Stellungnahme vom 29.03.2012
Zu dem von der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschlag zur Beseitigung von Problemen bei der Besteuerung grenzüberschreitender Erbfälle möchten wir wie folgt Stellung nehmen, wobei wir eine kurze Inhaltsübersicht voranstellen möchten. Wir sind im Transparenz-Register der Europäischen Kommission unter der Nummer 4214197228-35 registriert.
Inhaltsübersicht:
A. Mitteilung der Kommission zum Abbau grenzübergreifender Erbschaftsteuerhindernisse innerhalb der EU
1. Empfehlungen der Kommission zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung von Erbschaften
2. Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen zu den Grundsätzen einer diskriminierungsfreien Erbschaftsbesteuerung
B. Kritische Würdigung des Kommissions-Pakets zur Erbschaftsteuer
1. Maßnahmen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung
2. Reichweite der Grundfreiheiten auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer
C. Gesamtergebnis und Thesen
A. Mitteilung der Kommission zum Abbau grenzübergreifender Erbschaftsteuerhindernisse innerhalb der EU
In ihrer Mitteilung vom 15.12.2011 an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss[1] hebt die Kommission einleitend hervor, dass die Besteuerung grenzüberschreitender Erbfälle zu den 20 vordringlichsten Problemen zählt, mit denen sich Bürger und kleinere Unternehmen bei der Entfaltung grenzüberschreitender Aktivitäten konfrontiert sehen. Nach Angaben der Kommission lebten 2010 schätzungsweise rd. 12,3 Millionen EU-Bürger in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Herkunftsland. Der grenzübergreifende Immobilienbesitz in der EU habe zwischen 2002 und 2010 um 50% zugenommen. Zudem sei ein steigender Trend hin zu Kapitalanlagen in anderen Mitgliedstaaten zu verzeichnen. Konservativen Schätzungen zufolge sei mit 290.000 bis 360.000 grenzüberschreitenden Erbfällen pro Jahr zu rechnen.
In rechtlicher Hinsicht stellt die Kommission fest, dass es eine EU-weite Gesetzgebung im Bereich der Erbschaftsbesteuerung nicht gibt. Die Mitgliedstaaten besäßen deshalb die Befugnis zum Erlass eigener erbschaftsteuerrechtlicher Bestimmungen. Gegenwärtig würden von den 27 Mitgliedstaaten nur 18 Staaten spezielle Steuern auf den Vermögenserwerb von Todes wegen erheben. Von den übrigen Mitgliedstaaten würden einige jedoch Erbschaften auf andere Weise, beispielsweise im Rahmen der Einkommensteuer, besteuern.
Die in 18 Mitgliedstaaten vorhandenen Erbschaftsteuerregelungen würden sich zudem in Bezug auf den Gegenstand der Besteuerung unterscheiden: Teilweise würde der (ungeteilte) Nachlass besteuert; teilweise sei die Steuer (wie in Deutschland) als Erbanfallsteuer ausgestaltet. Erhebliche Unterschiede bestünden auch hinsichtlich der persönlichen Kriterien, an die die Erbschaftsteuerpflicht geknüpft sei (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt, Staatsangehörigkeit des Erblassers oder des Erben), und der Höhe der Steuersätze. Letztere beliefen sich in einigen Mitgliedstaaten bei einem Erwerb zwischen familienfremden Personen auf 60-80%.
Die Kommission sieht vor diesem Hintergrund zwei Hauptschwierigkeiten, die sich in grenzüberschreitenden Erbfällen stellen können:
(1) Die diskriminierende Ungleichbehandlung von In- und Auslandssachverhalten im Erbschaftsteuerrecht der einzelnen Mitgliedstaaten;
(2) Doppel- oder Mehrfachbesteuerungen ein und desselben Vorgangs, die nur selten durch Gewährung bilateraler oder unilateraler Steuerermäßigungen gemildert würden.
Die Kommission weist darauf hin, dass der EuGH bisher in acht von zehn Fällen, die ihm seit 2003 zur Entscheidung vorgelegt worden seien, eine Verletzung des EG-Vertrags[2] durch diskriminierende Erbschaftsteuerregelungen der Mitgliedstaaten festgestellt habe. Allerdings sei der EuGH in der Rechtssache Block[3] zu der Erkenntnis gelangt, dass die parallele Ausübung von Besteuerungsrechten durch zwei oder mehrere Mitgliedstaaten beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts weder eine diskriminierende Ungleichbehandlung durch einen einzelnen Mitgliedstaat noch eine nichtdiskriminierende Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstelle. Auch die Kommission erkennt in ihrer Mitteilung an, dass danach die Kompetenz zur Beseitigung einer daraus resultierenden Doppelbesteuerung bei den einzelnen Mitgliedstaaten verbleibt.
Die Kommission ist weiter der Auffassung, dass die bestehenden Probleme bei der Besteuerung grenzüberschreitender Erbfälle ohne eine Harmonisierung des Erbschaftsteuerrechts der Mitgliedstaaten gelöst werden können. Die Mitgliedstaaten sollten ihre nationalen Bestimmungen jedoch so aufeinander abstimmen, dass das Potenzial für Doppel- oder Mehrfachbesteuerungen verringert würde.
Da die Mitgliedstaaten zurzeit nur wenige Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf dem Gebiet des Erbschaftsteuerrechts geschlossen hätten[4] und mit dem Abschluss weiterer DBA in naher Zukunft auch nicht gerechnet werden könne, konzentriert sich die Kommission auf die Unterbreitung von Vorschlägen, wie die Mitgliedstaaten ihre Besteuerungsrechte durch Rechtsakte oder Verwaltungsvorschriften besser koordinieren könnten. Ihre Lösungsansätze konkretisiert die Kommission in einer an die Mitgliedstaaten gerichteten Empfehlung.[5] Das Ziel der vorgeschlagenen Maßnahmen sei es, dass die Gesamtsteuerbelastung in einem grenzüberschreitenden Erbfall in der EU nicht über der eines inländischen Erbfalls liege. Fiskalisch betrachtet würde sich die Umsetzung der Lösungsvorschläge angesichts des geringen Beitrags der Erbschaftsteuer zu den Gesamteinnahmen der Mitgliedstaaten kaum auf deren Gesamtsteueraufkommen auswirken.
Zum anderen will die Kommission die EU-Bürger in einem Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen[6] über die aus den Grundfreiheiten und der EuGH-Rechtsprechung abgeleiteten Grundsätze für eine diskriminierungsfreie Erbschaftsbesteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte informieren. Den Mitgliedstaaten soll auf diese Weise zugleich eine Hilfestellung gegeben werden, ihre erbschaftsteuerrechtlichen Regelungen europarechtskonform auszugestalten.
Die Kommission hat angekündigt, die weitere Rechtsentwicklung in den Mitgliedstaaten aufmerksam zu beobachten. Die Ergebnisse dieses Monitoring während der nächsten drei Jahre sollen in einem Bericht festgehalten werden. Die Kommission behält sich vor, weitere Vorschläge zur Beseitigung etwa dann noch festgestellter grenzübergreifender Erbschaftsteuerhindernisse zu unterbreiten.
1. Empfehlungen der Kommission zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung von Erbschaften
Die Kommission versteht in ihrer auf der Grundlage des Art. 292 AEUV erlassenen Empfehlung unter Erbschaftsteuern alle Steuern auf Zuwendungen von Todes wegen, die von den Mitgliedstaaten und ihren regionalen Untergliederungen, unabhängig von der Bezeichnung der Steuer, erhoben werden. Es sollen auch alle Steuern auf Schenkungen miterfasst werden, die in Vorwegnahme der Erbfolge ausgeführt und unter den gleichen oder ähnlichen Voraussetzungen besteuert würden wie Erbschaften.
Geeignete Instrumente zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung sind in den Augen der Kommission sowohl die Anrechnung der in einem anderen Mitgliedstaat (Belegenheitsstaat) gezahlten Erbschaftsteuer auf die inländische Steuerschuld als auch die Freistellung der Erbschaft von der Besteuerung im Wohnsitzstaat. Zentrale Bedeutung für die Zuweisung der Besteuerungsrechte soll hierbei der persönlichen Verbindung („personal link“) zukommen, die der Erblasser oder Erbe zu einem Mitgliedstaat hat. Diese Verbindung kann auf unterschiedlichen Merkmalen wie Domizil, Wohnsitz, ständige Wohnstätte, Mittelpunkt der Lebensinteressen, gewöhnlicher Aufenthalt, Staatsangehörigkeit oder dem Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung beruhen. Die genaue Bedeutung dieser Begriffe soll sich nach der Rechtsordnung des jeweiligen Mitgliedstaates richten, die diese als Anknüpfungspunkt für die Steuerpflicht verwendet.
