Stellungnahme vom 04.06.2014
Der Deutsche Notarverein dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme. Vorab dürfen wir die außerordentliche fachliche Qualität des RefE hervorheben. Das juristische Niveau des Entwurfs gibt einen hohen Maßstab vor. Um dem gerecht zu werden, hat der Deutsche Notarverein eine Arbeitsgruppe gebildet, die den Vorstand bei der Erarbeitung der Stellungnahme fachlich unterstützt hat.
I. Vorbemerkung
Unserer Stellungnahme liegen folgende Überlegungen zugrunde, die wir thesenartig voranstellen dürfen.
- Deutschland wird zum gesuchten Erbrechtsstandort werden. Schon jetzt zeigt die Beratungspraxis, dass ausländische Staatsbürger mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland das deutsche Erbrecht wollen und im Ausland wohnhafte deutsche Staatsangehörige zahlreich von der Rechtswahlmöglichkeit des Art. 22 Gebrauch machen werden.
- Das deutsche Erbrecht bietet zum einen bessere Gestaltungsmöglichkeiten, wie z. B. gemeinschaftliches Testament, Erbvertrag, Erb- und Pflichtteilsverzicht, Vor- und Nacherbfolge, eine sehr flexible Testamentsvollstreckung und ein für die Nachfolgeplanung sehr geeignetes Pflichtteilsrecht. Nur das common law bietet Ähnliches, aber zu deutlich höheren Kosten.
- Dies liegt zum anderen (auch) an den schnellen, unkomplizierten und kostengünstigen Verfahren bei den deutschen Nachlassgerichten.
- Die Konsequenz hieraus für den deutschen Gesetzgeber kann nur sein, das inländische Erbscheinsverfahren – insbesondere auch die Möglichkeit des Fremdrechtserbscheins – als „Plan B“ zum Europäischen Nachlasszeugnis (im Folgenden „ENZ“) zu erhalten.
Daher appellieren wir an den deutschen Gesetzgeber, das deutsche Erbscheinsverfahren neben dem Verfahren nach der ErbVO in seiner Flexibilität und Schnelligkeit zu erhalten. Dies gilt insbesondere sowohl für das Instrument des Fremdrechtserbscheins als auch für den § 26 FamFG, der rechtstechnisch in seiner Flexibilität dem Art. 59 ErbVO weit überlegen ist.
II. Einzelpunkte
Im Einzelnen orientieren wir uns an der Abfolge des RefE.
1. Art. 1 §§ 2, 34 und Art. 11 Nr. 2 RefE – Zuständigkeit
Die ErbVO ist nach ihrem Art. 1 Abs. 1 Satz 1 „auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden.“ Damit sind nicht nur die Nachlasssachen nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 342 FamFG) erfasst, sondern auch Streitsachen der ordentlichen Gerichtsbarkeit mit erbrechtlichem Bezug, insbesondere die in §§ 27, 28 ZPO genannten Streitigkeiten.
Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus der ErbVO. Führt diese nach Deutschland, wäre die sachliche Zuständigkeit für Streitsachen nach dem GVG und die örtliche Zuständigkeit nach §§ 12 ff. ZPO zu bestimmen. Hier passt insbesondere § 27 Abs. 2 ZPO nicht mehr richtig, da dieser ein Erbstatut voraussetzt, das sich nach der Staatsangehörigkeit bestimmt. Mit der Streichung des Art. 25 EGBGB in Art. 15 Nr. 4 des RefE wird dieser prozessrechtlichen Vorschrift der „materiell-rechtliche Teppich unter den Füßen weggezogen“. Gleiches gilt im Übrigen für das Erfordernis des „Deutschen“ in § 343 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. d. F. von Art. 11 Nr. 2 RefE.
Für die Nachlasssachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit würde sich die örtliche Zuständigkeit dagegen aus § 343 FamFG ergeben.
Kommt es zu positiven oder negativen Kompetenzkonflikten, so werden diese nach den dafür vorgesehenen Verfahrensrechten gelöst. In den Nachlasssachen hat das subsidiär zuständige Amtsgericht Schöneberg die Möglichkeit der Verweisung, § 343 Abs. 2 Satz 2 FamFG. § 343 Abs. 3 FamFG macht zudem ein forum necessitatis wie nach Art. 11 ErbVO weitgehend überflüssig.
Der RefE löst die nunmehr dem nationalen Gesetzgeber aufgegebene Frage der örtlichen Zuständigkeit wie folgt:
(a) In Art. 1 § 2 wird die örtliche Zuständigkeit für die „ZPO-Erbsachen“ geregelt, und zwar nur für diese (vgl. die Überschrift „Bürgerliche Streitigkeiten“).
(b) In Art. 1 § 34 wird die örtliche Zuständigkeit für das ENZ und die Annexverfahren durch Verweisung auf diesen § 2 bestimmt.
(c) Der neue § 343 FamFG (Art. 11 Nr. 2 RefE) regelt die örtliche Zuständigkeit für die Nachlasssachen nach § 342 FamFG.
Gegen diese Technik ist Folgendes einzuwenden:
- Über die Vorgaben der Verordnung hinaus, die nur die internationale Zuständigkeit regelt, wird der für die örtliche Zuständigkeit bewährte Begriff des Wohnsitzes durch den deutlich unsichereren Begriff des „gewöhnlichen Aufenthalts“ ersetzt, allerdings nicht durchgängig. So bleibt der Begriff „Wohnsitz“ etwa in § 27 ZPO erhalten, ebenso auch in § 344 Abs. 4a Sätze 1-2, Abs. 5 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 FamFG.
Auch wenn sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers in Deutschland ergibt, könnte der deutsche Gesetzgeber die örtliche Zuständigkeit weiterhin vorrangig an den Wohnsitz des Erblassers und nur hilfsweise an den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland anknüpfen. Im Hinblick auf die in der Literatur bereits diskutierten Streitfälle, die in ungleich häufigerer Zahl nur innerhalb Deutschlands auftreten werden als im internationalen Zusammenhang, wäre dies der deutlich einfachere Weg: Würde z. B. ein dementer Erblasser aus seiner Wohnung in Berlin-Charlottenburg in ein Pflegeheim im Wedding gebracht, wäre zwar die internationale Zuständigkeit nie problematisch, die örtliche Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthaltsort aber nicht sicher zu bestimmen. Dies könnte letztlich zu einem vermeidbaren Mehraufwand für die entsprechende Amtsermittlung und ggf. Verweisung nach § 3 FamFG führen.
