Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen

Stellungnahme vom 21.04.2010

 

Der Deutsche Notarverein bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme

 

I.

 

Der Deutsche Notarverein begrüßt zunächst den grundsätzlichen Ansatz des Referentenentwurfes, wonach der Unternehmer zukünftig im Fall des Widerrufs eines Fernabsatzvertrages vom Verbraucher nur insoweit Wertersatz erhalten soll, als dieser die gelieferte Ware in einer Art und Weise genutzt hat, die über die Prüfung der Eigenschaft und der Funktionsfähigkeit der Ware hinausgeht.

 

Wir erlauben uns jedoch folgende Anregungen im Hinblick auf die konkret vorgesehenen gesetzlichen Formulierungen:

 

II.

 

1.      Notwendigkeit einer Parallelität der erforderlichen Belehrung in § 312e Abs. 1 Nr. 1 BGB bzw. § 312e Abs. 2 Nr. 1 BGB und § 357 Abs. 1 BGB

 

Der Referentenentwurf sieht in § 312e Abs. 1 Nr. 2 BGB-E vor, dass Wertersatz nur zu leisten ist, wenn der Verbraucher

 

„vom Unternehmer entsprechend § 360 Absatz 1 oder 2 über sein Widerrufs- oder Rückgaberecht belehrt worden ist oder hiervon anderweitig Kenntnis erlangt hat.“

 

Der Deutsche Notarverein regt an, an dieser Stelle neben der Belehrung (bzw. Kenntnisnahme) über das Widerrufs- oder Rückgaberechts auch die Verpflichtung zur Belehrung über die Rechtsfolgen der (über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsfähigkeit der Ware hinausgehenden) Ingebrauchname der Ware aufzunehmen.

 

Hierfür sprechen die folgenden Erwägungen:

 

a)      Schutzwürdiges Interesse des Verbrauchers

 

Zunächst ist hier das schutzwürdige Interesse des Verbrauchers zu berücksichtigen. Dieser sollte bei Vertragsschluss über die (rechtlichen wie wirtschaftlichen) Folgen der Nutzungsziehung während der „Schwebezeit“ der Widerrufs- bzw. Rückgabefrist informiert werden, um so eigenverantwortlich entscheiden zu können, ob er dieses „Risiko“ eingeht und mit der Nutzung der Sache beginnt oder er dies angesichts der etwaigen Wertersatzforderung des Unternehmers unterlässt.

 

b)     Parallelität zu den Regelungen im Falle der Verschlechterung der Sache

 

Hierfür spräche überdies auch die ebenfalls im Referentenentwurf vorgesehene Regelung in § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB, wonach der Verbraucher Wertersatz für eine Verschlechterung der Sache nur zu leisten hat, wenn er u. a.

 

„spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, die Verschlechterung zu vermeiden.“

 

In beiden Fällen – Wertersatz für Verschlechterung wie Nutzungsersatz – wird der Verbraucher für ein „kontradiktorisches“ Verhalten – oder, wie es der Gesetzgeber formuliert, ein Verhalten „entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben“ (S. 12) – in Anspruch genommen, da er einen Gegenstand in Gebrauch nimmt, obwohl er sich noch nicht entschieden hat, ob er von seinem Widerrufsrecht Gebrauch will. Der Rechtsgedanke, dass der Verbraucher für die während dieser vorgenannten Schwebezeit gezogenen Vorteile (Nutzungen) bzw. die durch die Rückgabe verhinderten Nachteile (Verschlechterung) verantwortlich sein soll, ist in beiden Fällen einleuchtend und folgerichtig – wenn und soweit der Verbraucher auf diese Folge auch im Vorfeld hingewiesen wird.

 

Wir beziehen uns insoweit auch auf den zutreffenden Hinweis aus S. 17 f der Begründung des Referentenentwurfs, wonach

 

„Ansprüche auf Wertersatz für eine Verschlechterung des empfangenen Gegenstandes, die über die Wertminderung durch Nutzung der Sache (…) hinausgeht, in gleicher Weise [wie für den Fall des Nutzungswertersatzes, der Verf.] behandelt werden sollten“.

 

c)      Widerspruch zu § 312e Abs. 2 BGB-E

 

In der derzeitigen Fassung des § 312e BGB-E besteht überdies ein nicht unerheblicher Wertungswiderspruch zwischen der Regelung in Absatz 1 (Lieferung von Waren) und Absatz 2 (Erbringung von Dienstleistungen). Während wie gesehen bei ersterer eine Belehrung bzw. Kenntnis des Widerrufs- oder Rückgaberechts ausreicht, muss der Verbraucher bei letzterer „auf diese [d. h. den Anspruch auf Wertersatz, der Verf.] Rechtsfolge hingewiesen worden“ sein. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die eine unterschiedliche Behandlung in dieser Frage rechtfertigen; der Verbraucher wird in beiden Konstellationen einem Wertersatzanspruch ausgesetzt, weil er von einer Ware bzw. Leistung profitiert und hieraus Nutzungen gezogen hat, deren Wert er später wegen seiner Widerrufserklärung zurückerhalten möchte.

 

Zwar lässt sich durch eine teleologische Auslegung des Begriffes „Rechtsfolge“ darauf schließen, dass der Unternehmer den Verbraucher zuvor darüber belehrt haben muss, aus welchem Recht (Widerruf) dieses Recht resultiert, der Deutsche Notarverein regt jedoch an, dies noch einmal klarstellend entsprechend dem Vorschlag zu „III.“ in die Vorschrift aufzunehmen.