Bei der prinzipiellen Zuordnung der Besteuerungsrechte geht die Kommission von folgenden Regeln aus:
a) Unbewegliches Vermögen und Betriebsvermögen einer festen Geschäftseinrichtung
Ein Mitgliedstaat darf unbewegliches Vermögen, das in seinem Staatsgebiet liegt, besteuern. In diesem Fall soll der Wohnsitzstaat zur Gewährung der Steuerermäßigung verpflichtet sein.
Bewegliches Vermögen, das zum Betriebsvermögen einer festen Geschäftseinrichtung gehört, kann von dem Mitgliedstaat besteuert werden, in dem sich die Geschäftseinrichtung befindet. Auch in diesem Fall soll den Wohnsitzstaat die Verpflichtung zur Freistellung oder Anrechnung der ausländischen Steuer treffen.
b) Sonstiges bewegliches Vermögen, das nicht zu einer festen Geschäftseinrichtung zählt
Ein Mitgliedstaat, zu dem weder der Erblasser noch der Erbe eine persönliche Verbindung hatte, soll auf eine Besteuerung des sonstigen beweglichen Vermögens ganz verzichten, wenn ein anderer Mitgliedstaat das Vermögen aufgrund einer mit ihm bestehenden persönlichen Verbindung des Erblassers und/oder des Erbes besteuert.
Weisen der Erblasser und der Erbe jeweils eine persönliche Verbindung zu einem anderen Mitgliedstaat auf, soll der Mitgliedstaat, dem der Erbe persönlich verbunden war, eine Ermäßigung für die im Wohnsitzstaat des Erblassers bezahlte Steuer gewähren.
Hat eine Person nach den einschlägigen Vorschriften der Mitgliedstaaten eine persönliche Verbindung zu verschiedenen Mitgliedstaaten, sollen die zuständigen Finanzbehörden im Wege eines Verständigungsverfahrens eine Einigung darüber erzielen, welchem Staat in diesen Fällen ein Besteuerungsrecht zusteht und welcher Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung verpflichtet ist.
Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten, bei der Bestimmung der engeren persönlichen Verbindung einer natürlichen Person zu einem Mitgliedstaat auf folgende, nach ihrer Rangfolge gestaffelte Merkmale zurückzugreifen:
(a) Die ständige Wohnstätte der Person;
(b) wenn der Mitgliedstaat, in welchem die Person über eine ständige Wohnstätte verfügt, sein Besteuerungsrecht nicht ausübt, oder wenn eine Person in mehr als einem Mitgliedstaat über eine ständige Wohnstätte verfügt, soll es auf die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen der Person zu einem Mitgliedstaat (Mittelpunkt der Lebensinteressen) ankommen;
(c) falls der Mitgliedstaat, dem nach den in (b) genannten Kriterien ein Besteuerungsrecht zusteht, keine Steuer erhebt oder nicht bestimmt werden kann, in welchem Mitgliedstaat die Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hatte, oder falls sie in keinem der Mitgliedstaaten eine ständige Wohnstätte hat, soll auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Person abgestellt werden;
(d) wenn der Mitgliedstaat, der nach den in (c) genannten Merkmalen besteuern dürfte, sein Besteuerungsrecht nicht ausübt oder wenn die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in mehr als einem oder in keinem Mitgliedstaat hatte, dann soll sich die maßgebliche persönliche Verbindung nach der Staatsangehörigkeit richten.
Bei anderen als natürlichen Personen (beispielsweise bei einer gemeinnützigen Organisation) soll es für die Bestimmung der engeren persönlichen Verbindung zu einem Mitgliedstaat nach der Empfehlung der Kommission auf den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung ankommen.
c) Frist für die Gewährung einer Steuerermäßigung
Die Kommission spricht sich dafür aus, dass die Mitgliedstaaten eine angemessene Zeitspanne von z.B. 10 Jahren festlegen, innerhalb derer eine Freistellung von der Erbschaftsteuer oder die Anrechnung der in einem anderen Mitgliedstaat gezahlten Steuer möglich sein soll.
2. Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen zu den Grundsätzen einer diskriminierungsfreien Erbschaftsbesteuerung
In dem Arbeitspapier analysiert die Kommission die Rechtsprechung des EuGH auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Ausgangspunkt ist die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Barbier aus dem Jahr 2003,[7] in der sich das Gericht erstmals mit dem Einfluss der Grundfreiheiten auf das Erbschaftsteuerrecht befasst hat. Vorrangiger Prüfungsmaßstab ist dabei in allen Entscheidungen die in Art. 63 Abs. 1 AEUV verankerte Kapitalverkehrsfreiheit. Lediglich in der Rechtssache Maria Geurts[8] hat der EuGH zur Überprüfung einer Steuerbefreiung für Familienunternehmen, die eine bestimmte Anzahl im Inland beschäftigter Arbeitnehmer zur Voraussetzung hatte, die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) herangezogen.
Auf der Basis ihrer Rechtsprechungs-Auswertung formuliert die Kommission folgende Prinzipien:
a) Territoriale Merkmale von Nachlassgegenständen
Den Mitgliedstaaten ist es nach Auffassung der Kommission untersagt, im Ausland belegenes Vermögen steuerlich schlechter zu behandeln als im Inland belegenes Vermögen. Dies gelte sowohl in Bezug auf Bewertungsmethoden als auch für die Abzugsfähigkeit von Schulden oder Lasten, soweit diese im Zusammenhang mit Vermögensgegenständen im In- und Ausland stünden. Die Mitgliedstaaten dürften auch keine höheren Steuersätze für den Erwerb im Ausland gelegenen Vermögens vorsehen. Das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot erstrecke sich auch auf Aktien, die an ausländischen Börsen gehandelt würden, und auf Anteile an Gesellschaften mit Sitz im Ausland.
b) Ungleichbehandlung von Personen aufgrund ihrer Gebietsansässigkeit
Wo sich Gebietsansässige und Gebietsfremde in vergleichbarer Situation befänden, sei es den Mitgliedstaaten verboten, Gebietsfremde anders zu besteuern als Gebietsansässige. Insbesondere dürften Gebietsansässigen keine Bewertungsvorteile, keine erweiterten (sachlichen) Steuerbefreiungen und keine höheren persönlichen Freibeträge gewährt werden. Umgekehrt sei es den Mitgliedstaaten verwehrt, den Abzug von Nachlassschulden einseitig nur für Gebietsfremde einzuschränken.
c) Besteuerung von Unternehmen
Der Erwerb eines Unternehmens von Todes wegen dürfe nicht deshalb eine bevorzugte steuerliche Behandlung erfahren, nur weil das Unternehmen im Inland betrieben oder fortgeführt werde oder weil dessen Mitarbeiter im Inland ansässig seien. Steuerbefreiungen oder sonstige Steuervergünstigungen für den Erwerb von (Familien-)Unternehmen müssten im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen in gleicher Weise zuteil werden wie inländischen Steuerpflichtigen.
d) Diskriminierungsverbot bei der Besteuerung gemeinnütziger Einrichtungen
Nach Auffassung der Kommission ist es den Mitgliedschaften untersagt, Hinterlassenschaften an gemeinnützige Einrichtungen nur deshalb weniger vorteilhaft zu besteuern, nur weil die Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat errichtet wurde.
B. Kritische Würdigung des Kommissions-Pakets zur Erbschaftsteuer
Der Bestandsaufnahme der EU-Kommission zu den bestehenden Problemen bei der Besteuerung grenzüberschreitender Erbfälle und Schenkungen ist uneingeschränkt beizupflichten. Angesichts der fortschreitenden Globalisierung und der weiter wachsenden Mobilität gewinnt die Thematik für Unionsbürger und Unternehmen immer mehr an Gewicht.
