Stellungnahme vom 30.08.2007
Der Deutsche Notarverein e. V. dankt für die Übersendung des oben genannten Entwurfs und die Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die von der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main mit Schreiben vom 10. Mai 2007 vorgetragenen Erwägungen sind aus Sicht des Deutschen Notarvereins nachvollziehbar. Viele Inhalte der Ausbildung zum Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten, etwa Kenntnisse im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz oder in der Kostenordnung oder die Berechnung und Überwachung von Rechtsmittelfristen, haben in überregional oder international tätigen Großkanzleien kaum Bedeutung. In solchen Kanzleien werden von den Mitarbeitern andere Fähigkeiten gefordert, insbesondere ein einigermaßen sicherer Umgang mit der englischen (Rechts- und Wirtschafts-)Sprache. Dies gehört nicht zu den hergebrachten Anforderungen an Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte. Der Deutsche Notarverein teilt die Einschätzung, dass insoweit für dieses spezielle Segment des Rechtsberatungsmarkts ein Bedarf für die Schaffung des vorgeschlagenen neuen Ausbildungsberufs bestehen könnte. Falls diese Bedarfseinschätzung unzutreffend sein sollte, droht im Übrigen kein Schaden. Im schlimmsten Fall wird der neue Ausbildungsberuf ein Schattendasein führen und in einigen Jahren die Frage aufwerfen, ob man ihn mangels Marktakzeptanz wieder abschaffen sollte.
Die vom Legal Assistant geforderten Fähigkeiten und Kenntnisse gehen aus Sicht des Deutschen Notarvereins jedoch intellektuell über das Anforderungsprofil von Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten hinaus. Es ist zu erwarten, dass die vorgeschlagene Ausbildung zum Legal Assistant nur sinnvoll absolviert werden kann, wenn die Kandidaten zuvor eine andere themenverwandte Ausbildung absolviert oder ein Abitur haben. Dies entspricht jedenfalls den Erfahrungen in den Vereinigten Staaten. Dort gibt es den Beruf des Paralegal, auch dort mitunter Legal Assistant genannt, der offensichtlich für die Erwägungen der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main Pate gestanden hat. Paralegals in den Vereinigten Staaten haben häufig einen Bachelor-Abschluss und eine Gehaltsperspektive von USD 50.000,00 bis 80.000,00 jährlich. Das Berufsbild ist mithin nicht mit dem deutschen Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten zu vergleichen, sondern geht klar darüber hinaus. Der Legal Assistant steht vielmehr zwischen dem Volljuristen und dem Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, die Ausbildung zum Legal Assistant als Zusatzqualifikation auszugestalten, die Kandidaten offen steht, die bereits eine themenverwandte andere Ausbildung absolviert haben wie z. B. Rechtsanwalts- und Notarfachangestellter, Bürokaufmann oder Fremdsprachenassistent. Dieses Modell kann vage verglichen werden mit der regional gegebenen Möglichkeit, sich als Notarfachangestellter (im Bereich des hauptberuflichen Notariats) zum leitenden Notariatsmitarbeiter weiterzubilden. Vorteil dieses Modells ist, dass sich besonders talentierte oder engagierte Bürokräfte jederzeit später für die Zusatzqualifikation entscheiden können. Müsste man hingegen als Schulabgänger bereits die Weiche stellen, kommen aufgrund der hohen Anforderungen an den Legal Assistant realistisch nur Abiturienten in Betracht. Gerade Abiturienten mit der geforderten Fremdsprachenkompetenz haben jedoch erfreulicherweise mehrheitlich weitergehende Ambitionen als das Erlernen eines Berufs, der letzten Endes doch nur unterstützender Natur ist, wenig Aufstiegsperspektiven bietet und dessen Arbeitgebermarkt sehr eng ist.
