Stellungnahme vom 10.04.2002
Der Deutsche Notarverein dankt Ihnen für die Gelegenheit, eine Stellungnahme in dieser für den Verbraucherschutz wichtigen Frage abzugeben.
1. Änderung des BGB:
Der Deutsche Notarverein begrüßt, dass der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des EuGH zügig reagiert. Dies schafft Rechtssicherheit, die im Interesse von Verbrauchern und Unternehmen liegt. Die gestern zur Widerrufbarkeit von Immobiliardarlehensverträgen in Haustürsituationen ergangene Entscheidung des Bundsgerichtshofs bestätigt, dass ein schnelles Handeln richtig ist.
1.1 Die Sonderregelung zur Widerruflichkeit von Immobiliardarlehensverträgen setzt eine systematische Grundentscheidung voraus:
Derzeit ist der Grundsatz, das Verträge mit ihrem Abschluss wirksam sind. Widerrufs- und Rückgaberechte sind die Ausnahme. Wird nun in § 506 BGB –E vorgesehen, dass das Widerrufsrecht ausgeschlossen werden könne, entsteht der für den Vertragstyp des Verbraucherdarlehensvertrages zutreffende, insgesamt aber irreführende Eindruck eines Grundsatzes der Widerruflichkeit. Bereits jetzt ist zu erkennen, dass manche Verbraucher übereilt Verträge abschließen, weil sie in zu weitem Umfang vom Bestehen von Widerrufsrechten ausgehen. Diese nachteilige Wirkung verstärkt sich, wenn, was zu erwarten ist, für bestimmte Vertragstypen das Widerrufsrecht formularmäßig ausgeschlossen wird.
1.2 Wir regen deshalb an, nach § 491 Abs. 2 wie folgt zu formulieren:
„(3) Keine Anwendung finden ferner
1. die §§ 358, 359, 492 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2, §§ 495, 497 Abs. 2 und 3 und § 498 auf Verbraucherdarlehensverträge, bei denen die Gewährung des Darlehens von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht wird und zu Bedingungen erfolgt, die für grundpfandrechtlich abgesicherte Darlehensverträge und deren Zwischenfinanzierung üblich sind; der Sicherung durch ein Grundpfandrecht steht es gleich, wenn von einer solchen Sicherung gemäß § 7 Abs. 3 bis 5 des Gesetzes über Bausparkassen abgesehen wird; § 495 findet auf solche Verträge nur Anwendung, wenn sie als Haustürgeschäft zustande gekommen sind.“
1.3 Sofern der Gesetzgeber meint, dass ein Widerrufsrecht zwar eingeräumt werden solle, dieses aber kraft ausdrücklicher Vereinbarung ausgeschlossen werden könne, sollte auf das Erfordernis einer „besonderen schriftliche Vereinbarung“ in § 506 (Nr. 8 der Formulierungshilfe) verzichtet werden. Schlimmstenfalls erhält der Darlehensnehmer neben dem Darlehensantrag, der Widerrufsbelehrung, der Quittung, die Belehrung empfangen zu haben, und der Zweckerklärung auch noch eine Widerrufsverzichtserklärung, die er jeweils gesondert unterschreiben muss. Das hat zwei gravierende Nachteile: Erstens liest kaum jemand so viele Einzelurkunden, deren Zusammenhang sich einem ungeübten Leser (und oft auch einem geübten) kaum mehr erschließt. Zweitens wird die Warnfunktion der Schriftform, nämlich durch eine Unterschrift rechtsverbindlich zu handeln, durch eine Vielzahl bloß quittierender Unterschriften abgewertet. Die Konzentration gilt weniger dem Inhalt als dem Wunsch, keine Unterschrift zu vergessen. Deshalb sollte dem § 506 in diesem Fall folgender Satz angefügt werden:
„Das Widerrufsrecht nach § 495 kann bei Immobiliardarlehensverträgen, die keine Haustürgeschäfte sind, durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen werden. Die Vereinbarung bedarf der Form des Darlehensvertrages und kann mit diesem verbunden sein. Sie muss einen Hinweis auf die ausgeschlossenen gesetzlichen Rechte beinhalten“
2. 2. ÄnderungsVO BGB-Informationspflichten VO / zu § 14 – Form des Widerrufs
2.1 Das Bundesministerium der Justiz stellt ferner zur Diskussion, die BGB-Informationspflichtenverordnung durch zwingend zu verwendende Musterbelehrungen zu ergänzen. Der Deutsche Notarverein hat gegen § 14 der Verordnung rechtliche und sachliche Bedenken:
2.1.1 Art. 245 Nr. 1 EGBGB ermächtigt lediglich zum Erlass einer Verordnung, die Inhalt und Gestaltung der nach den gesetzlichen Vorschriften mitzuteilenden Belehrungen festlegt. Die Ermächtigung knüpft damit an die bestehende gesetzliche Belehrungspflicht an. Es besteht keine Verpflichtung, bei einem Fernabsatzvertrag über die Rechte bei Verträgen über Teilzeit-Wohnrechteverträge zu belehren. Zu § 361a BGB a.F. war bereits Rechtsprechung ergangen, wonach die Belehrung keine verwirrenden oder ablenkenden Zusätze enthalten darf (OLG Stuttgart NJW 1994, 3110). Ferner ist fraglich, ob die Ermächtigung zur Festlegung des Inhalts auch die Ermächtigung zur Festlegung des Wortlautes beinhaltet.
Im Punkt „Widerrufsfolgen“ widersprechen allgemeine Muster dem § 357 BGB n. F. Nach dieser Vorschrift ist der Verbraucher konkret auf Wertverluste auch durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme und auf konkrete Möglichkeiten deren Vermeidung hinzuweisen. Die Gesetzesbegründung BTDrs 14/6040 S. 199 zu § 357 zu Satz 1 ist hier eindeutig. Zumindest müssen Beispiele auf den Vertragstyp bzw. die zu erbringenden Leistung zugeschnitten sein, um diese Verdeutlichungsfunktion zu erfüllen. Eine pauschale Belehrung erfüllt die gesetzlichen Anforderungen nicht. Ein alle Vertragstypen umfassendes Muster ist damit nicht möglich.
Widerspricht aber ein durch Verordnung festgelegtes Muster den europarechtlichen Vorgaben, sind Ansprüche gegen den Staate aus unrichtiger Umsetzung von EG-Recht denkbar.
2.1.2 Ferner bestehen sachliche Bedenken, die Verwendung von Mustern zwingend vorzuschreiben.
2.1.2.1 Der Nutzen von Mustern wird damit nicht bestritten. Amtlich vorformulierte Muster haben für Verbraucher den Vorteil, dass durch klare, verständliche Formulierungen das Leitbild einer gelungenen Belehrung vorgegeben wird, an der sich andere Gestaltungen messen lassen müssen. Unternehmen, insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung, werden die Absicht des Bundesministeriums der Justiz begrüßen, ihnen ein Muster an die Hand zu geben, bei dessen Verwendung die verbraucherschützenden Belehrungspflichten rechtssicher erfüllt werden.
2.1.2.2 Für dieses Ziel ist kein Zwang erforderlich. Da die Unternehmen das Risiko tragen, wenn eigene Formulierungen den durch das Leitbild konkretisierten gesetzlichen Vorgaben nicht entsprechen, ist nicht erkennbar, warum die Verwendung des Musters zwingend sein soll.
2.1.2.3 Allgemeine Muster haben ferner den Nachteil, dass sie wie eine Rechtsnorm abstrakt-generell formuliert sein müssen. Da bereits der Gesetzeswortlaut mit dem Ziel größtmöglicher Verständlichkeit formuliert wurde, kann eine allgemeine Belehrung nur auf Kosten der Präzision gehen. Eine abstrakte, stets wortgleiche Belehrung ist auch aus Sicht der Verbraucher nicht sinnvoll: Dieses Mittel der Belehrung stumpft schnell ab.