Ursachen für eine Doppelbesteuerung von Erbschaften und Schenkungen sind die Einbeziehung ausländischen Vermögens in die inländische Besteuerung gepaart mit den verschiedenen länderspezifischen Anknüpfungspunkten der Erbschaftsteuerpflicht. Eine Doppelbesteuerung kann zudem entstehen, wenn zwischen den verschiedenen Steuerrechtsordnungen der Mitgliedstaaten Überschneidungen bei der Beurteilung der Belegenheit und Qualifikation beweglicher Gegenstände als inländisches Vermögen auftreten. Insbesondere beim Übergang von Anteilen an Personen- und Kapitalgesellschaften, zu deren Vermögen ausländischer Immobilienbesitz gehört, kann es zu einer Besteuerung sowohl durch den Belegenheitsstaat als auch durch den Sitzstaat der Gesellschaft kommen.
International ist außerdem zu beobachten, dass der Steuerwettbewerb auch vor der Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht halt macht. Dies zeigt sich innerhalb der EU darin, dass einige Länder wie Schweden und Österreich in den letzten Jahren auf die Erbschaftsteuer ganz verzichtet haben.[9] In Portugal wurde zum 1.1.2004 die Erbschaft- und Schenkungsteuer für Vermögensübergänge innerhalb der Familie aufgehoben.[10] Italien hat dagegen die im Jahr 2001 abgeschaffte Erbschaftsteuer 2006 wieder eingeführt.[11] Aus Sicht der Steuerpflichtigen ist es daher grundsätzlich zu begrüßen, dass sich die Kommission den Problemen bei der grenzübergreifenden Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen annimmt.
Parallel dazu findet das internationale Erbschaftsteuerrecht zunehmend auch auf wissenschaftlichen Tagungen Beachtung. So wurde das Thema der internationalen Doppelbesteuerung von Erbschaften und Schenkungen zuletzt auf dem Kongress der International Fiscal Association (IFA) 2010 in Rom behandelt.[12]
1. Maßnahmen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung
Maßnahmen zur Verhinderung einer Doppelbesteuerung können grundsätzlich auf europäischer Ebene in Form von Richtlinien oder ggf. in einem multilateralen Abkommen getroffen werden. Daneben kommen im bilateralen Verhältnis zwischen einzelnen Mitgliedstaaten der Abschluss von Verträgen in Gestalt von DBA oder unilaterale Maßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten in Betracht.
Die Kommission verfolgt seit einiger Zeit das Vorhaben, unterschiedliche nationale Steuerregelungen dadurch zu koordinieren, dass sie in Mitteilungen („KOM“) bestimmte gemeinsame Verhaltensweisen vorschlägt.[13] Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die Mitteilung vom 11.11.2011.[14] Darin setzt die Kommission auf bilaterale Lösungen nach dem Modell des „EU Joint Transfer Pricing Forum“ zur Schiedskonvention. In dieser KOM wird vorgeschlagen, ein „EU Forum on Double Taxation“ als Expertengremium einzusetzen sowie einen „Code of Conduct“ für die Anwendung von DBA zu entwickeln. Diese Strategie, die bestehenden Besteuerungsprobleme bei grenzüberschreitenden Sachverhalten durch eine bessere Abstimmung und Koordinierung auf Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten zu lösen, setzt die Kommission mit der vorliegenden Empfehlung fort.
a) Lösung des Problems durch Erbschaftsteuer-DBA
Das wirksamste Mittel zur Vermeidung einer europaweiten Doppelbesteuerung bei der Kollision von Besteuerungsansprüchen verschiedener Mitgliedstaaten wäre zweifelsohne der Abschluss von DBA. Aus Sicht des deutschen Rechts handelt es sich dabei um völkerrechtliche Verträge zwischen zwei Staaten, die nach ihrer Zustimmung durch den deutschen Bundestag gemäß Art. 59 Abs. 2 GG wie jede andere innerstaatliche Norm Geltung beanspruchen. In einem DBA legen die beteiligten Staaten verbindlich fest, welchem Staat bei konkurrierenden Besteuerungsansprüchen das primäre Besteuerungsrecht zusteht. Zugleich regeln die DBA das Verständigungsverfahren zur Lösung von Anwendungsproblemen und den zur Durchführung des Abkommens erforderlichen Informationsaustausch.
Auch auf Deutschland trifft jedoch der Befund der Kommission zu, dass DBA zu Erbschaft- und Schenkungsteuern die Ausnahme bilden. Während die Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen rund 90 DBA geschlossen hat, bestehen auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuer lediglich Abkommen mit Dänemark (1997), Frankreich (2009), Griechenland (1912/1953), Schweden (1995), der Schweiz (1980) und den USA (1986/2001).[15] Mit Finnland wurde 1997 ein DBA paraphiert, ohne dass dieses bis heute ratifiziert wurde. Die zwischenzeitlich mit den Niederlanden und Großbritannien aufgenommenen Verhandlungen über den Abschluss eines DBA werden nicht mehr weiter geführt. Verhandlungen über den Abschluss eines Erbschaftsteuer-DBA laufen derzeit noch mit Finnland und Italien.[16]
Wie der Überblick der Kommission über den Stand der zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden DBA verdeutlicht, ist Deutschland damit kein Einzelfall. Insgesamt wird innerhalb der EU von diesem Instrument zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung wenig Gebrauch gemacht. Durch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Block ist zudem geklärt, dass es keine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung der einzelnen Mitgliedstaaten zum Abschluss von DBA gibt.
b) Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung innerhalb der EU
Der Schutz gegen eine Doppelbesteuerung innerhalb der EU kann somit nur durch unilaterale Entlastungsmaßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten verbessert werden. Der in diese Richtung weisende Ansatz der Kommission ist deshalb im Bereich der Erbschaftsteuer nur konsequent.
aa) Kriterien der Kommission für die Zuweisung konkurrierender Besteuerungsrechte
Die von der Kommission vorgeschlagenen Anknüpfungspunkte für die Zuweisung von Besteuerungsrechten folgen im Wesentlichen den Bestimmungen des OECD-Musterabkommens für ein Abkommen zwischen zwei Staaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuer in seiner Neufassung aus dem Jahre 1982 (OECD-MA). Während der Geltungsbereich des OECD-Musterabkommens jedoch auf Nachlass- und Erbschaftsteuern (einschließlich Steuern von Schenkungen auf den Todesfall) beschränkt ist,[17] möchte die Kommission auch Schenkungen unter Lebenden erfassen. Daneben gibt es aber auch DBA, wie das am 3.4.2009 in Kraft getretene DBA zwischen Deutschland und Frankreich,[18] die auch für Schenkungen gelten.
(a) Belegenheitsprinzip bei unbeweglichem Vermögen und Betriebsstättenvermögen
Nach Art. 5 Abs. 1 OECD-MA bleibt unbewegliches Vermögen der Besteuerung durch den Belegenheitsstaat (Quellenstaat) unterworfen. Das auf dem Belegenheitsprinzip beruhende Besteuerungsrecht für unbewegliches Vermögen hat gemäß Art. 5 Abs. 3 OECD-MA auch Vorrang vor anderen Zuordnungen. Es gilt auch, wenn das unbewegliche Vermögen zu einem Unternehmen gehört oder es der Ausübung eines freien Berufs oder einer sonstigen selbständigen Tätigkeit ähnlicher Art dient.
Nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA bestimmt sich der (abkommensrechtliche) Begriff des unbeweglichen Vermögens nach dem Recht des Vertragsstaates, in dem das Vermögen liegt. Durch diese Bezugnahme auf die Rechtsordnung des jeweiligen Belegenheitsstaates, die die Kommission generell übernommen hat, wird ein Qualifikationskonflikt bei der Zuordnung des unbeweglichen Vermögens und seiner Bestandteile (Zubehör, Inventar, Nutzungsrechte an Grundvermögen etc.) ausgeschlossen.
Die von der Kommission anerkannte Steuerberechtigung des Mitgliedstaates, in dem sich eine feste (Geschäfts-)Einrichtung befindet, findet ihr Vorbild in Art. 6 Abs. 1 und Abs. 7 OECD-MA. Danach wird das bewegliche Betriebsvermögen einer Betriebsstätte eines Unternehmens und das bewegliche Vermögen, das zu einer der Ausübung eines freien Berufs oder einer sonstigen selbständigen Tätigkeit ähnlicher Art dienenden festen Einrichtung gehört, dem Besteuerungsrecht des „Betriebsstättenstaates“ unterworfen.
Problematisch erscheint indes, dass die Kommission auf jede weitere Konkretisierung des Ausdrucks der festen (Geschäfts-)Einrichtung verzichtet. Diese Aufgabe bleibt damit dem innerstaatlichen Recht der einzelnen Mitgliedstaaten vorbehalten. Infolgedessen wird es zu einer Vielzahl von Überschneidungen kommen, die ohne nähere einheitliche Vorgaben auch kaum in Verständigungsverfahren geklärt werden können.
