Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2012/17/EU

Stellungnahme vom 11.03.2014

Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme. Das BMJV verfolgt mit dem Gesetzentwurf den Ansatz, die betroffenen Verkehrskreise in die Umsetzung der Richtlinie einzubinden. Die Europäische Kommission hat dies versäumt und damit ein durchaus begrüßenswertes Vorhaben mit erheblichen – und vermeidbaren – Schwierigkeiten belastet.

 

I. Europarechtliche Vorgaben

Das BMJV ist wahrlich nicht zu beneiden. Die Umsetzung muss ohne hinreichende Information über den Inhalt der Verordnung nach Art. 4c der RL angegangen werden. Fahren auf Sicht ist bei IT-Projekten ebenso wenig zu empfehlen wie bei Flughäfen oder Konzerthallen.

Haben wir künftig ein Mit-, Neben- oder Gegeneinander von „Europäischem Justizportal“ (in der RL: „E-Justiz-Portal“ bzw. „Portal“) und der „zentralen Europäischen Plattform“, eingebettet in das „System der Registervernetzung“[1]? Auf welchem einheitlichen technischen Standard basieren diese und die geforderte Interoperabilität der nationalen Register? Das vom BMJV zugrunde gelegte Modell einer Indexdatenbank ist sehr vernünftig (und wahrscheinlich die einzig sinnvolle Lösung). Aber was ist, wenn die anderen Mitgliedstaaten unterschiedlich indexieren oder gar ihre Inhalte einfach nur ohne Verknüpfung kopieren? Welche Programmiersprache wird verwendet (xml?)? Wie werden einheitliche Codierungen für die Daten vereinbart, damit der deutsche Benutzer im estnischen Unternehmensregister nicht anstelle des Namens der Firma den Namen des Vorstands findet und umgekehrt (was der des Estnischen Unkundige wahrscheinlich gar nicht erkennen wird)?

Dabei ist das Vorhaben begrüßenswert und notwendig für Unternehmen wie Verbraucher. Will ein deutscher Verbraucher, der online Ware eines Anbieters aus einem anderen Mitgliedstaat bezogen hat, diesen verklagen, so benötigt sein Anwalt (trotz des Verbrauchergerichtsstands in Deutschland) verlässliche Angaben

  1. zur Firma des Prozessgegners,
  2. zum Sitz des Prozessgegners,
  3. zur ladungsfähigen Anschrift des Prozessgegners,
  4. aber auch zur Person des gesetzlichen Vertreters des Prozessgegners.

Bisher ist er für alle diese Informationen auf den Zugang zu ausländischen Handelsregistern angewiesen. Er muss sich jeweils dort als Nutzer anmelden (und dazu natürlich die dortige Gerichtssprache beherrschen, und zwar sowohl in ihrer juristischen als auch in ihrer IT-Fachsprache). Um die europäische Integration weiter voranzubringen, sollte dies keine Domäne internationalrechtlich spezialisierter Anwälte oder Notare bleiben, wie derzeit.

An den so gestellten Anforderungen sieht man eine wesentliche Schwäche der RL. Sie ist auf Kapitalgesellschaften beschränkt. Personengesellschaften, Genossenschaften und Vereine sind ausgenommen. Informationen über ladungsfähige Anschrift, Vertretungsberechtigte und ihre Vertretungsmacht werden nicht zur Verfügung gestellt.

Betrügerischen Online-Händlern steht die Rechtsform der Kapitalgesellschaft & Co. KG offen, z. B. als britische L.P. mit einer treuhänderisch gehaltenen Limited in Zypern als Komplementär und einer ebenfalls treuhänderisch gehaltenen Schweizer GmbH als Kommanditistin. Auch im Verbraucherschutz gilt das Rechtssprichwort: „Die Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn“.