Will man aus rechtssystematischen Gründen den Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltsorts parallel zur internationalen Zuständigkeit verwenden, sollte zumindest eine Regelung aufgenommen werden, dass dieser in der Regel am letzten Wohnsitz des Erblassers vermutet wird.
- Es ist schwer verständlich, warum etwa eine Vermächtniserfüllungsklage bei einem Erblasser ohne gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Streitwert im Millionenbereich vor einem Einzelrichter des Amtsgerichts Schöneberg entschieden werden soll. Zulässig ist dann nur noch die Berufung zum Landgericht. Ohne Verweisungsmöglichkeit ist hier zum einen ein Verfahrensstau zu befürchten. Zum anderen ist die so vorgegebene instanzielle Zuständigkeit nicht immer sachgerecht.
- Art. 1 § 2 erklärt in den Absätzen 1 und 2 Gerichte für ausschließlich zuständig, die es nach der ZPO nicht sind. Ausschließliche Zuständigkeiten sind im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sinnvoll, in Streitsachen aber sollten sie die Ausnahme bleiben (vgl. etwa §§ 24-26, 29a, 32a, 32b, 802 ZPO – nur bei besonderen Schutzinteressen). Man hat den Eindruck, dass hier der RefE Konzepte des FamFG auf ZPO-Verfahren überträgt. Missliche Folge ist, dass etwa der Gerichtsstand nach § 28 ZPO nicht mehr prorogiert werden kann.
Der Deutsche Notarverein schlägt daher Folgendes vor:
(1) Die Überschrift des Abschnitts 2 ist zu ändern in „Örtliche Zuständigkeit“.
(2) Für die Nachlasssachen nach der ErbVO, die unter § 342 FamFG fallen, einschließlich der Verfahren nach Art. 62-73 ErbVO, ist auf §§ 343 und 344
FamFG zu verweisen.
(3) Für die übrigen unter die ErbVO fallenden Rechtssachen, d. h. insbesondere für Streitsachen mit erbrechtlichem Bezug, ist ein besonderer Gerichtsstand entsprechend §§ 27, 28 ZPO zu schaffen, der ggf. anstelle des Wohnsitzes an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers anknüpft. Dies scheint auch bei der Klage auf Herausgabe aufgrund eines Vindikationslegats oder einer dinglich wirksamen Teilungsanordnung sachgerechter als der ausschließliche Gerichtsstand nach § 24 ZPO, da so schwierige Abgrenzungs- und Qualifikationsfragen bei erbrechtlichen Gestaltungen nach ausländischem Recht vermieden werden können.
(4) Soweit in den Fällen oben Nr. 2 und 3 das AG Schöneberg zuständig ist, ist mindestens eine Regelung entsprechend § 343 Abs. 2 Satz 2 FamFG vorzusehen, wobei als ein wichtiger Grund insbesondere die größere Sachnähe des Gerichts, an das verwiesen wird, anzusehen ist. Vorzugswürdig ist in Streitsachen eine Verweisung auf Antrag einer Partei an das Gericht, das bei reinen Inlandssachverhalten sachlich und örtlich zuständig wäre.
(5) In § 343 FamFG sollte einerseits der bisherige § 343 Abs. 2 Satz 2 FamFG
übernommen werden. Der § 343 Absatz 2 FamFG i. d. F. des Referentenentwurfs könnte dann entfallen. Für die Festlegung der örtlichen Zuständigkeit sollte ferner eine Vermutung aufgenommen werden, dass der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers dort anzunehmen ist, wo er seinen letzten Wohnsitz hatte.
Art. 1 § 2 des RefE könnte daher wie folgt gefasst werden.
„§ 2
Örtliche Zuständigkeit
1. Ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus der Verordnung (EU) Nr. 650/2012, so gilt:
a) Für Verfahren nach Art. 62 bis 73 dieser Verordnung und für Nachlasssachen im Sinne des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergibt sich die örtliche Zuständigkeit aus den Vorschriften des vorgenannten Gesetzes.
b) Für die übrigen Verfahren nach dieser Verordnung ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten inländischen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Fehlt es an einem solchen, ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin örtlich zuständig. Auf Antrag einer Partei hat es das Verfahren an das Gericht zu verweisen, das nach § 23 der Zivilprozessordnung zuständig wäre.
2. Eine Zuständigkeit aufgrund einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung bleibt unberührt.“
§ 343 FamFG (Art. 11 Nr. 2 RefE) könnte wie folgt gefasst werden.
„§ 343
Örtliche Zuständigkeit
(1) Örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
(2) Hatte der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin zuständig. Es kann die Sache aus wichtigen Gründen, insbesondere wegen der Belegenheit von Nachlassvermögen, an ein anderes Gericht verweisen.
(3) Zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit wird vermutet, dass der Erblasser an seinem letzten Wohnsitz auch seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.“
Wird dieser Absatz 3 aufgenommen, so steht einer Folgeänderung von „Wohnsitz“ in „gewöhnlichen Aufenthalt“ in § 344 Abs. 4a und Abs. 7 FamFG nichts entgegen.
2. Art. 1 § 23 RefE
Zu Recht lässt der RefE als Rechtsbehelf im Sinne des Art. 50 ErbVO auch die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO zu. Ausschließlich (§ 802 ZPO) zuständig hierfür ist das Prozessgericht des ersten Rechtszugs. Das könnte in Widerspruch mit den Zuständigkeiten nach Art. 59 Abs. 2 und Abs. 3 ErbVO geraten, wenn z. B. eine Einwendung gegen die Vollstreckung aus einer notariellen Urkunde mit dem Inhalt erhoben wird, dass diese nicht echt oder dass das dort beurkundete Rechtsgeschäft unrichtig wiedergegeben sei.
Ohnedies müsste auch einstweiliger Rechtsschutz gegen die Vollstreckung möglich sein. Jeder sachkundige Rechtsanwalt stellt in der Klageschrift nach § 767 ZPO einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung.
Wahrscheinlich sind Fragen nach Zulässigkeit und Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes im Geltungsbereich der ErbVO über den Vollstreckungsschutz hinaus ohnehin noch einmal gesondert zu prüfen.
3. Art. 1 § 31 RefE
Die Arbeitsgruppe des Deutschen Notarvereins hat sich mit der Frage befasst, wie der Notar zu verfahren hat, der die Erbausschlagung einer Person mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inhalt beglaubigt hat. Wegen Art. 28 lit. b) ErbVO i. V. m. § 1945 Abs. 1 BGB muss diese Erklärung wohl an das für den Ausschlagenden örtlich zuständige Nachlassgericht weitergeleitet werden.