Demgegenüber finden sich in Art. 6 Abs. 3 bis Abs. 6 OECD-MA nähere Regelungen dazu, wodurch und unter welchen Voraussetzungen eine Betriebsstätte begründet wird bzw. welche Einrichtungen und Bestände von Gütern oder Waren eines Unternehmens nicht unter den Betriebsstättenbegriff fallen. Hier sollte die Kommission prüfen, ob und inwieweit den Mitgliedstaaten – unter Rückgriff auf die vorgenannten Bestimmungen des OECD-Musterabkommens – nicht nähere Kriterien an die Hand gegeben werden können, um drohende Qualifikationskonflikte zu entschärfen. Wege, die Kollision von Besteuerungsansprüchen verschiedener Mitgliedstaaten zu lösen, könnten zudem unter Heranziehung des OECD-Musterabkommens und der Kommentierung zum OECD-Musterabkommen im Bericht des Fiskalausschusses der OECD gesucht werden.[19]
(b) Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen Wohnsitz- und Quellenstaat bei sonstigem Vermögen
Die von der Kommission vertretene Maxime, dass das primäre Besteuerungsrecht für das sonstige bewegliche Vermögen dem Wohnsitzstaat des Erblassers zustehen soll, folgt im Grundsatz der Anknüpfung in Art. 8 OECD-MA. Zu den sonstigen Vermögenswerten, die dem Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates unterliegen, zählen u. a. das gesamte in Drittstaaten belegene Vermögen, Kapitalvermögen sowie Beteiligungen an Kapitalgesellschaften. Beteiligungen des Erblassers an Personengesellschaften sollten dagegen grundsätzlich so behandelt werden, als wäre der Erblasser Eigentümer oder Inhaber der Gegenstände des Gesellschaftsvermögens (sog. Transparenzprinzip).[20] Dem Belegenheitsstaat stünde damit im Verhältnis zum Wohnsitzstaat des Erblassers das vorrangige Besteuerungsrecht auch hinsichtlich des Grund- und Betriebsstättenvermögens zu, das zum Vermögen einer Personengesellschaft gehört.
Nach Art. 4 Abs. 2 lit. a Satz 1 OECD-MA richtet sich der Wohnsitz des Erblassers vorrangig nach dem Vorhandensein einer ständigen Wohnstätte in einem Vertragsstaat. Auch die von der Kommission propagierten Kollisionsregeln in Konfliktfällen eines „Doppelwohnsitzes“ entsprechen in ihren Abstufungen der in Art. 4 Abs. 2 OECD-MA aufgestellten Rangfolge (Mittelpunkt der Lebensinteressen, gewöhnlicher Aufenthalt, Staatsangehörigkeit).
Anders als Art. 8 OECD-MA, der dem Wohnsitzstaat des Erblassers das ausschließliche Besteuerungsrecht zuweist, spricht die Kommission in ihrer Empfehlung lediglich davon, dass der Mitgliedstaat, in dem der Erbe seinen Wohnsitz hat, die Doppelbesteuerung wahlweise im Wege der Freistellungs- oder der Anrechnungsmethode verhindern soll. Bei der Freistellungs-/Befreiungsmethode nimmt der zur Vermeidung der Doppelbesteuerung verpflichtete Staat bestimmte Vermögensgegenstände ganz von der Besteuerung aus. Allerdings kann der Wohnsitzstaat nach Art. 10A 2. Halbs. OECD-MA bei der Festsetzung der Steuer für das Vermögen, für das er das Besteuerungsrecht behält, den Steuersatz zur Anwendung bringen, der anzuwenden wäre, wenn das betreffende Vermögen nicht aus der eigenen Besteuerung herausgenommen wäre (sog. Progressionsvorbehalt). Demgegenüber erklärt sich bei der Anrechnungsmethode der zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gehaltene Staat bereit, die im anderen Staat für das Vermögen gezahlte Steuer auf die inländische Steuerschuld anzurechnen, ohne dass der Anrechnungsstaat seine uneingeschränkte Besteuerungskompetenz aufgibt.[21]
Danach ist es der Bundesrepublik Deutschland weiterhin gestattet, ihre unbeschränkte Steuerpflicht auch im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Erwerbers im Inland anzuknüpfen. Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der unbeschränkten Steuerpflicht wäre nach der Kommissions-Empfehlung nur, dass Deutschland eine Anrechnung der im Wohnsitzstaat des Erblassers/Schenkers gezahlten Steuer zulässt. Entsprechende Vorbehaltsklauseln finden sich bereits in Art. 11 Abs. 2 lit. b DBA-Frankreich, Art. 8 Abs. 2 DBA-Schweiz und Art. 26 Abs. 1 lit. b DBA-Schweden.
Zweifelhaft ist dagegen, ob Deutschland aufgrund der Empfehlung der Kommission an der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 lit. b ErbStG festhalten kann. Danach gelten auch deutsche Staatsangehörige als (unbeschränkt steuerpflichtige) Inländer, die sich nach Aufgabe eines Wohnsitzes im Inland erst seit weniger als fünf Jahren dauernd im Ausland aufhalten (sog. Wegzügler). Zwar verstößt die Anordnung einer erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht nach Wegzug nach Ansicht des EuGH nicht gegen Europarecht.[22] Nach dem Vorschlag der Kommission soll aber ein Mitgliedstaat, zu dem weder der Erblasser noch der Erbe eine persönliche Verbindung hat, auf eine Besteuerung des sonstigen beweglichen Vermögens, das in dem anderen Mitgliedstaat aufgrund einer solchen Verbindung besteuert wird, ganz verzichten.
An dieser Stelle sollte die Kommission ihre Position mit Rücksicht auf die fiskalischen Interessen der Mitgliedstaaten noch einmal überdenken und Sonderregeln für die Besteuerung von Wegzüglern zulassen. Vergleichbare Bestimmungen zur Aufrechterhaltung der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht für deutsche Staatsangehörige sind beispielsweise in Art. 4 Abs. 3 DBA-Frankreich, Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz und Art. 27 DBA-Schweden verankert. Zum Ausgleich sollte der Mitgliedstaat, der den Erwerb nur aufgrund der verlängerten unbeschränkten Steuerpflicht seiner Besteuerung unterwirft, verpflichtet sein, die durch den Wohnsitzstaat erhobene Erbschaftsteuer anzurechnen.
Die von der Kommission darüber hinaus vorgeschlagene Sonderanknüpfung für andere als natürliche Personen (Ort der Geschäftsleitung) deckt sich mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. d 1. Alt. ErbStG. Danach müsste Deutschland auf eine Besteuerung im Verhältnis zu Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen abweichend von dieser Norm nur dann verzichten, wenn der Ort der Geschäftsleitung einer Körperschaft mit (Satzungs-)Sitz in Deutschland in einem anderen Mitgliedstaat liegen sollte.
(c) Berücksichtigung von Schulden und Lasten
Die Empfehlung der Kommission beschäftigt sich nicht ausdrücklich mit dem Abzug von Schulden. Hier sollte die Kommission – entsprechend den Regelungen zum Schuldenabzug in Art. 9 OECD-MA – klarstellen, dass Schulden, die mit einer bestimmten Vermögensart (unbewegliches Vermögen, bewegliches Betriebsvermögen einer festen Einrichtung, sonstiges Vermögen) zusammenhängen, jeweils vom Wert dieses Vermögens abgezogen werden dürfen. Erwägenswert erscheint auch die Aufnahme einer Regelung zur Berücksichtigung eines Schuldenüberhangs nach dem Vorbild des Art. 9 Abs. 4 und Abs. 5 OECD-MA.
(d) Aufnahme eines Gegenseitigkeitsvorbehalts
Nach den Vorstellungen der Kommission sollen ihre Vorschläge in allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Solange dies jedoch noch nicht der Fall ist, sollte ein Mitgliedstaat berechtigt sein, die Befreiung oder Anrechnung davon abhängig zu machen, dass auch der jeweils andere, sein Besteuerungsrecht ausübende Mitgliedstaat entsprechende Maßnahmen in seiner Rechtsordnung verankert hat. Auf diese Weise könnte ein Mitgliedstaat seine unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung unter einen Gegenseitigkeitsvorbehalt stellen.