Aus europäischer Sicht ist die bewusste Selbstbeschränkung teilweise nachvollziehbar. Es macht Sinn, erst einmal klein anzufangen. Unverständlich bleibt aber, warum dann ein Detail wie die Registerinformation über die Wirksamkeit bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen (§ 122l Abs. 3 UmwG) mit so viel Liebe geregelt wird. Gerade das hat nach der beruflichen Erfahrung des Unterzeichners bislang auch schon recht gut funktioniert, sei es über fremdsprachige Registerbescheinigungen der Notare nach § 21 BNotO (nach der Praxiserfahrung des Unterzeichners akzeptiert in Dänemark, Frankreich, den Niederlanden und Österreich) oder über – dann übersetzte – Schreiben des Handelsregisters, deren Zustellung über den deutschen Urkundsnotar vermittelt wurde (so z. B. in Spanien oder dem Vereinigten Königreich, wo Notarbescheinigungen unter Berufung auf die RL 2005/56/EG nicht akzeptiert werden und der Notar als Bote des Handelsregisters nicht anerkannt wird).

Dagegen bleibt die ungleich wichtigere Verschmelzungsbescheinigung nach § 122k UmwG ungeregelt. Sie muss also weiterhin „von Hand“ zugestellt werden. Dieses Nebeneinander von Elektronik am Schluss und reitendem Boten in der Mitte des Vollzugs einer grenzüberschreitenden Verschmelzung grenzt an Realsatire.

Zudem wird der Sicherheitsstandard bei der Datenübermittlung bewusst auf das niedrigste Niveau in der EU festgeschrieben (Art. 3b Abs. 2 Satz 2 der durch die RL geänderten RL 2009/101/EG). Damit werden die Informationen über das „System der Registervernetzung“ ungefähr den Wert der Daten des britischen Companies House haben.

 

II. Die Umsetzung in nationales Recht

Angesichts dieses doch eher deprimierenden europarechtlichen Befundes steht der deutsche Gesetzgeber vor der Entscheidung, wie viele Ressourcen er auf die Umsetzung dieser Vorgaben verwendet.

Man könnte meinen, dass wir Notare mit dieser Ausgangslage (und damit mit dem Entwurf) durchaus zufrieden sein könnten. Der Nutzer wird mit einer wenig aussagekräftigen, sicherheitstechnisch unzureichenden und zudem erwartbar durch häufige Serverausfälle geplagten zentralen europäischen Plattform nicht viel anfangen können. Der Mehrwert dieser Daten ist in Anbetracht der Nutzungsgebühren eher überschaubar. Nach wie vor wird man daher auf den Notar und seine Bescheinigungen nach §§ 21, 24 BNotO setzen.

Eine solche Sichtweise ist jedoch unangebracht. Wohl mit Recht wird ein Außenstehender fragen, ob die knappe Ressource notarieller Betreuung auf diesem Gebiet richtig eingesetzt wird.

Wir dürfen daher das BMJV ermutigen, es national bei der Umsetzung „richtig zu machen“. Der durch die RL geänderte Art. 3c Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2009/101/EG eröffnet hier Spielräume.

Wir regen daher an,

  •  die Schnittstellen zum E-Justiz-Portal aus einem Guss für HRB, HRA, PR, VR und GenR zu schaffen;
  • außer den Informationen über Firma, Sitz, Handelsregisternummer, Insolvenz, Liquidation und Löschung der Firma sowie § 122l Abs. 3 UmwG noch
    • §  Informationen zur ladungsfähigen Anschrift, zu den gesetzlichen Vertretern und ihrer Vertretungsmacht vorzusehen und
    • §  auch für die Verschmelzungsbescheinigung den erleichterten Übermittlungsweg zu öffnen, wobei wir uns des Sicherheitsrisikos durchaus bewusst sind.[2]

Die mit einer Komplettlösung verbundenen Mehrkosten dürften gering sein. Die Lage ist mit dem Straßenbau vergleichbar, wo es sich auch lohnt, wenn die Straße einmal aufgerissen ist, gleich alle erforderlichen Leitungen zu verlegen und nicht nur den Abwasserkanal.