Zur Entgegennahme der Ausschlagungserklärung ergibt sich eine ungelöste Diskrepanz zu § 344 Abs. 7 FamFG. Hat der Erbfall internationalen Bezug, muss die Erklärung nach § 31 RefE beim Gericht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Erklärenden eingereicht werden. In anderen Fällen müsste dies nach dem FamFG aber das Gericht am Wohnort sein. Beide Begriffe können im Einzelfall auseinanderfallen. Vorzugswürdig erscheint uns für die örtliche Zuständigkeit einheitlich der Begriff des Wohnsitzes des Ausschlagenden, weil dieser schneller und eindeutiger feststellbar ist. Würde der Vorschlag zu oben 1. (neuer § 343 Abs. 3 FamFG) aufgegriffen, wäre auch dieses Problem gelöst.
Davon zu trennen ist die Frage, was der Ausschlagende nach dem anwendbaren Erbrecht vor der für das Nachlassverfahren zuständigen Stelle zu veranlassen hat. Hier empfiehlt sich ein klarstellender Satz in der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs. Zum einen sollte auf die Form dieser Bestätigung eingegangen werden. Reicht etwa ein Vermerk auf einer Abschrift der Ausschlagungserklärung aus oder empfiehlt sich (mit der Stellungnahme der Landesnotarkammer Bayern zum RefE an das Bayerische Staatsministerium der Justiz vom 8. Mai 2014, S. 3 unten f. – nachfolgend „Stellungnahme LNotK“) ein Hinweis auf die Notwendigkeit, diese Erklärung an die nach dem Erbstatut zuständige Stelle zu übermitteln.
4. Art. 1 § 34 RefE
Bei Übernahme des Vorschlags zu oben 1 kann § 34 entfallen. Dann könnte der Wortlaut des § 35 Abs. 1 zum neuen § 34 werden. Hier sollte der deutsche Gesetzgeber mutig genug sein, klarzustellen oder anzuordnen, dass das deutsche Nachlassgericht ein ENZ auch einziehen und eine derartige Anordnung mit den Zwangsmitteln des FamFG durchsetzen kann. Erkennt das Nachlassgericht kurz nach der Erteilung die Unrichtigkeit eines ENZ, macht ein bloßer Widerruf wenig Sinn, da der Inhaber der beglaubigten Abschrift bis zu deren Verfalldatum (Art. 70 Abs. 3 ErbVO) über Nachlassgegenstände verfügen kann, Art. 69 Abs. 2-5 ErbVO. Art. 71 ErbVO erscheint uns insoweit nicht abschließend.
Die Streichung des bisherigen § 34 macht zudem eine Übergangsvorschrift entbehrlich. Diese wäre erforderlich, da bis zum 31.12.2017 in Baden-Württemberg anstelle der nach dem Wortlaut des RefE ausschließlich sachlich zuständigen Amtsgerichte die dortigen Notariate für Nachlasssachen zuständig sind.
Andernfalls müssten in den Übergangsvorschriften die §§ 486, 487 FamFG auf diesen Fall erweitert werden.
5. Art. 1 § 35 RefE
In § 35 Abs. 2 ist nur der fremdsprachige Antrag geregelt. Hier geht die Kann-Bestimmung an der Sache vorbei, denn kaum je wird das Gericht in der Lage sein, einen fremdsprachigen Antrag sachgerecht auszulegen. Man sollte es bei der Grundregel des § 184 GVG belassen.
Ungleich praxisrelevanter, aber ungeregelt sind fremdsprachige Anlagen zum Antrag, z. B. Personenstandsurkunden. Hier wäre die Kann-Ausnahme viel wichtiger.
Absatz 2 erscheint daher in seiner jetzigen Form verzichtbar. Als Ermunterung an die Gerichte könnte man stattdessen Folgendes vorsehen:
„Sind einzureichende Unterlagen, insbesondere Urkunden, entgegen § 184 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht in deutscher Sprache abgefasst, so kann das Gericht von der Vorlage einer Übersetzung absehen, wenn es selbst über hinreichende Sprachkenntnisse verfügt.“
In Absatz 3 erscheint Satz 2 verzichtbar. Der praktische Wert eines Aushangs in englischer Sprache ist begrenzt, da außerhalb des englischen Sprachraums, in dem die ErbVO ohnedies nicht gilt, nur eine Minderheit der potenziell Beteiligten über hinreichende englische Sprachkenntnisse verfügt.
6. Art. 1 § 37 RefE
Hier empfiehlt sich ein möglichst enger Gleichlauf mit § 345 FamFG. Insbesondere sollten im Verfahren über die Ausstellung eines ENZ aufgrund testamentarischer Erbfolge auch die gesetzlichen Erben beteiligt werden. § 345 Abs. 1 Nr. 1 FamFG sieht das ausdrücklich so vor, § 37 hingegen nicht. Es sollte daher klargestellt werden, dass § 37 Abs. 1 den Kreis der Beteiligten nach § 345 FamFG erweitert und nicht beschränkt. Zu bewerkstelligen wäre dies durch Einfügung des Wortes „auch“ nach „sind“ in Absatz 1 Satz 1.
7. Art. 1 § 45 RefE
Die Regelung der ErbVO zur „Annahme“ ausländischer Urkunden eröffnet Erbprätendenten, die sich aus taktischen Gründen gegen die Erteilung eines ENZ oder Erbscheins wenden, erhebliche verfahrensrechtliche Verzögerungsmöglichkeiten und schafft damit sogar Potenzial für Erpressung, sich entsprechende Einwendungen „abkaufen“ zu lassen (im Wirtschaftsrecht unter dem Begriff Italian torpedo bekannt). Die Aussetzung des Verfahrens nach § 45 IntErbRVG stellt für einen „räuberischen Erbprätendenten“ einen wichtigen Etappensieg dar. Sie sollte daher die Ausnahme bleiben. Wünschenswert erscheint uns daher eine Klarstellung – z. B. in der Gesetzesbegründung – dahingehend, dass bei Vorlage anderer Beweismittel das Verfahren weitergeführt werden kann. Zum Beispiel kann anstelle einer dreißig Jahre alten – bestrittenen – Personenstandsurkunde die Vorlage einer neuen, durch die zuständige Behörde ausgestellten inhaltsgleichen Urkunde oder eine Versicherung an Eides statt in Betracht kommen.
