Stellungnahme vom 31.05.2005
Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem vorgenannten Gesetzentwurf. Wir begrüßen den Ansatz zur Schaffung von mehr Transparenz, der letztlich bereits durch die Richtlinienumsetzung vorgegeben ist. Da die Umsetzungsfrist, der 1. Januar 2007, näher rückt, liegt ein zügiges Gesetzgebungsverfahren im Interesse der Notare, denen nach Inkrafttreten genügend Zeit verbleiben muss, um die technischen Voraussetzungen für die elektronische Registerführung in ihren Notariaten herzustellen.
Entgegen der teilweise in der Öffentlichkeit geführten Diskussion um eine Aufweichung der notariellen Beglaubigungszuständigkeiten bei Handelsregisteranmeldungen sieht der Entwurf vor, dass Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister auch in Zukunft in öffentlich beglaubigter Form einzureichen sind. Der Deutsche Notarverein hält dies für richtig und zwingend, will man nicht die Funktionsfähigkeit und Schnelligkeit der Registergerichte und damit des Handelsregisters in Frage stellen. Außerdem schafft der Bundesgesetzgeber auf diese Weise Planungssicherheit für die notarielle Praxis, die in den kommenden Monaten einen erheblichen Entwicklungs- und Beschaffungsaufwand betreiben muss, um den veränderten technischen Anforderungen gerecht werden zu können.
Dagegen begegnet die im Gesetzentwurf angelegte Konzeption eines Unternehmensregisters als einer Stelle, die neben das Handelsregister tritt und teilweise zusätzliche Daten bereithält, aber keinen öffentlichen Glauben genießen soll, Bedenken:
1. Der Rechtsverkehr, speziell im Ausland, erwartet ein Medium, das ihm die notwendigen Informationen rasch und aus einer Hand liefert. Für einen Ausländer (und auch für die meisten deutschen Nutzer) ist der jetzige Zugang über www.handelsregister.de nicht zumutbar. Möchte dieser sich beispielsweise über drei verschiedene Unternehmen in drei verschiedenen Bundesländern informieren, muss er sich heute mit drei verschiedenen Web-Portalen auseinandersetzen. Er muss sich drei Mal anmelden, drei verschiedene Zugangscodes verwalten, drei verschiedene Zahlungen leisten. Vor allem aber muss er wissen, wo er überhaupt suchen soll. Ihm muss also das Grundprinzip des deutschen Handelsregisters vollumfänglich bekannt sein. Und er muss genügend geographische Kenntnisse haben, um zu wissen, dass das Amtsgericht Osnabrück in Niedersachsen und das Amtsgericht Hagen in Nordrhein-Westfalen zu finden sind. Außerdem muss er perfekte Deutschkenntnisse haben, um sich durch diese Informationsflut zu arbeiten. Es ist vor diesem Hintergrund zu fragen, ob man überhaupt davon sprechen kann, die Informationen seien öffentlich zugänglich.
Der Rechtsverkehr erwartet im Gegensatz zum aktuellen System, eine Adresse, über die er Zugang zu allen relevanten Informationen bekommt – so wie es heute bereits in Österreich, der Schweiz oder dem Vereinigten Königreich möglich ist.
Davon zu trennen ist die Frage, wie die Informationen zu dieser Adresse kommen, wo sie verwaltet werden, wer die Eintragungsvoraussetzungen auf welche Art und Weise prüft. Dies wird vor allem den Nutzer so lange nicht interessieren, wie er sich darauf verlassen kann, dass die Informationen, die er an einem Ort einsehen kann, richtig sind bzw. sein Vertrauen auf diese Richtigkeit geschützt ist.
Dieses System, z.B. eines gemeinsamen Portals in eigener Trägerschaft oder in der zeitlich befristeten Hand eines aufgrund Ausschreibung ermittelten Privatunternehmens (wie die Fa. Wendt in Österreich), sollten die Länder mit dem Bund gemeinsam schaffen (und hätten dazu seit dem RegVBeschlG von 1993 eigentlich durchaus Zeit gehabt). Ein solches – sehr benutzerfreundliches – gemeinsames Portal hat z.B. auch die Schweiz, der man keine zentralistische Tendenzen nachsagen kann.
Speziell für die Notare als ständige Nutzer der Handelsregister sollte eine einzige Anmeldung (am einfachsten durch die digitale Signatur) bei diesem Provider für alle Handelsregister ausreichen, damit die Stammdaten nicht 16-fach verwaltet werden müssen. Wer als deutscher Notar das österreichische Firmenbuch nutzt, weiß um die Vorteile des dortigen Systems, das immerhin auch eine Leistung eines föderativ verfassten Bundesstaates ist. Gleiches gilt für die Schweizer Handelsregisterämter.
