Stellungnahme vom 17.05.2005
Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem im Betreff genannten Gesetzentwurf.
Angesichts der sehr kurzen Stellungnahmefrist erlauben wir uns den Hinweis, dass ein Gesetzesvorhaben, das doch eine erhebliche Änderung des GmbH-Rechts mit sich bringen wird, etwas mehr Zeit zur Überprüfung verdient hätte.
1. Absenkung des Mindeststammkapitals
Der Kern des Gesetzentwurfes besteht in der Absenkung der Mindeststammkapitalziffer in § 5 Abs. 1 GmbHG von bisher 25.000,– Euro auf 10.000,– Euro. Jedoch heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs, das Haftkapitalsystem habe sich bewährt und solle durch die Absenkung insgesamt erhalten bleiben.
Ob und inwieweit sich das Haftkapitalsystem des GmbHG bewährt hat, müsste nach Auffassung des Deutschen Notarvereins zunächst einmal überprüft und nachgewiesen werden. Nicht das angeblich zu hohe Mindestkapital der GmbH scheint das Hauptproblem des deutschen GmbH-Rechts, sondern die für den Nichtjuristen kaum mehr handhabbare Komplexität des Rechts der Kapitalaufbringung und -erhaltung. Zu der immer weiter ausufernden Haftung der Gesellschafter treten zudem immer größere Haftungsrisiken des Geschäftsführers hinzu. Soll die ehemals vorbildliche deutsche GmbH wieder zum Exportartikel werden, so haben Reformen primär hier anzusetzen. Die Höhe des Mindestkapitals erscheint dagegen weniger wichtig. Insofern erscheint der Ansatz des Gesetzentwurfs vom Grundsatz her zweifelhaft. Auf Seite 4 der Begründung heißt es zwar, dass die „substanzielle Absenkung des Mindestkapitals“ eine Maßnahme zum Bürokratieabbau sei. Eine Erklärung dafür, was die Höhe des Kapitals mit Bürokratie zu tun hat, bleibt der Entwurf indes schuldig. Der Deutsche Notarverein jedenfalls steht auf dem Standpunkt, dass sich ein Zusammenhang zwischen Stammkapital und Bürokratie auch bei gutem Willen nicht herstellen lässt.
Das erklärte Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung im europäischen Vergleich zu erhalten und zu verstärken, lässt sich nach Auffassung des Deutschen Notarvereins durch die bloße Absenkung des Mindeststammkapitals nicht erreichen. Mit der Reform primär am Mindestkapital anzusetzen, schützt insbesondere nicht davor, dass der BGH seine Haftung wegen eines existenzvernichtenden Eingriffs im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu einem allgemeinen Haftungstatbestand wegen Unterkapitalisierung ausbaut. Der frühere Vorsitzende des 2. Senats des BGH sieht ohnehin in der Existenzvernichtungshaftung die Grundnorm des Kapitalschutzrechts. Das aber wäre der Tod des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts. Der Deutsche Notarverein regt an, dass das Bundesministerium der Justiz diesen Punkt zumindest in dem angekündigten zweiten Reformschritt berücksichtigt; gleichzeitig sollte das gesamte Recht der Kapitalaufbringung und -erhaltung der GmbH überdacht werden.
In der Gesetzesbegründung heißt es, dass durch die Beibehaltung eines nennenswerten Mindeststammkapitals berücksichtigt werde, dass diesem die Funktion einer Seriositätsschwelle zukomme. Aufgrund der nach wie vor bestehenden Möglichkeit der Teileinzahlung gemäß § 7 Abs. 2 GmbHG reicht nunmehr bei einer Mehrpersonen-GmbH die Aufbringung von 5.000,– Euro an Kapital für die Gründung einer GmbH aus. Selbst wenn man von einer Eigenkapitalquote von durchschnittlich nur rund 10 % ausgeht, ist offensichtlich, dass ein ernsthaftes Unternehmen mit dieser Kapitalausstattung nicht auskommen kann. Das Nachsehen haben dann im Endeffekt die Gläubiger. Eine Begründung dafür, warum für die im Gesetzentwurf angesprochenen kleinen Dienstleistungsgesellschaften etwas anderes gelten soll, bleibt der Entwurf schuldig.