8. Art. 1 § 46 RefE
Nach § 46 RefE liegt die Zuständigkeit für die Entscheidung über Einwände gegen die Authentizität einer Urkunde bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk die Urkunde errichtet wurde. Dies kann bei notariellen Urkunden zu Problemen führen, zum einen da der Amtsbereich des Notars (§ 10a BNotO) nicht notwendigerweise deckungsgleich mit dem Amtsgerichtsbezirk ist (§ 10a Abs. 1 Satz 2 BNotO), zum anderen weil der Notar unter den Voraussetzungen der §§ 10a Abs. 2 und 3 sowie 11 BNotO zu Beurkundungen außerhalb seines Amtsbezirks befugt ist. Zudem schreibt das Beurkundungsgesetz in § 9 Abs. 3 den Ort der Errichtung der Urkunde nur als Soll-Bestimmung vor.
Sinnvoll erscheint es hier, die Zuständigkeit für Authentizitätsfragen notarieller Urkunden dem für den Amtssitz (§ 10 BNotO) zuständigen Gericht zuzuweisen.
9. Art. 6 RefE
In § 35 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 und Abs. 2 GBO sollten ebenfalls noch die Worte „oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses“ eingefügt werden (siehe u. a. Art. 63 Abs. 1 und 2 lit. (c) ErbVO). Insoweit könnte ein Redaktionsversehen vorliegen.
10. Art. 11 Nr. 3 RefE
a) Angaben beim Erbscheinsantrag
In § 352 Abs. 1 Nr. 7 FamFG i. d. F. von Art. 11 Nr. 3 RefE könnte Nr. 7 wie folgt gefasst werden:
„7. die Größe seines Erbteils, soweit erforderlich.“
Damit wäre ein Widerspruch zu § 352a Abs. 2 Satz 2 FamFG i. d. F. des RefE vermieden.
Erwägenswert erscheint weiter, als mögliche Pflichtangaben beim Erbscheinsantrag den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers am Todestag und seine Staatsangehörigkeit aufzunehmen. Ersteres erleichtert die Prüfung der Zuständigkeit im Rahmen der Zulässigkeit des Antrags. Letzteres empfiehlt sich schon mit Blick auf die bestehenden (und weiter geltenden) Konsularabkommen mit der Türkei, dem Iran und den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion und erleichtert die Prüfung einer etwaigen Rechtswahl. Insoweit verweisen wir auch auf die Stellungnahme des Bundes Deutscher Rechtspfleger zum RefE vom 24. Mai 2014, S. 2 unten.
b) Beweismittel
§ 352 Abs. 3 Satz 2 FamFG i. d. F. des RefE sollte wie folgt lauten:
„Ist der Nachweis durch öffentliche Urkunden nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu beschaffen, so genügt die Angabe anderer Beweismittel; das Gericht kann den Antragsteller auch zur Versicherung an Eides statt vor Gericht oder vor einem Notar zulassen.“
Damit wäre klargestellt, dass insbesondere bei einem rechtsmissbräuchlich eingeleiteten Verfahren nach Art. 59 Abs. 2 und 3 ErbVO durch einen Erbprätendenten das Nachlassgericht auf andere Beweismittel zurückgreifen kann und das Verfahren nicht nach § 45 IntErbRVG i. d. F. von Art. 1 des RefE aussetzen muss. Die Verdeutlichung, dass hinter den Beweisregeln des § 352 Abs. 3 FamFG dessen § 26 steht, erscheint in besonderem Maße geeignet, die Vorteile des flexiblen deutschen Erbscheinsverfahrens hervorzuheben. Die vorgeschlagene Klarstellung stärkt daher den Erbrechtsstandort Deutschland. Insbesondere sollte den Beteiligten die Möglichkeit eröffnet werden, wie bisher eine mit Apostille versehene ausländische öffentliche Urkunde einzureichen, um Verfahrensverschleppungen durch Anträge nach Art. 59 Abs. 2 und 3 ErbVO entgegenzuwirken.
c) Erhalt des Fremdrechtserbscheins
Unter anderem aus demselben Grund spricht sich der Deutsche Notarverein mit Nachdruck dafür aus, das Institut des Fremdrechtserbscheins/des Fremdrechtstestamentsvollstreckerzeugnisses zu erhalten. Hierzu dürfen wir vier Argumente anführen.
aa) Vereinigungsbedingte Erbfälle
Der Fremdrechtserbschein bleibt notwendig, um innerdeutsche (vereinigungsbedingte) Fälle der Nachlassspaltung zu lösen (vgl. etwa BGH v. 4.10.1995, IV ZB 5/95, BGHZ 131, 22-32 = FamRZ 1995, 1567 ff. = IPrax 1997, 41 = ZIP 1995, 1775 ff. bei Tz. 30). Es steht zu erwarten, dass solche Fälle uns auch noch in Jahrzehnten beschäftigen werden.
bb) Kein gegenständlich beschränktes ENZ möglich
Hinzukommt, dass ein gegenständlich beschränktes ENZ nicht vorgesehen ist. Misslich ist dies insbesondere dann, wenn es z. B. nur um den Nachweis der Verfügungsbefugnis eines Testamentsvollstreckers geht.
Hierzu ein Fall aus der Praxis des Unterzeichners:
Beispiel:
Der Erblasser, ungarischer und britischer Staatsangehöriger, verstirbt mit letztem Wohnsitz in Schottland. Einen Wohnsitz in Deutschland hatte er nie. In seinem handschriftlichen „Last Will and Testament“ nach schottischem Recht hat er u. a. einen Executor eingesetzt. Dieser stellt fest, dass zum Nachlass noch zwei Bankguthaben in Deutschland gehören.