 

2.      Streichung des Zusatzes „hiervon anderweitig Kenntnis erlangt hat“ in § 312e Abs. 1 Nr. 2 BGB

 

Überdies schlägt der Deutsche Notarverein vor, in § 312e Abs. 1 Nr. 2 BGB-E die Alternative „hiervon anderweitig Kenntnis erlangt hat“ zu streichen. Die hiermit einhergehende Privilegierung des Unternehmers, der keine den Anforderungen des § 360 Abs. 1 oder 2 BGB genügende Widerrufs- bzw. Rückgabebelehrung verwendet, ist nicht nachvollziehbar und findet sich überdies (aus  guten Gründen) in keiner vergleichbaren Regelung (etwa in § 312e Abs. 2 Nr. 1 oder § 357 Abs. 3 BGB-E).

 

Zudem widerspricht der bloße Hinweis auf eine anderweitige Kenntnis den qualifizierten Anforderungen, die der Gesetzgeber in § 360 BGB an eine wirksame Widerrufsbelehrung aufgestellt hat. Eine solche muss hiernach nicht weniger als 9 Hinweise enthalten (etwa: Hinweis auf Recht zum Widerruf, Hinwies auf Dauer der Widerrufsfrist, Hinweis auf Beginn der Widerrufsfrist, Hinweis auf ladungsfähige Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist etc.). Sowohl vom Wortlaut her wie aus Verbraucherschutzgesichtspunkten muss sich die „anderweitige Kenntnis“ des Verbrauchers auf dieselben qualifizierten Umstände beziehen wie eine ausdrückliche Widerrufsbelehrung nach § 360 BGB. Eine vage Vorstellung des Verbrauchers, er könne ein Widerrufsrecht besitzen bzw. die fehlende Kenntnis eines oder mehrerer der vorgenannten 9 Elemente dürfte demnach nicht ausreichend sein. Eine derartig qualifizierte Kenntnis nachzuweisen wird dem Unternehmer in der Praxis indes nahezu unmöglich sein. In diesem Fall sollte eine derart unpraktikable wie streitanfällige Bestimmung jedoch von vorneherein nicht in das Gesetz aufgenommen werden.

 

 

III.

 

Zudem erlaubt sich der Deutsche Notarverein noch folgende Formulierungsvorschläge:

 

a)   Regelungen 7 im „Muster für die Widerrufsbelehrung“ und 5 (?) im „Muster für die Rückgabeerklärung“

 

Die Regelungen 7 in Anlage 1 zu Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 („Muster für die Widerrufsbelehrung“) und 5 in Anlage 2 zu Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 („Muster für die Rückgabebelehrung“) sprechen nur von der „Verschlechterung“ der Sache, für die kein Wertersatz geleistet werden müsse. Hier sollte jedoch, wie erläutert, nicht nur auf die Verschlechterung, sondern auch die Nutzung der Sache abgestellt werden.

 

In der vorgenannten Regelung 7 sollte überdies zu Beginn das Zeichen „[“ entfernt werden.

 

b)  Regelungen 8 im „Muster für die Widerrufsbelehrung“ und Regelung 6 im „Muster für die Rückgabeerklärung“

 

Die Regelungen 8 in Anlage 1 zu Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 („Muster für die Widerrufsbelehrung“) und  6 in Anlage 2 zu Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 („Muster für die Rückgabebelehrung“) erscheinen uns, soweit sie sich darauf beziehen, der Verbraucher solle die Ware nicht „wie [sein] (…) Eigentum in Gebrauch nehmen“, zumindest missverständlich.  Durch diese Formulierung wird suggeriert, dass der Eigentümer eine Verschlechterung der Sache eher in Kauf nehme als etwa ein Mieter oder sonstiger bloß schuldrechtlich Berechtigter. Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall. Gerade der Eigentümer wird die ihm gehörenden Sachen besonders pfleglich behandeln und jegliche Verschlechterung zu verhindern trachten. Wir regen vor diesem Hintergrund an, diesen – ohnehin nicht erforderlichen – Zusatz zu streichen.

 

 

IV.

 

Wir schlagen daher zusammenfassend folgende Formulierungen vor:

 

„§ 312e

Wertersatz bei Fernabsatzverträgen

 

(1)    Bei Fernabsatzverträgen über die Lieferung von Waren (…)

 

2.      wenn er vom Unternehmern bei Vertragsschluss entsprechend § 360 Absatz 1 oder 2 über sein Widerrufs- oder Rückgaberecht und diese Rechtsfolge belehrt worden ist.

 

(2)    Bei Fernabsatzverträgen über Dienstleistungen (…)

 

1.      wenn er vor Abgabe seiner Vertragserklärung auf diese Rechtsfolge und sein Widerrufsrecht hingewiesen worden ist und (…)“

 

„Anlage 1
(zu Artikel 246 § 2 Absatz 3 Satz 1)

(…)

[7]  Für die Nutzung bzw. Verschlechterung der Sache müssen Sie keinen Wertersatz leisten, soweit die Nutzung bzw. Verschlechterung auf die Prüfung der Eigenschaften und die Funktionsfähigkeit der Sache zurückzuführen ist. 8 Im Übrigen können Sie die Pflicht zum Wertersatz vermeiden, indem Sie die Sache nicht in Gebrauch nehmen bzw. alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt. (…)“

 

„Anlage 2
(zu Artikel 246 § 2 Absatz 3 Satz 1)

(…)

[5]

Rückgabefolgen

(…) Für die Nutzung bzw. Verschlechterung der Sache müssen Sie keinen Wertersatz leisten, soweit die Nutzung bzw. Verschlechterung auf die Prüfung der Eigenschaften und die Funktionsfähigkeit der Sache zurückzuführen ist. 6 Im Übrigen können Sie die Pflicht zum Wertersatz vermeiden, indem Sie die Sache nicht in Gebrauch nehmen bzw. alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt. (…)“

 

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