Vor dem geschilderten Hintergrund fordert der Deutsche Notarverein, gleichzeitig mit der Herabsetzung des Mindeststammkapitals die Möglichkeit der Teilanzahlung in § 7 Abs. 2 GmbHG abzuschaffen. § 7 Abs. 2 GmbHG sollte künftig lauten: „Die Anmeldung darf erst erfolgen, wenn die auf jede Stammeinlage geschuldete Leistung in voller Höhe endgültig zur freien Verfügung der Geschäftführer steht.“ Auf diese Weise wäre zudem ein Gleichlauf von § 7 Abs. 2 GmbHG und § 37 Abs. 1 AktG erreicht. Der große Vorteil dieser Regelung wäre nicht nur, dass der Gesellschaft mehr Kapital zugeführt würde, sondern vor allem, dass Dritte vor kaum überschaubaren Haftungsgefahren bewahrt würden; § 24 GmbHG könnte u.U. dann gestrichen werden.
2. Publizitätspflicht
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass § 35a GmbHG dahingehend ergänzt werden soll, dass künftig auf Geschäftsbriefen auch der Betrag des gezeichneten und eingezahlten Kapitals anzugeben ist. Diese Regelung soll durch die Einfügung einer neuen Bußgeldvorschrift in § 85a GmbHG flankiert werden.
Der Deutsche Notarverein begrüßt die größere Transparenz durch die Angabe des Stammkapitals im Geschäftspapier. Möglicherweise wird so tatsächlich der Gläubigerschutz erhöht. Allerdings ist es nicht recht zu verstehen, dass einerseits das Kapital so gering geachtet wird, das man glaubt, es auf eine gegriffene Größe senken zu können und andererseits der Angabe auf dem Briefpapier Bedeutung beigemessen wird. Dieser Widerspruch ist aber wohl hinzunehmen.
Die Einführung einer Bußgeldvorschrift in § 85a GmbHG erscheint dagegen überflüssig. Bislang ist § 35a GmbHG ebenso wenig bußgeldbewehrt wie § 80 AktG. Die Einführung eines Bußgeldverfahrens würde den bürokratischen Aufwand des GmbHG erhöhen, obwohl doch ein erklärtes Ziel des Gesetzentwurfes der Bürokratieabbau ist. Bislang ist ein Bußgeldverfahren im GmbHG unbekannt. Unklar ist deshalb auch, welche Behörde hierfür zuständig sein und wie diese Behörde von der Ordnungswidrigkeit Kenntnis erlangen soll. Der Deutsche Notarverein sieht zudem keine Vorteile eines Bußgeldverfahrens im Vergleich zum Zwangsgeldverfahren nach § 79 GmbHG. Dabei gilt es auch zu beachten, dass im Ordnungswidrigkeitenrecht das Opportunitätsprinzip gilt, die Behörde also nicht tätig werden muss. Das Bußgeldverfahren bleibt also möglicherweise ein genauso stumpfes Schwert wie das Zwangsgeldverfahren.
Missständen bei Briefköpfen wird die Rechtspraxis schnell über das UWG begegnen (Fallgruppe: Vorsprung durch Rechtsbruch).
3. Notarkosten
Der Gesetzentwurf sieht keine Regelung zu Notarkosten vor. Diese werden sich allerdings durch die Absenkung des Stammkapitals weiter verringern. Die Gründung einer Einpersonen-GmbH mit Mindeststammkapital wird dann noch Notarkosten von 54,– Euro (bisher 84,– Euro), die Gründung einer Mehrpersonen-GmbH Notarkosten von 108,– Euro (bisher 168,– Euro) auslösen.