2. Die Stärke des deutschen Handelsregister ist seine große Sicherheit im Bereich der Vertretungsverhältnisse (Verkehrsschutzgedanke). Schwächen hat Deutschland hingegen im Bereich der kapitalmarktrelevanten Informationen (Jahresabschlüsse, Beteiligungsverhältnisse, kapitalrelevante Beschlüsse). Die Stärken zu wahren und die Schwächen zu beseitigen, muss das Ziel der aktuellen Reform sein.
3. Der Entwurf des EHUG will die genannten Informationen bereitstellen in Form
– elektronisch übermittelter Urkunden;
– elektronischer Satzungen;
– elektronischer Gesellschafterlisten
im Handelsregister sowie
– elektronischer Bilanzen
– elektronischer Meldungen nach WPHG, WPÜG, AktG etc.
im Unternehmensregister.
Die massive Ausweitung der Informationskraft des elektronischen Mediums (zu Lasten der Printmedien) ist ein mutiger und berechtigter Schritt in die richtige Richtung.
4. Durch das Konzept des EHUG wird die bereitgestellte Information allerdings auseinandergerissen. Das ist bedauerlich, zum einen aus der Sicht des Kaufmanns, für den es einfacher ist, alle Anmelde- und Offenlegungspflichten bei einer Stelle erledigen zu können (one stop shop), zum anderen für den Rechtsverkehr, der alle ein Unternehmen betreffenden Informationen bei einer Stelle bekommen möchte.
Die Duplizierung des Handelsregisters im Unternehmensregister hat aber einen entscheidenden Nachteil: Der Rechtsverkehr wird alle Informationen gleich aus dem Unternehmensregister beziehen, da das Handelsregister ihm diese nicht vollständig gibt. Das entwertet aber § 15 HGB (der nur für das Handelsregister gilt, nicht für das Unternehmensregister, in dem aber jeder nachsehen wird, weil er dort alle Informationen findet). Das Handelsregister wäre auf die Funktion eines Zulieferers zum Unternehmensregister reduziert und hätte nach außen hin eigentlich nur noch für Notare wegen der Bescheinigung nach § 21 BNotO Bedeutung. Dies erscheint nicht angemessen.
Das vorgeschlagene System von Handelsregister und parallelem Unternehmensregister, das jedoch keinen öffentlichen Glauben genießt, würde somit neue Probleme schaffen.
5. Diese Erkenntnis sollte und muss jedoch nicht dazu führen, dass die lokalen Registergerichte und Handelsregister abgeschafft und durch eine zentrale Unternehmensregisterbehörde abgelöst werden, deren Publikationsorgan ein deutschlandweites Unternehmensregister wäre. Entscheidend ist nämlich nicht die Frage, ob im Hintergrund eine oder mehrere Datenbanken einzurichten sind, oder ein oder mehrere Registergerichte die Anträge prüfen und über die Eintragung entscheiden, sondern nur, ob sich das Ergebnis der Prüfung und Eintragung für den Kaufmann und den Nutzer als einheitliches Informationsportal offenbart.
6. Man kann es vielmehr grundsätzlich (nicht zuletzt aufgrund der Länderkompetenz auf diesem Gebiet) bei der Existenz lokaler Handelsregister belassen und könnte dennoch die oben beschriebenen Ziele erreichen. Ein entsprechendes System würde die folgenden drei Elemente aufweisen:
(1) Ein einheitliches Portal (oder aus Nutzersicht: das Deutsche Unternehmensregister) stellt für den Rechtsverkehr alle unternehmensrelevanten und publizitätspflichtigen Daten auf einen Blick und einen Klick bereit. Es bietet darüber hinaus umfassende Suchfunktionen. Dabei wird unmittelbar auf die Inhalte der einzelnen Handelsregister zugegriffen, so dass die bereitgestellte Information den öffentlichen Glauben des § 15 HGB genießt. Das Unternehmensregister stellt daneben auch die Informationen zur Verfügung, die keinen öffentlichen Glauben genießen. Von hier aus könnte zudem der unmittelbare Zugriff auf den elektronischen Bundesanzeiger erfolgen. Ein derart erstellter – unbeglaubigter oder vom Notar beglaubigter – Unternehmensregisterauszug würde zudem optisch so gestaltet sein, dass dem – auch juristisch nicht versierten – Nutzer deutlich wird, welche Aussagekraft den einzelnen Eintragungen zukommt und auf welchem zeitlichen Stand diese sind.