Um über die Bankguthaben verfügen zu können, bedarf es nur eines Testamentsvollstreckerzeugnisses, bezogen auf das in Deutschland belegene Vermögen in Anwendung schottischen Rechts. Ein Erbschein ist hier gar nicht erforderlich. Das ENZ wäre viel zu aufwendig und zu teuer. Im konkreten Fall betrugen die Kosten bei Notar und Nachlassgericht (nach Kostenordnung) rund € 400 brutto, zuzüglich der Kosten der Beurkundung des vom Notar erstellten Entwurfs beim Deutschen Generalkonsul in Schottland. Maßgeblich war nur der Wert der deutschen Bankguthaben, nicht (wie bei einem ENZ) der Gesamtwert des Nachlasses, vgl. auch § 40 Abs. 3 GNotKG.
cc) Vertrauen des Auslands in den deutschen Erbschein
Wir gehen weiter davon aus, dass das Vertrauen des Auslands in den deutschen Erbschein, das bislang in diesen gesetzt wurde, auch künftig die Abwicklung von Erbrechtsfällen im Ausland, insbesondere außerhalb der EU, sehr erleichtern wird. Anerkannt wird der deutsche Erbschein z. B. in der Schweiz, Österreich, Luxemburg, Frankreich und Spanien.
dd) Zweckmäßigkeit, Verlässlichkeit von Grundbuch- und Handelsregister
Vor allem aber ist der Fremdrechtserbschein bei inländischem Vermögen ausländischer Erblasser mitunter zweckmäßiger als ein ENZ (siehe auch BT-Drucks. 16/6308, S. 349; an dem Bedürfnis des Fremdrechtserbscheins hat sich durch die ErbVO nichts geändert). Hierzu folgendes Beispiel:
Erblasser E (Deutsch-Rumäne) ist wieder nach Siebenbürgen verzogen, um dort seinen Lebensabend zu verbringen. Als er dort stirbt, stellt sich heraus, dass er in Deutschland noch einen Anteil an einem geschlossenen Fonds (KG) und ein Bankkonto besitzt. Allein aus diesem Grund die Erben des E zu verpflichten, in Rumänien ein ENZ zu beantragen, erscheint unangemessen. Mit einem Fremdrechtserbschein käme man erheblich schneller ans Ziel. Der Schwebezustand nach § 176 HGB sollte nicht übermäßig lange dauern.
Insbesondere wenn der Staat aus öffentlichem Interesse für bestimmte Verfahren, wie z. B. im Grundbuch und im Registerrecht, einen Erbnachweis durch öffentliche Urkunde verlangt, muss er unseres Erachtens auch ein inländisches Verfahren zur Verfügung stellen, um diesen Nachweis schnell (!) erbringen zu können. Die Beteiligten auf ein ausländisches Verfahren zu verweisen, dessen Dauer und Kosten heute noch völlig unklar sind, erscheint uns nicht zumutbar.
ee) Fazit
Im Gegensatz zur Begründung des Gesetzentwurfs ist dabei der DNotV – mit der wohl ganz überwiegenden Zahl der bereits veröffentlichten Literatur, wie auch der uns bekannten in Arbeit befindlichen Kommentare – der Meinung, dass der Beibehaltung des Fremdrechtserbscheins die ausschließlichen Zuständigkeitsvorschriften der ErbVO nicht entgegenstehen. Insbesondere ist der Erbschein – wie der Vergleich mit dem ENZ zeigt, für das es eine eigene Zuständigkeitsregel in Art. 64 ErbVO bedarf – nicht als „Entscheidung“ im Sinne der Art. 4 ff. ErbVO anzusehen. Dies kommt auch in den Erwägungsgründen 67 und 69 zum Ausdruck.
Es sollte daher eine Zuständigkeit des im Inland belegenen Vermögens für die Fälle beibehalten werden, in denen der Erblasser bei seinem Tod keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland mehr hatte.
Mit diesem Petitum steht der Deutsche Notarverein nicht allein. Auch der Bund Deutscher Rechtspfleger stellt in seiner Stellungnahme vorrangig hierauf ab. Die Landesnotarkammer Bayern hat diesen Punkt noch eingehender begründet (Stellungnahme LNotK, Blatt 5 ff.); auf die Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
d) „Gegenständliche Erbeinsetzung“
Die Vorschrift des § 352a Abs. 2 Satz 2 FamFG i. d. F. des RefE begrüßen wir. Hier stellt sich allerdings das Problem, dass man bei einer Verfügung von Todes wegen, in der nur einzelne Gegenstände zugewandt werden können, erst deren Wert kennen muss, um überhaupt eine Aussage darüber machen zu können, ob der Empfänger der Zuwendung Erbe oder nur Vermächtnisnehmer ist.
Hierzu folgendes Beispiel:
Der Erblasser E verfügt in seinem Testament: „Mein Haus soll X bekommen, mein Geld Y.“
Daneben besitzt E noch einen Banksafe voller Goldbarren.
Denkbar ist:
a) Erben werden die gesetzlichen Erben, Haus und Geld sind nur vermacht.
b) Nur X ist Erbe.
c) X und Y sind Erben.
Nur im letzteren Fall greift § 352a Abs. 2 Satz 2 FamFG ein. Einen Antrag nach Auslegungsmöglichkeit c) kann man aber erst dann stellen, wenn man die ungefähren Werte von Haus, Geld und Gold kennt. Diese erfahren die Antragsteller aber nur, wenn ihnen die Bank Auskunft gibt. Das wird sie ohne Erbschein meist nicht tun. Die Erben und Vermächtnisnehmer müssten also nur deshalb eine Nachlasspflegschaft beantragen.
Hierfür benötigt die Praxis eine möglichst einfache Lösung. Diese könnte in einem gesetzlichen Auskunftsanspruch des Nachlassgerichts gegenüber den Besitzern von Nachlassgegenständen liegen.
11. Art. 13 Nr. 3 e) RefE
a) Verlautbarung einer Testamentsvollstreckung
Der Wert von 1.000 Euro in § 40 Abs. 6 GNotKG i. d. F. des RefE erscheint angesichts des damit verbundenen Prüfungsaufwands (u. U. Prüfung der Befugnisse eines TV nach ausländischem Recht durch das Nachlassgericht) als unvertretbar. Hier erscheint mindestens ein Wertzuschlag von 20 % entsprechend § 40 Abs. 5 GNotKG angemessen.
b) Verlautbarung von Vermächtnissen
Weiter ist der durchaus erhebliche Prüfungsaufwand des Nachlassgerichts nach Art. 68 lit. l) und lit. m) ErbVO kostenrechtlich noch nicht abgebildet. So muss etwa ein Vermächtnis, das in das ENZ aufgenommen wird, hinreichend bestimmt sein. Das wird z. B. bei einem ungarischen Grundstück nicht gerade einfach sein. Soweit hier nicht entsprechend § 40 Abs. 5 GNotKG ebenfalls mit einem Wertzuschlag gearbeitet wird, sollte insoweit zumindest auf den Schuldenabzug nach § 40 Abs. 1 Satz 2 GNotKG verzichtet werden.
c) Beurkundung und Entgegennahme einer Ausschlagung im Fall des § 31 IntErbRVG
Unklar ist die kostenrechtliche Behandlung von nach § 31 IntErbRVG entgegengenommenen Ausschlagungserklärungen. Welches deutsche Nachlassgericht erhebt die Gebühren für die Beurkundung von Ausschlagungen, wenn sich das eigentlich zuständige Nachlassgericht im Ausland befindet?