Das deutsche Erbschaftsteuerrecht enthält eine vergleichbare Regelung in § 13 Abs. 1 Nr. 16 lit. c ErbStG. Danach sind auch Zuwendungen an ausländische Religionsgesellschaften, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 16 lit. a und lit. b ErbStG von der Erbschaftsteuer befreit, wenn der ausländische Staat für entsprechende Zuwendungen an deutsche steuerbegünstigte Körperschaften ebenfalls eine Steuerbefreiung gewährt und das BMF dies durch förmlichen Austausch entsprechender Erklärungen mit dem ausländischen Staat feststellt (sog. Gegenseitigkeitserklärung).
bb) Handlungsbedarf für den deutschen Gesetzgeber
Dem Zweck, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, dient im nationalen Erbschaftsteuerrecht § 21 ErbStG. Die Bestimmung sieht für den Erwerb von Auslandsvermögen, der nicht unter die Vorschriften eines DBA fällt, die Möglichkeit einer Anrechnung der ausländischen Steuer auf die deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuer vor. Auf Antrag des Steuerpflichtigen kann die auf den Auslandserwerb entfallende deutsche Steuer um den anrechnungsfähigen Betrag der ausländischen Steuer gekürzt werden.[23] Anrechenbar ist nur die festgesetzte, auf den Erwerber entfallende, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende ausländische Steuer. Die Festsetzung und Zahlung der ausländischen Steuer ist von dem Erwerber durch Vorlage entsprechender Urkunden nachzuweisen (§ 21 Abs. 3 Satz 1 ErbStG). Überdies greifen die in § 21 Abs. 1 bis 3 ErbStG normierten Anrechnungsvorschriften ein, wenn ein DBA die Anrechnung der ausländischen Steuer auf die inländische Steuer anordnet, ohne dass in dem DBA das Anrechnungsverfahren in allen Einzelheiten geregelt wird (§ 21 Abs. 4 ErbStG).
Die Anrechnungsmöglichkeiten nach § 21 ErbStG sind jedoch in mehrfacher Hinsicht begrenzt. Zudem weichen die Voraussetzungen für die Anrechnung teilweise von den Vorschlägen der Kommission ab, woraus sich ein Handlungsbedarf für den deutschen Gesetzgeber ergeben könnte.
(a) Entsprechungsklausel gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG
Die Kommission spricht sich in ihrer Empfehlung dafür aus, auch Einkommensteuern auf den Wertzuwachs des Nachlasses (capital gains tax), die den Erbfall als fiktiven, gewinnrealisierenden Veräußerungsvorgang begreifen, als anrechnungspflichtige Erbschaftsteuer zu betrachten.[24] Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist eine ausländische Steuer jedoch nur anrechenbar, wenn sie der deutschen Erbschaftsteuer entspricht. Dies ist sowohl bei ausländischen Erbanfallsteuern als auch bei ausländischen Nachlasssteuern zu bejahen.[25] Eine Vergleichbarkeit mit der deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuer hat der BFH dagegen für die anlässlich des Todes eines Erblassers erhobene kanadische capital gains tax verneint.[26] Die Anrechenbarkeit anderer Steuern, beispielsweise der spanischen Wertzuwachsteuer (Plus Valia),[27] ist derzeit noch ungeklärt.
An die Stelle der sehr formalistischen Sichtweise des BFH könnte eine materielle Betrachtung treten, die mehr auf die wirtschaftliche bzw. funktionale Vergleichbarkeit von in- und ausländischen Steuern abstellt.[28] Dadurch könnten auch ausländische Steuern in die Anrechnung einbezogen werden, die in materieller Hinsicht die Vermögenssubstanz bei einem unentgeltlichen Übergang von Todes wegen oder unter Lebenden erfassen.
(b) Begriff des Auslandsvermögen
In § 21 Abs. 1 ErbStG wird die Anrechnung ausländischer Steuer an das Vorhandensein von Auslandsvermögen geknüpft, das im Ausland besteuert wird. Dabei hängt der Begriff des Auslandsvermögens gemäß § 21 Abs. 2 ErbStG davon ab, ob der Erblasser Steuerinländer war oder nicht. War der Erblasser Inländer, zählen zum Auslandsvermögen nur die in § 121 BewG genannten Vermögensgegenstände und alle Nutzungsrechte an diesen. Nicht erfasst werden dagegen beispielsweise Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften von weniger als 10% des Grund- oder Stammkapitals und private Forderungen im Ausland wie Wertpapierbestände und Bankguthaben bei ausländischen Kreditinstituten.[29] Im Ergebnis wird dadurch die auf diese Vermögensgegenstände entfallende ausländische Steuer von der Anrechnung ausgeschlossen. War der Erblasser dagegen kein Inländer i. S. d § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, umfasst der Begriff des Auslandsvermögens alle Vermögensgegenstände, sofern sie nicht zum Inlandsvermögen i. S. d. § 121 BewG rechnen. Damit verbunden ist eine weitgehende Anrechnungsmöglichkeit der ausländischen Steuer.[30]
Die unterschiedliche Bemessung der Anrechnungsmöglichkeiten danach, ob das Vermögen von einem Steuerinländer oder einem Steuerausländer erworben wird, ist nicht frei von Widersprüchen[31] und entspricht nicht den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Zuteilungsregeln. Der deutsche Gesetzgeber sollte deshalb den Vorstoß der Kommission zum Anlass nehmen, den nach § 21 ErbStG für die Anrechenbarkeit einer ausländischen Steuer maßgeblichen Begriff des Auslandsvermögens neu zu definieren. Ziel der Neubestimmung sollte sein, eine Anrechnung der ausländischen Steuer zu ermöglichen, die in einem anderen Mitgliedstaat für das Vermögen gezahlt wird, das nach den Abgrenzungskriterien der Kommission vorrangig in diesem Staat besteuert werden darf.
(c) Steuermehrbelastung durch die per-country-limitation
Bei einem Mischerwerb, der nur zum Teil aus Auslandsvermögen besteht, ist die ausländische Steuer nach § 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nur auf den Teil der deutschen Erbschaftsteuer anrechenbar, der auf das Auslandsvermögen entfällt. Durch diese Begrenzung wird verhindert, dass die ausländische Steuer, die diesen Höchstbetrag übersteigt, nicht die auf das Inlandsvermögen entfallende Erbschaftsteuer mindert.[32] Ist das Auslandsvermögen in verschiedenen Staaten belegen, ist der Höchstbetrag gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 ErbStG für jeden Staat gesondert zu ermitteln (sog. per-country-limitation). Auf diese Weise soll eine Saldierung nicht ausgeschöpfter Anrechnungsüberhänge zwischen Niedrig- und Hochsteuerländern unterbunden werden.
Die per-country-limitation kann zwar zu steuerlichen Mehrbelastungen führen.[33] Ein international anerkannter Grundsatz der Anrechnung ist jedoch, das der anrechnende Wohnsitzstaat nicht verpflichtet ist, die über sein Steuerniveau hinausgehende, im Belegenheitsstaat anfallende Steuer dem Steuerpflichtigen zu erstatten oder diese durch eine Reduzierung der Steuer auf inländische Vermögensteile bei einem Mischerwerb zu ermäßigen.[34] Die Begrenzung der Anrechnungsbeträge durch Aufteilung der auf das Auslandsvermögen entfallenden Steuer nach dem Muster des § 21 Abs. 1 Satz 3 ErbStG ist somit nicht systemwidrig, auch wenn bei dieser Regelung fiskalische Zwecke im Vordergrund stehen dürften.[35]
Die Berechnung des Höchstbetrags für jeden einzelnen Staat kann allerdings dazu führen, dass der persönliche Freibetrag nach § 16 ErbStG anteilig durch den Erwerb des Auslandsvermögens verbraucht wird. Infolgedessen steht für das Inlandsvermögen ein geringerer Freibetrag zur Verfügung als in den Fällen, in denen der Nachlass nur aus Inlandsvermögen besteht.[36] Der Anrechnungsmechanismus nach § 21 Abs. 1 ErbStG wird zumindest insoweit der Zielsetzung der Kommission, eine Steuermehrbelastung in grenzüberschreitenden Erbfällen zu beseitigen, nicht gerecht.