Dies würde bedeuten, dass Informationsquelle für die von § 15 HGB erfassten Tatsachen weiterhin das Handelsregister ist, Informationsträger jedoch der Unternehmensregisterauszug. Oder anders formuliert: Das Unternehmensregister ist insoweit Handelsregister im Sinne des § 15 HGB, wie die abgerufenen Informationen unmittelbar dem Handelsregister entstammen.
(2) Das dezentral geführte Handelsregister mit den lokalen Registergerichten sollte trotz zentralem Zugang auf die Daten weiterhin Vorprüfungsstelle für die anmeldungspflichtigen Informationen sein, gleich ob sie den öffentlichen Glauben des Handelsregisters genießen oder nicht. Das Gericht überwacht dann vor Ort z.B. die Einreichung der Abschlüsse und erzwingt diese mit den Mitteln des FGG, ohne dass es der Beleihung des Unternehmensregisters mit hoheitlichen Funktionen bedürfte (vgl. § 329 HGB i.d.F. des EHUG). Der Meldeweg nach § 329 Abs. 4 HGB i.d.F. des EHUG und der hiermit verbundene zusätzliche Bürokratieaufwand wären überflüssig. Das Entstehen einer weiteren Kapitalmarkt-Superbehörde neben der BaFin in Gestalt des Unternehmensregisters würde zugleich verhindert.
(3) Die Länder und der Bund richten gemeinsam das Unternehmensregister ein, das als einheitliches Portal für Abfragen wie Anmeldungen dient. Die Führung der Handelsregister bleibt im übrigen den Ländern vorbehalten. Die Online-Einsicht in die einzelnen Handelsregister nach den bisherigen Systemen würde durch die Einsicht in das umfassendere Unternehmensregister ersetzt.
7. In einem nächsten Schritt sollte die kapitalmarktrechtliche Funktion dieses Unternehmensregisters gestärkt werden. Denkbar wäre – schon zur Entlastung der BaFin, die nicht zur deutschen SEC werden sollte – die Einreichung von ad-hoc-Mitteilungen (entgegen § 8 Abs. 3 Nr. 9 HGB i.d.F. des EHUG) bei diesem Verbund. Der Rechtsverkehr würde auch diese Informationen dort erwarten.
In einem weiteren Schritt könnte über das Portal auch der Zugriff auf die Gewerberegister eröffnet werden. Die Vernetzung der Datenbanken der Gewerbeämter, der Sozialversicherungsträger, der Agenturen für Arbeit und schließlich auch der Finanzverwaltung würde zum einen die Effizienz der öffentlichen Verwaltung steigern, zum anderen die Vielzahl der Anmeldepflichten des Bürgers erheblich reduzieren.
8. Abschließend sei die Frage nach den Kosten gestellt. Sieht man in der Publizitätspflicht zugleich die Aufforderung, den Rechtsverkehr möglichst einfach und unmittelbar mit den relevanten Informationen zu versorgen, dann stellt jede Form der kostenpflichtigen Benutzung des entsprechenden Registers eine finanzielle wie administrative Hürde dar. Es ist bereits jetzt nicht verständlich, wieso die Einsicht in das Handelsregister vor Ort (am Computer in den Räumen des Registers) kostenfrei ist, jedoch beim eigentlichen Adressaten (am Computer in den Räumen des Unternehmers) kostenpflichtig. Rechtfertigung für eine Gebühr kann nur die (Re)finanzierung des Registers sein. Doch erscheint es mehr als fraglich, ob der Rechtsverkehr hierfür der richtige Schuldner ist. Die Kosten des einheitlichen Portals sollten vielmehr von den die Eintragung veranlassenden Unternehmen aufgebracht werden. Nur dann ist auch eine kostendeckende Kalkulation möglich. In der Umsetzung müssten lediglich die Eintragungskosten leicht erhöht und der entsprechende Mehrbetrag von den Ländern an den Träger des Unternehmensregisters überwiesen werden. Der gesamte administrative Aufwand eines weiteren Zahlungssystems für Kleinbeträge würde sich erübrigen, was erhebliche Kosten und Mühen spart und weitere Zugangsbarrieren abbaut. Die Erzielung von Einkünften jenseits der Kostendeckung – und um solche würde es sich ja bei der politisch gewünschten starken Nutzung eines nutzergebührenfinanzierten Unternehmensregisters handeln – stünde im übrigen nicht im Einklang mit, sondern im Widerspruch zum Ziel des Register, der Sicherung und damit der Förderung des Rechtsverkehrs durch größtmögliche Publizität seiner Einträge.
Zur technischen Seite des Gesetzesvorhabens haben Sie eine Stellungnahme der Bundesnotarkammer erhalten, der wir uns insoweit anschließen.
Für Rückfragen oder ein weiterführendes Gespräch stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.