Nach § 18 GNotKG müsste das nach § 343 FamFG zuständige Gericht die Kosten für die Beurkundung einer Ausschlagungserklärung erheben. Ein solches Gericht ist in diesem Fall in Deutschland aber nicht vorhanden. Es sollte klargestellt werden, dass dann das Gericht, das die Ausschlagungserklärung beurkundet hat, die Kosten erhebt. Überdies ist zu überlegen, ob nicht in KV Nr. 12410 GNotKG ein Gebührentatbestand für die Entgegennahme einer Ausschlagungserklärung aufzunehmen ist, sofern das eigentliche Nachlassverfahren von einem ausländischen Nachlassgericht geführt wird.
d) Zulassung fremdsprachiger Urkunden bei Gericht
Die Zulassung fremdsprachiger Unterlagen durch das Gericht, sollte im Kostenverzeichnis zum GNotKG entsprechend abgebildet werden. Den Übersetzern sollte keine Konkurrenz aus der Justiz gemacht werden. Dies war auch mit ein Grund für den durch Nr. 26001 KV GNotKG geschaffenen notariellen Kostentatbestand.
12. Art. 15 Nr. 7 – EGBGB
a) Verhältnis zu den Konsularabkommen
Das Verhältnis zwischen der ErbVO und bestehenden bilateralen Abkommen ist ungeklärt. Das betrifft insbesondere die Konsularverträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei, der Russischen Föderation und der Islamischen Republik Iran. Aufgrund dieser Abkommen kann es noch zu Nachlassspaltungen kommen.
Beispiel:
Ein türkischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Deutschland hat Grundbesitz in Deutschland und in der Türkei. Er verstirbt. Hier wird hinsichtlich der Grundstücke jeweils die lex rei sitae, d. h. teils deutsches, teils türkisches Erbrecht, angewandt. Hat der Erblasser hingegen seinen letzten Wohnsitz in Frankreich, gilt jedenfalls für den deutschen Grundbesitz umfassend französisches Erbrecht.
Art. 3 Nr. 2 EGBGB lässt diese Abkommen unberührt. Die bilateralen Staatsverträge werden jedoch zu Problemen führen, da diese Systeme nicht zu der ErbVO passen.
Darf z. B. bzgl. eines türkischen Erblassers mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland ein ENZ erteilt werden? Dies ist wohl zu bejahen, da der deutsch-türkische Konsularvertrag insoweit keine vorrangigen Regelungen enthält. Der Inhalt des ENZ ergäbe sich allerdings nicht aus der ErbVO, sondern aus dem deutsch-türkischen Nachlassabkommen. Wäre dies zulässig? Dürfte ein ENZ eines anderen Mitgliedstaates, das für einen türkischen Erblasser ausgestellt wurde, in Deutschland anerkannt werden, obwohl es inhaltlich gegen das deutsch-türkische Nachlassabkommen verstößt?
Wegen dieser Probleme wäre eine Kündigung des deutsch-türkischen Nachlassabkommens – soweit dies aus diplomatischen Gründen umsetzbar ist – erwägenswert. Das Inkrafttreten der ErbVO könnte als einmaliger Anlass für die Kündigung genommen werden. Da türkische Staatsangehörige mit Abstand die größte ausländische Bevölkerungsgruppe in Deutschland darstellen, hätte dies große Erleichterungen für die Praxis zur Folge. Auch aus Gründen der Integration erscheint eine Andersbehandlung türkischer Erblasser nicht mehr zeitgemäß.
Wegen der mit einer Kündigung verbundenen schädlichen Wirkungen auf das politische Klima zwischen Deutschland und der Türkei befürwortet der Deutsche Notarverein allerdings eher die Aufnahme von Verhandlungen zwischen Deutschland (am besten zwischen allen EU-Mitgliedstaaten, in denen die ErbVO gilt) und der Türkei mit dem Ziel, das bestehende Konsularabkommen, in Bezug auf das Kollisionsrecht und die Möglichkeiten einer Rechtswahl, mit der ErbVO zu harmonisieren.
Eine Kündigung bzw. ein Nachverhandeln der Staatsverträge mit dem Iran und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion erscheint ebenfalls erwägenswert. Gerade im Verhältnis zur Russischen Föderation könnte darüber hinaus daran gedacht werden, die nachteiligen Folgen des dort geltenden wandelbaren Güterrechtsstatuts für die Aussagekraft der deutschen Register (Grundbuch, Gesellschafterliste etc.) abzumildern.
b) Nr. 7 (Überleitungsvorschrift)
Das alte Verfahrensrecht bleibt bzgl. Erbscheinsverfahren für Erblasser, die vor dem 17. August 2015 verstorben sind, weiterhin gültig. Ob dies sinnvoll ist, erscheint zweifelhaft, da „Altfälle“ noch recht häufig auftauchen werden. Auf die Ausführungen oben unter 10. („DDR-Fälle“) wird hingewiesen. Altfälle sind aber auch sonst in der notariellen und gerichtlichen Praxis nicht gerade selten. Teilweise werden erst vierzig Jahre nach dem Erbfall noch Erbscheinsverfahren durchgeführt.
Hierfür müsste das alte Verfahrensrecht angewandt werden, was die Praxis vor große Probleme stellen dürfte.
Üblicherweise gelten für neu eingeleitete Verfahren die neuen Verfahrensvorschriften (so z. B. bei Einführung des FamFG). Dies hat sich in der Praxis bewährt.
Zudem führt die Übergangsvorschrift in ihrer jetzigen Fassung zu einem gespaltenen Verfahrensrecht. Wenn z. B. nach dem 16. August 2015 in einem „Altfall“ ein Erbschein und ein Testamentsvollstreckerzeugnis beantragt werden, wären ggf. zwei unterschiedliche Gerichte zuständig (wenn Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt verschieden sind oder bzgl. des AG Schöneberg). In jedem Fall wären für die Verfahren unterschiedliche Verfahrensvorschriften anzuwenden.
Der Deutsche Notarverein schlägt daher vor, dass das bisherige Recht nur auf solche Nachlasssachen Anwendung findet, die vor dem 17. August 2015 beim Nachlassgericht anhängig geworden sind.