(d) Zahlung festgesetzter ausländischer Schenkungsteuer als rückwirkendes Ereignis
Der BFH hat entschieden, dass die nach Eintritt der Bestandskraft des deutschen Schenkungsteuerbescheids erfolgte Zahlung einer nach § 21 Abs. 1 ErbStG anrechenbaren ausländischen Steuer ein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstellt.[37] In dem zugrunde liegenden Fall erhielt der Kläger (K) im Jahr 1994 mehrere Geldzuwendungen von seiner Mutter (M). M wohnte im Kanton Tessin (Schweiz). Das Finanzamt setzte dafür ein Jahr später gegenüber K Schenkungsteuer fest. Im Jahr 2002 erhob auch die Finanzbehörde des Kantons Tessin bei K Schenkungsteuer für die empfangenen Zuwendungen. K bezahlte die tessinische Steuer und beantragte daraufhin ihre Anrechung auf die im Inland bereits bezahlte Schenkungsteuer. Der BFH sah in der Steuerzahlung ein rückwirkendes Ereignis gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und verpflichtete das Finanzamt, die Schenkungsteuerbescheide aus dem Jahre 1995 zu ändern.
Eine Anrechnung ausländischer Erbschaft- und Schenkungsteuer ist nach der Rechtsprechung des BFH somit auch bei bestandskräftigen Steuerbescheiden möglich. Demzufolge entspricht das deutsche Verfahrensrecht schon heute den Vorgaben der EU-Kommission zur Einräumung einer angemessenen Frist, innerhalb derer die Anrechnung einer in einem anderen Mitgliedstaat bezahlten Steuer noch möglich sein soll.
2. Reichweite der Grundfreiheiten auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer
Das Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen, in dem die EU-Bürger auf die Bedeutung des Europarechts für die grenzübergreifende Erbschaftsbesteuerung hingewiesen werden sollen, ist im Kontext der Vertragsverletzungsverfahren zu sehen, die die Kommission in letzter Zeit gegen einige Mitgliedstaaten eingeleitet hat. Zu erwähnen ist hier insbesondere das Vertragsverletzungsverfahren gegen Spanien,[38] das wegen der Vielzahl der Ferienhäuser und Ferienwohnungen dort auch in Deutschland mit großem Interesse verfolgt werden dürfte.
a) Einführung eines Wahlrechts in Fällen beschränkter Steuerpflicht
Durch das zum 1.1.2009 in Kraft getretene Erbschaftsteuerreformgesetz[39] wurden bereits die Begünstigungstatbestände für unternehmerisch genutztes Vermögen gemäß §§ 13a, 13b ErbStG und für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke nach § 13c ErbStG auf EU-/EWR-Sachverhalte erstreckt. Nunmehr hat der deutsche Gesetzgeber auch auf das von der EU-Kommission gegen Deutschland angestrengte Vertragsverletzungsverfahren vom 14.3.2011 reagiert und die Konsequenzen aus der Rechtssache Mattner[40] gezogen. In dem Fall ging es um die schenkweise Übertragung einer im Inland belegenen Immobilie von einer Steuerausländerin auf ihre ebenfalls im Ausland ansässige Tochter. Der EuGH hat zu der Besteuerung dieser freigebigen Zuwendung festgestellt, dass die unterschiedliche Höhe des persönlichen Freibetrags für beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt. Zur Beseitigung dieser Schlechterstellung von Steuerausländern gegenüber Inländern räumt § 2 Abs. 3 S. 1 ErbStG i. d. F. durch das Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz[41] dem Erwerber in Fällen der beschränkten Steuerpflicht ein Wahlrecht ein, den Vermögensanfall als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln („fiktive unbeschränkte Steuerpflicht“). Durch Ausübung dieser Option kommt der Erwerber in den Genuss der höheren persönlichen Freibeträge nach § 16 Abs. 1 ErbStG und des Versorgungsfreibetrags nach § 17 ErbStG.
Der Antrag setzt nach § 2 Abs. 3 Satz 1 ErbStG n. F. voraus, dass der Erblasser zurzeit seines Todes, der Schenker zurzeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zurzeit der Entstehung der Steuer seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR hat. Wird der Antrag gestellt, unterliegt allerdings der gesamte Erwerb in Deutschland unabhängig von der Art und Belegenheit des Vermögens der unbeschränkten Steuerpflicht.
b) Drittstaatenwirkung der Kapitalverkehrsfreiheit und deren Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit
Die KOM äußert sich nicht näher zu dem problematischen Verhältnis zwischen der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) und der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV). Dabei ist die Abgrenzung zwischen beiden Grundfreiheiten von erheblicher Relevanz.[42] Denn nur die Kapitalverkehrsfreiheit gilt grundsätzlich auch gegenüber Drittstaaten, während die Niederlassungsfreiheit auf den EU- bzw. EWR-Raum beschränkt ist.
Der EuGH geht in seiner Rechtsprechung zum Ertragsteuerrecht davon aus, dass eine nationale Steuerregelung vorrangig an Art. 49 AEUV zu messen ist, wenn die Maßnahme vorwiegend die Ausübung der Niederlassungsfreiheit betrifft und die Einschränkung des Kapitalverkehrs nur eine zwangsläufige Folge ist.[43] Nach Auffassung des EuGH wird die Kapitalverkehrsfreiheit in diesem Bereich des Steuerrechts von der Niederlassungsfreiheit verdrängt, wenn es bei der nationalen Steuerregelung um den Besitz einer Beteiligung geht, die es ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeit zu bestimmen.[44] Die Folge ist, dass Steuerpflichtige in Drittstaatenfällen EU-rechtlich nicht geschützt sind, auch wenn die Niederlassungsfreiheit eigentlich betroffen wäre, aber aufgrund des Drittlandsbezugs nicht zur Anwendung gelangt.
Nach der Judikatur des EuGH gilt die Spezialität der Niederlassungsfreiheit gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit jedoch nicht für das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht. Dies liegt daran, dass sich der EuGH bei der Prüfung, ob Erbschaften und Schenkungen in den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit fallen, nicht auf den Begriff der „Direktinvestitionen“ in Abschn. I des Anhangs I der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24.6.1988[45] stützt, sondern auf die in Abschn. XI des Anhangs I aufgeführten Schenkungen, Erbschaften und Vermächtnisse.[46] Dieser begrifflichen Anknüpfung ist auch der II. Senat des BFH in seiner Vorlage zum EuGH vom 15.12.2010 gefolgt.[47] Da es in dem Fall um den Erbschaftserwerb einer 100%-igen Beteiligung an einer kanadischen Kapitalgesellschaft geht, wird der EuGH zu der Frage Stellung nehmen müssen, ob auch der Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung in Drittstaaten in den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit fällt.
Sollte der EuGH auf dem Gebiet des Erbschaftsteuerrechts tatsächlich von einem prinzipiellen Vorrang der Kapitalverkehrs- gegenüber der Niederlassungsfreiheit ausgehen, scheint die Erstreckung auf Drittstaatensachverhalte – zumindest auf der Grundlage der bisherigen EuGH-Rechtsprechung[48] – unausweichlich.[49] Unter dieser Prämisse würde sich jedoch die weitere Frage stellen, inwieweit gegenüber Drittstaaten die nach Art. 65 Abs. 1 lit. a AEUV erweiterten Rechtfertigungsgründe für eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit zum Tragen kommen. Denn die Amtshilfe- und Betreibungsrichtlinie gilt nur zwischen den Mitgliedstaaten der EU.[50] Gegenüber den meisten Drittstaaten fehlt es hingegen an Auskunfts- und Beitreibungsmöglichkeiten, mittels derer eine effektive steuerliche Kontrolle sichergestellt werden könnte.
Auch im Verhältnis zu Drittstaaten ist eine steuerliche Ungleichbehandlung nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH jedoch nur dann im Allgemeininteresse gerechtfertigt, wenn
(1) die Gewährung eines Steuervorteils von Voraussetzungen abhängt, die zwingend einer Überprüfung durch die zuständigen Behörden im Ausland bedürfen,
(2) mit dem Drittstaat kein Steuerabkommen besteht, das einen Austausch von Informationen vorsieht und
(3) der Steuerpflichtige nicht in der Lage ist, die entsprechenden Nachweise selbst zu erbringen.[51]
Eine generelle Versagung nationaler Steuerbegünstigungen für nicht im EU-/EWR-Raum Ansässige, beispielsweise der Steuerbefreiungen für das Familienheim gemäß § 13 Abs. 1 Nrn. 4a – 4c ErbStG, ist damit kaum vereinbar.[52]
Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten indes nicht auf, Steuervergünstigungen weltweit zu gewähren. Insoweit sollte hier das Urteil des EuGH zu der Vorlage des BFH vom 15.12.2010 abgewartet werden.
c) Erbschaftsteuerrechtliche Diskriminierung ausländischer gemeinnütziger Körperschaften und Familienstiftungen
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 lit. b ErbStG ist die Steuerbefreiung für Zuwendungen an gemeinnützige Körperschaften davon abhängig, dass es sich um Körperschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland handelt. Dies stellt eine europarechtswidrige Diskriminierung dar, die auch nicht durch die unter dem Gegenseitigkeitsvorbehalt stehende Ausdehnung der Steuerbegünstigung in § 13 Abs. 1 Nr. 16 lit. c ErbStG beseitigt wird.[53] Ausgehend von der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Missionswerk Werner Heukelbach[54] hat eine ausländische gemeinnützige Organisation, die die Voraussetzungen des inländischen Rechts für die Gewährung von Steuervergünstigungen erfüllt, in gleicher Weise einen Anspruch auf Gewährung dieser Vergünstigungen wie eine gemeinnützige Organisation mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland.