Insbesondere sollte auch die europäische einheitliche Kennung nach dem durch die RL geänderten Art. 1 Abs. 4 der RL 89/666/EWG so konzipiert sein, dass sie auch jedem anderen in einem Register eingetragenen Rechtsträger zugeordnet werden könnte.

Mit einer solchen umfassenden Lösung würde Deutschland – auch im Verbraucherschutz – einen Standard setzen, an dem sich andere Mitgliedstaaten orientieren können. Auch das wäre ein Teil deutschen Rechtsexports im Sinne von „Law – Made in Germany“. Technisch würde das bedeuten, dass man gleich alle diese Informationen in der Datenbank des Handelsregisters entsprechend indexieren müsste.

Wir schlagen daher vor, § 9b Abs. 1 und Abs. 2 HGB i. d. F. des Entwurfs wie folgt zu formulieren:

„§ 9b

Europäisches System der Registervernetzung; Verordnungsermächtigung

(1)    Die Eintragungen im Handelsregister und die zum Handelsregister eingereichten Dokumente sowie die Unterlagen der Rechnungslegung nach § 325 sind auch über das E-Justiz-Portal[3] zugänglich. Hierzu übermitteln die Landesjustizverwaltungen und der Betreiber des Unternehmensregisters entsprechende Daten jeweils an das E-Justiz-Portal zur Eröffnung des Zugangs zu den Originaldaten über den Suchdienst auf der Internetseite des Europäischen Justizportals.[4]

(2)    Das Registergericht nimmt teil am Informationsaustausch zwischen den Registern über die zentrale Europäische Plattform nach Artikel 4a Absatz 1 der Richtlinie 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. L 258 vom 1.10.2009, S. 11), die zuletzt durch die Richtlinie 2013/24/EU (ABl. L 158 vom 10.6.2013, S. 365) geändert worden ist. Den im Handelsregister eingetragenen Rechtsträgern ist zu diesem Zweck eine einheitliche europäische Kennung zuzuordnen. Das Registergericht übermittelt nach Maßgabe der folgenden Absätze an die zentrale Europäische Plattform auch die Information über

1. die Eröffnung, Einstellung oder Aufhebung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Rechtsträgers,

2. die Liquidation oder Abwicklung des Rechtsträgers und deren Beendigung,

3. die Löschung des Rechtsträgers sowie

4. die Verschmelzungsbescheinigung nach § 122k und das Wirksamwerden einer Verschmelzung nach § 122l Absatz 3[5] des Umwandlungsgesetzes,

5. die Geschäftsanschrift des Rechtsträgers,

6. die gesetzlichen Vertreter des Rechtsträgers und ihre Vertretungsmacht.“

In den Vorschriften über das Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister wäre zudem § 9b HGB für entsprechend anwendbar zu erklären.

 

 

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Fußnoten:

[1] Das „System der Registervernetzung“ ist nach der Änderung von Art. 1 Abs. 3 letzter Satz der Richtlinie 89/666/EWG (vgl. RL 2012/17/EU, ABl. EU vom 16.6.2012, L 156/5 linke Spalte oben) nicht „europäisch“ und sollte daher in der Begründung zum Referentenentwurf (S. 6) in Übereinstimmung mit der europarechtlichen Begriffsbildung bezeichnet werden.
[2] Immerhin hängen an der Wirksamkeit einer Verschmelzung Rechtsübergänge an wichtigen Wirtschaftsgütern (gewerbliche Schutzrechte, Verträge, Grundstücke etc.).
[3] Es empfiehlt sich, die Bezeichnung der europäischen Rechtsakte zu verwenden.
[4] Abs. 1 Satz 2 könnte auch dann sprachlich wie vorgeschlagen vereinfacht werden, wenn Abs. 1 Satz 1 unverändert bliebe.
[5] Die Verweisung im Entwurf auf § 122a UmwG ist wahrscheinlich zu berichtigen.

 

 

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