Der Deutsche Notarverein ist der Bundesdachverband der Notare im Hauptberuf. Diese unterliegen Beschränkungen, wonach die Soziierung nur in kleinen Einheiten zulässig ist. Abhängig vom Bundesland dürfen sich Notare zumeist maximal zu zweit oder dritt zusammenschließen. Die größte Sozietät hauptberuflicher Notare in Deutschland besteht aus sieben Notaren. Die Soziierung eines hauptberuflichen Notars mit anderen rechts- oder steuerberatenden Berufsträgern ist generell unzulässig. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Notar dem Urkundsgewährungsanspruch (§ 15 Abs. 1 BNotO) unterliegt. Dies bedeutet, dass er jedes an ihn herangetragene rechtmäßige Beurkundungsersuchen erfüllen muss und erfüllt. Dies verhindert eine Spezialisierung in dem Umfang, wie sie bei überregionalen oder internationalen Rechtsanwaltskanzleien mit hunderten von Berufsträgern üblich geworden ist. Zwar haben einige Notare, insbesondere in den Ballungszentren, faktische Tätigkeitsschwerpunkte, auch in Bereichen, in denen Fremdsprachenkompetenz gefordert ist. Dies ist jedoch in keiner Weise mit der hochgradigen Spezialisierung in der Anwaltschaft zu vergleichen. Der hauptberufliche Notar ist ein Generalist.
Vor diesem Hintergrund benötigt der hauptberufliche Notar ebenso breit ausgebildete Mitarbeiter. Der Ausbildungsberuf des Notarfachangestellten trägt dem Anforderungsprofil des hauptberuflichen Notars auch heute noch Rechnung. Hauptberufliche Notare werden daher im Regelfall keinen Bedarf nach Legal Assistants haben. Nur ganz wenige hauptberufliche Notare sind häufig mit internationalen Unternehmenstransaktionen befasst sind. Allenfalls diese möglicherweise 20 oder 30 Notare könnten einen entsprechenden Bedarf nach Legal Assistants haben. Für diese wäre indes das oben vorgeschlagene Modell vorteilhaft. Ein erfahrener Mitarbeiter dieser Kanzleien könnte sich dann zum Legal Assistant weiterbilden.
Es ist aus Sicht des Deutschen Notarvereins nicht zu befürchten, dass der vorgeschlagene Ausbildungsberuf dazu führen wird, dass keine geeigneten Kandidaten mehr für die Ausbildung zum Notarfachangestellten gewonnen werden können. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der vorgeschlagene Ausbildungsberuf eher ein Nischen- als ein Massenberuf wird, jedenfalls außerhalb Frankfurts und Düsseldorfs, der beiden Hauptstandorte für Großkanzleien. Eine signifikante Auswirkung auf die Attraktivität der Ausbildung zum Notarfachangestellten erscheint unwahrscheinlich.
Hinsichtlich der Bezeichnung des neuen Ausbildungsberufs möchte der Deutschen Notarverein vorschlagen, einen deutschen Namen zu wählen. Wie sich aus dem übersandten Vermerk über das Gespräch im Bundesministerium der Justiz am 3. Juli 2007 ergibt, teilt das Ministerium die Bedenken des Deutschen Notarvereins. Es entspricht der bisherigen Handhabung des deutschen Gesetzgebers wie auch der Legislativorgane anderer Industriestaaten, sich in der Rechtssprache der Landessprache zu bedienen. Dies hat nichts mit Patriotismus oder Antiamerikanismus zu tun, sondern allein mit nationaler Souveränität. Im praktischen Umgang wird später niemand daran gehindert, sich „Legal Assistant“ zu nennen, auch wenn die offizielle Berufsbezeichnung eine andere ist, wie es Rechtsanwälten auch freisteht, sich als „Partner“ oder „Associate“ zu bezeichnen, da insoweit, wie auch beim „Legal Assistant“, keine gesetzlich geschützten Berufsbezeichnungen betroffen sind. Wir dürfen hier die Berufsbezeichnung „gepr. Rechtsassistent international“ vorschlagen, wobei wir hier von einer Zusatzqualifikation ausgehen.
Für etwaige Rückfragen steht der Deutsche Notarverein jederzeit gerne zur Verfügung.