In den vorgenannten Gebühren sind die Kosten für eine umfassende Beratung samt Beurkundung bei voller persönlicher Haftung des Notars enthalten. In der Regel geht dem Beurkundungstermin ein Besprechungstermin voraus. Auf der Grundlage der Besprechung erstellt der Notar einen Entwurf, den er den Beteiligten zusendet. Regelmäßig ergeben sich Änderungswünsche zu dem Entwurf; oft ist eine weitere Besprechung erforderlich. Schon die Höhe der bisherigen Gebühren reicht regelmäßig nicht aus, um die betriebswirtschaftlichen Kosten des Notars im Zusammenhang mit einer Gesellschaftsgründung zu decken. International gesehen ist das deutsche Notariat gerade für kleine und mittlere Unternehmen konkurrenzlos billig; eventuell sogar zu billig, weil der Wert einer allzu preiswerten Leistung erfahrungsgemäß geringgeschätzt wird. Holt ein Klient neben dem notariellen Rechtsrat den Rat eines Rechtsanwaltes ein (dies ist zwar regelmäßig überflüssig, geschieht aber trotzdem häufig), so übersteigen die Anwaltsgebühren die Notargebühren im Normalfall um ein Vielfaches; Gleiches gilt für Steuerberater- oder Wirtschaftsprüferkosten im Zusammenhang mit der Gründung. Es erscheint aus Sicht des Deutschen Notarvereins deshalb notwendig, bei einer Absenkung des Mindeststammkapitals zumindest das gegenwärtige Notargebührenniveau zu erhalten und im Zusammenhang mit dem MindestkapG eine Änderung von § 39 Abs. 4 KostO herbeizuführen, wonach der in der Bestimmung festgelegte Höchstwert von 5.000.000,– Euro um einen Mindestwert von 25.000,– Euro ergänzt wird.
4. Gründungstheorie
Der Deutsche Notarverein regt an, schon in dem MindestkapG, jedenfalls aber in dem angekündigten zweiten Reformschritt von der Sitztheorie Abschied zu nehmen. Für die reformierte GmbH sollte die Gründungstheorie gelten, damit die deutsche Wirtschaft zumindest in der EU und den USA ihre Tochtergesellschaften einheitlich strukturieren und führen kann. Die GmbH sollte künftig keinen Sitz mehr haben, sondern eine aus der Satzung ersichtliche und im Handelsregister eingetragene Geschäftsanschrift, unter der ihr zugestellt werden kann und unter der sie ihren Gerichtsstand hat. Die Verlegung der Geschäftsanschrift bedürfte einer Satzungsänderung und einer konstitutiven Handelsregistereintragung. Auch im Fall einer Verlegung ihrer Verwaltung in das Ausland hätte sie eine solche Anschrift im Inland weiter zu führen. Will man die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen GmbH stärken, so wäre es nur konsequent, ihr auch die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Verlegung des Verwaltungssitzes zu gewähren, die anderen Gesellschaften (Ltd., BV, liechtensteinische GmbH) längst offen stehen.
5. Beschleunigungsüberlegungen
Um die Eintragungszeiten zu beschleunigen schlägt der Deutsche Notarverein ferner vor, § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG ersatzlos zu streichen. Das Handelsregister eignet sich nicht dazu, Gewerberecht durchzusetzen, zumal das Registerrecht niemanden daran hindern kann, genehmigungspflichtige Tätigkeiten auszuüben, ohne sie im Unternehmensgegenstand zu publizieren. Die Vorschrift ist aber für die meisten Eintragungsverzögerungen verantwortlich.
In dem angekündigten zweiten Reformschritt sollte außerdem überlegt werden, wie die immer noch gängige Regelanfrage des Registerrichters bei der IHK (und dies, obwohl § 23 HRV eine Anfrage an sich nur noch in zweifelhaften Fällen vorsieht) weiter eingeschränkt werden kann.
Für Rückfragen oder ein weiterführendes Gespräch steht Ihnen der Deutsche Notarverein gern zur Verfügung.