13. Art. 16 RefE
Zu den Änderungen des BGB dürfen wir einen Änderungs- und zwei Ergänzungsvorschläge unterbreiten.
a) Guter Glaube an das Testamentsvollstreckerzeugnis
Im Gegensatz zum guten Glauben an den Erbschein wird der gute Glaube an das Testamentsvollstreckerzeugnis nicht geschützt. Auch § 172 BGB ist weder unmittelbar noch analog anwendbar.
Das wird der gestiegenen Bedeutung der Testamentsvollstreckung gerade bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nicht gerecht. Die rechtsvergleichend außerordentlich großen Gestaltungsspielräume gerade des deutschen Erbrechts im Recht der Testamentsvollstreckung werden so nicht hinreichend genutzt.
Wir schlagen daher zu Art. 16 Nr. 5 RefE vor, in § 2368 Satz 2 BGB das Semikolon durch einen Punkt zu ersetzen und den Halbsatz „mit der Beendigung … kraftlos“ zu streichen.
Dann würde klargestellt, dass der gute Glaube an den Fortbestand des Amts des Testamentsvollstreckers erst mit der Rückgabe bzw. der Einziehung/Kraftloserklärung des Zeugnisses erlischt. Damit ist ein Gleichlauf beider Verfahren hergestellt, was der Vereinfachung dient. Zum anderen wird das Vertrauen des Rechtsverkehrs in das Handeln des Testamentsvollstreckers geschützt, da damit die §§ 2365-2367 BGB entsprechend gelten. Die gerade bei Auslandsvermögen so zweckmäßige Testamentsvollstreckung nach deutschem Recht würde somit erheblich gestärkt und damit die Attraktivität des deutschen Erbrechts insgesamt.
Allerdings muss bei der Testamentsvollstreckung – im Gegensatz zum Erbschein – nicht zwingend die Einziehung des Zeugnisses für den Fall des Erlöschens des Amts des Testamentsvollstreckers vorgesehen werden. Erlischt die Testamentsvollstreckung z. B. durch Zeitablauf oder durch Tod des Testamentsvollstreckers, bedarf es der Einziehung des Zeugnisses nicht (unterstellt, im ersten Fall war die Befristung im Zeugnis verlautbart). Die zwingende Einleitung eines Einziehungsverfahrens würde hier eine unnötige Belastung der Nachlassgerichte darstellen. § 354 FamFG könnte ein denkbarer Standort einer Regelung sein, wonach die Einziehung eines unrichtigen Testamentsvollstreckerzeugnisses vom Nachlassgericht veranlasst werden „kann“.
b) Erweiterung der erbvertraglichen Bindung bzw. der Wechselbezüglichkeit
Gerade bei Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten ist die Wahl deutschen Rechts bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen schon jetzt ein häufiges Gestaltungsmittel der Beteiligten. Im Hinblick auf die Risiken eines (unbewussten) Wechsels des anwendbaren Erbrechts bei einem Umzug ins Ausland wird die Rechtswahl zum deutschen Staatsangehörigkeitsrecht nach Art. 22 ErbVO künftig noch viel häufiger eingesetzt werden.
Ob eine solche Rechtswahl erbvertraglich vereinbart werden oder wechselbezüglich bindend erfolgen kann, ist nicht in der ErbVO geregelt, sondern ist nach herrschender Meinung vom gewählten Recht zu entscheiden. Eine Bindungswirkung nach §§ 2270 Abs. 3, 2278 Abs. 2 BGB wird von der wohl überwiegenden Meinung aber verneint. Der – eng auszulegende – Wortlaut der Vorschriften spricht dafür, dass die einer Erbeinsetzung, einem Vermächtnis oder einer Auflage vorgelagerte Entscheidung, nach welchem Recht diese Verfügung überhaupt getroffen wird, nicht an der Bindungswirkung teilnimmt. Zum Meinungsstand nehmen wir Bezug auf die Stellungnahme der LNotK (Teil C, Bl. 9 ff.) sowie die Ausführungen von Christoph Döbereiner in DNotZ 2014, 323 ff.
Die fehlende Bindungswirkung stößt nach unserer Erfahrung bei den von uns Beratenen auf Unverständnis. Deren Erwartungshaltung wird enttäuscht, wie folgendes Beispiel zeigt:
Beispiel:
Zwei jeweils in zweiter Ehe verheiratete deutsche Ehegatten errichten ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie deutsches Recht wählen und u. a. Vor- und Nacherbfolgen anordnen. Vorerbe wird der Überlebende, Nacherben des Erstversterbenden werden dessen Kinder aus erster Ehe. Hierzu verzichten sie gegenseitig auf ihr Pflichtteilsrecht. Damit ist sichergestellt, dass das jeweilige Vermögen jedes Ehegatten im Ergebnis nur dessen Kindern zugutekommt und nicht den Stiefkindern.
Später ziehen die Ehegatten nach Italien um, wo ein Ehegatte heimlich ein einseitiges Testament errichtet, in dem er seine Rechtswahl widerruft. Trotz der fortbestehenden Bindungswirkung des Art. 25 Abs. 2 oder 3 ErbVO ist der Inhalt der letztwilligen Verfügungen nun am italienischen Recht zu messen und kann der Pflichtteilsverzicht möglicherweise unwirksam werden. Dann aber kann das Gestaltungsziel nicht erreicht werden.
Eine vergleichbare Divergenz zwischen der Erwartungshaltung des Testators und der Rechtslage besteht bei der Testamentsvollstreckung. Auch diese nimmt de lege lata nicht an der Bindungswirkung teil. Oft jedoch geht der Wille der Testierenden dahin, dass die insoweit angeordnete Verfügungsbeschränkung von Erben und Vermächtnisnehmern nicht einseitig aufhebbar sein soll. Hierzu folgendes
Beispiel:
Zwei Ehegatten wollen die gemeinsamen Kinder zu Erben einsetzen, wobei der Längerlebende von ihnen vermächtnisweise den Nießbrauch an dem Nachlass des Erstversterbenden erhalten und zugleich zum Dauer-Testamentsvollstrecker bestimmt werden soll, um über einzelne Nachlassgegenstände verfügen zu können. Ohne die Verfügungsmöglichkeiten einer Testamentsvollstreckung wäre diese – im Vergleich zur Vor- und Nacherbschaft durchaus vorteilhafte – Lösung den Ehegatten aber zu unsicher.