Demgegenüber hat der Gesetzgeber für den Bereich des Ertragsteuerrechts auf die Rechtsprechung des EuGH[55] reagiert. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG i. d. F. des JStG 2009[56] können grundsätzlich auch gemeinnützige Körperschaften aus anderen Mitgliedsstaaten im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht die Körperschaftsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG in Anspruch nehmen, sofern sie die Voraussetzungen der §§ 51 ff. AO erfüllen.[57]
Nach Auffassung des EuGH können die Mitgliedstaaten im Grundsatz frei bestimmen, was sie als gemeinnütziges Handeln ansehen und welche Zwecke sie steuerlich begünstigen wollen. Ein Mitgliedstaat ist insbesondere nicht dazu verpflichtet, ausländische Tätigkeiten und Zwecke steuerlich zu fördern, die im Inland nicht förderungsfähig sind.[58] Auch können die Finanzbehörden von den Steuerpflichtigen alle Belege verlangen, die ihnen für die Beurteilung der Frage notwendig erscheinen, ob die ausländische Körperschaft die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbefreiung nach den einschlägigen Bestimmungen des Gemeinnützigkeitsrechts erfüllt.[59] Gelingt dem Steuerpflichtigen der Nachweis nicht, können die Finanzbehörden die Steuerbefreiung versagen.
Europarechtswidrig ist auch die unterschiedliche Behandlung der Erstausstattung von in- und ausländischen Familienstiftungen nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG.[60] Gemäß dieser Vorschrift richtet sich die Besteuerung der Vermögensübertragung an eine inländische Familienstiftung nach dem persönlichen Verhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zum Stifter. Demgegenüber kommt bei der Errichtung einer ausländischen Familienstiftung stets die Steuerklasse III zur Anwendung, ohne dass diese steuerliche Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt wäre.
C. Gesamtergebnis und Thesen
Das ambitionierte Vorhaben der EU-Kommission, die erheblichen Probleme bei der Besteuerung grenzüberschreitender Erbschaften und Schenkungen zu lösen, verdient politische Unterstützung. Die Empfehlungen der Kommission sollten den Mitgliedstaaten einen Anstoß geben, ihre Erbschaftsteuergesetze auf darin enthaltene diskriminierende Regelungen zu durchforsten und existierende Ungleichbehandlungen zu Lasten von Steuerausländern zu beseitigen. Eine kritische Analyse der Vorschläge zeigt jedoch auch, dass die empfohlenen Maßnahmen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung innerhalb der EU in einigen Punkten noch korrigiert bzw. präzisiert werden sollten. Die Würdigung des Gesamtpakets der Kommission zur Erbschaftsteuer führt somit zu folgenden Thesen:
(1) Mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Abschluss von DBA auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuer sollte eine Doppelbesteuerung durch unilaterale Maßnahmen in Form von Steuerermäßigungen vermieden werden. Um dies im EU-Raum flächendeckend sicherzustellen, bedarf es – entsprechend dem Ansatz der Kommission – einer besseren Koordinierung und Verzahnung der nationalen Erbschaftsteuerbestimmungen der Mitgliedstaaten.
(2) Die von der Kommission formulierten Kollisionsregeln für die Zuweisung konkurrierender Besteuerungsrechte beruhen im Kern auf den Regelungen des OECD-Musterabkommens zur Erbschaftsteuer. Qualifikationskonflikte, die bei der Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte auftreten können, sollten demzufolge unter Rückgriff auf das OECD-Musterabkommen und die dazu ergangene Kommentierung gelöst werden.
(3) Die Zuweisung des primären Besteuerungsrechtes für unbewegliches Vermögen und bewegliches Vermögen einer festen (Geschäfts-)Einrichtung zum Belegenheitsstaat entspricht international anerkannten Grundsätzen. Die Kommission sollte jedoch darüber hinaus nach dem Vorbild der Regelungen in Art. 6 Abs. 3 bis Abs. 6 OECD-MA die Merkmale festlegen, bei deren Vorliegen eine feste Geschäftseinrichtung angenommen werden kann.
(4) Deutschland kann die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht auch bei grenzüberschreitenden Vermögensnachfolgen weiterhin gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG an die Inländereigenschaft des Erwerbers knüpfen, sofern dem Steuerpflichtigen eine Anrechnung der im Wohnsitzstaat des Erblassers/Schenkers gezahlten Steuer gestattet wird.
(5) Unter der Voraussetzung einer Anrechnungs- oder Steuerbefreiungsmöglichkeit im Inland sollte es den Mitgliedstaaten freigestellt bleiben, Sondervorschriften für die Besteuerung von Wegzüglern nach dem Muster des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 lit. b ErbStG beizubehalten.
(6) Die Kommission sollte die von ihr empfohlenen Besteuerungsregeln mit Blick auf Art. 9 OECD-MA um eine Bestimmung zum Schuldenabzug ergänzen.
(7) Ein grundsätzlich zur Gewährung der Steuerermäßigung verpflichteter Mitgliedstaat (Wohnsitzstaat) kann die Anrechnung oder Freistellung der ausländischen Steuer davon abhängig machen, dass auch der Quellenstaat die Empfehlung der Kommission umgesetzt hat (Gegenseitigkeitsvorbehalt).
(8) Der Gesetzgeber sollte in der Entsprechungsklausel des § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG eine materielle Betrachtungsweise verankern, die auch die Anrechnung ausländischer Veräußerungsgewinnsteuern (capital gains tax) zulässt, die anlässlich des Todes eines Erblassers oder anlässlich der Vornahme einer Schenkung anstelle einer Erbanfall- oder Nachlasssteuer erhoben werden.
(9) Der Gesetzgeber sollte den Begriff des Auslandsvermögens in § 21 Abs. 2 ErbStG neu fassen, so dass eine Anrechnung der in einem anderen Mitgliedstaat gezahlten Steuer nach den Kriterien der Kommission nicht ausgeschlossen ist.
(10) Um einem durch die Einbeziehung von Auslandsvermögen bedingten Verbrauch der persönlichen Freibeträge nach § 16 ErbStG bei der Besteuerung des Inlandsvermögens entgegenzuwirken, ist de lege lata eine Nachjustierung des Anrechnungsmechanismus in § 21 Abs. 1 ErbStG erforderlich. Mögliche Steuermehrbelastungen durch die per-country-limitation sind dagegen hinzunehmen.
(11) Die Frage, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen erbschaftsteuerrechtliche Begünstigungstatbestände auf Drittstaatensachverhalte zu erstrecken sind, sollte unter Berücksichtigung der noch ausstehenden Entscheidung des EuGH zu der Vorlage des BFH vom 15.12.2010 erfolgen.
(12) Die auf inländische Körperschaften und inländische Familienstiftungen beschränkten Steuervorteile der §§ 13 Abs. 1 Nr. 16 lit. b, 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG sind europarechtswidrig und sollten daher umgehend an die Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung angepasst werden.
Berichterstatter der Stellungnahme
Notarassessor Dr. Jörg Ihle, Bonn,
Fachredakteur „Steuerrecht“ der Zeitschrift „notar“
Fußnoten:
[1] KOM(2011) 864.
[2] In der durch den Vertrag von Lissabon konsolidierten Fassung als Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), Bek. v. 9.5.2008, ABl EU Nr. C 115, S. 47.
[3] EuGH, Urt. v. 12.2.2009, C-67/08, EuGHE 2009, I-883 = NJW 2009, 977.
[4] Vgl. dazu die Übersicht im Anhang II der KOM(2011) 864.
[5] „Commission Recommendation regarding for double taxation of inheritances”, C(2011) 8819.
