivilprozess­ordnung auf das Verfahren in Wohnungseigentumssachen bestehen nicht. Zu berücksichtigen ist indes, dass an Wohnungseigentumssachen überdurchschnittlich häufig rechtsunkundige und geschäftsungewandte Personen beteiligt sind, deren Interessen im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes gem. § 12 FGG weitaus besser und flexibler berücksichtigt werden können als im Falle der Umsetzung des RefE. Dies gilt auch für die bisher eröffnete Möglichkeit der Entscheidung nach freiem Ermessen des Gerichtes (§ 43 Abs. 2 WEG), die sich  in der Praxis als sehr hilfreich erwiesen hat. Die damit bisher verbundenen kostenrechtlichen Privilegierungen sind nicht zwingend; da nach allen Erfahrungen der Praxis die Neigung zu querulatorischen Auseinandersetzungen gerade in Wohnungseigen­tumssachen seit Jahren ständig zunimmt, empfiehlt sich unabhängig von der Frage der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung eine Überarbeitung der bisherigen kosten­rechtlichen Bestimmungen.

 

 

XI. Übergangsvorschrift (§ 62 RefE)

 

Auch die bei einem Grundbuchamt zum Zeitpunkt des Inkrafttretens anhängigen Anträge wären dem Wortlaut nach „bei Gericht anhängige Verfahren“ im Sinne von § 62 RefE. Hier sollte klar gestellt werden, dass bei Anträgen im Sinne von §§ 13 ff GBO der Antragsteller die Anwendbarkeit des für ihn günstigeren Rechts wählen kann.

 

 

XII. Änderungen des ZVG

 

Die vorgesehenen Änderungen sind zu begrüßen. § 45 RefE ZVG sollte allerdings durch einen Verweis auf die Verfahrenserleichterung nach § 26 Abs. 4 WEG ergänzt werden.

 

XIII. Sonstiges

 

Die Gerichts- und Anwaltsgebühren werden im Falle eines Übergangs auf das ZPO-Verfahren erheblich steigen; dies dürfte auch bei einer Beibehaltung des FGG-Ver­fahrens sinnvoll sein. Die im Wesentlichen in den 50er Jahren verfolgte Politik der gebührenrechtlichen Privilegierung von WEG-Sachen ist allgemein überholt. In dieser Konsequenz läge es, die sachwidrige Vergünstigung des § 21 Abs. 2 KostO sowohl für die Grundbuchkosten als auch für die Notargebühren entfallen zu lassen. Der Vollzug von Teilungserklärungen erfordert von den Grundbuchämtern einen hohen Prüfungs- und Arbeitsaufwand. Dies gilt auch für die Konzeption von Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung durch die Notare. Für den praktisch häufigsten Fall der Aufteilung nach § 8 WEG fällt zudem bei Beurkundung lediglich eine 10/10-Gebühr, bei der gesetzlich ausreichenden Beglaubigung lediglich eine Beglaubigungsgebühr an. Die weitergehend in § 21 Abs. 2 KostO enthaltene gebührenrechtliche Vergünstigung beruht auf mittlerweile obsolet gewordenen sozialstaatlichen Erwägungen der 50er Jahre und widerspricht dem Wertprinzip. Es würde genügen, § 21 Abs. 2 KostO ersatzlos zu streichen und Abs. 3 entsprechend redaktionell anzupassen.

 

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