Die zunehmende Bedeutung der Testamentsvollstreckung bei grenzübergreifenden Nachlässen wurde bereits angedeutet. Gerade wenn künftige Nachlassgegenstände im Vereinigten Königreich oder in den USA belegen sind, gehört die Testamentsvollstreckung jedenfalls insoweit zur notariellen best practice, geht doch das common law von ihr als Regelfall aus: Mit dem Erbfall erfolgt die transmission der estate an den executor, der diese dann unter den vom Testament Begünstigen verteilt. Doch auch bei Nachlässen in anderen Ländern erweist sich gerade die Testamentsvollstreckung nach deutschem Erbrecht oft als das Gestaltungsmittel der Wahl, etwa um unerfahrene Erben vor Übervorteilung oder (umgekehrt) den Nachlass vor „wohlstandsverwahrlosten“ Nachkommen zu schützen.
Die ErbVO überlässt es den einzelnen Mitgliedstaaten, die Reichweite der Bindung letztwilliger Verfügungen zu bestimmen. Der deutsche Gesetzgeber ist somit frei, §§ 2270 Abs. 3, 2278 Abs. 2 BGB zu ändern.
Der Deutsche Notarverein schlägt vor, § 2270 Abs. 3 BGB wie folgt zu fassen:
„(3) Auf andere Verfügungen als die Wahl des anwendbaren Erbrechts, Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und die Anordnung einer Testamentsvollstreckung findet die Vorschrift des Absatzes 1 keine Anwendung.“
Demgemäß sollte § 2278 Abs. 2 BGB wie folgt lauten:
„(2) Andere Verfügungen als die Wahl des anwendbaren Erbrechts, Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und die Anordnung einer Testamentsvollstreckung können vertragsmäßig nicht getroffen werden.“
Alternativ könnten die genannten Vorschriften einfach aufgehoben werden, so dass jede in einer Verfügung von Todes wegen nach deutschem Recht mögliche Anordnung mit Bindungswirkung getroffen werden könnte.
In einer Übergangsvorschrift wäre klarzustellen, dass eine Bindungswirkung der Rechtswahl/Testamentsvollstreckung nur Verfügungen von Todes wegen betrifft, die nach dem 16. August 2015 errichtet werden.
Die mögliche Bindung von Rechtswahl und Anordnung einer Testamentsvollstreckung bedeutet nicht, dass man solche Verfügungen in jedem Fall mit bindender Wirkung treffen muss. Sie erweitert nur den Gestaltungsspielraum der Erblasser. Denkbar erscheint insbesondere, Änderungsvorbehalte vorzusehen. Diese könnten z. B. die Person eines Testamentsvollstreckers vorsehen oder dem Überlebenden ein Zeitfenster eröffnen, innerhalb dessen er das Ende einer Testamentsvollstreckung verschieben kann (z. B. zwischen Vollendung des 22. und des 30. Lebensjahres des Erben, je nach dessen Reife). Denkbar erscheint auch, durch Änderungsvorbehalt eine begrenzte Rechtswahlmöglichkeit einzuräumen und insbesondere Rechtsordnungen mit gesetzlichem Noterbrecht hiervon auszunehmen.
c) § 1371 BGB
Schon in unserer Stellungnahme vom 19. Januar 2010 zum Entwurf der ErbVO hatte der Deutsche Notarverein eine Reform des § 1371 BGB angeregt. Die Vorschrift schafft vor allem im internationalen Rechtsverkehr wegen ihrer Vermengung von Erbrecht und Güterrecht nur Probleme.
Beispiel:
Der Österreicher M und die Deutsche F haben mit gemeinsamem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland geheiratet und keinen Ehevertrag geschlossen. Nachdem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach Österreich verlegt haben, stirbt M ohne Hinterlassung eines Testaments.
Nach dem anwendbaren österreichischen Erbrecht erbt F 1/3 des Nachlasses. Erhält sie nun nach dem anwendbaren deutschen Ehegüterrecht noch ein weiteres Viertel dazu (also zusammen 7/12) bzw. im Wege der Angleichung begrenzt auf einen Erbteil im Sinne des § 1931 BGB auf maximal 1/2 (= 6/12)? Auch die vergangenen Jahrzehnte haben nicht ausgereicht, diesen relativ einfachen Fall zu lösen; die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte kommt bisher zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen.
Noch unklarer wird die Situation nach Inkrafttreten der ErbVO: Ist es künftig überhaupt (entsprechend der bisherigen Rechtsprechung eines Teils der Oberlandesgerichte) noch zulässig, die Erbquote, die sich das nach dem anwendbaren ausländischen Erbrecht ergibt, durch nationales (Güter-)Recht zu ändern – was im Übrigen im ENZ ohnehin nicht ausgewiesen werden könnte. Und wenn dies nicht zulässig ist, welche Ersatzregelung sieht dann das deutsche Güterrecht als Ausgleich vor?
Spätestens die Umsetzung der noch im europäischen Gesetzgebungsverfahren befindlichen EU-Güterrechtsverordnung sollte für den deutschen Gesetzgeber Anlass sein, sich an § 1371 BGB „heranzuwagen“. Aus unserer Sicht könnte eine Lösung wie folgt aussehen:
- In § 1931 BGB wird der gesetzliche Erbteil des Ehegatten generell von ¼ auf ½ erhöht.
- Im Ehegüterrecht bekommt der Ehegatte die Möglichkeit, das Erbe auszuschlagen und stattdessen den Ausgleich des Zugewinns zu verlangen. Gleiches sollte in den Fällen der §§ 2305, 2306 BGB gelten.
Alternativ könnte klargestellt werden, dass § 1371 Abs. 1 BGB nur Anwendung findet, wenn auch deutsches Erbrecht gilt. Ist dies nicht der Fall, müsste Abs. 2 in der Weise ergänzt werden, dass dann der deutsche Zugewinnausgleich neben der gesetzlichen Erbquote des ausländischen Rechts in Geld zusätzlich verlangt werden kann.
14. Begründung Seite 44
Die dort genannte EU-Verordnung („Brüssel-I VO“) ist neu gefasst durch Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 vom 12.12.2012, ABl. EU Nr. L 351, S. 1. Das Zitat sollte daher berichtigt werden.
Mitglieder der Arbeitsgruppe:
Notarvertreterin Franziska Beller
Notar Dr. Felix Odersky
Bezirksnotar Christian Rupp
Bezirksnotar Daniel Schaal
Notarin Cornelia Schmellenkamp
Notar Michael Volmer
Notar Dr. Oliver Vossius
Notarassessor Dr. Johannes Weber