Sachenrechtsänderungsgesetz

Stellungnahme vom 01.03.1994

 

1.             Der Deutsche Notarverein (DNV) als Vertreter der hauptberuflichen Notare sieht sich durch die Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins veranlaßt, seine Auffassung zum Sachenrechtsänderungsgesetz vorzutragen und am weiteren Verfahren beteiligt zu werden.

Der DNV begrüßt es, daß die Anwaltschaft bereit ist, sich verstärkt um die Sachenrechtsbereinigung zu bemühen. Im bisherigen, nun schon seit einem Jahr laufenden Gesetzgebungsverfahren, ist die Anwaltschaft nicht hervorgetreten.

2.             Leider zeigt sich bei näherem Zusehen, daß die Vorschläge des DAV nicht geeignet sind, die mit dem obligatorischen Vermittlungsverfahren verfolgten Ziele adäquat zu gewährleisten:

a) Selbstverständlich sind außergerichtliche Vergleiche auch im Bereich der Sachenrechtsbereinigung jederzeit möglich und zulässig. Der DNV erkennt auch durchaus an, daß die Beiziehung von Rechtsanwälten geeignet sein kann, eine außergerichtliche Einigung zu fördern. Die gänzlich neue Rechtsfigur des vorprozessualen Anwaltszwangs scheint hierzu aber aus verschiedenen Gründen ungeeignet. Wird auf der Grundlage der Sachenrechtsbereinigung auf Einräumung eines Erbbaurechts oder auf Übertragung des Eigentums geklagt, so wird es sich in aller Regel um Streitwerte handeln, die zur sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts führen, so daß ohnehin Anwaltszwang besteht. Der DNV geht als selbstverständlich davon aus, daß ein mit einer solchen Klage betrauter Rechtsanwalt, schon um der Gefahr des sofortigen Anerkenntnisses zu entgehen, vor der Klageerhebung den Versuch einer außergerichtlichen Einigung unternehmen wird. Dazu bedarf es einerseits keiner gesetzlichen Regelung. Ein solcher Einigungsversuch ist aber andererseits dem vorgesehenen notariellen Vermittlungsverfahren in keiner Weise vergleichbar. Es sollte auch der Eindruck vermieden werden, daß eine außergerichtliche Einigung nur unter Zuziehung von Rechtsanwälten möglich sei, der DNV hofft vielmehr und geht davon aus, daß sich nach Inkrafttreten des Gesetzes ein großer Teil der Fälle in der Weise gütlich regeln lassen, daß es weder zur Zuziehung von Rechtsanwälten noch zur Einleitung eines förmlichen Vermittlungsverfahrens kommt, sondern daß sich die Beteiligten direkt einigen und diese Einigung in der erforderlichen Form niederlegen werden.

b)            Einer der beiden Kern-Effekte des notariellen Vermittlungsverfahrens soll darin liegen, daß dem Gericht mit der Klage ein vollständiger notarieller Vertragsentwurf vorgelegt werden kann und muß, und daß bereits rechtsverbindlich geklärt ist, über welche Teile dieses Vertragsentwurfs sich die Beteiligten einig sind. Dem Gericht müssen dann nur noch die Anträge zur Ausfüllung der Detailpunkte vorgelegt werden, über die eine Einigung nicht erzielt werden konnte. In der Mehrzahl der Fälle wird sich der Rechtsstreit auf die Festsetzung der Höhe des Entgelts beschränken lassen. Selbstverständlich kann auch eine außergerichtliche Einigung den Inhalt haben, daß sich die Parteien über einen konkreten Vertragstext verbindlich einigen und nur Einzelheiten zur gerichtlichen Entscheidung offenbleiben; der vom DAV vorgeschlagene obligatorische anwaltliche Vermittlungsversuch kann insofern aber nicht dasselbe leisten wie das notarielle Vermittlungsverfahren. Der anwaltschaftliche Vermittlungsversuch kann im Einzelfall zur Vorlage eines solchen Textes führen, muß es aber nicht; das notarielle Vermittlungsverfahren hingegen soll sicherstellen, daß in jedem Fall ein solcher Entwurf vorliegt, und daß die Grundlagen dieses Entwurfes, insbesondere auch in grundbuchrechtlicher Hinsicht, so vorrecherchiert sind, daß die Entscheidung des Gerichts dann auch wirklich vollzugsfähig ist. Das entlastet die Gerichte effektiv.