[6] „Commission Staff Working Paper“, SEC(2011) 1488.
[7] EuGH, Urt. v. 11.12.2003, C-364/01, EuGHE 2003, I-15013 = ZEV 2004, 74.
[8] EuGH, Urt. v. 25.10.2007, C-464/05, EuGHE 2007, I-9325 = ZEV 2008, 92.
[9] Zu Schweden vgl. Strömberg/Kristofferson, in: Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Teil: Schweden, 36, Rn. 275; zur Rechtsentwicklung in Österreich siehe Steiner, ZEV 2007, 239, 240.
[10] Vgl. Stieb, in: Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Teil: Portugal, 115, Rn. 253.
[11] Siehe dazu Lobis, in: Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Teil: Italien, 58, Rn. 200; Conci/Psaier, ZEV 2007, 420.
[12] Vgl. IFA (Hrsg.), Death as a taxable event and its international ramification, Cahiers de droit fiscalinternational, Vol. 95b, 2010; vgl. hierzu auch Watrin, ZEV 2010, H. 10, S. VI.
[13] Vgl. dazu KOM(2006) 823 v. 19.12.2006; KOM(2010) 769 v. 20.12.2010.
[14] KOM(2011) 712.
[15] Vgl. zum Stand der DBA und der Abkommensverhandlungen am 1.1.2011 die Übersicht des BMF v. 17.1.2012 – IV B 2 – S 1301/07/10017 – 03, www.bundesfinanzministerium.de → BMF-Startseite → Aktuelles → BMF-Schreiben.
[16] Vgl. dazu Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Stand: Juli 2011, § 2 Rn. 206.
[17] Vgl. Art. 2 Abs. 2 OECD-MA.
[18] Vgl. Art. 1 lit. b) DBA Frankreich.
[19] Auch der BFH greift in seiner Rechtsprechung bei der Auslegung eines DBA auf das OECD-Musterabkommen und den Kommentar zum OECD-Musterabkommen als Auslegungshilfen zurück, vgl. dazu BFH, Urt. v. 28.6.2006 – I R 92/05, BStBl. I 2007, 100; BFH, Urt. v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. I 1999, 207.
[20] In diesem Sinne auch Anm. 14 ff., 19 ff. des offiziellen Kommentars zu Art. 8 OECD-MA.
[21] Vgl. dazu Art. 10B OECD-MA.
[22] Vgl. EuGH, Urt. v. 23.2.2006, C 513/03, van Hilten/van der Heijden, EuGHE 2006, I-1957 = ZEV 2006, 460.
[23] Näher dazu Meincke, ErbStG, 15. Aufl. 2009, § 21 Rn. 2.
[24] Das OECD-Musterabkommen ist an dieser Stelle lückenhaft, vgl. Art. 2 OECD-MA.
[25] Vgl. nur Jüptner, in : Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 3. Aufl. 2011, § 21 Rn. 38. In den Mitgliedstaaten der EU ist die Erbschaftsteuer ganz überwiegend als Erbanfallsteuer ausgestaltet, vgl. dazu die Übersicht bei Watrin/Kappenberg, IStR 2010, 546, 548.
[26] BFH, Urt. v. 26.4.1995 – II R 13/92, BStBl. II 1995, 540; kritisch dazu Geck, in: Kapp/Ebeling, ErbStG, Stand: Dezember 2011, § 21 Rn. 60, der sich für die Anrechnung der kanadischen capital gains tax ausspricht.
[27] Die Anrechenbarkeit bejahend Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Stand: Juli 2011, § 21 Rn. 23.
[28] In diesem Sinne Jülicher, a.a.O., § 21 Rn. 21.
[29] Vgl. BFH, Urt. v. 16.1.2008, II R 45/05, BStBl. II 2008, 623 = ZEV 2008, 448; Meincke, a.a.O., § 21 Rn. 30.
[30] Vgl. nur Watrin/Kappenberg, ZEV 2011, 105, 109.
[31] Vgl. dazu die Kritik bei Meincke, a.a.O., § 21 Rn. 32 m. w. N.
[32] Zu der zu diesem Zweck durchzuführenden Verhältnisrechnung siehe Meincke, a.a.O., § 21 Rn. 22.
[33] Vgl. dazu Plewka/Watrin, ZEV 2002, 253, 255.
[34] Jülicher, a.a.O., § 21 Rn. 61 m. w. N.
[35] Vgl. dazu Meincke, a.a.O., § 21 Rn. 30.
[36] Siehe dazu BFH, Urt. v. 11.4.2006, II R 35/05, BStBl. II 2006, 627 = ZEV 2006, 464.
[37] BFH, Urt. v. 22.9.2010, II R 54/09, BStBl. II 2011, 247 = ZEV 2011, 150.
[38] Vgl. dazu die Pressemitteilung der EU-Kommission vom 27.10.2011, IP/11/1278, abrufbar unter http://ec.europa.eu/taxation_customs/common/infringements/infringement_cases/index_de.htm.
[39] ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3076.
[40] EuGH, Urt. v. 22.4.2010, C-510/08, ZEV 2010, 270.
[41] BGBl. I 2011, 2592.
[42] Näher dazu Hey, DStR 2011, 1149, 1151 f.
[43] Vgl. EuGH, Urt. v. 12.9.2006, C-196/04, Rs. Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, EUGHE 2006, I-7995 = DStR 2006, 1686; Urt. v. 6.11.2007, C-415/06, Rs. Stahlwerk Ergste Westig, EuGHE 2007, I-151 = DStRE 2008, 619.
[44] Vgl. EuGH, Urt. v. 29.3.2007, C-347/04, Rs. Rewe Zentralfinanz, EUGHE 2007, I-2647 = NJW 2007, 2905, Rn. 22 u. 70; EuGH, Urt. v. 25.10.2007, C-464/05, Rs. Maria Geurts, EuGHE 2007, I-9325 = ZEV 2008, 92, wonach dafür schon eine Beteiligung von 50% genügen soll.
[45] ABl EG 1988 Nr. L 178, S. 5.
[46] In der im Anhang I enthaltenen Nomenklatur für den Kapitalverkehr werden unter Abschn. XIII (Sonstiger Kapitalverkehr) im Übrigen auch ausdrücklich Erbschaftsteuern erwähnt.
[47] BFH, EuGH-Vorlage. v. 15.12.2010, II R 63/09, ZEV 2011, 146 (Az. des EuGH: C-31/11).
[48] Vgl. EuGH, Urt. v. 18.12.2007, C-101/05, Rs. A, EuGHE 2007, I-11531 = IStR 2008, 66; EuGH, Urt. v. 27.9.2009, C-318/07, Rs. Persche, EuGHE 2009, I-359 = DStR 2009, 207, Rn. 70; für eine bereichsspezifische Reduktion des Anwendungsbereichs der Kapitalverkehrsfreiheit dagegen Schön, in: FS Wassermeyer, 2005, S. 489, 502 ff.
[49] So auch Hey, DStR 2011, 1149, 1152; Scheller/Bader, ZEV 2011, 112, 116.
[50] Vgl. Scheller/Bader, ZEV 2011, 112, 116 f.
[51] Vgl. EuGH, Urt. v. 18.12.2007, C-101/05, Rs. A, EuGHE 2007, I-11531 = IStR 2008, 66.
[52] Hey, DStR 2011, 1149, 1152.
[53] Hey, DStR 2011, 1149, 1155 f.
[54] EuGH, Urt. v. 10.2.2011, C-25/10, ZEV 2011, 482.
[55] EuGH, Urt. v. 14.9.2006, C-386/05, Rs. Centro di Musicologia Walter Stauffer, EuGHE 2006, I-8203 = ZEV 2006, 458; EuGH, Urt. v. 27.9.2009, C-318/07, Rs. Persche, EuGHE 2009, I-359 = DStR 2009, 207.
[56] BGBl. I 2008, 2794.
[57] Hierbei stellt sich allerdings die Frage, inwieweit die Tätigkeit einer ausländischen Körperschaft, die ihre steuerbegünstigten Zwecke im Ausland verwirklicht, einen den Anforderungen des § 51 Abs. 2 AO entsprechenden „strukturellen Inlandsbezug“ aufweist.
[58] EuGH, Rs. Persche, a.a.O., Rn. 47 f.
[59] Vgl. EuGH, Rs. Persche, a.a.O., Rn. 54, 65.
[60] Wie hier Hey, DStR 2011, 1149, 1156.