2.1.2.4 Sodann sollte auf den Fall der notariellen Beurkundung hingewiesen werden:
Hier dürfen die Musterformulierungen in keinem Fall zwingend sein, wenn die Belehrung in einem notariellen Protokoll erfolgt. Notarinnen und Notare beraten zu Recht einzelfallbezogen. Wir können hier auf unsere tägliche Erfahrung bei der Beratung von Verbrauchern und Unternehmen zurückgreifen, die sich in der Rechtsprechung zu § 17 BeurkG widerspiegelt: „Die Belehrung muss inhaltlich so gestaltet sein, dass die Beteiligten die rechtlichen Folgen auch erkennen können. Ebenso wie der Notar bei der Willens- und Sachverhaltserforschung nicht davon ausgehen kann, dass die Beteiligten von ihnen verwandte Rechtsbegriffe von Rechtstatsachen als juristische Laien richtig verstehen, muss er auf den Empfängerhorizont auch bei der Belehrung Rücksicht nehmen. Rechtsfolgen alleine mit juristischen Begriffen zu erklären, genügt daher regelmäßig nicht. Sie sind vielmehr in geeigneter Weise so zu übersetzen, dass die Beteiligten auch als juristische Laien die Folgen nachvollziehen können (BGH WM 1996, 84ff, 86)“ (Frenz in: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, München 2000, Rn. 14 zu § 17 BeurkG). Eine Belehrung soll die gesetzlichen Rechte verdeutlichen und muss deshalb aus sich heraus verständlich sein. Eine Belehrung über den Inhalt der Belehrung nötig zu machen ist absurd.
2.1.3 Deshalb ist festzustellen: Im Interesse der Verbraucher muss die Belehrung so konkret sein wie dem Unternehmen wirtschaftlich zumutbar. Zumutbar ist zum Beispiel, dass ein Unternehmen, das keine Teilzeit-Wohnrechteverträge anbietet, diesen bei einem Warenkauf verwirrenden Textabschnitt weglässt. Es muss dem Unternehmen gerade im Verbraucherinteresse gestattet sein, so konkret wie möglich zu formulieren. Das ist auch Qualitätsmerkmal eines kundenorientierten Unternehmens.
2.1.4 Wäre ein im Wortlaut festgelegtes Muster zwingend zu verwenden, stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn der Unternehmer dem Verbraucher zusätzliche Rechte einräumt, z.B. für den Widerruf einen Telefonanruf ausreichend sein lässt oder die Widerrufsfrist verlängert.
2.1.5 Abschließend sollte bedacht werden, dass eine zu umfassende Belehrung davon ablenken kann, dass neben dem Widerrufsrecht andere, dem Verbraucher günstigere Rechte bestehen können, so das Widerrufsrecht nach § 130 BGB von Zugang der eigenen Willenserklärung, die Anfechtungsrechte und die Rechte wegen Pflichtverletzung.
2.1.6 Von der Gestaltung raten wir daher, zwar Muster vorzuschlagen, diese aber vertragsformbezogen zu konkretisieren und neben einem „Musteraufbau“ verschiedene Textbausteine vorzuschlagen. Da aus den genannten Gründen nur eine freiwillige Verwendung möglich ist, kann auf das Instrument einer Verordnung verzichtet werden. Vielmehr würden die gesetzlichen Gebote der Klarheit und Verständlichkeit dazu führen, dass ein Muster des BMJ, das beispielsweise auf der Homepage des BMJ zum Download bereit gestellt wird, weite Verbreitung findet.
2.2 Auf Änderungsbedarf in § 1 Abs. 1 Nr. 9 , Abs. 3 Nr. 1 und § 2 Abs. 2 Nr. 1 „Textform“ dürfen wir hinweisen.
Der Deutsche Notarverein steht für weitere Vorschläge und Anregungen in diesem Verfahren auch kurzfristig gerne zur Verfügung. Die Gelegenheit, unsere Auffassung mündlich zu erläutern und vorzutragen, werden wir am 15.04.2002 gerne wahrnehmen.