c)             Der zweite Kernpunkt des vorgeschlagenen notariellen Vermittlungsverfahrens liegt im Säumnisverfahren. Mit dem Säumnisverfahren werden zwei Ziele verfolgt und erreicht: Zum einen wird ein heilsamer Zwang auf die Beteiligten ausgeübt, sich in der Tat körperlich an einen Tisch zu setzen und in sachliche Verhandlungen einzutreten. Die Erfahrungen gerade auch im Verfahren zur Vermittlung der Erbauseinandersetzung zeigen, daß eine Einigung häufig daran scheitert, daß es den Parteien gar nicht gelingt, untereinander Kontakt aufzunehmen, daß aber dann, wenn die Parteien gezwungenermaßen an einem Tisch sitzen, es in einer sehr großen Zahl von Fällen tatsächlich zu einer Einigung kommt. Der vorgeschlagene obligatorische anwaltschaftliche Vermittlungsversuch kann das nicht leisten. Der andere große Vorteil des Säumnisverfahrens liegt darin, daß ein fundierter notarieller Vertragsvorschlag als Grundlage für eine gerichtliche Entscheidung auch dann vorliegt, wenn die Vermittlung scheitert oder das Vermittlungsverfahren gar boykottiert wird. Auch das leistet der obligatorische anwaltliche Vermittlungsversuch nicht. Da zudem ein säumiger Beteiligter fürchten muß, daß ein ohne seine Mitwirkung aufgestellter Vertragsentwurf ihn trotz aller Objektivität des Notars benachteiligen könnte, wird er in aller Regel nicht darauf vertrauen, ohne Teilnahme am Vermittlungsverfahren dennoch ein für ihn positives Ergebnis erzielen zu können.

d)        Die beiden mit dem notariellen Vermittlungsverfahren verfolgten Kernziele lassen sich nur in einem förmlichen Verfahren erreichen. Es ist gerade Sinn des vorgeschlagenen notariellen Vermittlungsverfahrens, daß eine Partei, die sich daran nicht beteiligt, Nachteile erleiden kann. Soll dem so sein, so muß das Verfahren selbstverständlich rechtsstaatlich einwandfrei durchgeführt
werden. Ohne Förmlichkeiten kann die notwendige effektive Gewährung rechtlichen Gehörs nicht sichergestellt werden. Da in den §§ 86 bis 98 FGG ein Modell für solches rechtsstaatlich einwandfrei ausgestaltetes Vermittlungsverfahren bereits vorliegt und da aufgrund des bayerischen Ausführungsgesetzes positive Erfahrungen damit gemacht worden sind, das Verfahren Notaren zu übertragen, liegt nichts näher, als sich an die schon bewährte Rechtsfigur anzulehnen und nicht gänzlich neue Formen, deren praktische Adaptierung erfahrungsgemäß erhebliche Zeit erfordert, zu schaffen.

e)         Mit der Übertragung des förmlichen Vermittlungsverfahrens auf Rechtsanwälte kann sich der DNV nicht einverstanden erklären. Die beiden Berufe sind nun einmal so ausgestaltet, daß der Notar als Organ der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein öffentliches, der Neutralität verpflichtetes Amt ausübt, das auch nach geltendem Recht richterliche Funktionen umfaßt (siehe z.B. § 797 ZPO), während der Rechtsanwalt aufgrund eines privatrechtlichen Auftragsverhältnisses Parteiinteressen wahrzunehmen hat. Wer in hoheitlicher Funktion öffentliche Aufgaben wahrnimmt, muß – wie bei den Notaren vorhanden – staatlicher Aufsicht unterliegen; sollten solche Befugnisse im Rahmen des Vermittlungsverfahrens Rechtsanwälten übertragen werden, so müßte das Instrumentarium einer insofern erforderlichen staatlichen Aufsicht erst geschaffen werden. Inwieweit die Anwaltschaft bereit ist, sich im Interesse der Übernahme einer solchen Funktion einer staatlichen Aufsicht zu unterwerfen, sei hier dahingestellt. Jedenfalls ist klar, daß die Vermittlungsfunktion keinesfalls von einem Rechtsanwalt wahrgenommen werden könnte, der auch die Parteiinteressen eines am Verfahren Beteiligten zu vertreten hat; als Vermittler würde vielmehr nur ein Anwalt in Betracht kommen, der nach Art eines Schiedsrichters von allen Parteien gemeinsam benannt wird oder der von der Justizverwaltung bestellt werden müßte, wenn sich die Parteien nicht einigen könnten. Ein solcher von den Parteien zusätzlich zu honorierender Anwalt müßte sich mit den Gebühren zufrieden geben, die für das notarielle Vermittlungsverfahren vorgesehen sind und die weit unter einer üblichen Anwaltsvergütung liegen. Der DNV bezweifelt, daß sich überhaupt ausreichend qualifizierte Rechtsanwälte für die Übernahme einer solchen Funktion zur Verfügung stellen werden.

3. Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Vorschläge des DAV keine taugliche Alternative zu dem im Regierungsentwurf vorgesehenen notariellen Vermittlungsverfahren bieten.

 

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